© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 077/18 Die ärztliche Schweigepflicht im Hinblick auf die Feststellung von Prüfungsunfähigkeit Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 2 Die ärztliche Schweigepflicht im Hinblick auf die Feststellung von Prüfungsunfähigkeit Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 077/18 Abschluss der Arbeit: 23. April 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ärztliche Schweigepflicht und § 203 StGB 4 3. Ärztliche Schweigepflicht und die Feststellung von Prüfungsunfähigkeit 6 4. Meinungsstand in der Literatur 7 4.1. Gegner der bisherigen Argumentationskette 7 4.2. Befürworter der bisherigen Argumentationskette 8 5. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 4 1. Einleitung Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient erfordert ein Vertrauensverhältnis, damit der behandelnde Arzt eine differenzierte Diagnose aufstellen und dem Patienten zu einer Heilung verhelfen kann. Wichtige Voraussetzung für einen vertrauensvollen Umgang ist die ärztliche Schweigepflicht . Verstößt ein Arzt gegen diese Pflicht, kann dies eine Strafbarkeit nach § 203 des Strafgesetzbuches (StGB)1 begründen (siehe Ziffer 2). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie es sich mit der ärztlichen Schweigepflicht verhält, wenn bei einem Prüfling dessen Prüfungsunfähigkeit festgestellt werden soll (siehe Ziffer 3). Denn je nach Hochschule wird für einen krankheitsbedingten Rücktritt von einer Prüfung verlangt, dass der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit durch Vorlage eines (amts-)ärztlichen Attests belegt, in welchem unter anderem Ausführungen zu den Symptomen und den konkreten Leistungsbeeinträchtigungen erfolgen sollen.2 2. Ärztliche Schweigepflicht und § 203 StGB Nach § 203 Absatz 1 Nummer 1 StGB macht sich strafbar, „wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, […] anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist […].“ Tathandlung des § 203 Absatz 1 StGB ist somit das Offenbaren eines fremden Geheimnisses, welches dem Täter als Angehöriger einer bestimmten, in den Nummern 1 bis 7 aufgezählten, Berufsgruppe anvertraut wurde oder bekanntgeworden ist. Geheimnisse sind Tatsachen, die höchstens 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist. 2 Die Anforderungen differieren aufgrund des jeweiligen landesspezifischen Prüfungsrechts. Die Hochschulen weisen ihre Prüflinge sowie die behandelnden Ärzte auf die an der jeweiligen Hochschule maßgeblichen Anforderungen hin. Siehe beispielhaft das Formular für den Krankheitsnachweis der Technischen Universität Berlin, abrufbar unter: https://www.pruefungen.tu-berlin.de/fileadmin/ref10/Formulare/TUB__Attest.pdf sowie ein entsprechendes Formular der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, abrufbar unter: http://www.wifa.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/iufb-bwl/Dokumente/Finanzierung/SQ37/neu_amtsaerztl _attest.pdf sowie ein solches Formular für wirtschaftswissenschaftliche Prüfungen der Ludwig-Maximilians -Universität München, abrufbar unter: http://www.isc.uni-muenchen.de/files/allgemein /form_krank_20120910.pdf [letzte Abrufe: 23. April 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 5 einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein unter Würdigung von Lage und Standpunkt des Betroffenen berechtigtes Interesse hat.3 Ein solches Geheimhaltungsinteresse kann sowohl hinsichtlich inhaltlicher Informationen als auch hinsichtlich der Tatsache bestehen, dass der Betroffene in Kontakt zu einem der in Absatz 1 des § 203 StGB genannten Berufsgeheimnisträger steht. Die ärztliche Schweigepflicht erstreckt sich daher über alle Daten des Patienten bis hin zu der Tatsache, dass der Patient überhaupt den Arzt aufgesucht hat.4 Die Offenbarung muss für eine Strafbarkeit nach § 203 StGB unbefugt erfolgen. Ist der Schweigepflichtige gesetzlich zur Offenbarung verpflichtet, wie zum Beispiel im Fall des § 138 StGB, oder willigt der Betroffene in die Offenbarung ein5, ist das Handeln des Schweigepflichtigen gerechtfertigt und damit nicht unbefugt.6 Als ein weiteres Beispiel einer gesetzlich ausgestalteten Befugnis bzw. Pflicht zur Offenbarung ist § 48 Absatz 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG)7 zu nennen: Geht es um die Feststellung einer endgültigen Dienstunfähigkeit eines Beamten, hat der Arzt die tragenden Gründe der zuständigen Behörde mitzuteilen, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist (siehe im Gegensatz dazu die vorübergehende Dienstunfähigkeit unter Ziffer 4.1). Einer gesonderten Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht bedarf es daher nicht.8 Bei der Feststellung einer Prüfungsunfähigkeit gibt es keine entsprechende gesetzliche Regelung, weshalb sich die Frage stellt, ob eine Einwilligung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erforderlich ist (siehe Ziffer 3). 