© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung im Zusammenhang mit schwerer und organisierter Kriminalität Zuständigkeiten im Bereich des Steuer- und Zollstrafrechts, der schweren und organisierten Kriminalität sowie der Geldwäsche Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Juli 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen (Gliederungspunkte 1, 2, 3) WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung (Gliederungspunkte 1, 4, 5) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Zuständigkeiten im Bereich des Steuerstrafrechts 4 2.1. Überblick über das materielle Steuerstrafrecht 5 2.1.1. Steuerstraftaten 5 2.1.2. Steuerordnungswidrigkeiten 6 2.2. Zuständigkeiten im Steuerstrafverfahren 7 2.2.1. Zuständigkeit der Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaften 7 2.2.1.1. Abgrenzung der Befugnisse zwischen Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde 8 2.2.1.2. Selbstständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde 8 2.2.1.3. Abgabe an die Staatsanwaltschaft 9 2.2.1.4. Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft 10 2.2.2. Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörden 10 2.2.3. Organisatorische Zuständigkeit der Finanzbehörden 11 2.3. Aufgaben und Organisation der Steuerfahndung 11 2.4. Zuständigkeiten für die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten 13 2.5. Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr 13 3. Zuständigkeiten im Bereich des Zollstrafrechts 14 3.1. Überblick über das materielle Zollstrafrecht 15 3.2. Zuständigkeiten im Zollstrafverfahren 15 3.3. Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr 16 4. Zuständigkeit von Bundespolizei und Zoll zur Verfolgung schwerer und organisierter Kriminalität 17 5. Behördliche Zuständigkeiten im Bereich der Geldwäsche 19 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 4 1. Fragestellung Im Zusammenhang mit der Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung schwerer und organisierter Kriminalität werden die folgenden Fragen gestellt. 1. Welche Bundes- und Landesbehörden sind aufgrund welcher (generellen/speziellen) gesetzlichen Regelungen jeweils für die Abwehr von Gefahren aus bzw. für die Verfolgung welcher Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zuständig (Finanzämter, Zollbehörden [Zollkriminalamt , Zollfahndungsdienst, Hauptzollämter], Staatsanwaltschaften)? 2. Welche Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände fallen unter den Begriff „Zollkriminalität “ und wer ist jeweils für die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung in Bund und Ländern zuständig? 3. Welche gesetzlichen Aufgabenzuweisungen zur Verfolgung welcher schwerer Straftaten (schwere und organisierte Kriminalität) bestehen a) für die Bundespolizei, b) für den Zoll (Generalzolldirektion und ihre Untergliederungen)? 4. Welche Bundes- und Landesbehörden sind aufgrund welcher gesetzlicher Aufgabenzuweisungen für die Gefahrenabwehr und für die Verfolgung von Straf-und Ordnungswidrigkeitstatbeständen im Bereich der Geldwäsche (Geldwäschegesetz, § 261 StGB, EU-Recht/internationales Recht) zuständig? 2. Zuständigkeiten im Bereich des Steuerstrafrechts Das Steuerstrafrecht zählt nicht zum sogenannten Kernstrafrecht, welches im Strafgesetzbuch (StGB)1 normiert ist, sondern wird als „Nebenstrafrecht“ bezeichnet.2 Es ist im Wesentlichen in den §§ 369 bis 412 Abgabenordnung (AO)3 geregelt (Achter Teil der AO mit dem Titel „Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren“). Das Steuerstrafrecht der Abgabenordnung ist Bundesrecht. Darüber hinaus enthält aber auch das jeweilige Landesrecht Regelungen zum 1 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Art. 29 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 29. Juli 2021). 2 Gaede, JA 2008, 88, 88. 3 Abgabenordnung (AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, ber. 2003 S. 61), das zuletzt durch Art. 24 Abs. 9 des Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2154) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 5 Steuerstrafrecht. Nach Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz (GG)4 haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit diese nicht bundesgesetzlichen Steuern gleichartig sind. Steuerstrafrechtliche Vorschriften im Landesrecht sind entweder als eigenständige Vorschriften wie beispielsweise § 17 Kommunalabgabengesetz NRW5 (Abgabenhinterziehung) oder als Verweis auf Vorschriften der AO wie zum Beispiel § 8 Abs. 1 Kirchensteuergesetz NRW6 ausgestaltet.7 Der Grund für die Auslagerung des Steuerstrafrechts in die Abgabenordnung ist die enge Verbindung des strafrechtlichen Schutzes des Steueraufkommens mit dem Steuerrecht und mit den speziellen Erfahrungen der Steuererhebung; der Sachverstand muss sich hier weit über strafrechtliche Kenntnisse hinaus erstrecken.8 2.1. Überblick über das materielle Steuerstrafrecht 2.1.1. Steuerstraftaten Zu den Steuerstraftaten gehören zunächst alle Taten, die nach den einzelnen Steuergesetzen strafbar sind (§ 369 Abs. 1 Nr. 1 AO). Weiter zählen dazu der Bannbruch (§ 369 Abs. 1 Nr. 2 AO), die Wertzeichenfälschungsdelikte in Bezug auf Steuerzeichen (§ 369 Abs. 1 Nr. 3 AO) sowie die Begünstigungen zu Gunsten der Täter der eben genannten Delikte (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO). Neben der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) sind vor allem die Zollstraftaten (§§ 372 bis 374 AO; zu den Zollstraftaten siehe 3.) sowie die Fälschung von Steuerzeichen bzw. deren Vorbereitung 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), das zuletzt durch Art. 1 und 2 des Änderungsgesetzes (Art. 104a, 143h) vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/. 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vom 21. Oktober 1969 (GV. NW. 1969 S. 712), das zuletzt durch das Gesetz vom 19. Dezember 2019 (GV. NRW. S. 1029) geändert worden ist, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000448. 