© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 078/19 Die Eigenbedarfskündigung in der Rechtsprechung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 2 Die Eigenbedarfskündigung in der Rechtsprechung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 078/19 Abschluss der Arbeit: 9. Mai 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die ordentliche Kündigung nach §§ 573 ff. BGB 4 3. Rechtsprechung zur mietrechtlichen Eigenbedarfskündigung 6 3.1. Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung 6 3.1.1. Privilegierter Personenkreis 6 3.1.2. Nutzung als Wohnung 7 3.1.3. Benötigen 8 3.1.4. Zeitpunkt 8 3.2. Verletzung der gesteigerten Rücksichtnahmepflicht 9 4. Rechtliche Konsequenzen der Vermietung einer Wohnung durch eine GbR 9 4.1. Vertragsschluss 10 4.2. Vertragliche Verpflichtungen 10 4.3. Klagefähigkeit 11 4.4. Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter 11 5. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 4 1. Einleitung Die Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 ist in der Praxis der wichtigste ordentliche Kündigungsgrund für Wohnraum.2 Sowohl die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte3 als auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)4 hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit den Anforderungen an eine wirksame Eigenbedarfskündigung auseinandergesetzt . Die Ursachen für diese rege Rechtsprechungstätigkeit liegen in den sich widersprechenden Interessen von Vermieter und Mieter, wenn es zu einer entsprechenden Kündigung wegen Eigenbedarfs kommt. Dabei streitet auf Seiten des Vermieters das Grundrecht auf Eigentumsgarantie . Dem Besitzrecht des Mieters wird von der Rechtsprechung zwar ebenfalls der Eigentumsschutz zugebilligt.5 Wie diese Interessen miteinander in Einklang zu bringen sind, hat der Gesetzgeber in den §§ 573 ff. BGB geregelt. Aufgabe der Rechtsprechung ist es, die Normen im Einzelfall unter Beachtung der einschlägigen Grundrechte entsprechend auszulegen. 2. Die ordentliche Kündigung nach §§ 573 ff. BGB Die Wohnung als „Lebensmittelpunkt menschlichen Daseins“ steht im Mietrecht unter besonderem Schutz. Um diesen zu gewährleisten ist der Kündigungsschutz zugunsten des Mieters in den §§ 573 ff. BGB besonders ausgestaltet und schränkt die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters erheblich ein. Eine ordentliche Kündigung kann der Vermieter nur dann aussprechen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat, § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieses berechtigte Interesse muss der Vermieter in dem Kündigungsschreiben angeben, § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB. Andere Gründe können nur berücksichtigt werden, soweit sie nachträglich entstanden sind, § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB. Nach § 573 Abs. 4 BGB kann von diesen Regelungen auch nicht durch Vereinbarung zum Nachteil des Mieters abgewichen werden. 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 31.01.2019 (BGBl. I S. 54), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html [letzter Abruf: 30.04.2019]. 2 Fleindl, Die Eigenbedarfskündigung: Tatbestand und Rechtsmissbrauch, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2016, 289; weitere aktuelle Aufsätze zur Eigenbedarfskündigung: Schmidt, Die Eigenbedarfskündigung , Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2014, 609; Rolfs, Eigenbedarfskündigung für Gesellschafter einer GbR und Kündigungsspeerfrist, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2018, 780. 3 Siehe nur Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 04.03.2015 – VIII ZR 166/14, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2015, 378; BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988 - VIII ARZ 4/87 (Zweibrücken), Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 1988, 904. 4 BVerfG, Urt. v. 14.02.1989 - Az. 1 BvR 308/88 u. a, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, 970; BVerfG, Beschl. v. 11.11.1993 - Az. 1 BvR 696/93, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1994, 309; BVerfG, Beschl. v. 20.05.1999 - Az. 1 BvR 29–99, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 1999, 659; BVerfG, Beschl. v. 26.09.2001 – Az. 1 BvR 1185/01, BeckRS 2001, 23233. 