© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 076/19 Verbot des Erfolgshonorars und der Gebührenteilung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 2 Verbot des Erfolgshonorars und der Gebührenteilung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 076/19 Abschluss der Arbeit: 06.05.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau- und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verbot des Erfolgshonorars 4 2.1. Gründe für das Verbot des Erfolgshonorars 4 2.1.1. Gründe bei der Einführung 4 2.1.2. Gründe für die Aufrechterhaltung nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 6 2.2. Regelung und Bewertung des Erfolgshonorars im Ausland 6 2.2.1. USA 6 2.2.2. Europa 8 2.2.2.1. Vereinigtes Königreich (England und Wales) 8 2.2.2.2. Frankreich 9 2.3. Internationale Regelungen der Kostentragung in Prozessen unter Beteiligung von mit Erfolgshonoraren vergüteten Anwälten 9 3. Verbot der Gebührenteilung 10 3.1. Gründe für das Verbot der Gebührenteilung 10 3.2. Bewertung des Verbots der Gebührenteilung 11 3.3. Regelung der Gebührenteilung im Ausland 12 3.3.1. USA 12 3.3.2. Vereinigtes Königreich (England und Wales) 12 3.3.3. Frankreich 12 4. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 4 1. Einleitung Die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit ist in § 49b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)1 geregelt . Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts2 veranlasste den Gesetzgeber zum Erlass des Gesetzes der Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren3, das sowohl § 49b BRAO sowie Vorschriften des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG)4 neu regelt. Vorliegend sollen die Gründe für die Einführung des Verbots des Erfolgshonorars nach § 49b BRAO und für die Aufrechterhaltung des Verbots nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung geprüft werden. Weiterhin werden die Regelungen und Bewertungen des Erfolgshonorars im Ausland, insbesondere den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich thematisiert. Es folgt eine Darstellung der internationalen Regelungen der Kostentragung in einem Prozess unter Beteiligung von mit Erfolgshonoraren vergüteten Anwälten. Weiterhin werden die Erwägungen bezüglich der Einführung und Weiterentwicklung des Verbots der Gebührenteilung nach § 49b Abs. 3 BRAO geprüft und die Bewertung des Verbots erläutert. Schließlich folgt ein Überblick über die Regelung der Gebührenteilung in den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich. 2. Verbot des Erfolgshonorars 2.1. Gründe für das Verbot des Erfolgshonorars 2.1.1. Gründe bei der Einführung Das gesetzliche Verbot des Erfolgshonorars wurde in Deutschland durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte5 eingeführt. Die Einführung des § 49b BRAO war eine Umsetzung der wesentlichen Regelungen der zuvor geltenden Richtlinien 1 BRAO, vom 01.08.1959 (BGBl. I S. 565), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/brao/__49b.html (letzter Abruf: 29.04.2019). 2 BVerfG, Beschluss vom 12.12.2006, Az. 1 BvR 2576/04, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2007, 979. 3 Vom 12.06.2008 (BGBl. I S. 1000), abrufbar unter: https://www.buzer.de/gesetz/8247/index.htm (letzter Abruf: 29.04.2019). 4 RVG vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718, 788), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes zum Internationalen Güterrecht und zur Änderung von Vorschriften des Internationalen Privatrechts vom 17.12.2018 (BGBl. I S. 2573), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/rvg/ (letzter Abruf: 29.04.2019). 5 Vom 02.09.1994 (BGBl. I S. 2278), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id='bgbl194s2278.pdf'%5D#__bgbl__%2F%2F*% 5B%40attr_id%3D%27bgbl194s2278.pdf%27%5D__1556524825602 (letzter Abruf: 29.