© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 079/20 Alternativen zum ehelichen Notvertretungsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 2 Alternativen zum ehelichen Notvertretungsrecht Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 079/20 Abschluss der Arbeit: 31. August 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Ausgangslage 5 2.1. Vertretung bei Handlungsunfähigkeit 5 2.2. Verfahren der Eheschließung 6 3. Alternative Konzepte zu einem ehelichen Notvertretungsrecht 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 4 1. Einleitung Infolge eines Unfalls oder Krankheit kann es vorkommen, dass ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. In solchen Situation können jedoch eine Vielzahl von rechtserheblichen Entscheidungen zu treffen sein, etwa im Bereich der Gesundheit oder des Vermögens der Betroffenen. Dementsprechend stellt sich die Frage, wer solche Entschlüsse für die handlungsunfähige Person trifft. Anders als andere europäische Rechtsordnungen kennt das deutsche Recht bisher keine gesetzlich angeordnete oder vermutete Vertretungsbefugnis von Eheleuten, naher Angehöriger oder sonstiger Personen in medizinischen Notsituationen.1 Die Einführung eines Notvertretungsrechts zwischen Ehegatten war allerdings in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand rechtswissenschaftlicher Debatte und gesetzgeberischer Initiative.2 Im Juni dieses Jahres hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf für eine Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vorgelegt, der unter anderem mit § 1358 BGB-E ein eheliches Notvertretungsrecht vorsieht.3 Die Regelung ist seit langem umstritten; teilweise wird sie unter Hinweis auf den Schutz der Patientenautonomie in Gänze abgelehnt.4 Vor diesem Hin- 1 Zur diesbezüglichen rechtlichen Situation in Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union (EU) bereits Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Vertretungsbefugnis von nahen Angehörigen bzw. Ehegatten – Rechtliche Situation in EU-Staaten, Sachstand vom 31. Mai 2016, Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 038/16 abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/436866/63269820099a0700808d54f74455b056/WD-7-038-16-pdfdata .pdf (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 31. August 2020). 2 Vergleiche etwa Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 12. Februar 2004, BT-Drs. 15/2494, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/15/024/1502494.pdf; Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten vom 30. November 2016, BT-Drs. 18/10485, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/104/1810485.pdf. Siehe für Initiativen aus der Rechtswissenschaft etwa Probst/Knittel, Gesetzliche Vertretung durch Angehörige – Alternative zur Betreuung?, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2001, S. 5; Diekmann, Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten – Modell eines dreigliedrigen Vertretungssystems, Dissertation 2009, S. 108 ff. 3 Art. 1 Nr. 7 Referentenentwurf des BMJV für ein Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (Stand: 23. Juni 2020), abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente /RefE_Vormundschaft_Betreuungsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 4 Vergleiche zum Bundesratsentwurf 2004 (Fußnote 2) bereits Protokoll der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 2004, abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/0825/parlament/gremien15/a06/Unterlagen_oeffentliche_Anhoeru ngen/Betreuungsrecht_1__Teil/s_protokoll.pdf; zum Bundesratsentwurf 2016 (Fußnote 2) etwa Stellungnahme der Deutsche[n] Stiftung Patientenschutz vom 8. März 2017, S. 3, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/496402/188bfe89266c259a3f3e6ed2dc0b86c8/eberle-data.pdf; zum Referentenentwurf 2020 (Fußnote 3) beispielsweise Stellungnahme der Bundesdirektorenkonferenz – Verband leitender Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK) e. V. vom 7. August 2020, S. 1 ff., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2020/Downloads/080720_Stellung nahme_BDK_RefE_Vormundschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 5 tergrund wird nachfolgend der Frage nachgegangen, welche Alternativen zum ehelichen Notvertretungsrecht – insbesondere auch solche, die bereits bei der Eheschließung ansetzen – erörtert wurden beziehungsweise aktuell in der Diskussion stehen. 