6 Gesetz über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz – KiStG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 22. April 1975 (GV. NW. 1975 S. 438), das zuletzt durch das Gesetz vom 19. November 2019 (GV. NRW. S. 860) geändert worden ist, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000118. 7 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2020, S. 21 Rn. 5. 8 Gaede, JA 2008, 88, 89. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 6 (§§ 148, 149 StGB) und die Begünstigung (§ 257 StGB) eines Steuerstraftäters, aber auch die gesondert unter Strafe gestellte gewerbs- oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26c Umsatzsteuergesetz9) zu nennen.10 Aus § 369 Abs. 2 AO folgt, dass das allgemeine Strafrecht des StGB auch für das Steuerstrafrecht gilt, es sei denn in den Vorschriften der Steuergesetze wird eine abweichende Regelung getroffen. Praktisch stellen die Steuerstraftaten dementsprechend eine Ergänzung des besonderen Teils des StGB dar, auf den dessen allgemeiner Teil nahezu vollständig zur Anwendung gelangt.11 2.1.2. Steuerordnungswidrigkeiten Steuerordnungswidrigkeiten sind nach § 377 Abs. 1 AO Zuwiderhandlungen, die nach der AO oder den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können. Hier ist vor allem die leichtfertige Steuerhinterziehung nach § 378 AO von Bedeutung. Für das Verfahren gelten gemäß § 377 Abs. 2 AO die Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG)12, soweit die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Das Steuerstrafrecht und das Steuerordnungswidrigkeitenrecht unterscheiden sich hauptsächlich durch die Rechtsfolge. Steuerstraftaten sind mit Geld- oder Freiheitsstrafe (vgl. §§ 38 ff. StGB) und Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. §§ 61 ff. StGB) bedroht, wohingegen Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 1, 17 OWiG mit einer Geldbuße geahndet werden.13 Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Steuerordnungswidrigkeiten im Gegensatz zu Steuerstraftaten weder in das Bundeszentralregister noch in ein Führungszeugnis eingetragen werden.14 Zur Verfolgungszuständigkeit siehe Gliederungspunkt 2.4. 9 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386), das zuletzt durch Art. 4 des Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1498) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ustg_1980/. 10 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 1. 11 Gaede, JA 2008, 88, 89. 12 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Art. 23 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/owig_1968/. 13 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2020, S. 23 Rn. 19. 14 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2020, S. 23 Rn. 20 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 7 2.2. Zuständigkeiten im Steuerstrafverfahren Das Steuerstrafverfahren ist in den §§ 385 ff. AO normiert und weist gegenüber dem allgemeinen Strafverfahren zahlreiche Besonderheiten auf. Es folgt überwiegend abweichenden Rechtsvorschriften und ist aufgrund seiner engen Verzahnung mit dem Steuerrecht durch besondere Verfahrensbeteiligte geprägt.15 Aber auch im Steuerstrafverfahrensrecht gelten gemäß § 385 Abs. 1 AO im Übrigen die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die Strafprozessordnung (StPO)16, das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)17 und das Jugendgerichtsbarkeitsgesetz (JGG)18. Die Vorschriften über das Steuerstrafverfahrensrecht sind gemäß § 385 Abs. 1 AO immer dann anzuwenden, wenn eine Steuerstraftat vorliegt (dazu 2.1.1.). Darüber hinaus sind die Vorschriften gemäß § 385 Abs. 2 AO mit wenigen Ausnahmen auch beim Verdacht einer Straftat entsprechend anzuwenden, die unter Vorspiegelung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts gegenüber der Finanzbehörde oder einer anderen Behörde auf die Erlangung von Vermögensvorteilen gerichtet ist und kein Steuergesetz verletzt. 2.2.1. Zuständigkeit der Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaften Zentrale Besonderheit des Steuerstrafverfahrens ist die Beteiligung der Finanzbehörden an der Strafverfolgung;19 nach § 386 Abs. 1 Satz 1 AO ermitteln die Finanzbehörden den strafrechtlichen Sachverhalt bei Verdacht einer Steuerstraftat. Finanzbehörden im Steuerstrafverfahren sind gemäß § 386 Abs. 1 Satz 2 AO das Hauptzollamt (siehe dazu Gliederungspunkt 3.2.), das Finanzamt , das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse. Nicht erfasst werden auf örtlicher Ebene namentlich die Zollfahndungsämter, die Gemeindesteuerbehörden, ferner nicht die Oberfinanzdirektionen und die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder.20 15 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 162. 16 Strafprozeßordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, ber. S. 1319), das zuletzt durch Art. 15 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/stpo/. 17 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gvg/. 18 Jugendgerichtsgesetz (JGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch Art. 21 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/jgg/. 19 Gaede, JA 2008, 88, 92. 