3 Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 203 Rn. 4 ff. 4 Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 203 Rn. 6. 5 Nach anderer Ansicht liegt bei Zustimmung des Betroffenen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor, sodass bereits der Tatbestand des § 203 StGB nicht erfüllt wird (so Cierniak/Niehaus, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 203 Rn. 58). 6 Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 203 Rn. 31 ff., 38; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch , 5. Auflage 2017, § 203 Rn. 50 f. 7 Bundesbeamtengesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) geändert worden ist. 8 Siehe hierzu Bundesministerium des Innern, Rundschreiben zur Dienstunfähigkeit (§§ 44 bis 49 Bundesbeamtengesetz ), Ziffer 4.2: Entbindung der Ärztin oder des Arztes von der Schweigepflicht durch die Beamtin oder den Beamten sowie Anlage 3: Merkblatt für Beamtinnen und Beamte zur ärztlichen Schweigepflicht, 4. Mai 2016, abrufbar unter: http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet .de/bsvwvbund_04052016_D13010151.htm [letzter Abruf: 23. April 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 6 3. Ärztliche Schweigepflicht und die Feststellung von Prüfungsunfähigkeit Für einen krankheitsbedingten Rücktritt von einer Prüfung fordern zahlreiche Hochschulen zum Nachweis der Prüfungsunfähigkeit des Prüflings ein (amts-)ärztliches Attest, welches konkrete Angaben über die Art der Erkrankung enthalten soll.9 Dieses Attest mit genaueren Ausführungen zu den Symptomen und den konkreten Leistungsbeeinträchtigungen des Prüflings muss sodann dem Prüfungsamt zur endgültigen Entscheidung über die Prüfungsunfähigkeit vorgelegt werden. Dieses Verfahren wird in der Rechtsprechung10 sowie weiten Teilen der Literatur11 damit begründet , dass die Prüfungsunfähigkeit ein Rechtsbegriff sei. Die Feststellung einer etwaigen Prüfungsunfähigkeit sei daher eine Rechtsfrage, die durch das zuständige Prüfungsamt zu beantworten sei und nicht durch den behandelnden Arzt. Hierzu benötige das Prüfungsamt detailliertere Ausführungen durch den Arzt in Form des beschriebenen Attests. Wendet sich der Prüfling an einen Arzt, um das erforderliche Attest einzuholen, liege hierin nach Auffassung von weiten Teilen der Literatur eine konkludente Einwilligung12 dahingehend, dass der Arzt gegenüber dem Prüfungsamt die erforderlichen Auskünfte erteilen dürfe und insoweit von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden sei.13 Eine Strafbarkeit nach § 203 StGB scheide damit aus. Manche Stimmen in der Literatur fordern jedoch, dass durch den Prüfling eine ausdrückliche Einwilligung erklärt werden müsse, da der Abschluss eines Behandlungsvertrags als solcher keine konkludente Einwilligung enthalte.14 Die Rechtsprechung äußert sich dagegen in den maßgeblichen Entscheidungen nicht zu dem Problem einer etwaigen Strafbarkeit nach § 203 StGB sowie einer entsprechenden Einwilligung. 9 Siehe Fußnote 2. 10 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 14.06.1983, 7 B 107/82, juris, Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 06.08.1996, 6 B 17/96, juris, Rn. 6; BVerwG, Beschluss vom 14.07.2004, 6 B 30/04, juris, Rn. 8; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.1991, 9 S 42/90, juris, Rn. 22 f. Siehe Fußnote 24 für aktuelle Rechtsprechung. 11 Cierniak/Niehaus, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 203 Rn. 68; Haase, in: Johlen/Oerder , Münchener Anwaltshandbuch (MAH) Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 16 Rn. 319 f.; Seebass, Die Prüfung – ein rechtsschutzloser Freiraum des Prüfers?, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1985, S. 524; Fahrenhorst, Die Kontrolle der Prüfungsunfähigkeit, Medizinrecht (MedR) 2003, S. 207; Rohlfing, Der Beweiswert amtsärztlicher Atteste für den Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit, MedR 2013, S. 23, 26. 