2. Rechtliche Ausgangslage 2.1. Vertretung bei Handlungsunfähigkeit Die Befugnis, für Handlungsunfähige rechtserhebliche Entscheidungen zu treffen, hängt nach aktueller Rechtslage maßgeblich von der eigenen Vorsorge ab: Das wohl wichtigste Auswahlinstrument der Betroffenen stellt die Vorsorgevollmacht dar. Dort legen die zu Vertretenden noch zu Zeiten bestehender Geschäftsfähigkeit durch Erteilung einer Vollmacht fest, wer sie wann und in welchem Umfang bei Rechtsgeschäften (z. B. Vertragsschluss oder -kündigung) beziehungsweise sonstigen Handlungen (z. B. notwendige Einwilligung in medizinische Maßnahmen) vertreten soll.5 Falls eine solche Vollmacht nicht existiert oder unwirksam ist, ist bei medizinischer Unfähigkeit der Besorgung der eigenen Angelegenheiten die gerichtliche Bestellung einer Betreuerin oder eines Betreuers notwendig.6 Dies soll nach Möglichkeit eine Person mit verwandtschaftlicher oder sonstiger persönlicher Bindung sein; letztlich steht dies jedoch im gerichtlichen Ermessen.7 Auch können die Betroffenen selbst durch eine Betreuungsverfügung noch im Zustand ihrer Geschäftsfähigkeit oder auch noch im Betreuungsverfahren einen Vorschlag unterbreiten, dem nur ausnahmsweise nicht zu entsprechen ist.8 Die Bundesnotarkammer führt als Registerbehörde ein automatisiertes elektronisches Register über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen („Zentrales Vorsorgeregister“).9 Die plan- 5 Nähere Informationen zur Vorsorgevollmacht bei Schneider, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch , § 1896 BGB, Randnummern 50 ff. 6 § 1896 Abs. 1, 2 Satz 2 BGB. In Eilfällen kann dies auch einstweilig geschehen (§ 300 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. 2008 I S. 2586), zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien vom 19. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 541), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/) oder das Betreuungsgericht trifft selbst Entscheidungen für den Betroffenen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1846 BGB). 7 § 1896 Abs. 5, 6 BGB. 8 § 1897 Abs. 4 BGB. 9 § 78a Bundesnotarordnung (BNotO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 1961 (BGBl. 1961 I S. 97), zuletzt geändert durch Art. 12 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 30. November 2019 (BGBl. 2019 I S. 1942), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bnoto/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 6 mäßige Information über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen ist eine von mehreren gesetzlichen Kernaufgaben von Betreuungsvereinen.10 Bei der Errichtung von Vorsorgevollmachten dürfen diese darüber hinaus auch Einzelberatung anbieten.11 2.2. Verfahren der Eheschließung Im Rahmen der Eheschließung findet keine Abfrage statt, ob dem einen Ehepartner eine Entscheidungsbefugnis für die Angelegenheiten des anderen in Notfällen zugesprochen werden soll. Die erforderlichen Angaben beschränken sich stattdessen auf Dinge, die zum Schluss einer Ehe rechtlich notwendig sind. Den Eheleuten überlassene Aspekte der inhaltlichen Ausgestaltung der Ehe finden in diesem Stadium keine Berücksichtigung.12 Die persönlichen Voraussetzungen, um eine Ehe eingehen zu können, sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ebenso wie die Rechtsfolgen bei Missachtung geregelt.13 Während auch der eigentliche Akt der Eheschließung im BGB geregelt ist,14 finden sich nähere Verfahrensformalitäten im Personenstandsgesetz (PStG),15 das wiederum durch die Personenstandsverordnung (PStV) näher ausgestaltet ist.16 Zum 31. Dezember 2019 waren im Zentralen Vorsorgeregister ca. 4,6 Millionen Vorsorgeverfügungen registriert, bei einem Zuwachs von knapp 400.000 im Jahr 2019 (Bundesnotarkammer, Zentrales Vorsorgeregister – Jahresbericht 2019, abrufbar unter: https://www.vorsorgeregister.de/fileadmin/user_upload_zvr/Dokumente/Jahresberichte _ZVR/2019-JB-ZVR.pdf. 10 § 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB. 11 § 1908f Abs. 4 BGB. 12 So können Ehepaare etwa frei wählen, in welchem Güterstand sie leben möchten. Während das Gesetz von einer Zugewinngemeinschaft ausgeht (§ 1363 Abs. 1 BGB), können durch Ehevertrag (§§ 1408 ff. BGB) andere Regelungen , beispielsweise Gütertrennung (§ 1414 BGB) oder Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) vereinbart werden . Diese Wahlfreiheit entfaltet für den Schluss der Ehe als solchen jedoch keine Bedeutung. 