20 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 8 2.2.1.1. Abgrenzung der Befugnisse zwischen Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde Die Abgrenzung der Befugnisse von Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde wird in § 386 AO geregelt . Das der Staatsanwaltschaft obliegende allgemeine Ermittlungsmonopol wird durch die Regelungen des § 386 AO aber nicht durchbrochen, sondern lediglich modifiziert.21 Führt die Finanzbehörde die Ermittlungen wegen einer Steuerstraftat selbständig, nimmt sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse aus den §§ 399 Abs. 1, 400, 401 AO die Stellung der Staatsanwaltschaft ein. Begründet wird diese Regelung damit, dass für die Ermittlungen in Steuerstrafverfahren eine besondere steuerliche Sachkunde erforderlich ist und insbesondere die Finanzbehörden über eine solche verfügen. Zudem ergeben sich Verdachtsmomente über Steuerstraftaten meistens im Besteuerungsverfahren.22 Die Staatsanwaltschaft kann jedoch die Führung des Ermittlungsverfahrens jederzeit gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO an sich ziehen. Sie behält dementsprechend die Oberhand über das Ermittlungsverfahren und bleibt auch bei selbstständiger Führung des Ermittlungsverfahrens durch die Finanzbehörde Herrin des Verfahrens.23 Das hat aber nicht zur Folge, dass die Finanzbehörde den Weisungen der Staatsanwaltschaft unterliegt und deren bloßes Hilfsorgan ist; die Finanzbehörde ist in den Grenzen des § 386 Abs. 2 bis 4 AO unabhängig von der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Sachverhalts berechtigt und verpflichtet; für sie gilt das Legalitätsprinzip.24 Solange die Finanzbehörde das Ermittlungsverfahren selbständig führt, ist die Staatsanwaltschaft nicht befugt , ihr für die Behandlung des Falles rechtlich bindende Weisungen zu erteilen oder bestimmte Ermittlungen vorzuschreiben. Sollte die Staatsanwaltschaft mit der Ermittlungsführung durch die Finanzbehörde nicht einverstanden sein, bleibt ihr nur die Möglichkeit, die Strafsache gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO an sich zu ziehen.25 2.2.1.2. Selbstständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde Die Finanzbehörde ist befugt, das Ermittlungsverfahren selbstständig als sogenannte „Steuerstaatsanwaltschaft “ zu führen, wenn die Tat gemäß § 386 Abs. 2 Nr. 1 AO ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt. Es gilt der formelle Tatbegriff.26 Der selbstständigen Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde unterfallen somit nicht diejenigen Taten, die zwar die Merkmale einer Steuerstraftat im Sinne des § 369 Abs. 1 AO aufweisen, aber zugleich nichtsteuerliche Strafgesetze verletzen.27 21 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 1. 22 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 1. 23 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 7. 24 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 7. 25 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 2. 26 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 22. 27 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 9 Wenn sich erst im Laufe der Ermittlungen einer Finanzbehörde ergibt, dass der Beschuldigte durch seine Tat auch ein nichtsteuerliches Strafgesetz verletzt haben kann, entfällt die aus § 386 Abs. 2 AO abgeleitete selbstständige Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde kraft Gesetzes und die Zuständigkeit liegt wieder bei der Staatsanwaltschaft. Die Finanzbehörde ist in diesen Fällen aufgrund des Legalitätsprinzips dazu verpflichtet, die Akten der Staatsanwaltschaft vorzulegen , da diese ansonsten nichts von ihrer nun begründeten eigenen Ermittlungskompetenz erfährt .28 Wenn eine Steuerstraftat mit einer anderen Straftat zusammenfällt, entfällt allerdings nicht jegliche Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde, sondern sie behält eine unselbstständige Ermittlungskompetenz. Die Staatsanwaltschaft führt zwar das Ermittlungsverfahren, aber die ermittelnden Finanzbehörden haben weiterhin die Rechte und Pflichten, die den Behörden des Polizeidienstes nach der StPO zustehen (vgl. § 402 Abs. 1 AO).29 Die Finanzbehörde darf in diesen Fällen beispielsweise Durchsuchungen und Beschlagnahmen durchführen, soweit es sich um Beweismittel handelt, die von Bedeutung sind oder die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen ; richterliche Untersuchungshandlungen dürfen aber nicht von ihr beantragt werden.30 Die Finanzbehörde ermittelt darüber hinaus gemäß § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO selbstständig, wenn die Tat zwar andere Strafgesetze verletzt, aber deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich -rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen. Die Vorschrift hat insbesondere Bedeutung für Beiträge an Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern, deren Höhe sich nach dem Gewerbesteuermessbetrag richtet.31 Die Kompetenz der Finanzbehörde zur selbstständigen Ermittlung aus § 386 Abs. 2 AO entfällt gemäß § 386 Abs. 3 AO, sobald gegen den Beschuldigten wegen der Tat ein Haftbefehl oder ein Unterbringungsbefehl erlassen ist. 2.2.1.3. Abgabe an die Staatsanwaltschaft Die Finanzbehörde kann die Strafsache gemäß § 386 Abs. 4 Satz 1 AO jederzeit an die Staatsanwaltschaft abgeben. Ob von dieser Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, steht gemäß Nr. 22 Abs. 1 Satz 1 AStBV32 im pflichtgemäßem Ermessen der Finanzbehörde. Die unverzügliche Abgabe kommt nach Nr. 22 AStBV unter anderem in Betracht, wenn eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung beantragt werden soll, wenn die Anordnung der Untersuchungshaft geboten erscheint (§§ 112, 113 StPO), wenn die Strafsache besondere Schwierigkeiten aufweist oder wenn neben der Steuerstraftat auch nichtsteuerliche Straftaten in einem einheitlichen Ver- 28 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 26. 29 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 7. 30 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2020, S. 149 Rn. 51. 31 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 8. 32 Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) 2020 – vom 1. Dezember 2019, BStBl. I 2019, 1142. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 10 fahren verfolgt werden sollen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht befugt, die Übernahme der Strafsache abzulehnen und kann diese nur im Einvernehmen mit der Finanzbehörde an diese zurückübertragen .33 Durch die Abgabe erlischt die besondere Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde und die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft lebt wieder auf.34 2.2.1.4. Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft Die Staatsanwaltschaft kann die Strafsache gemäß § 386 Abs. 4 Satz 2 AO jederzeit an sich ziehen . Daraus folgt, dass die selbstständige Ermittlungsbefugnis der Finanzbehörde gemäß § 386 Abs. 2 AO unter dem Vorbehalt steht, dass die Staatsanwaltschaft die Strafsache nicht selbst verfolgen will. Das sogenannte Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft aus § 386 Abs. 4 Satz 2 AO dient der Absicherung des Ermittlungs- und Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft.35 Die Ausübung des Evokationsrechts steht im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft.36 Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung der Staatsanwaltschaft ist nicht erforderlich. Die Evokation kann auch konkludent erfolgen, beispielsweise dadurch, dass die Staatsanwaltschaft im laufenden Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde einzelne Ermittlungshandlungen selbst vornimmt .37 Die Finanzbehörde muss die Staatsanwaltschaft gemäß Nr. 22 Abs. 2 Satz 1 AStBV unverzüglich über Strafsachen informieren, die wegen der Größenordnung oder aus anderen Gründen, namentlich wegen der Persönlichkeit oder der Stellung des Beschuldigten oder wegen des Sachzusammenhangs mit anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, von besonderer Bedeutung sind, sofern sie nicht die Vorgänge gemäß § 386 Abs. 4 Satz 1 AO bereits abgegeben hat. 2.2.2. Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörden Sachlich zuständig ist die Finanzbehörde, welche die betroffene Steuer verwaltet (§ 387 Abs. 1 AO). Das sind grundsätzlich die Finanzämter als örtliche Landesbehörden, § 17 Abs. 2 Finanzverwaltungsgesetz (FVG)38. Davon ausgenommen sind die von den Bundesfinanzbehörden und die nach Art. 108 Abs. 4 GG von anderen Behörden (z.B. Gemeinden) verwalteten Steuern. Daraus folgt, dass die Hauptzollämter eine Strafverfolgungskompetenz für den Bereich der Zölle 33 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 12. 34 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 47. 35 Jäger, in: Klein, Abgabenordnung, § 386 Rn. 15. 36 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 52. 37 Randt, in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, § 386 Rn. 55 f. 38 Gesetz über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz – FVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 2006 (BGBl. I S. 846, ber. S. 1202), das zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2056) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/fvg_1971/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 11 (siehe Gliederungspunkt 3.2.), die besonderen Verbrauchsteuern und Abgaben der EU haben. Zudem hat das Bundeszentralamt für Steuern die Strafverfolgungskompetenz für die ihm nach § 5 Abs. 1 FVG zur Verwaltung übertragenen Steuern.39 Die örtliche Zuständigkeit knüpft an den Tatort oder den Entdeckungsort an. Alternativ ist das für Abgabenangelegenheiten im Sinne des § 347 Abs. 2 AO zuständige Finanzamt oder das Wohnsitzfinanzamt örtlich zuständig (§ 388 Abs. 1 AO). Bei mehrfacher Zuständigkeit folgt aus § 390 Abs. 1 AO, dass die Finanzbehörde zuständig ist, die wegen der Tat zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat. 2.2.3. Organisatorische Zuständigkeit der Finanzbehörden Die organisatorische Ansiedlung der funktionell zuständigen Finanzbehörden unterscheidet sich in jedem Bundesland. Zuständig für Ermittlungen sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen.40 In den meisten Bundesländern sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStra) bzw. Straf- und Bußgeldsachenstellen (StraBu) Einheiten der allgemeinen Finanzämter.41 In einigen Bundesländern (zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen) sind die Bußgeld- und Strafsachenstellen zusammen mit den Steuerfahndungsstellen (zur Steuerfahndung siehe Gliederungspunkt 2.3.) in eigenständigen Finanzämtern organisiert, in einigen Bundesländern (zum Beispiel in Hamburg und Schleswig-Holstein) auch zusammen mit anderen zentralen Tätigkeiten wie zum Beispiel Prüfdiensten. Durch die Organisation der Bußgeld- und Strafsachenstellen ist es innerhalb der Finanzbehörden weitestgehend zu einer organisatorischen Trennung der Bearbeitung von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren gekommen.42 2.3. Aufgaben und Organisation der Steuerfahndung Die Steuerfahndung hat als „Steuerpolizei“ die gleichen Rechte und Befugnisse wie die Beamten des Polizeidienstes nach der Strafprozessordnung (§ 404 AO). Ihre Beamten sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sie von der Wahrnehmung der staatsanwaltschaftlichen Befugnisse der Finanzbehörden im Sinne des § 386 Abs. 2 AO ausgeschlossen sind.43 39 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 24.3. 40 Vgl. Nr. 17 Abs. 4 AStBV. 41 Vgl. Schaefer, in: BeckOK AO, 16. Ed. 1. April 2021, § 386 Rn. 12. 42 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 198. 43 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 210. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 12 Nach § 404 Satz 1 AO gehören zur Steuer- bzw. Zollfahndung die Behörden des Zollfahndungsdienstes (siehe dazu Gliederungspunkt 3.2.) und die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden. Die Steuerfahndung ist entweder als Teil eines allgemeinen oder eines eigenständigen Finanzamtes organisiert (siehe oben Gliederungspunkt 2.2.3.).44 Aufgabe der Steuerfahndung ist die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten und die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 AO). Hervorzuheben ist, dass die Steuerfahndung gemäß §§ 208, 404 AO sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren tätig werden kann (Doppelfunktion der Steuerfahndung). Sie ist allerdings in beiden Verfahren jeweils nur Ermittlungsorgan, denn die Entscheidungsgewalt kommt im Besteuerungsverfahren der Veranlagungsstelle und im Steuerstrafverfahren, je nach dem wer die Ermittlungskompetenz (dazu Gliederungspunkt 