5 Siehe nur: BVerfG, Beschl. v. 20.05.1999 - Az. 1 BvR 29–99, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 1999, 659. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 5 Der Gesetzgeber hat in § 573 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegt, dass eine Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung jedenfalls kein berechtigtes Interesse für eine ordentliche Kündigung ist und deshalb eine Kündigung zur Mieterhöhung ausgeschlossen. Ein berechtigtes Interesse an einer ordentlichen Kündigung liegt dagegen nach § 573 Abs. 2 BGB insbesondere in folgenden Fällen vor: Der Mieter hat seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Der Vermieter benötigt die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts (Eigenbedarfskündigung). Der Vermieter würde durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Dabei bleibt die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, außer Betracht. Der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. Der durch § 573 BGB gewährte Mieterschutz wird ergänzt durch die §§ 574 ff. BGB. Dem Vermieter wiederum gewähren die §§ 573a, 573b BGB erleichterte Kündigungsbedingungen. Die Regelungen der §§ 573 ff. BGB zielen in erster Linie darauf ab, den Mieter vor willkürlichen Kündigungen zu schützen, um ihm seine Wohnung als „Lebensmittelpunkt“ zu erhalten. Insoweit ist der Kündigungsschutz „Ausdruck des sozialen Wohnraummietrechts“. Der Kündigungsschutz nach § 573 BGB ist nach der Auffassung des BVerfG mit der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Grundgesetz (GG)6 vereinbar.7 Auf der anderen Seite hat das BVerfG aber auch immer wieder betont, dass das ordentliche Kündigungsrecht wegen Eigenbedarfs ebenfalls verfassungsgemäß ist.8 Dem mit dem Grundrecht auf Eigentumsgarantie eng verzahnten Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes komme damit bei der Auslegung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB besondere Bedeutung zu.9 6 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28.03.2019 (BGBl. I S. 404), abrufbar unter; https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 30.04.19]. 7 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993 - 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035. 8 Schon BVerfG, Beschl. v. 08.01.1985 - Az. 1 BvR 792/83, BVerfGE 68, 361. 9 BVerfG, Urt. v. 14.02.1989 - Az. 1 BvR 308/88 u. a, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, 970; BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993 - 1 BvR 208/93, NJW 1993, 2035. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 6 3. Rechtsprechung zur mietrechtlichen Eigenbedarfskündigung 3.1. Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung Nach § 573b Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung insbesondere vor, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Nachfolgend werden die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung erläutert und mit kurzen Anmerkungen versehen, um einen Überblick über die Eigenbedarfskündigung zu verschaffen . Für den Einzelfall gilt jeweils, dass die Auslegung entsprechend den Vorgaben des BVerfG an der Eigentumsgarantie zu orientieren ist. 3.1.1. Privilegierter Personenkreis Zu dem durch § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis zählt zunächst der Vermieter selbst. Das gilt auch, wenn er noch weitere Personen in die Wohnung aufnehmen will, die nicht selbst zu einem privilegierten Personenkreis zählen.10 Vermieten mehrere Personen die Wohnung , reicht es aus, wenn die Räume von einem der Vermieter genutzt werden.11 Juristische Personen und Personengesellschaften haben grundsätzlich kein Eigenbedarfskündigungsrecht, weil sie als solche keinen Wohnraum nutzen können.12 Etwas anderes gilt, wenn ein Gesellschafter einer Gesellschaft den Wohnraum für sich nutzen will. Die Besonderheiten für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) werden unter dem Gliederungspunkt 4.2 erörtert. Weiterhin gehören auch die Familienangehörigen zu dem privilegierten Personenkreis. Im Hinblick auf die widersprechenden Interessen zwischen Vermieter und Mieter ist anerkannt, dass nicht jeder, der noch irgendwie zu den Familienangehörigen zählen könnte, zu dem privilegierten Kreis im Sinne des § 573 Abs. 2 BGB zählt. Der Bundesgerichtshof (BGH) knüpft daran an, ob die Personen zu denjenigen gehören, denen aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht von Gesetzes wegen (§§ 383 Zivilprozessordnung (ZPO)13, 52 Strafprozessordnung 10 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 39. 