© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 079/18 Ortung und Verfolgung durch Peilsender oder Mobiltelefone zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 2 Ortung und Verfolgung durch Peilsender oder Mobiltelefone zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 079/18 Abschluss der Arbeit: 16. April 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone nach der Strafprozessordnung 5 2.1. Die Ortung durch Mobiltelefone 5 2.2. Die Ortung durch Peilsender 7 3. Der Europäische Haftbefehl und das Europäische Auslieferungsabkommen 7 4. Die Europäische Ermittlungsanordnung 8 4.1. Hintergrund für die Einführung der EEA 8 4.2. Anwendungsbereich der EEA 8 4.3. Eingehende und ausgehende Ersuchen 10 4.4. Zulässigkeits- und Bewilligungshindernisse 10 4.5. Rechtsschutz 10 4.6. Die EEA und die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs 11 4.6.1. Erlass einer EEA zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in dem Mitgliedstaat, dessen technische Unterstützung erforderlich ist 11 4.6.2. Fälle, in denen die Telekommunikationsüberwachung ohne technische Hilfe des Mitgliedstaats vorgenommen wird 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 4 1. Einleitung Soll der Beschuldigte der Strafverfolgung zugeführt werden, so setzt dies in bestimmten Fällen voraus, ihn festzunehmen. Die Festnahme wiederum kann nur dann erfolgen, wenn der Aufenthaltsort des Betroffenen festgestellt werden kann. Welche Maßnahmen dafür nach deutschem Recht erlaubt sind und unter welchen Voraussetzungen eine deutschlandweite Fahndung zur Verhaftung zulässig ist, ist in der Strafprozessordnung (StPO)1 geregelt. Diese stellt eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, insbesondere auch die Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone . Die Strafverfolgung vollzieht sich nicht immer im nationalen Raum, sondern erfordert immer mehr eine europaweite, teilweise auch internationale Zusammenarbeit. Auf der Ebene der Europäischen Union (EU) gibt es bereits verschiedene Rechtsinstitute und Instrumente, um eine europaweite Strafverfolgung zu ermöglichen. Entweder werden Abkommen geschlossen oder entsprechende Rechtsakte der EU erlassen. Diese wiederum müssen in nationales Recht umgesetzt werden . In Deutschland ist dies das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)2. Dort finden sich zum Beispiel in den §§ 78 bis 83i die Vorschriften über den Europäischen Haftbefehl . Ein relativ neues Instrument ist das der Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA), die durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen “ vom 5. Januar 2017 durch die Einfügung der §§ 91a-91j in das IRG in deutsches Recht umgesetzt wurde. Das Umsetzungsgesetz3 ist im Mai 2017 in Kraft getreten. Im Folgenden wird zunächst die deutsche Rechtslage in Bezug auf die Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone nach der StPO dargestellt. Die Frage, ob und inwieweit die Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone auch in anderen Staaten erlaubt ist, ist nicht Gegenstand dieser Dokumentation . Im Gliederungspunkt 3 geht es um den Europäischen Haftbefehl und im Gliederungspunkt 4 um die EEA. Die EEA ist darauf ausgerichtet, die Beweiserhebung für die Strafverfolgung europaweit zu erleichtern. Damit stellt sich die Frage, ob sie auch ein Instrument ist, das zur Aufspürung des Beschuldigten eingesetzt werden kann, also welchen Anwendungsbereich die EEA umfasst. Schließlich soll erläutert werden, wie die EEA sich zur Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone verhält. 1 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/stpo/index.html [letzter Abruf: 16. April 2018]. 2 Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1994 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. August 2017 (BGBl. I S. 3295), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/irg/index.html [letzter Abruf: 16. April 2018]. 3 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 5. Januar 2017 (BGBl. I S. 31). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 5 2. Die Ortung durch Peilsender und Mobiltelefone nach der Strafprozessordnung Inwieweit die Ortung des Beschuldigten durch Peilsender und Mobiltelefone nach der StPO in Deutschland erlaubt ist, richtet sich nach den §§ 100g und 100h StPO. 2.1. Die Ortung durch Mobiltelefone Die Ortung durch Mobiltelefone erfolgt nach § 100g StPO. Dabei ist zwischen den verschiedenen Absätzen der Vorschrift zu unterscheiden. Alle Absätze verdeutlichen, dass eine Ortung nur zulässig ist für schwere oder besonders schwere Straftaten, die auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sind. Dabei hat der Gesetzgeber in § 100g Absatz 1 StPO über den Verweis auf § 100a Absatz 2 StPO festgelegt, was unter einer schweren Straftat zu verstehen ist. § 100g Absatz 2 StPO ermöglicht eine Verkehrsdatenerhebung nach § 113b Telekommunikationsgesetz (TKG)4 Diese ist nur zulässig, wenn der Beschuldigte besonders schwerer Straftaten verdächtig ist. § 100g Absatz 2 Satz 1 StPO hat folgenden Wortlaut: „(2) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine der in Satz 2 bezeichneten besonders schweren Straftaten begangen hat oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, eine solche Straftat zu begehen versucht hat, und wiegt die Tat auch im Einzelfall besonders schwer, dürfen die nach § 113b des Telekommunikationsgesetzes gespeicherten Verkehrsdaten erhoben werden, soweit die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.“ In § 100g Absatz 2 Satz 2 StPO ist aufgelistet, welche Delikte zu den besonders schweren Straftaten zählen. Dazu zählen zum Beispiel: – Straftaten des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates nach den §§ 81, 82, 89a des Strafgesetzbuches (StGB)5, – Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176a, 176b StGB und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nr. 2 StGB genannten Voraussetzungen, des § 177 StGB, – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften in den Fällen des § 184b Absatz 2 und § 184c Absatz 2 StGB, 4 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert durch Artikel 10 Absatz 12 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/tkg_2004/BJNR119000004.html [letzter Abruf: 16. April 2018]. 5 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/stgb/ [letzter Abruf: 16. April 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 6 – Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212 StGB. § 100g Absatz 3 StPO i.V.m. § 113b TKG ermöglicht eine sogenannte Funkzellenabfrage. Eine solche liegt nach der Legaldefinition des § 100g Absatz 3 Satz 1 StPO vor, wenn Verkehrsdaten sämtlicher Kommunikationsvorgänge erfasst werden, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums aus einer oder mehreren bestimmten Funkzellen erhoben worden sind. Wenn die Daten bei den Anbietern noch vorhanden sind, können diese auch rückwirkend abgefragt werden. Bei einer Funkzellenabfrage ist es nicht erforderlich, dass zum Ortungszeitpunkt eine Kommunikation stattfindet, da die Ortung des Betroffenen schon beim Standbybetrieb möglich ist. Damit wird deutlich, dass die Funkzellenabfrage einen erheblichen Eingriff nicht nur in die Rechte des Betroffenen , sondern auch in die Rechte unbeteiligter Dritter darstellt. Denn sie erfasst alle Kommunikationsteilnehmer , die sich in der Funkzelle befinden, unabhängig davon, ob gegen sie ermittelt wird. Die Funkzellenabfrage ist daher nur unter den in § 100g Absatz 3 StPO genannten strengen Voraussetzungen zulässig und erfordert, dass sie sich gegen eine Zielperson richtet, die bereits Beschuldigter ist. § 100g Absatz 3 StPO lautet wie folgt: „(3) Die Erhebung aller in einer Funkzelle angefallenen Verkehrsdaten (Funkzellenabfrage) ist nur zulässig, 1. wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt sind, 2. soweit die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und 3. soweit die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Auf nach § 113b des Telekommunikationsgesetzes gespeicherte Verkehrsdaten darf für eine Funkzellenabfrage nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 zurückgegriffen werden.“ Bär nimmt in seiner aktuellen Kommentierung von § 100g StPO umfassend zur Verkehrsdatenerhebung sowie zur Funkzellenabfrage Stellung. Bär, in: BeckOK (Beck’scher Online-Kommentar) StPO mit RiStBV und MiStra, hrsg. von Jürgen -Peter Graf, 29. Edition, Stand: 1. Januar 2018. - Anlage 1 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 7 2.2. Die Ortung durch Peilsender Die Ortung durch Peilsender richtet sich nach § 100h StPO, dessen Absatz 1 wie folgt lautet: „(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen außerhalb von Wohnungen 1. Bildaufnahmen hergestellt werden, 2. sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden , wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Eine Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist.“ Peilsender gehören zu den in § 100h Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 StPO genannten sonstigen für Observationszwecke bestimmten technischen Mitteln. Die Ortung durch Peilsender ist ebenfalls an enge Voraussetzungen geknüpft. Sie ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. Siehe hierzu den Auszug aus der Kommentierung von Hegmann, in: BeckOK (Beck’scher Online -Kommentar) StPO mit RiStBV und MiStra, hrsg. von Jürgen-Peter Graf, 29. Edition, Stand: 1. Januar 2018, § 100h, Rn. 5-10. - Anlage 2 3. Der Europäische Haftbefehl und das Europäische Auslieferungsabkommen Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich nicht um einen Haftbefehl auf europäischer Ebene. Vielmehr geht es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat der EU ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt. Das bedeutet, dass ein Mitgliedstaat der EU den Europäischen Haftbefehl ausstellt (Ausstellungsstaat), der von einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden soll (Vollstreckungsstaat). Oben wurde bereits angemerkt, dass sich im deutschen Recht die entsprechenden Vorschriften zum Europäischen Haftbefehl in den §§ 78 bis 83i IRG finden. Grundlage für diese Vorschriften ist das Europäische Auslieferungsabkommen vom 13. Dezember 1957, das als „Mutterkonvention“ für das europäische vertragliche Auslieferungsrecht gilt.6 Es ist das älteste vom Europarat erarbeitete strafrechtliche Übereinkommen und wird nach wie vor in seinen Grundzügen als richtungsweisend für den Auslieferungsverkehr der internationalen Staatengemeinschaft betrachtet.7 6 Schomburg, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl. 2012, II A Vorb., Rn. 1. 7 Grotz, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Europäisches Auslieferungsübereinkommen , Vorb., Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 8 Mit dem Europäischen Haftbefehl und dem Europäischen Auslieferungsabkommen beschäftigt sich ausführlich ein Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste vom November 2017, der sich insbesondere der Frage widmet, inwieweit eine politische Straftat Grundlage für einen Europäischen Haftbefehl sein kann. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, „Europäischer Haftbefehl und Europäisches Auslieferungsübereinkommen – Politische Straftat und Verfolgung aufgrund politischer Überzeugungen“ (Az. WD 7 - 3000 - 144/17), Stand: 17. November 2017.8 - Anlage 3 4. Die Europäische Ermittlungsanordnung 4.1. Hintergrund für die Einführung der EEA Die Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates von 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA)9 ist am 21. Mai 2017 in Kraft getreten. Wie bereits eingangs angemerkt, wurde sie in Deutschland 2017 durch die Einfügung der §§ 91a- 91j IRG umgesetzt. Anlass zur Einführung der EEA waren Überlegungen, im Bereich der grenzüberschreitenden Beweiserhebung einerseits das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen umzusetzen und andererseits verschiedene lückenhafte Regelung durch ein einheitliches Konzept zu ersetzen . Die Regelungen über die EEA folgen dem Konzept und dem Sprachgebrauch des klassischen Rechtshilferechts. So wird zwischen dem ersuchenden Staat (Anordnungsstaat) und dem ersuchten Staat (Vollstreckungsstaat) unterschieden, ebenso wie zwischen den Zulässigkeitsvoraussetzungen und den Bewilligungshindernissen einer solchen EEA differenziert wird. 4.2. Anwendungsbereich der EEA Für den Anwendungsbereich der EEA wird durch § 91a IRG auf die RL EEA verwiesen. Nach Artikel 1 RL EEA ist die EEA eine gerichtliche Entscheidung, die von einer Justizbehörde eines Mitgliedstaats (Anordnungsstaat) zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme (n) in einem anderen Mitgliedstaat (Vollstreckungsstaat) zur Erlangung von Beweisen 8 Dieser Sachstand ist zudem abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/535346/528076e389572d96e97a06bffd5c1689/wd-7-144-17-pdf-data.pdf [letzter Abruf: 16. April 2018]. 9 Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, Amtsblatt (ABl.) der Europäischen Union (EU) L 130/1 vom 1. Mai 2014, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014L0041&from=DE [letzter Abruf: 16. April 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 9 gemäß dieser Richtlinie erlassen oder validiert wird. Die EEA kann auch in Bezug auf die Erlangung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, erlassen werden. Da die EEA gemäß Artikel 1 RL EEA eine gerichtliche Entscheidung ist, damit im Vollstreckungsstaat Ermittlungsmaßnahmen zur Erlangung von Beweismitteln erlassen werden, stellt sich die Frage, ob mithilfe einer EEA auch eine Maßnahme angeregt werden kann, um den Verdächtigen aufzuspüren, etwa durch einen Peilsender oder durch eine