2.2.1.) besitzt, der Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. der Staatsanwaltschaft zu.45 Die doppelte Aufgabe der Steuerfahndung (ergänzt um Vorfeldermittlungen, dazu Gliederungspunkt 2.5.) ist zwar theoretisch klar zu unterscheiden , in der Praxis jedoch schwierig abzugrenzen.46 Die Steuerfahndung hat oft einen Informationsvorsprung vor der Veranlagungs- bzw. der Bußgeld - und Strafsachenstelle, aufgrund ihres Erstzugriffs auf entscheidende Zeugen und Beweismittel und ihrer Beteiligung sowohl am Besteuerungs- als auch am Steuerstrafverfahren. Der Veranlagungs - bzw. Bußgeld- und Strafsachenstelle (ggf. auch der Staatsanwaltschaft) steht es aber frei, sich durch Nachfragen eine ausreichende Grundlage für eine eigenverantwortliche Entscheidung zu verschaffen.47 In der Praxis wird die Steuerfahndung ressourcenbedingt regelmäßig nur dort tätig, wo es Hinweise auf Steuerstraftaten gibt und wo eine Aufklärung des Sachverhalts mit strafprozessualen Mitteln, insbesondere der Durchsuchung und ggf. der anschließenden Beschlagnahme erforderlich oder aussichtsreich ist; ein strafrechtlicher Anfangsverdacht muss nicht zwingend vorliegen.48 Sobald die Steuerfahndung ihre Ermittlungen abgeschlossen hat, erstellt sie entsprechend § 202 Abs. 1 Satz 2 AO49 einen steuerlichen Bericht (Fahndungsbericht) für die Veranlagungsstelle und zusätzlich einen strafrechtlichen Bericht (Ermittlungsbericht), der weitergehende Ausführungen auch zu den übrigen objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der möglichen 44 Stahlschmidt, Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2020, S. 150 Rn. 53. 45 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 211. 46 Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, § 208 Rn. 1a, 5. 47 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 213. 48 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 214. 49 Vgl. Nr. 127 Abs. 1 AStBV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 13 Steuerhinterziehung und zur Beweissituation und Beweiswürdigung nach strafprozessrechtlichen Grundsätzen enthält.50 Dieser, die Ermittlungsakten und ein Abdruck des Fahndungsberichts werden dann der Bußgeld- und Strafsachenstelle übersandt. Der Ermittlungsbericht ist regelmäßig Grundlage für die weitere Sachbehandlung durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle und deren verfahrensabschließende Entscheidung.51 2.4. Zuständigkeiten für die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten Im Unterschied zum Steuerstrafverfahren ist das Steuerordnungswidrigkeitenverfahren primär ein Verfahren der Verwaltungsbehörde.52 Aus §§ 409 Satz 1 AO, 410 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG folgt, dass die Finanzbehörde (Bußgeld- und Strafsachenstelle) sowohl für die Verfolgung als auch für die Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten zuständig ist. § 409 Satz 1 AO verweist auf die nach § 387 Abs. 1 AO sachlich zuständige Finanzbehörde und § 410 Abs. 1 Nr. 1 AO verweist auf die nach §§ 388 ff. AO örtlich zuständige Finanzbehörde (zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Finanzbehörde siehe Gliederungspunkt 2.2.2.). Nur in Ausnahmefällen kann die Staatsanwaltschaft für die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten sachlich zuständig sein, nämlich wenn die Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer Straftat steht (vgl. §§ 35 Abs. 1; 40 bis 42 OWiG). Die Abgabe an die Staatsanwaltschaft kann allerdings unterbleiben, wenn es sich um eine Steuerstraftat handelt, für die die Finanzbehörde eine selbstständige Ermittlungskompetenz gemäß § 386 Abs. 2 AO besitzt.53 2.5. Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr In Abgrenzung zur Ermittlung und Verfolgung von Steuerstraftaten lässt sich Gefahrenabwehr im Steuerrecht verstehen als Gesamtheit der Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (so der gesetzliche Auftrag der Finanzbehörden aus § 85 Satz 1 AO), also „Gefahren“ für das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden abzuwehren. Der gleichmäßige Vollzug der Steuergesetze ist zugleich ein Verfassungsauftrag. Ohne gleichmäßigen Vollzug ist das jeweilige Steuergesetz selbst wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.54 Die sachliche Zuständigkeit für Steuern, welche durch Bundesrecht oder das Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, bestimmt sich nach dem FVG sowie die in der AO und in anderen 50 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 215. 51 Pflaum, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 21. Kapitel Steuerstrafrecht Rn. 215. 52 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 24.55. 53 Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 24.56. 54 Siehe Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz. 3.113. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 14 Gesetzen enthaltenen Sonderbestimmungen (§ 16 AO).55 Die sachliche Zuständigkeit im Bereich der Steuern ergibt sich aus § 4 FVG für die Bundesoberbehörden, aus § 5 FVG für das Bundeszentralamt für Steuern, aus § 6 FVG für Landesbehörden der Finanzverwaltung, für Oberfinanzdirektionen aus § 8a FVG und für Finanzämter aus § 17 FVG.56 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den §§ 17 ff. AO (siehe Gliederungspunkt 2.2.2.). Der Gefahrenabwehr im hier beschriebenen Sinne und der Risikokontrolle dienen in den einzelnen Ländern auch zentrale Stellen der Landesfinanzbehörden (Sondereinheiten, „Task Forces“), die der überregionalen Aufdeckung und Ermittlung bislang unbekannter Steuerfälle zur Unterstützung der Finanzämter dienen.57 Auch die Steuerfahndung (dazu oben Gliederungspunkt 2.3.) übernimmt Aufgaben, die als Gefahrenabwehr verstanden werden können. Im Rahmen ihrer sog. Vorfeldermittlungen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) hat sie nicht nur die Aufgabe, Steuerstraftaten eines bekannten Täters zu erforschen, sondern auch nach unbekannten Steuerfällen überhaupt erst zu suchen.58 