11 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 39. 12 BGH, Urt. v. 23.05.2007 - Az. VIII ZR 122/06, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report (NJW- RR) 2007, 1460. 13 ZPO in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.12.2005 (BGBl. I S. 3202, 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der Freizügigkeit von EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie zur Neuregelung verschiedener Aspekte des Internationalen Adoptionsrechts vom 31.01.2019 (BGBl. I S. 54), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__383.html (letzter Abruf: 09.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 7 (StPO)14) zusteht.15 Wann die Rechtsprechung und Literatur im konkreten Einzelfall eine Privilegierung angenommen hat und wann nicht, ist in der einschlägigen Kommentarliteratur zu § 573 BGB aufgelistet.16 Zu dem privilegierten Personenkreis der Haushaltsangehörigen gehören alle, die mit dem Vermieter auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, in einem Haushalt leben. Eigene Relevanz hat die Tatbestandsvoraussetzung der Haushaltsangehörigen nur dann, wenn sie nicht schon zu den Familienangehörigen zählen, etwa Arbeitnehmer, Pfleger, Hausgehilfen, „Wahlverwandtschaften “. Will der Vermieter eine Person in seinen Haushalt aufnehmen, die bisher nicht mit ihm zusammengelebt hat (etwa einen Pfleger) und benötigt er deshalb einen größeren Raumbedarf, so ist ein Fall des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gegeben. Anders ist es hingegen, wenn der Vermieter dieser Person, die bisher nicht mit ihm in einem Haushalt zusammengelebt hat, einen eigenen Wohnraum verschaffen will. Dann kann eine Kündigung jedenfalls nicht nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfolgen, möglicherweise aber nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.17 3.1.2. Nutzung als Wohnung Die Eigenbedarfskündigung setzt voraus, dass die gekündigte Wohnung zu Wohnraumzwecken genutzt werden soll. Gewerbliche Zwecke reichen nicht aus. Der Wille, sämtliche Räume zu Wohnzwecken zu nutzen, ist aber nicht erforderlich. Die Eigenbedarfskündigung ist auch möglich , wenn eine geringe Zahl der Räume nicht als Wohnraum genutzt werden soll, solange die Nutzung der Räume als Wohnung für den Vermieter im Vordergrund steht. Der BGH bewertete 2005 auch eine Kündigung als wirksam, wenn der Vermieter die Wohnung überwiegend zu gewerblichen Zwecken nutzen möchte.18 Diese Rechtsprechung wurde aber 2017 aufgegeben.19 Demnach soll die Mischnutzung, also die Nutzung zu Wohn- und Geschäftszwecken, für eine Eigenbedarfskündigung aber weiterhin ausreichen.20 14 StPO in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.04.1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der RL (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 18.04.2019 (BGBl. I S. 466), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__52.html (letzter Abruf: 09.05.2019). 15 BGH, Urt. v. 27.01.2010 - Az. VIII ZR 159/09 (LG Baden-Baden), Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2010, 1290 (1291). 16 Siehe nur: Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 52-57; Hannappel, in: Beck’scher Online Kommentar BGB, hrsg. Von Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 49. Edition, Stand: 01.02.2019, § 573 Rn. 38-42. 17 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 49 - 51. 18 BGH, Beschl. v. 05.10.2005 - Az. VIII ZR 127/05, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2005, 943. 19 BGH, Urt. v. 29.03.2017 - Az. VIII ZR 45/16, BGHZ 214, 269. 