Funkzellenabfrage. Insoweit schafft jedoch der Erwägungsgrund Nr. 25 Klarheit. Dieser besagt: „(25) Diese Richtlinie legt Vorschriften über die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung von Beweismitteln in sämtlichen Phasen des Strafverfahrens, einschließlich der Gerichtsphase, fest, erforderlichenfalls mit Beteiligung der betroffenen Person. So kann zum Beispiel eine EEA für die zeitweilige Überstellung dieser Person an den Anordnungsstaat oder zur Durchführung einer Vernehmung per Videokonferenz erlassen werden. Dient die Überstellung dieser Person an einen anderen Mitgliedstaat jedoch Verfolgungszwecken, einschließlich der Verbringung der Person vor ein Gericht, um sich dort zu verantworten, so sollte ein Europäischer Haftbefehl (im Folgenden „EuHb“) gemäß dem Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates […] erlassen werden.“ Danach gehört die Verbringung und Auslieferung einer Person an den ersuchenden Staat zu Strafverfolgungszwecken nicht zum Anwendungsbereich der EEA, weil der Europäische Haftbefehl insoweit das speziellere Rechtsinstitut ist. Etwas anderes gilt dagegen, wenn die betroffene Person nur zeitweilig überstellt werden soll. Dabei kann es sich bei der betroffenen Person um einen Zeugen, aber auch um den Beschuldigten selbst handeln. Denn auch dieser kann vernommen werden. Wenn die Überstellung zur Vernehmung von der EEA erfasst ist, so muss dies auch für das Aufspüren des Beschuldigten gelten, weil die Maßnahme des Aufspürens dem zeitweiligen Überstellen grundsätzlich vorgelagert ist. Der Erwägungsgrund ist auch insoweit bedeutsam, als von der RL EEA grundsätzlich alle Ermittlungsmaßnahmen und -methoden erfasst sind, die für ein Strafverfahren von Belang sind. Insoweit wird auch die Ortung durch Peilsender und die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs erfasst (zu letzterem siehe die Ausführungen unter 4.6). Im IRG hat der deutsche Gesetzgeber dann jeweils sichergestellt, dass die deutschen Standards einzuhalten sind. Nach § 91a Absatz 2 IRG gelten die Vorschriften über die EEA nicht für solche Konstellationen, für die es bereits speziellere Regelungen und Abkommen gibt, wie etwa bei der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen10 und der grenzüberschreitenden Observation im Sinne des Schengen 10 Vgl. § 93 IRG, der den Artikel 13 des EU-RhÜbk und den Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (ABl. L 162 vom 20. Juni 2001, S. 1) in das nationale Recht umgesetzt hat. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 10 Abkommens11, bei dem die Beamten die Zielperson – wenn auch für diese unbemerkt – tatsächlich begleiten (vgl. insbesondere Artikel 40 Absatz 3 SDÜ). 4.3. Eingehende und ausgehende Ersuchen Die §§ 91b-i, 92d, 98c-e IRG betreffen eingehende Ersuchen, also Ersuchen aus anderen Staaten an Deutschland. Dagegen richten sich von Deutschland ausgehende Ersuchen nach §§ 91j i.V.m. 22 IRG i.V.m. den Vorschriften der StPO. Gemäß § 91h Absatz 1 IRG ist das eingehende Ersuchen nach § 91d Absatz 1 IRG nach den Vorschriften auszuführen, die für ein entsprechendes innerdeutsches Vorgehen gelten würden. Dies gilt auch für Zwangsmaßnahmen, die bei der Erledigung des Ersuchens notwendig werden. 4.4. Zulässigkeits- und Bewilligungshindernisse Die grundsätzliche Verpflichtung, das Ersuchen des anderen Staates durchzuführen, erfährt jedoch Einschränkungen, wenn Zulässigkeits- oder Bewilligungshindernisse bestehen. Folgende Zulässigkeitshindernisse machen eine Rechtshilfe unzulässig: – Wenn nach deutschem Recht eine bestimmte Maßnahme nur durchgeführt werden kann, wenn der Betroffene einer besonderen Straftat verdächtig ist, das Ersuchen des Anordnungsstaates aber nicht eine entsprechende Straftat zum Gegenstand hat, §§ 91b Absatz 1 Nr. 1 IRG. – Ferner müssen Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte sowie Beschlagnahmeverbote, Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote beachtet werden, §91b Absatz 1 Nr. 2a IRG. – Ein drohender Verstoß gegen europäische Grundrechte ist ebenfalls ein Zulässigkeitshindernis und führt zu einer Zurückweisung des Ersuchens, § 91b Absatz 3 i.V.m. § 73 Satz 2 IRG. § 91e IRG regelt die Bewilligungshindernisse. 