12 Nach anderer Ansicht ein tatbestandsausschließendes Einverständnis, siehe Fußnote 5. 13 Cierniak/Niehaus, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 203 Rn. 68; Haase, in: Johlen/Oerder , Münchener Anwaltshandbuch (MAH) Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 16 Rn. 322; Fahrenhorst, MedR 2003, S. 213. 14 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 203 Rn. 58 f.; ebenfalls eine konkludente Einwilligung ablehnend Fischer, Strafgesetzbuch, 64. Auflage 2017, § 203 Rn. 33a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 7 4. Meinungsstand in der Literatur 4.1. Gegner der bisherigen Argumentationskette Gegen die aufgezeigte Argumentation wird in Teilen der Literatur15 ein Vergleich mit der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit angeführt: Sei ein Arbeitnehmer krank, reiche die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ohne weitere Angaben aus. Könne der Arzt im Arbeitsrecht selbstständig über den Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit entscheiden, sei es widersprüchlich , wenn dies bei dem Rechtsbegriff der Prüfungsunfähigkeit anders gehandhabt werde.16 Obwohl der Arzt den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers in der Regel nicht kenne, sei er zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit fähig. Dann müsse er erst recht in der Lage, die Prüfungsunfähigkeit des Prüflings zu beurteilen, denn im Gegensatz zu der Arbeitssituation des kranken Arbeitnehmers seien Prüfungen im Prinzip alle gleich.17 Als weiterer Vergleich dient die vorübergehende Dienstunfähigkeit des Beamten: Bei der Feststellung der vorübergehenden Dienstunfähigkeit eines Beamten reiche ebenfalls ein ärztliches Attest ohne weitergehende Ausführungen aus.18 Obwohl die Bindung zwischen Beamten und Dienstherrn aufgrund des Beamtenverhältnisses wesentlich intensiver sei als die zwischen Prüfling und Prüfungsamt, erfahre der Dienstherr nicht die Gründe für die festgestellte Dienstunfähigkeit . Ungeachtet dessen, dass die Feststellung der Prüfungsunfähigkeit allein durch den Arzt erfolgen solle, stelle das Verhalten des Prüflings keine wirksame Einwilligung und damit keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht dar.19 Denn aufgrund der Drucksituation des Prüflings, entweder in die Weitergabe seiner Daten einzuwilligen oder nicht von der Prüfung zurücktreten zu können, erscheine es zumindest zweifelhaft, ob die Einwilligung noch freiwillig ergehe.20 Zudem sei das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitswesens gefährdet, bejahe man leichtfertig eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.21 15 Kühne, Die Reichweite des ärztlichen Geheimnisschutzes bei kranken Prüfungskandidaten, Juristische Arbeitsblätter (JA) 1999, S. 523 f.; Zimmerling, Prüfungsunfähigkeit und (amts-)ärztliches Attest, MedR 2001, S. 635. 16 Kühne, JA 1999, S. 524; Zimmerling, MedR 2001, S. 635; ebenfalls Zimmerling, Prüfungsrecht aus anwaltlicher Sicht, Wissenschaftsrecht (WissR) 2002, S. 167. 17 Zimmerling, MedR 2001, S. 635; ebenfalls Zimmerling, WissR 2002, S. 166 f. 18 Zimmerling, MedR 2001, S. 636. 19 Kühne, JA 1999, S. 525. 20 Die Freiwilligkeit eindeutig ablehnend Kühne, JA 1999, S. 525; die Freiwilligkeit stark anzweifelnd Zimmerling, MedR 2001, S. 635, 637. 21 Zimmerling, MedR 2001, S. 637. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 8 4.2. Befürworter der bisherigen Argumentationskette Gegen die kritischen Stimmen wird angeführt, dass der Vergleich zur Arbeits- sowie vorübergehenden Dienstunfähigkeit verfehlt sei.22 Das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber sowie von Beamten zu Dienstherrn sei – im Gegensatz zu dem von Prüfling zu Prüfungsamt – auf Dauer angelegt und es bestehe eine persönliche Beziehung.23 Daher sei es dem Arbeitnehmer und Beamten unzumutbar, seine Erkrankung dem Vorgesetzten gegenüber offenzulegen. Schließlich könnten ihm durch eine Offenlegung auch Nachteile für seinen weiteren Arbeitsalltag (zum Beispiel in Form von Mobbing) oder seine berufliche Karriere (zum Beispiel fehlende Beförderung) entstehen . Dies sei bei der nicht auf Dauer und von