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 5 in Gebührenfragen.6 Dies wurde durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts notwendig . Das Bundesverfassungsgericht stellte in dem Beschluss klar, dass Richtlinien für Einschränkungen der anwaltlichen Berufsausübung, also den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, keine ausreichende Grundlage im Sinne der Wesentlichkeitstheorie darstellen.7 Der Gesetzgeber sah bei einer Zulässigkeit des Erfolgshonorars die Unabhängigkeit des Anwalts in Gefahr, da sonst wirtschaftliche Erwägungen entscheidend für die Ausführung der anwaltlichen Tätigkeit werden könnten.8 Die Wahrung der Unabhängigkeit durch die Stellung der Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden (§ 3 Abs. 1 BRAO) ist Bestandteil einer funktionierenden Rechtspflege und sollte durch das Verbot gesichert werden.9 Zugleich war die Förderung der prozessualen Waffengleichheit ein Ziel des Verbots, da der Beklagte wesentlich schwerer einen Erfolg definieren könne, auf den sich eine Vereinbarung eines Erfolgshonorars beziehen könnte. Weiterhin sollte das Verbot von Erfolgshonoraren einer starken Zunahme substanzloser Prozesse entgegenwirken und dem Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch zu hohe Vergütungssätze dienen. Schließlich sah man die Gefahr nachlässigerer Betreuung bei wenig aussichtsreichen Mandaten.10 Das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG)11 regelte 2004 eine Lockerung, durch die die Vereinbarung einer höheren Gebühr als die gesetzlich vorgesehene zulässig wurde. Dies wurde mit Blick auf die nach Nummer 1000 Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG12 zulässige Einigungsgebühr beschlossen, welche ebenfalls mit dem KostRMoG eingeführt wurde. Diese 6 BT-Drucks. 93/93, S. 91, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/brd/1993/D93+93.pdf (letzter Abruf: 29.04.2019). 7 BVerfG, Beschluss vom 14.07.1987, Az. 1 BvR 537/81, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1988, S. 191; Vgl. auch BT-Drucks. 93/93, S. 1, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/brd/1993/D93+93.pdf (letzter Abruf: 29.04.2019). 8 BT-Drucks. 12/4993, S. 31, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/12/049/1204993.pdf (letzter Abruf: 29.04.2019). 9 Lewinski, in: Berufsrecht der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater, 4. Auflage 2017, S. 208. 10 BVerfG, Beschluss vom 12.12.2006, Az. 1 BvR 2576/04, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2007, S. 979 (979 - 982). 11 Vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl104s0718.pdf%27%5D #__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl104s0718.pdf%27%5D__1557142337559 (letzter Abruf: 06.05.2019). 12 RVG Anlage 1 zu § 2 Abs. 2, VV vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 803), zuletzt geändert mit Wirkung vom 01.10.2017 durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2424), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/rvg/anlage _1.html (letzter Abruf: 03.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 6 Einigungsgebühr soll die vertragliche Streitbeilegung honorieren und stellt kein Erfolgshonorar dar.13 2.1.2. Gründe für die Aufrechterhaltung nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Das Verbot des Erfolgshonorars wurde auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts beibehalten. Nur auf den Begriff „quota litis“ wurde verzichtet, da diese Streitanteilsvereinbarung nach dem Bundesverfassungsgericht unter denselben Voraussetzungen zulässig sein sollte wie sonstige erfolgsbasierte Vergütungen.14 Es erfolgte die Klarstellung, dass eine Vereinbarung erhöhter gesetzlicher Gebühren nicht als Erfolgshonorar einzustufen ist, soweit es sich um Gebühren mit Erfolgskomponenten, aber ohne Abhängigkeit vom Verfahrensergebnis handelt. Der Gesetzgeber sah eine Pflicht zum Tätigwerden nur in Bezug auf einen Fall: der Hinderung an der Rechtsverfolgung durch bestimmte wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse. Durch § 49b Abs. 2 BRAO in Verbindung mit § 4a RVG wurde diese zulässige Abweichung vom Verbot des Erfolgshonorars geregelt. Durch die Vorschrift sollen Rechtsanwälten und Mandanten genügend Spielräume für unterschiedlichste Lebenssachverhalte verbleiben. Eine weitergehende Zulassung von Erfolgshonoraren wurde während des Gesetzgebungsverfahrens mit Hinweis auf amerikanische Verhältnisse und die dortige „Klageindustrie“ von allen Beteiligten abgelehnt. Zudem kann nach § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG ein unverhältnismäßig hohes Erfolgshonorar im Rechtsstreit herabgesetzt werden.15 2.2. Regelung und Bewertung des Erfolgshonorars im Ausland 2.2.1. USA Erfolgshonorare („contingent fee“) sind im US-amerikanischen Rechtssystem angelegt,16 Rule 1.8 lit. e der Model Rules Of Professional Conduct (MRPC)17 gestattet sie ausdrücklich als Vergütung. 13 BT-Drucks. 14/9037, S. 52, 95, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/14/090/1409037.pdf (letzter Abruf: 03.05.2019). 14 BVerfG, Beschluss vom 12.12.2006, Az. 1 BvR 2576/04, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2007, S. 979 (984). 