3. Zuständigkeiten im Bereich des Zollstrafrechts Parallel zu den Ausführungen unter Gliederungspunkt 2 wird im Folgenden ein Überblick über Zuständigkeiten im Bereich des Zollstrafrechts gegeben, wobei auf die obigen Ausführungen verwiesen wird, soweit die Tätigkeiten vergleichbar sind. Zollstrafrecht ist der Sammelbegriff für die Zollstraftatbestände, deren Verfolgung den Zollbehörden obliegt.59 Die Zollbehörden als Bundesfinanzbehörden sind neben der Verwaltung der Zölle u.a. auch für die Verwaltung der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer sowie der Kraftfahrzeugsteuer zuständig (siehe Art. 108 Abs. 1 GG und § 12 Abs. 2 FVG; siehe auch Gliederungspunkt 2.2.2.). Hierfür gelten die für Steuern gemäß Gliederungspunkt 2.2. beschriebenen Regelungen der §§ 369 ff. AO mit der Maßgabe, dass die Hauptzollämter als „Finanzbehörden“ im Sinne des Steuerstrafverfahrensrechts an die Stelle der Finanzämter treten (§ 386 Abs. 1 Satz 2 AO). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 und 21 des Zollkodex der Europäischen Union (UZK).60 Diese sind Steuern im Sinne der AO (§ 3 55 Steinke, in: BeckOK AO, 16. Ed. 1. April 2021, § 16 Rn. 2. 56 Rätke in: Klein, Abgabenordnung, § 16 Rn. 2. 57 Siehe dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Deutschland und Großbritannien“, WD 4 - 3000 - 167/19, Seite 20 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/690140/363d5b45f822c7de24f4d12d71572605/WD-4- 167-19-pdf-data.pdf. 58 Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, § 208 Rn. 40 f. 59 Aichberger/Werner, in: Creifelds kompakt, Rechtswörterbuch, 4. Ed. 2021, Zollstrafrecht. 60 Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 S. 1, ber. L 287 S. 90, ABl. 2016 L 267 S. 2 und 2020 L 317 S. 39), die zuletzt durch Art. 1 der Änderungsverordnung (EU) 2019/632 vom 17. April (ABl. L 111 S. 54) geändert worden ist, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0952&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 15 Abs. 3 Satz 1 AO). Einfuhrabgaben sind die für die Einfuhr von Waren zu entrichtenden Abgaben , Ausfuhrabgaben sind die für die Ausfuhr von Waren zu entrichtenden Abgaben (Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK). Die Bestimmungen des materiellen wie formellen Strafrechts der AO sind daher auch auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben anzuwenden.61 3.1. Überblick über das materielle Zollstrafrecht Zollstraftaten sind solche Straftaten, die sich auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben beziehen.62 Zu den Zollstraftaten zählen die Zollhinterziehung (§ 370 AO), der Bannbruch (§ 372 AO), der gewerbsmäßige , gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel (§ 373 AO), die Steuerhehlerei (§ 374 AO), die Steuerzeichenfälschung (§§ 148, 149 StGB, § 369 Abs. 1 Nr. 3 AO) und die Begünstigung eines Steuerstraftäters (§§ 257 StGB, § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO).63 Der Tatbestand des § 382 AO (Gefährdung von Ein-und Ausfuhrabgeben) tritt als „zollrechtliche“ Ordnungswidrigkeit hinzu.64 3.2. Zuständigkeiten im Zollstrafverfahren Im Bereich der Zollstraftaten und -ordnungswidrigkeiten sind die Zollbehörden mit der Strafverfolgung betraut. Die Dienststellen der Zollverwaltung sind Zollbehörden im Sinne des Art. 5 Nr. 1 UZK, siehe § 17 Abs. 2 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG)65, und originär für die Anwendung des Zollrechts zuständig. Der Aufbau der Zollverwaltung als Bundesfinanzverwaltung ist dreistufig (§ 1 FVG). Oberste Bundesbehörde ist das Bundesministerium der Finanzen. Dem Bundesministerium der Finanzen obliegt die politische und strategische Steuerung der Zollverwaltung.66 Als Oberbehörden fungieren gemäß § 1 Nr. 2 FVG die Generalzolldirektion (GZD) mit ihren Direktionen sowie das Bundeszentralamt für Steuern. Die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen (Zollämter) und die Zollfahndungsämter dienen gemäß § 1 Nr. 3 FVG als örtliche Behörden.67 61 Schober, in: BeckOK AO, 16. Ed. 1. April 2021, § 3 Rn. 113, 117 mit Hinweis auf Art. 42 Abs. 1 UZK (Jeder Mitgliedstaat sieht Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen zollrechtliche Vorschriften vor). 62 Jäger, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 447. 63 Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 23. 64 Jäger, in: Joecks/Jäger/Randt, § 370 Rn. 447. 65 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2125), das zuletzt durch Art. 6 Abs. 6 des Verfassungsschutzrechts-Anpassungsgesetzes vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2274) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/zollvg/. 66 Hütwohl, Zur Zuständigkeit der Zollbehörden im Kampf gegen Geldwäscher und Terrorismusbekämpfung, ZfZ 2017, Nr. 9, S. 230. 67 Göcke, in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, UZK Art. 5 Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 16 Die Ermittlungskompetenzen der Zollbehörden in Bezug auf Zollstraftaten und –ordnungswidrigkeiten richten sich nach den Vorschriften über das Steuerstrafverfahren in §§ 385 ff. AO.68 Innerhalb der Zollverwaltung ist das Hauptzollamt die zur Ermittlung befugte „Finanzbehörde“ (§ 386 Abs. 1 Satz 2 AO). Entsprechend der Tätigkeit der Finanzämter bei der Verfolgung von Steuerstraftaten hat bei einer Zollstraftat das Hauptzollamt eine selbstständige Ermittlungskompetenz (§ 386 Abs. 2 Satz 1 AO) und ihm stehen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft zu (§ 399 Abs. 1 AO; siehe dazu näher Gliederungspunkt 2.2.1.). In allen anderen Fällen obliegt der Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft, und das Hauptzollamt fungiert als ihre Ermittlungsperson .69 Zudem sind die Zollbehörden Bußgeldbehörden im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts .70 Entsprechend der Tätigkeit der Steuerfahndung im Bereich des Steuerstrafverfahrens (dazu Gliederungspunkt 2.3.) werden die Aufgaben der Zollfahndung für den Bereich des Zollstrafrechts von den Behörden des Zollfahndungsdienstes wahrgenommen. Das sind die Zollfahndungsämter als von den Hauptzollämtern getrennte, selbständige örtliche Behörden und das Zollkriminalamt (Teil der Generalzolldirektion, § 5a Abs. 2 FVG) als Zentralstelle für den Zollfahndungsdienst (§§ 1, 2 Zollfahndungsdienstgesetz71). 