WD 7 - 3000 - 078/21 (14. Juli 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Insbesondere übermäßiger Motorradlärm führt immer wieder zu Konflikten mit Anwohnern betroffener Streckenabschnitte. Durch Beschluss vom 15. Mai 2020 forderte daher etwa der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich stärker für eine Reduzierung der Lärmbelastung durch Motorräder einzusetzen (vgl. BR-Drs. 125/120). Die aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu lärmschutzbedingten Verkehrsbeschränkungen und -verboten sollen vor diesem Hintergrund nachfolgend überblicksartig und kursorisch dargestellt werden. Rechtsgrundlage für etwaige lärmschutzbedingte Verkehrsbeschränkungen und -verbote ist die straßenverkehrsrechtliche Generalklausel des § 45 StVO, die eine Vielzahl verschiedenster Anordnungsgründe vorsieht. Unter anderem können die Straßenverkehrsbehörden nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 sowie Abs. 1b Nr. 5 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Entsprechende Maßnahmen dürfen grundsätzlich nur dort angeordnet werden, wo aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt (§ 45 Abs. 9 Satz 3 StVO). Die Verwaltungsbehörden haben bei der Anordnung von Verkehrszeichen und anderen Verkehrseinrichtungen mithin sehr restriktiv zu verfahren und dürfen nur dort regelnd eingreifen, wo es aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall unbedingt geboten ist und sofern und soweit die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (vgl. Hühnermann, Rn. 3). Ob, wann und unter welchen Voraussetzungen eine lärmschutzbedingte Verkehrsbeschränkung zu rechtfertigen ist, ist daher vom jeweiligen Einzelfall und den konkreten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere Art, Maß und Umfang etwaiger Wohnbebauung sowie alternativen Streckenführungsmöglichkeiten abhängig. Erforderlich ist stets eine Gesamtschau (vgl. Hühnermann, Rn. 9a). Da Lärmschutzmaßnahmen zudem häufig nicht zur Beseitigung des Lärms, sondern nur zu dessen Verlagerung führen, hat die Verwaltungsbehörde dabei insbesondere auch die Belange der Anlieger zu berücksichtigen, die durch den verlagerten Lärm beeinträchtigt werden könnten (vgl. BVerwG). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zu lärmschutzbedingten Verkehrsbeschränkungen und -verboten Kurzinformation Zu lärmschutzbedingten Verkehrsbeschränkungen und -verboten Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die konkrete Beurteilung einer Lärmsituation erfolgt anhand sog. jahresbezogener Mittelungspegel . Besondere Lärmspitzen durch einzelne Verkehrsteilnehmer werden aufgrund dieser Messmethodik in der Regel nicht erfasst und können daher als Begründung für verkehrsrechtliche Maßnahmen nicht herangezogen werden (vgl. BR-Drs. 125/1/120). Die Auswahl derjenigen Mittel, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, muss zudem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Ein pauschaler Gesamtausschluss bestimmter Teilnehmergruppen (z. B. Motorräder) wäre daher problematisch und wird insbesondere auch von der Rechtsprechung kritisch bewertet: „Vor dem Ausschluss einer gesamten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, aus der nur ein kleiner Teil für die Gefahrenlage verantwortlich ist, sind als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die geeignet sind, das unerwünschte Verkehrsverhalten in ausreichendem Maße zu erschweren. Mildere Mittel können nicht allein mit Blick darauf als nicht hinreichend geeignet verworfen werden, dass sie das unerwünschte Verkehrsverhalten nicht vollständig unterbinden können“ (vgl. OVG Münster m. w. N.). Bei der Frage, welche von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im konkreten Einzelfall den bestmöglichen Erfolg verspricht, steht der Straßenverkehrsbehörde aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens jedenfalls eine weite Einschätzungsprärogative zu (vgl. OVG Münster m. w. N.). Sachlich zuständig für die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen und -verboten sind gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 StVO grundsätzlich die Straßenverkehrsbehörden der Länder (vgl. auch § 45 Abs. 3 StVO). Nach Maßgabe des Landesrechts kann die Zuständigkeit der obersten Landesbehörden und der höheren Verwaltungsbehörden im Einzelfall oder allgemein allerdings auch auf eine andere Stelle übertragen werden (vgl. § 44 Abs. 1 S. 2 StVO). In Baden-Württemberg richtet sich die jeweilige Zuständigkeit beispielsweise nach dem dortigen Gesetz über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVOZustG BW). Dieses sieht in § 2 Abs. 1 StVOZustG BW etwa ergänzend vor, dass Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit mehr als 5.000 Einwohnern auf Antrag zu örtlichen Straßenverkehrsbehörden erklärt werden können, wenn sie für ihren Zuständigkeitsbereich ausreichend mit geeigneten Fachkräften besetzt sind. Die eigentliche Umsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnung, also insbesondere die ausreichende Beschilderung , obliegt nach § 45 Abs. 5 StVO dem Baulastträger. Quellen: – Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm vom 15. Mai 2020, BR- Drs. 125/20, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0101-0200/125-20(B).pdf?__blob=publication File&v=1 sowie BR-Drs. 125/1/20, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0101-0200/125-1- 20.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (letzter Abruf dieser Links und aller weiteren am 14. Juli 2021). – Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3047) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/. – Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Auflage 2020, Kommentierung zu § 45 StVO. – BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 1999, Az.: 3 B 105.99, NZV 2000, 386. – OVG Münster, Beschluss vom 6. Juni 2019, Az.: 8 B 821/18, NVwZ-RR 2020, 17 (19). – Baden-Württembergisches Gesetz über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung vom 17. Dezember 1990, GBl. 1990, 427, https://www.landesrecht-bw.de/jportal /?quelle=jlink&query=StVOZustG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-StVOZustGBWrahmen . * * *