15 BT-Drucks. 16/8384, S. 11, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/083/1608384.pdf (letzter Abruf: 29.04.2019); BT-Drucks. 16/8916, S. 12 - 14, abrufbar unter: http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/16/089/1608916.pdf (letzter Abruf: 06.05.2019). 16 Kilian, „Anwaltliche Erfolgshonorare und die bevorstehende Reform des Vergütungsrechts“, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2003, 90 (93). 17 MRPC der American Bar Association von 1983 in der Fassung vom 16.08.2018, abrufbar unter: https://www.americanbar.org/groups/professional_responsibility/publications/model_rules_of_professional _conduct/rule_1_8_current_clients_specific_rules/ (letzter Abruf: 30.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 7 Sie sind der Grund für eine minimale wirtschaftliche Belastung der Kläger durch Anwaltskosten .18 Die Vereinbarungen der Erfolgshonorare werden deshalb als Erleichterung der privaten Durchsetzung von Recht angesehen.19 Zugleich ist die Rolle von Rechtsanwälten als Prozessfinanzierer in Verbindung mit hohen Erfolgshonoraren üblich, wobei das Erfolgshonorar zugleich als Ausgleich der Prozessfinanzierung dient.20 Die Akzeptanz eines Mandats ist dabei regelmäßig abhängig von den Erfolgsaussichten der Klage und einer positiven Bilanz bei der Gegenüberstellung von den Kosten und dem in Aussicht gestellten Honorar.21 In der Kritik steht die contingent fee durch die Vereinbarung möglicher unangemessener Erfolgsquoten , welche im Rahmen der Risikoverteilung den Mandanten benachteiligen. Diese können durch die Ausnutzung des Informationsgefälles zwischen Anwalt und Mandant entstehen. Zu beachten ist allerdings, dass unangemessene Erfolgsquoten durch die Standesorganisationen disziplinarrechtlich geahndet und auch zivilrechtlich angegriffen werden können. Zudem wird die Möglichkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars als ursächlich für ausufernde Schadensersatzprozesse und anwaltliche Werbung angesehen. Verantwortlich dafür sind allerdings andere Grundsätze des amerikanischen Rechtssystems.22 Ein Risiko des Erfolgshonorars ist der mögliche Interessenkonflikt des Rechtsanwalts, welcher entgegen des Mandanteninteresses eine schnelle Beendigung des Prozesses verfolgen könnte, um attraktivere Mandate übernehmen zu können. Auch die Zunahme von wenig erfolgsversprechenden Prozessen wird auf die contingent fee zurückgeführt, da der Anwalt mit der drohenden Klage versuchen kann, einen Vergleich zu erzielen. Es wird auch eine Gefährdung der prozessualen Waffengleichheit gesehen: Während der Kläger die Summe des Erlangten im Falle des Gewinns relativ genau beziffern kann, ist dem Beklagten dagegen nur die Abwendung einer Zahlung möglich . Letzterer kann seinen Anwalt nicht mit dem aus dem Prozess Erlangten bezahlen. Für finanziell schlechter gestellte Kläger stellt die contingent fee aber mangels einer Prozesskostenbeihilferegelung die einzige Möglichkeit dar, einen Prozess überhaupt erst führen zu können. Ein weiterer Nachteil ist die im Vergleich zum Stundenhonorar fehlende Überprüfungsmöglichkeit der Vergütungssumme anhand der geleisteten Stunden. Allerdings ist die Vergütungshöhe im Gegensatz zum Stundenhonorar schon bei Beginn des Prozesses bekannt. Bedingt durch die (noch zu 18 Pant, „Rechtliches Risikomanagement im Vorfeld von (angedrohten) Zivilverfahren in den USA“, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2014, 139. 19 Mestmäcker/Schweitzer, in: Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage 2014, § 8 Rn. 57. 20 Kilian, „Das Verbot der Finanzierung fremder Rechtsverfolgungskosten – Ein neues Verbot im Berufsrecht der Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte“, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2010, 1845 (1846). 21 Fiebig, „The Reality of U.S. Class Actions“, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil (GRUR Int.) 2016, 313 (315). 22 Mit weiteren Erläuterungen: Kilian, „Erfolgshonorare: Annäherung an die „contingent fee“ – ein missverstandenes Phänomen des US-amerikanischen Rechts“, Versicherungsrecht (VersR) 2006, 751 (759). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 8 thematisierenden) US-amerikanischen Regelungen zur Prozesskostentragung wird das Erfolgshonorar durch die aufgezeigten Vorteile als unerlässlich für die Gewährleistung eines fairen Prozesses angesehen.23 2.2.2. Europa Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission sollen die Mitgliedsstaaten Erfolgshonorare aufgrund der tendenziellen Schaffung eines unnötigen Anreizes für die Führung eines Prozesses, der gegen die Interessen der beteiligten Parteien ist, nicht zulassen.24 Allerdings werden nicht alle Formen von Erfolgshonoraren als ein solcher Anreiz verstanden: Der Bericht der europäischen Kommission nennt ausdrücklich die deutsche Regelung zu Erfolgshonoraren als Beispiel für eine Regelungsform, die nicht als Anreiz zu unnötigen Gerichtsverfahren verstanden werden kann.25 2.2.2.1. Vereinigtes Königreich (England und Wales) Im Vereinigten Königreich ist es üblich, Erfolgshonorare („conditional fee“) zu vereinbaren.26 Diese sind in Höhe von bis zu 50 % der zugesprochenen Entschädigung (außerhalb von bestimmten gerichtlichen Wettbewerbsverfahren) zulässig. Daher kann auf die Ausführungen zu der Bewertung der US-amerikanischen contingent fee verwiesen werden. Die contingent fee wird insbesondere als Anreiz für unnötige Gerichtsverfahren gesehen. Kritisiert wird dabei vor allem der potenziell hohe Ertrag, der sich durch Erfolgshonorare von Anwälten erzielen lassen kann.27 23 Penners, „Kostentragungsregeln im Zivilverfahren im Rechtsvergleich Eine Untersuchung verfahrensdynamischer Auswirkungen von Erfolgshonorar und contingent fee auf das Zivilverfahren anhand rechtsvergleichender Erkenntnisse“, Bucerius Law Journal 2017, 124 (126 - 128). 24 Empfehlung der Kommission vom 11.06.2013: Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten (ABl. L 201 vom 26.07.2013), Rn. 29 f., abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX%3A32013H0396 (letzter Abruf: 30.04.2019). 25 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 25.01.2018 über die Umsetzung der Empfehlung der Kommission vom 11.06.2013 über gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten (2013/396/EU), S. 19, abrufbar unter: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A52018DC0040 (letzter Abruf: 30.04.2019). 26 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London: „Merkblatt zur Rechtsberatung und Rechtsverfolgung in Großbritannien“, Stand: 03/2019, S. 2, abrufbar unter: https://uk.diplo.de/blob/501604/8c259144acb1145a1fa4b412176ea04b/anwaltsliste-london-data.pdf (letzter Abruf : 30.04.2019). 27 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 25.01.2018 (2013/396/EU), S. 19 f., abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=CELEX%3A52018DC0040 (letzter Abruf: 30.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 9 2.2.2.2. Frankreich Frankreich gehört zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Erfolgshonorare nur zulassen , sofern diese als Ergänzung bzw. Prämie bei erfolgreicher Prozessführung zu dem vereinbarten Honorar einzustufen sind („honoraires de résultat“).28 Art. 10 Abs. 2, 3 des Gesetzes vom 31.12.197129 bildet die zentrale Vorschrift für Honorarvereinbarungen. Erscheint einem Richter das Erfolgshonorar als unverhältnismäßig hoch, hat er die Möglichkeit es herabzusetzen.30 Bei dieser Form des Erfolgshonorars wird die Gefahr des Anreizes für eine aggressivere Klagepraktik gesehen, da der Anwalt die Prämie nur im Falle des Erfolges bekommt.31 Zudem nutzen Richter die eigentliche Ausnahmeregelung des Art. 700 des code de procédure civile32 regelmäßig , um auch die an sich selbst zu tragende Anwaltsvergütung einer Partei aufzuerlegen. Das soll der Abschreckung von offensichtlich übermäßigen oder unbegründeten Verfahren dienen.33 2.3. Internationale Regelungen der Kostentragung in Prozessen unter Beteiligung von mit Erfolgshonoraren vergüteten Anwälten In der Regel erhält der Rechtsanwalt durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars einen bestimmten , vorher vereinbarten Betrag oder Prozentsatz des Gewinns.34 In den USA trägt jede Partei ihre (Anwalts-)Kosten ohne Rücksicht auf das Verfahrensergebnis grundsätzlich selbst. Dadurch ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit der einhergehenden 28 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 25.01.2018 (2013/396/EU), S. 20, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=CELEX%3A52018DC0040 (letzter Abruf: 30.04.2019). 29 Art. 10 des Gesetzes vom 31.10.1971 in der aktuellen Fassung von 2015, abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=LEGITEXT000006068396 (letzter Abruf: 30.04.2019). 