weitgehender Anonymität gekennzeichneten Beziehung von Prüfling und Prüfungsamt nicht zu befürchten. Das Gebot der Chancengleichheit aller Prüflinge gebiete vielmehr, dass das Prüfungsamt nach einheitlichen Maßstäben feststelle, wann eine Prüfungsunfähigkeit gegeben sei, damit verhindert werde, dass sich Prüflinge durch unberechtigte Rücktritte eine zusätzliche Prüfungschance verschafften.24 Schließlich werde im Prüfungswesen über Lebenschancen entschieden, was eine strenge Pflicht zur Gleichbehandlung begründe . Auch die Drucksituation des Prüflings, der Weitergabe seiner Daten zuzustimmen oder nicht zurücktreten zu können, verhindere nicht die Wirksamkeit seiner konkludenten Einwilligung gegenüber dem behandelnden Arzt.25 Es sei ein allgemeiner Grundsatz, dass derjenige, der einen Anspruch geltend mache, auch die erforderlichen konkreten Angaben machen müsse. Ein entsprechender Druck sei für die Einwilligung in die Offenlegung ärztlicher Geheimnisse typisch: Beispielsweise nehme eine private Krankenkasse eine Person nicht ohne die Entbindung von der Schweigepflicht auf; auch die Rentenbehörde bewillige ohne Angaben keine Rente wegen Erwerbsminderung und die Ausländerbehörde erkenne die Abschiebeunfähigkeit eines Ausländers nicht ohne Offenlegung der Diagnose an. Ob dem Druck nachgegeben werde, um den erstrebten Vorteil zu erlangen, oder man lieber mit der Konsequenz bei einer Weigerung leben wolle, liege im Belieben des Einzelnen. 22 Haase, in: Johlen/Oerder, Münchener Anwaltshandbuch (MAH) Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 16 Rn. 321; Fahrenhorst, MedR 2003, S. 210. 23 Fahrenhorst, MedR 2003, S. 210. 24 Fahrenhorst, MedR 2003, S. 209 f. 25 Fahrenhorst, MedR 2003, S. 212 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 077/18 Seite 9 5. Fazit Trotz angeführter Kritik wird auch in der aktuellen Rechtsprechung26 die bisherige Argumentation (siehe Ziffer 3) beibehalten. Es steht den Ländern jedoch frei, ihre Hochschulgesetze dahingehend zu ändern, dass ein (amts-)ärztliches Attest als ein Nachweis grundsätzlich auszureichen hat, wenn es die Prüfungsunfähigkeit ohne weitere Angaben festhält. Als ein Beispiel ist hier das Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen zu nennen. § 63 Absatz 7 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen27 hat folgenden Wortlaut: „Für den Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit reicht eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Prüfungsunfähigkeit hin, es sei denn, es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, die eine Prüfungsfähigkeit als wahrscheinlich annehmen oder einen anderen Nachweis als sachgerecht erscheinen lassen.“ Entsprechend gestalten die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ihre Bestimmungen und maßgeblichen Vorgaben an ihre Prüflinge aus.28 *** 26 Siehe beispielhaft Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis, Urteil vom 26.01.2012, 2 A 331/11, juris, Rn. 51, 62, 69; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.08.2016, 2 ME 150/16, juris, Rn. 11-13; Verwaltungsgericht (VG) Augsburg, Urteil vom 19.07.2016, Au 3 K 15.1851, juris, Rn. 57 (bestätigt durch Bayerischen VGH, Beschluss vom 27.11.2017, 7 ZB 16.1740, juris). 27 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 16. September 2014, in Kraft getreten am 1. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 547) und zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Oktober 2017 (GV. NRW. S. 806), abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen ?v_id=10000000000000000654 [letzter Abruf: 23. April 2018]. 28 Siehe das Formular für den Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit (Ärztliches Attest) zur Vorlage beim Zentralen Prüfungsamt der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, abrufbar unter : http://www.rwth-aachen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaafkrvr sowie das Formular zur Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Ruhr Universität Bochum, abrufbar unter: https://www.ei.rub.de/media/attachments/files/2016/03/20160309_Attestformular .pdf sowie das Formular für eine Ärztliche Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, abrufbar unter: https://www.wiso.uni-koeln.de/sites /fakultaet/dokumente/PA/formulare/Attest_Formular.pdf [letzte Abrufe: 23. April 2018].