13 §§ 1303 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. 2002 I S. 42, berichtigt S. 2909 und 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser vom 12. Juni 2020 (BGBl. 2020 I S. 1245), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. 14 §§ 1310 ff. BGB. 15 §§ 11 ff. Personenstandsgesetz (PStG) vom 19. Februar 2007 (BGBl. 2007 I S. 122), zuletzt geändert durch Art. 88 Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. 2020 I S. 1328). 16 Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung – PStV) vom 22. November 2008 (BGBl. 2008 I S. 2263), zuletzt geändert durch Art. 88 Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. 2020 I S. 1328). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 7 Für eine Eheschließung ist zunächst eine Anmeldung bei einem Standesamt erforderlich.17 Dort haben die Eheschließenden durch öffentliche Urkunden belegte, für die Wirksamkeit der Ehe relevante Angaben zu machen (z. B. Personenstand, vorherige Ehen).18 Auch im weiteren Verlauf unter Umständen geforderte Angaben beziehen sich lediglich auf die Feststellung von Ehehindernissen , etwa das Eingehen einer bloßen „Scheinehe“ statt des tatsächlichen Willens zur Eingehung der ehelichen Gemeinschaft.19 Nichts anderem als der abschließenden Feststellung der Ehevoraussetzungen dient schließlich auch die im Rahmen der Trauung erneut vom Standesbeamten durchzuführende Vergewisserung, dass sich seit der Anmeldung keine Änderungen ergeben haben .20 In Konsequenz finden sich auch im vom Standesamt zu führenden Eheregister keine Angaben zur Ausgestaltung der Ehe.21 3. Alternative Konzepte zu einem ehelichen Notvertretungsrecht Eine Recherche zum Diskussionstand hat ergeben, dass das Thema unter anderem im Zusammenhang mit Reformüberlegungen des Bundesrates aus dem Jahr 2016 näher erörtert wurde22 und die rechtspolitische Debatte um die Einführung eines ehelichen Notvertretungsrechts durch den aktuellen Referentenentwurf erneut an Fahrt aufgenommen hat.23 Alternativ zur Einführung eines ehelichen Notvertretungsrechts schlägt aktuell die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) eine „Widerspruchslösung“ vor: „Daneben erscheint – im Sinne einer „großen Reform“ – die Einführung einer Art „Widerspruchslösung “ denkbar. Danach würde bereits die Begründung der Ehe dazu führen, dass Ehegatten sich in Angelegenheiten der Gesundheitssorge gegenseitig vertreten können. Diese Lösung würde dem nicht selten zu beobachtenden Phänomen gerecht, dass die Vertretung im Grunde gewollt ist, dass es Ehegatten aber versäumen, rechtzeitig die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen – sie erteilen sich also nicht rechtzeitig gegenseitig eine Vorsorgevollmacht . 17 § 12 PStG in Verbindung mit § 28 PStV. 18 § 12 Abs. 2 PStG. 19 § 13 Abs. 1, 2 PStG in Verbindung mit § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB. 20 § 14 Abs. 1 PStG. 21 § 15 PStG. 22 Vergleiche etwa die Stellungnahmen der Sachverständigen zum Gesetzentwurf des Bundesrates aus 2016 (Fußnote 2), abrufbar unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse18/a06/anhoerungen/Archiv/stellungnahmen -495970; Dutta, Gesetzliche Beistandschaft unter Ehegatten und Lebenspartnern bei Handlungsunfähigkeit , Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 2017, S. 581; Diekmann, Überlegungen zur Vertretungsbefugnis für Angehörige, Betreuungsrechtliche Praxis (BtPrax) 2015, S. 188. 23 Eine fortlaufend aktualisierte Zusammenstellung von Stellungnahmen zum BMJV-Referentenentwurf ist abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Reform_Betreuungsrecht_Vormundschaft .html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 8 Bei dieser Lösung bestünde größere Rechtssicherheit. Es müsste nicht erst – vom Betreuungsgericht , vom Behandler oder einem sonstigen Dritten – geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung vorliegen. Alleine das Bestehen der Ehe wäre ausreichend. Natürlich müsste eine Widerspruchsmöglichkeit bestehen. Es muss einem Ehegatten also möglich sein, die Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge durch den anderen Ehegatten auszuschließen, obwohl die Begründung der Ehe gewollt ist. Sinnvoll wäre es, wenn ein solcher Widerspruch so vermerkt wäre, dass ein behandelnder Arzt diese Information abrufen könnte. Denkbar wäre aber auch, dass der vertretende Ehegatte schriftlich versichert , dass der vertretene Ehegatte das Vertretungsrecht nicht ausgeschlossen hat.