4.5. Rechtsschutz Rechtsschutz gegen eingehende Ersuchen aus dem Ausland soll grundsätzlich im Anordnungsstaat gesucht werden. Dadurch wird der Vollstreckungsstaat aber nicht von seiner grundrechtlichen Schutzpflicht befreit. Richtet sich der Rechtsschutz gegen die Vollstreckung, so muss in der Regel über § 77 IRG auf die allgemeinen Vorschriften zurückgegriffen werden, also insbesondere auf die Vorschriften der 11 Artikel 40 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen – SDÜ (ABl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19 ff.), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri=CELEX:42000A0922(02):de:HTML [letzter Abruf: 16. April 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 11 StPO. Denn der Rechtsschutz ist im Rechtshilferecht bisher nur ansatzweise geregelt. Geht es um eine Verkehrsdatenerhebung nach § 100g StPO (vgl. Ziffer 2.1), so wird insbesondere der nachträgliche Rechtsschutz über § 101a StPO relevant. 4.6. Die EEA und die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs Die EEA ist auch vorgesehen, wenn es um die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs geht, wie sich aus Artikel 30 RL EEA ergibt. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: 4.6.1. Erlass einer EEA zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in dem Mitgliedstaat , dessen technische Unterstützung erforderlich ist Nach Artikel 30 Absatz 1 RL EEA, umgesetzt durch § 91c Absatz 2 Nr. 2 IRG, kann eine EEA erlassen werden zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in dem Mitgliedstaat, dessen technische Unterstützung erforderlich ist. Im Erwägungsgrund Nr. 30 Satz 1 RL EEA wird klargestellt , dass unter dem Begriff des Telekommunikationsverkehrs nicht nur dessen Inhalt erfasst wird. Vielmehr kann es auch um die Übermittlung von Verkehrs- und Standortdaten gehen, die noch zu erlangen sind. Gemäß Artikel 30 Absatz 5 RL EEA kann die Vollstreckung der EEA zurückgewiesen werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren Fall in Deutschland nicht genehmigt würde. Außerdem kann der Vollstreckungsstaat – hier Deutschland – seine Zustimmung von den Bedingungen abhängig machen, die in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zu erfüllen wären. Für Deutschland als Anordnungs- und Vollstreckungsstaat gelten die Begrifflichkeiten, die sich aus dem nationalen Verfahrensrecht ergeben. Eine grenzüberschreitende Telekommunikationsüberwachung erfolgt in Deutschland gemäß § 77 Absatz 1 IRG nach Maßgabe der Vorschriften der StPO (§§ 100a, 100b, 100g und 101a StPO). Geht es dagegen um Daten, die bereits bei den Strafverfolgungsbehörden im Vollstreckungsstaat vorliegen, also nicht erst erhoben werden müssen, greift Artikel 30 Absatz 1 RL EEA nicht ein. Vielmehr richtet sich die Herausgabe der unter den Voraussetzungen des § 100g StPO gewonnenen Auskünfte über die Telekommunikationsverbindungen nach § 66 IRG. 4.6.2. Fälle, in denen die Telekommunikationsüberwachung ohne technische Hilfe des Mitgliedstaats vorgenommen wird Artikel 31 RL EEA erfasst die Fälle, in denen eine grenzüberschreitende Telekommunikationsüberwachung erfolgt, ohne dass auf die technische Hilfe desjenigen Mitgliedstaats zurückgegriffen werden muss, in dem sich die Zielperson befindet. Damit es zu keiner Umgehung der Regelungen über die EEA kommt, ist hier zweierlei erforderlich: Im überwachenden Staat muss die Telekommunikationsüberwachung genehmigt worden sein und der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der von der Überwachung betroffene Kommunikationsanschluss genutzt wird, muss unterrichtet werden. Dabei hat die Unterrichtung in der Regel vor der Überwachung zu erfolgen. Gemäß § 91g Absatz 6 IRG hat Deutschland als unterrichteter Staat innerhalb von 96 Stunden zu reagieren, ob die Überwachung durchgeführt werden kann und ob die gesammelten Daten verwendet werden dürfen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 - 079/18 Seite 12 Ausführlich beschäftigen sich mit der EEA folgende zwei Aufsätze: – Anna Oehmichen / Björn Weißenberger, Die Europäische Ermittlungsanordnung – praxisrelevante Aspekte der deutschen Umsetzung im IRG, Strafverteidiger Forum (StraFO) 2017, S. 316-324, - Anlage 4 – Katrin Brahms / Till Gut, Zur Umsetzung der Richtlinie Europäische Ermittlungsanordnung in das deutsche Recht – Ermittlungsmaßnahmen auf Bestellschein?, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2017, S. 388-395. - Anlage 5 Speziell zur Überwachung der Telekommunikation wird auf folgende Dokumente verwiesen: – Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 26. September 2016, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzesüber die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, BT-Drs. 18/9757, Auszug: S. 1, 42-45, 55/56, - Anlage 6 – Eisenberg, in: Eisenberg, Beweisrecht der StPO, II. Europäische Ermittlungsanordnung (EEA), 10. Auflage 2017, Rn. 482-483. - Anlage 7 ***