20 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 573 Rn. 60 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 8 3.1.3. Benötigen Ein „Benötigen“ im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn der Vermieter selbst oder eine andere begünstigte Person die Wohnung nutzen will und der Vermieter dafür vernünftige und nachvollziehbare Gründe hat.21 Diese Voraussetzungen fehlen bei rechtlicher Unzulässigkeit: Zum Beispiel kann Eigenbedarf an öffentlich gefördertem Wohnraum nur bei einer sicher in Aussicht gestellten Genehmigung nach § 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG)22 bestehen. Bei einem Verstoß der erstrebten Wohnungsnutzung gegen Bestimmungen des Bauordnungsrechts kann auch kein „Benötigen “ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegen.23 Es muss stets eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Die Voraussetzung kann zum Beispiel auch erfüllt sein, wenn die Wohnung nur als Ferienwohnung und somit als Zweitwohnung dienen soll. Die Bestimmung einer konkreten „Mindestnutzungsdauer“ ist nicht möglich.24 3.1.4. Zeitpunkt Die zukunftsbezogenen Voraussetzungen (Eigenbedarf über längeren Zeitraum, Nutzungswille zu Wohnzwecken) müssen vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses fortwirken.25 Es kann dem Vermieter nicht auf unabsehbare Zeit entgegengehalten werden, dass er 10 Jahre vor dem Kündigungszeitpunkt eine kleinere Wohnung bezogen hat. Er wird durch diesen Umstand nicht an der Neubewertung seiner Wohnsituation und der Geltendmachung von Eigenbedarf gehindert .26 21 Schon seit BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988 - Az. VIII ARZ 4/87, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1988, 904. 22 Wohnungsbindungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.09.2001 (BGBl. I S. 2404), zuletzt geändert durch Art. 126 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I S. 1474), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/wobindg/ (letzter Abruf: 09.05.2019). 23 Hannappel, in: Beck´scher Onlinekommentar BGB, 49. Edition, Stand: 01.02.2019, § 573 Rn. 44. 24 BGH, Hinweisbeschluss v. 21.08.2018 - Az. VIII ZR 186/17, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs- Report (NJW-RR) 2019, 130. 25 Hannappel, in: Beck´scher Onlinekommentar BGB, 49. Edition, Stand: 01.02.2019, § 573 Rn. 52. 26 BGH, Beschl. v. 23.10.2018 - Az. VIII ZR 61/18, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report (NJW- RR) 2019, 134. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 9 3.2. Verletzung der gesteigerten Rücksichtnahmepflicht Der Vermieter hat im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung zudem eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht zu beachten. 27 Nach dieser Nebenpflicht muss der Vermieter dem Mieter eine andere , vergleichbare Wohnung zur Anmietung während der Kündigungsfrist anbieten.28 Die Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme soll die Folgen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für den Mieter möglichst gering halten und ist eine Konsequenz der Eigenschaft einer Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz des Menschen. Bis 2012 bewertete der BGH die Kündigung eines Mietvertrages wegen Eigenbedarfs als nachträglich rechtsmissbräuchlich und somit unwirksam, wenn der Vermieter diese Rücksichtnahmepflicht verletzte. Die Bewertung der Nebenpflichtverletzung als rechtsmissbräuchlich gab der BGH aber 2016 auf.29 Der Charakter der eigenständigen Rechtsfolge begründet sich in dem Umstand , dass eine nicht auf den Gegenstand des Mietvertrages bezogene Pflichtverletzung die einzige rechtlich zu beanstandende Verhaltensweise darstellt. Aufgrund dessen kann nach dem BGH eine solche Nebenpflichtverletzung im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB nur einen Anspruch auf Schadensersatz des Mieters nach § 280 Abs. 1 BGB begründen. Sie hat aber keine Konsequenz hinsichtlich der Wirksamkeit einer an sich berechtigten Eigenbedarfskündigung. 4. Rechtliche Konsequenzen der Vermietung einer Wohnung durch eine GbR Wird eine Wohnung durch eine GbR vermietet, ergeben sich daraus verschiedene mietrechtliche Konsequenzen, welche durch die Vertragsparteien - insbesondere die Gesellschaft - beachtet werden müssen. Eine rechtsfähige Außen-GbR entsteht schon, wenn mehrere Personen zusammen eine Wohnung vermieten.30 Die Gesellschaft kann im Grundbuch aufgeführt werden. Durch § 899a BGB wird nur der öffentliche Glaube hinsichtlich der Gesellschafterstellung der einzelnen Gesellschafter begründet und nicht für das Eigentum der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen.31 Die Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)GbR hat verschiedene Auswirkungen auf Mietverträge . Im Folgenden wird der Vertragsschluss, die sich daraus ergebenden Verpflichtungen und Konsequenzen hinsichtlich eines Gerichtsprozesses sowie die Haftung thematisiert. 