3.3. Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr Entsprechend der Tätigkeit der Gefahrenabwehr im Bereich der Steuern durch die Finanzbehörden (dazu Gliederungspunkt 2.5.) lässt sich unter Gefahrenabwehr im Bereich der Zölle der gleichmäßige Vollzug der zollrechtlichen Bestimmungen durch die Zollbehörden verstehen.72 Diese Aufgabe obliegt den Zollbehörden, also den Hauptzollämtern und den weiteren Zollbehörden (siehe Gliederungspunkt 3.2.). Dazu zählen auch bestimmte Aufgaben der Zollfahndungsämter im Bereich der Vorfeldermittlungen (siehe entsprechend zur Steuerfahndung Gliederungspunkt 2.3.). Darüber hinaus sind Zollbedienstete in den Vollzugsbereichen der Zollverwaltung gemäß § 12d ZollVG befugt, nach Maßgabe des Landesrechts in Eilfällen die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen zu treffen, wenn der zuständigen Polizeibehörde dies nicht rechtzeitig möglich ist. 68 Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 22. 69 Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 22, 23. 70 Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 3. 71 Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz – ZFdG) vom 30. März 2021 (BGBl. S. 402), das zuletzt durch Art. 6 Abs. 1 des Verfassungsschutzrechts-Anpassungsgesetzes vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2274) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/zfdg_2021/. 72 Vgl. auch Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 17 Ihnen werden demnach auch Aufgaben der allgemeinen Gefahrenabwehr zuteil, welche originär Sache der Länder und der Polizei nach den einschlägigen Polizeigesetzen ist.73 4. Zuständigkeit von Bundespolizei und Zoll zur Verfolgung schwerer und organisierter Kriminalität Die Zuständigkeit der Bundespolizei in Sachen Strafverfolgung ist in § 12 Bundespolizeigesetz (BPolG)74 geregelt. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zu den Landespolizeibehörden erfolgt zunächst örtlich, indem die Bundespolizei nur für die Verfolgung von Straftaten zuständig ist, die in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich begangen wurden (§ 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 7 i.V.m. §§ 2-6 BPolG). Hierunter fallen das Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km bzw. 50 km von der seewärtigen Begrenzung an (§ 2 BPolG), Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3 BPolG), Flughafengelände oder geschützte Flugzeuge (§§ 4, 4a BPolG), Grundstücke eines geschützten Amtssitzes eines Verfassungsorgans des Bundes oder Bundesministeriums (§ 5 BPolG) sowie die See außerhalb des deutschen Küstenmeeres (§ 6 BPolG).75 In sachlicher Hinsicht enthält § 12 Abs. 1 Satz 1 BPolG einen abschließenden76 Kompetenzkatalog . Die Bundespolizei ist hiernach für die Verfolgung von Vergehen (und teilweise Verbrechen, § 12 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BPolG) in den folgenden Bereichen zuständig: – Grenzschutz, insbesondere Personen- und Warenverkehr (Nr. 1, 3, 4), – Straftaten nach dem Pass-, Aufenthalts- und Asylgesetz (Nr. 2), – Straftaten gegen Vermögen, Anlagen und Betrieb der Bahn, die auf Bahnanlagen begangen wurden (Nr. 5), – besonders schwere Eingriffe in den Bahnverkehr gem. § 315 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Satz 1 Hs. 2) und – Straftaten auf See außerhalb des deutschen Küstenmeeres (Nr. 6). 73 Siehe dazu im Einzelnen mit Nachweisen für die einzelnen Länder Küchenhoff, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 23. Kapitel Zollstraftaten Rn. 38. 74 Bundespolizeigesetz vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1982) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/bgsg_1994/. 75 Zum Ganzen Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 12 BPolG Rn. 18. 76 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 12 BPolG Rn.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 18 Für den Bereich der schweren und organisierten Kriminalität relevant sind dabei insbesondere: – Illegale Schleuseraktivitäten77 (§ 24 Passgesetz78, §§ 95-97 Aufenthaltsgesetz79, §§ 84, 84a und 85 Asylgesetz80), – Urkundendelikte (§§ 267 ff. StGB) im Bereich des Grenzübertritts,81 – Delikte bei der Ein- und Ausfuhr von Waffen und explosionsgefährlichen Stoffen, § 52 Abs. 1 Nr. 2d Waffengesetz (WaffG)82, § 40 Abs. 2 Nr. 1 Sprengstoffgesetz (SprengG)83, §§ 17 f. Außenwirtschaftsgesetz (AWG)84, sofern die Bundespolizei nach § 33 Abs. 3 Satz 1 WaffG, § 15 Abs. 5 Satz 1 SprengG oder § 27 Abs. 5 Satz 2 AWG für die Überwachung zuständig ist,85 77 Wehr, in: Nomos BPolG, 2. Auflage 2015, § 12 Rn. 6. 78 Paßgesetz (PaßG) vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises mit einem mobilen Endgerät vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 2281) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/pa_g_1986/. 79 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008, das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/. 80 Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, das zuletzt durch Art. 9 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/. 81 Wehr, in: Nomos BPolG, 2. Auflage 2015, § 12 Rn. 8. 82 Waffengesetz (WaffG) vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, ber. S. 4592 und 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Art. 228 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/. 83 Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2002 (BGBl. I S. 3518), das zuletzt durch Art. 232 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/sprengg_1976/. 84 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1275) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/awg_2013/. 