“24 Als „Widerspruchslösung“ bezeichnet hingegen die Stellungnahme der Bundesnotarkammer die Einführung des Ehegattenvertretungsrechts in der Fassung des BMJV-Referentenentwurfes.25 Sie zieht eine Parallele zur Debatte um die Organspende: „Es erscheint (rechtspolitisch) auch nicht recht konsistent, dass in Bezug auf das gesetzliche Ehegattenvertretungsrecht eine Widerspruchslösung eingeführt werden soll, während im verwandten Bereich der Organspende nach sehr intensiven Diskussionen vom Gesetzgeber letztlich eine Entscheidungslösung bevorzugt worden ist. Beide Fälle haben prinzipiell gemeinsam , dass Entscheidungen im elementaren Bereich der Gesundheitsangelegenheiten zu treffen sind. Ein schlichtes Nichthandeln der betroffenen Person führt im Bereich der Organspende auch künftig dazu, dass ihr kein Einverständnis zu einer Organspende unterstellt wird. Ein schlichtes Nichthandeln in Bezug auf das Ehegattenvertretungsrecht soll hingegen dazu führen, dass der andere Ehegatte in Gesundheitsangelegenheiten vertretungsbefugt ist, was bisher nur durch die Erteilung einer Vollmacht möglich war. Um diese Wirkung zu verhindern , muss der Ehegatte einen Widerspruch erklären. Diese unterschiedliche Beurteilung vergleichbarer Situationen erscheint uns nicht plausibel.“26 Stattdessen böte sich der Bundesnotarkammer zufolge an, zusammen mit den Informationsmaterialien zur Organspende im Sinne des Transplantationsgesetzes auch Informationsmaterialien zu Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zur Verfügung zu stellen.27 24 Stellungnahme des ASJ Bundesvorstandes zum BMJV-Referentenentwurf (Fußnote 3) vom 5. August 2020, S. 4, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2020/Downloads /080520_Stellungnahme_ASJ_RefE_Vormundschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=3 [Hervorhebungen durch die Verfasserinnen und Verfasser]. 25 Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum BMJV-Referentenentwurf (Fußnote 3) vom 10. August 2020, S. 8 ff., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen /2020/Downloads/081020_Stellungnahme_BNotK_RefE_Vormundschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=3. Die Bundesnotarkammer leitet in diesem Zusammenhang den Begriff der „Widerspruchslösung“ aus dem vorgesehenen Widerspruchsrecht gegen eine Vertretung durch den Ehegatten gemäß § 1358 BGB-E ab, wobei der Widerspruch etwa in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen werden können soll (Art. 5 Nr. 1c des Referentenentwurfs ). 26 Stellungnahme der Bundesnotarkammer (Fußnote 25), S. 9. 27 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 079/20 Seite 9 Auch an anderer Stelle wurden Maßnahmen zur breiteren Nutzung der Vorsorgevollmacht favorisiert . So äußerte die damalige Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates von 201628 die Auffassung, dass vorrangig die weitere Verbreitung der Vorsorgevollmacht in der Bevölkerung anstatt eines – unter Umständen konkurrierenden – Notvertretungsrechts gefördert werden solle.29 Im Einzelnen solle stärker über die Möglichkeit der Erteilung einer privatautonomen Vorsorgevollmacht und deren Vorteile informiert werden.30 Eine ähnliche Empfehlung findet sich in einzelnen Sachverständigenstellungnahmen, sowohl zum Bundesratsentwurf 2016 als auch zum jüngsten Referentenentwurf des BMJV.31 *** 28 Siehe bereits Fußnote 2. 29 Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates aus 2016 (Fußnote 2), S. 21. 30 Ebenda. 31 Zum Bundesratsentwurf 2016 (Fußnote 2) etwa Stellungnahme der Deutschen Stiftung Patientenschutz (Fußnote 4), S. 3; Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins e. V. für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages vom 8. März 2017, S. 4 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/496408/5db7a9c729d4491a9c5f96081a9e6688/dav_schwackenbergdata .pdf; zum Referentenentwurf 2020 (Fußnote 3) etwa Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. vom 10. August 2020, S. 3 ff., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2020/Downloads/081020_Stellung nahme_DGPPN_RefE_Vormundschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2; Stellungnahme des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e. V. vom 10. August 2020, S. 3 ff., abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2020/Downloads/081020_Stellung nahme_BDB_RefE_Vormundschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2.