27 Vgl. m. w. N. BGH, Urt. v. 14.12.2016 - Az. VIII ZR 232/15, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 547 Rn. 55. 28 Zuletzt BGH, Urt. v. 21.12.2011 - Az. VIII ZR 166/11, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report (NJW-RR) 2012, 341. 29 BGH, Urt. v. 14.12.2016 - Az. VIII ZR 232/15, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 547. 30 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 149. 31 BGH, Beschl. v. 02.12.2010 - Az. V ZB 84/10, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2011, 615. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 10 4.1. Vertragsschluss Eine GbR wird durch einen (Miet-)Vertrag berechtigt und verpflichtet, wenn der Vertrag die Gesellschaft oder die einzelnen Gesellschafter als Vertragspartner bezeichnet. Dafür muss die Gesellschaft explizit als „GbR“ oder mit dem sonst geführten Namen der Gesellschaft als Vermieter genannt sein. Die Schriftform wird gewahrt, soweit die Unterschrift durch alle Gesellschafter oder den vertretungsbefugten Gesellschafter erfolgt. Unterzeichnet letzterer, muss sich aus einem Zusatz zu seiner Unterschrift das Vertretungsverhältnis ergeben. Eine einseitige Beschränkung der Haftung (GbR-GmbH) oder Begrenzung der Vollmacht eines vertretungsbefugten Gesellschafters ist nur wirksam, wenn sie in den einzelnen Mietvertrag aufgenommen wurde.32 4.2. Vertragliche Verpflichtungen Nimmt ein einzelner Gesellschafter die Miete entgegen, liegt nur mit der Zustimmung aller Gesellschafter die in der Entgegennahme zu sehende Genehmigung des Mietvertrages wirksam vor.33 Ein Gesellschafterwechsel ist als interner Vorgang der GbR anzusehen und hat keine Auswirkungen auf den Mietvertrag zwischen der GbR und einem Dritten. Scheidet ein Gesellschafter aus, ohne das Grundbuch zu korrigieren, kann er als Schuldner in Anspruch genommen werden. Einseitige Rechtsgeschäfte wie eine Kündigung des Mietvertrages durch die GbR müssen durch den Alleinvertretungsberechtigten, alle Gesamtvertretungsberechtigte oder einen Bevollmächtigten erfolgen. Fand keine ordnungsgemäße Vertretung statt, kann der Erklärungsempfänger die entsprechende Erklärung aufgrund der fehlenden Registerpublizität nach § 174 BGB zurückweisen . Eine eventuelle Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Alleinvertretungsberechtigten bzgl. einer Kündigungserklärung ist als reine Beschränkung des Innenverhältnisses unschädlich für die Wirksamkeit der Kündigungserklärung.34 Erfolgt die Kündigung durch den Vertragspartner der GbR, genügt der Zugang der Erklärung bei einem der vertretungsberechtigten Gesellschafter . Aus der Erklärung muss sich nur die Kündigung des Vertragsverhältnisses mit der GbR ergeben (§ 164 Abs. 3 BGB). Dies gilt auch, sollten die Gesellschafter gemeinsam vertretungsberechtigt sein, §§ 709, 714 BGB.35 Die GbR kann die Kündigung eines Mietverhältnisses auch in entsprechender Anwendung von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit dem Eigenbedarf eines Gesellschafters oder Angehörigen eines Gesell- 32 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 154 f. 33 LG Krefeld, Urt. v. 22.10.2014 - Az. 2 O 80/14, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (NZI) 2015, 94 (96). 34 BGH, Urt. v. 19.06.2008 - Az. III ZR 46/06, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report (NJW-RR) 2008, 1484 Rn. 46. 35 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 149; Specht, in: Beck´scher Onlinekommentar Mietrecht, 15. Edition, Stand: 01.03.2019, § 535 Rn. 149 - 161.1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 11 schafters begründen. Dabei muss die GbR sämtliche Verpflichtungen, wie die gesteigerte Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Mieter, erfüllen.36 Der Gesellschafter, für den Eigenbedarf geltend gemacht wird, muss dabei nach der neueren Rechtsprechung nicht bereits bei Abschluss des Vertrags oder Eintritt der GbR in den Mietvertrag Gesellschafter gewesen sein.37 4.3. Klagefähigkeit Die GbR ist aktiv und passiv klagefähig. Sind alle Gesellschafter vertretungsbefugt, müssen sie auch insgesamt an einer Klageerhebung mitwirken, da die Gesellschaft sonst nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form vertreten ist. Weigert sich ein Gesellschafter, an der Klageerhebung mitzuwirken, kann er in einem gesonderten Verfahren auf Zustimmung zur Prozessführung in Anspruch genommen werden.38 Macht nur ein Gesellschafter eine Mietforderung im gerichtlichen Verfahren geltend, muss durch eine Rubrumsberichtigung die Klarstellung erfolgen, dass der Anspruch der GbR zusteht und diese somit Prozesspartei ist. Die ordnungsgemäße Zustellung des Urteils erfolgt durch Zustellung an alle Gesellschafter oder an einen zur Geschäftsführung befugten Gesellschafter.39 Ergeht ein rechtskräftiges Urteil gegen die GbR, wirkt dieses nach § 129 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB)40 auch gegen die Gesellschafter. Richtet sich die Klage aber gegen (alle) Gesellschafter , entfaltet das rechtskräftige Urteil mangels einer gesetzlichen Regelung keine direkte Wirkung in einem nachfolgenden Prozess gegen die GbR. 41 4.4. Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter Die GbR haftet für ihre Verpflichtungen mit dem Gesamthandvermögen als Haftungsmasse. Die persönliche Haftung der Gesellschafter neben der GbR folgt aus §§ 128 Satz 1, 130 HGB analog. Sie umfasst alle vertraglichen Pflichten akzessorisch und in unbeschränkter Höhe des Privatvermögens . Für den individuellen Umfang der Haftung eines Gesellschafters ist der jeweilige Bestand der Gesellschafterschuld maßgeblich und eine eventuelle Haftungsbeschränkung als Bestandteil des individuellen Vertrags. Hat die GbR eine vertragliche Unterlassungspflicht und ver- 36 BGH, Urt. v. 14.12.2016 - Az. VIII ZR 232/15, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2017, 111. 37 BGH, Urt. v. 23.11.2011 - Az. VIII ZR 74/11, Neue Juristische Wochenschrift (NJW-RR) 2012, 237. 38 Strittige Rspr.: OLG Stuttgart, Urt. v. 12.07.2010 - Az. 5 U 33/10, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2010, 876; anders OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2003 - Az. 10 U 216/01, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report (NJW-RR) 2003, 513, wonach die GbR durch die restlichen Gesellschafter ordnungsgemäß vertreten ist. 39 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 158 f. 40 Handelsgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.05.1897 (RGBl. S. 219, BGBl. III/Fundstellennachweis 4100-1), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze vom 10.7.2018 (BGBl. I S. 1102), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/ (letzter Abruf: 08.05.2019). 41 Blank, in: Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 158 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 078/19 Seite 12 letzt diese, haften die Gesellschafter nur auf das Interesse, aber nicht persönlich auf Unterlassung . Sie können für die Unterlassungsverpflichtung oder die Abgabe einer geschuldeten Willenserklärung durch die GbR nicht in Anspruch genommen werden.42 Nach Ausscheiden eines Gesellschafters haftet dieser nicht für Bereicherungsansprüche in Folge einer doppelten Zahlung der Miete an die GbR, wenn die rechtsgrundlose Zahlung nicht im Mietvertrag angelegt war.43 Ist die Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters nicht nach § 736 Abs. 2 in Verbindung mit § 160 HGB begrenzt, haftet er nach § 128 HGB für die Altverbindlichkeiten der GbR. 5. Fazit Die Voraussetzungen einer wirksamen Eigenbedarfskündigung als wichtigster ordentlicher Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind durch die Rechtsprechung beständig konkretisiert worden. Zu beachten ist immer der Ausgleich zwischen den Interessen des Mieters und Vermieters . Ist eine GbR Vermieterin von Wohnräumen, müssen zusätzlich die besonderen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben insbesondere in Bezug auf die Formvorschriften beachtet werden. Zur steuerlichen Behandlung einer GbR bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wird auf den beigefügten Sachstand des Fachbereichs 4 (WD 4 - 3000 - 067/19) verwiesen. *** 42 Specht, in: Beck´scher Onlinekommentar Mietrecht, 15. Edition, Stand: 01.03.2019, § 535 Rn. 150 - 151.1, 155; Blank, in Blank/Börstinghaus, BGB, 5. Auflage 2017, § 535 Rn. 160 f. 43 BGH, Urt. v. 17.01.2012 - Az. II ZR 197/10, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2012, 205 Rn. 10.