85 Wehr, in: Nomos BPolG, 2. Auflage 2015, § 12 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 19 – Delikte bei der Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz86 (str.),87 – banden- und gewerbsmäßige Eigentumskriminalität im Zusammenhang mit Bahnanlagen (z.B. Diebstähle von Transportgütern aus Güterwagen). Zur Zuständigkeit des Zolls zur Strafverfolgung vgl. oben Gliederungspunkt 3. 5. Behördliche Zuständigkeiten im Bereich der Geldwäsche Die Geldwäsche-Prävention ist in verschiedenen Gesetzes- und Verordnungstexten geregelt, die zu einem großen Teil auch europarechtlich determiniert sind.88 Das wichtigste Regelungswerk ist dabei wohl das Geldwäschegesetz (GwG)89, welches verschiedene Maßnahmen und Pflichten (z.B. Meldepflichten) zur Verhinderung von Geldwäsche vorsieht. Die mannigfaltigen behördlichen Aufsichtszuständigkeiten sind dabei in § 50 GwG niedergelegt: – Eine wichtige Rolle nimmt hier die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahr, welche die Aufsicht über verpflichtete Kreditinstitute und Zahlungsdienstleister innehat (§ 50 Nr. 1 GwG). – Die Aufsicht über Versicherungsunternehmen führt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (§ 50 Nr. 2 GwG). – Bei den sog. Freien Berufen (Rechtsanwälte, Steuerberater, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer ) übernimmt die jeweilige berufsständische Kammer die Aufsicht (§ 50 Nr. 3, 4, 6, 7 GwG), für Notare sind die jeweiligen Landgerichtspräsidenten zuständig (§ 50 Nr. 5 GwG). 86 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Art. 11 des Digitale-Versorgung-und- Pflege-Modernisierungs-Gesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1309) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/. 87 a.A. Wehr, welcher von einer Zuständigkeit der Zollverwaltung ausgeht, siehe Wehr, in: Nomos BPolG, 2. Auflage 2015, § 12 Rn. 9. 88 Einen (nicht abschließenden) Überblick über die verschiedenen Rechtsquellen bietet die Website der BaFin: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Geldwaeschepraevention/Rechtsquellen/Rechtsquellen_node.html. 89 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1822), das zuletzt durch Art. 24 Abs. 11 des Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2154) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gwg_2017/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 20 – Die Aufsicht über Lohnsteuerhilfevereine nimmt die Oberfinanzdirektion oder die durch die Landesregierung bestimmte Landesfinanzbehörde wahr (§ 50 Nr. 7a GwG i.V.m. §§ 4 Nr. 11, 27 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz90). – Für Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen ist grundsätzlich die jeweilige glücksspielrechtliche Aufsichtsbehörde zuständig (§ 50 Nr. 8 GwG). – Die Aufsicht über die übrigen Verpflichteten (z.B. Immobilienmakler, Güterhändler oder Treuhänder, siehe § 2 Abs. 1 Nr. 13-16 GwG) richtet sich nach der jeweils nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stelle (§ 50 Nr. 9 GwG).91 Zuständig sind hier in den Ländern vor allem Mittelbehörden, wie etwa in Bayern die Regierung von Niederbayern und Mittelfranken (§ 8a Zuständigkeitsverordnung92). Eine weitere wichtige staatliche Akteurin im Bereich der Geldwäsche ist die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen , die so genannte Financial Intelligence Unit (FIU). Die FIU ist bei der Generalzolldirektion angesiedelt und nimmt als nationale Zentralstelle die Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Geldwäsche entgegen (§§ 27-42 GwG). Ihre Aufgabe besteht in der Erhebung und Analyse von Informationen im Zusammenhang mit Geldwäsche sowie ggf. der anschließenden Weiterleitung an die staatlichen Ermittlungsbehörden zum Zwecke der Aufklärung, Verhinderung oder Verfolgung von Taten der Geldwäsche (§ 28 Abs. 1 GwG). Die Strafnorm der Geldwäsche ist in § 261 StGB geregelt. Zuständige Verfolgungsbehörden sind die Staatsanwaltschaften in Zusammenarbeit mit der Polizei (vgl. § 152, 160, 163 StPO). Im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs ist auch der Zollfahndungsdienst (hierzu oben Gliederungspunkt 3.2) für die Erforschung und Verfolgung der Geldwäsche zuständig und dabei mit denselben Rechten und Pflichten wie die Polizeibehörden nach der Strafprozessordnung ausgestattet , § 1 Abs. 5 i.V.m. § 12b ZVG. Weiterhin existieren im Bereich der Geldwäsche zahlreiche Ordnungswidrigkeitstatbestände, für deren Verfolgung hauptsächlich die BaFin zuständig ist (vgl. § 56 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 50 Nr. 1 90 Steuerberatungsgesetz (StBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl. I S. 2735), das zuletzt durch Art. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/stberg/. 91 Einen Überblick über die Zuständigkeiten für die Aufsicht über Immobilienmakler (§ 2 Abs. 1 Nr. 14 GwG) enthält die Antwort der Bundesregierung auf Frage 27 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/1956 – Geldwäsche im Immobiliensektor, BT-Drs. 19/2449 vom 4. Juni 2018, S. 13 ff., abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/024/1902449.pdf. 92 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184, BayRS 2015-1-1-V), die zuletzt durch Verordnung vom 4. Mai 2021 (GVBl. S. 281) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetzebayern .de/Content/Document/BayZustV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 067/21; WD 7 - 3000 - 076/21 Seite 21 GwG). Daneben gibt es vereinzelt weitere behördliche Zuständigkeiten. Exemplarisch können hier genannt werden: – das Bundesverwaltungsamt, welches für die Verfolgung von gewissen Bußgeldtatbeständen nach dem Geldwäschegesetz zuständig ist (§ 56 Abs. 5 Satz 2 GwG), – das Hauptzollamt, das zur Verfolgung von Bußgeldtatbeständen zuständig ist, welche die nach § 12a Abs. 1, 2 ZollVG verpflichtende Anzeige von grenzüberschreitenden Bargeldtransporten ab 10.000 EUR betreffen (§ 31a Abs. 1 Nr. 2 lit. b, 2, 5 ZollVG). ***