30 Laurich, „Das Erfolgshonorar in der französischen Rechtsprechung“, Anwaltsrevue/Revue de l'Avocat (AWR), 10/2008, 461 (464); mangels Änderung des Art. 10 Abs. 3 auch heute noch gültig, vgl. Art. 10 des Gesetzes vom 31.10.1971 in der Fassung von 1992 - 2011, abrufbar unter: https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexteArticle .do;jsessionid=EA5812F1478828295C9F0C4AAE87DDDA.tplgfr35s_2?idArticle=LEGI- ARTI000006902855&cidTexte=JORFTEXT000000508793&categorieLien=id&dateTexte=20110329 (letzter Abruf: 06.05.2019). 31 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 25.01.2018 (2013/396/EU), S. 20, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=CELEX%3A52018DC0040 (letzter Abruf: 30.04.2019). 32 Art. 700 Code de procédure civile in der Fassung vom 19.12.2013, abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/affichCodeArticle.do?cidTexte=LEGITEXT000006070716&idArticle=LEGIARTI000006411119 (letzter Abruf: 30.04.2019). 33 Service des affaires europeennes, division des études européenes et du droit comparé: „Rembousement des frais de justice“ vom 27.10.2017, ECPRD, Auftrag-Nr. 3537. 34 Krämer, in: Heussen/Hamm, Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auflage 2016, § 64 Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 10 Verlagerung des Kostenrisikos vom Mandanten auf den Rechtsanwalt üblich geworden.35 Allerdings kann das Gericht einer Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits mit einem angemessenen Anteil der Rechtsanwaltsvergütung auferlegen.36 Dagegen muss in Großbritannien die unterlegene Partei nach Rule 44.2 Abs. 1, 2 lit. a der civil procedure rules37 grundsätzlich sämtliche Aufwendungen tragen, wobei aber der Richter hinsichtlich der Kostenaufteilung Ermessen hat. Die Kostentragung kann auch abhängig vom Streitwert sein. Sollte dieser bei relativ einfachen Sachverhalten unter £10.000 liegen, wird meist jede Partei ihre eigenen Kosten tragen.38 Nach Art. 696 des code de procédure civile39 trägt die unterlegene Partei in Frankreich die gesamten unvermeidbaren Kosten, wobei die Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich nicht zum erstattungsfähigen Betrag gehören.40 Nach Art. 700 code de procédure civile kann aber auch in Frankreich nach Ermessen des Gerichts einer Partei die Zahlung einer gewissen Summe auferlegt werden .41 3. Verbot der Gebührenteilung 3.1. Gründe für das Verbot der Gebührenteilung Nach § 49b Abs. 3 BRAO ist die Abgabe oder Entgegennahme eines Teils der Vergütung oder anderer Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen grundsätzlich unzulässig. Eine Gebührenteilung darf nur in zwei Fällen vereinbart werden: Einer der Rechtsanwälte ist kein Bevollmächtigter im 35 Witte/Wetzig, „Die Musterfeststellungsklage: Placebo oder Allheilmittel für den deutschen Verbraucherschutz? - Ein Kommentar zur Einführung der Musterfeststellungsklage aus rechtsvergleichender Sicht“, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2019, 52 (54). 36 Nach Titel 17 § 505 des U.S.C. in der Fassung von 2012, abrufbar unter: https://www.govinfo.gov/content /pkg/USCODE-2015-title17/html/USCODE-2015-title17-chap5-sec505.htm (letzter Abruf: 02.05.2019). 37 Rule 44.2 Abs. 1, 2 lit. a civil procedure rules des Ministry of Justice vom 30.01.2017, abrufbar unter: http://www.justice.gov.uk/courts/procedure-rules/civil/rules/part-44-general-rules-about-costs#rule44.2 (letzter Abruf: 30.04.2019). 38 Home Affairs Section, Lawyers´ fees in civil procedure, EZPCR 2017/10/64-HAS vom 19.10.2017. 39 Art. 696 code de procédure civile in der Fassung vom 15.03.2011, abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/affichCodeArticle.do?cidTexte=LEGITEXT000006070716&idArticle=LEGIARTI000023723482 (letzter Abruf: 02.05.2019). 40 Service des affaires europeennes, division des études européenes et du droit comparé: „Rembousement des frais de justice“ vom 27.10.2017, ECPRD, Auftrag-Nr. 3537. 41 Vgl. Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen, Prozesskostenhilfe – Frankreich, abrufbar unter : http://ec.europa.eu/civiljustice/legal_aid/legal_aid_fra_de.htm (letzter Abruf: 30.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 11 Prozess und wird über den Rahmen eines Verkehrsanwaltes im Sinne von VV Nr. 340042 hinaus tätig oder beide Anwälte arbeiten gemeinsam an dem Mandat.43 Auch die grundsätzliche Unzulässigkeit der Gebührenteilung soll die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sicherstellen. Es dient den Interessen der Allgemeinheit, indem es den Rechtsanwalt von der Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen zum Nachteil des Mandanten abhalten soll. Deswegen wird auch der Kauf oder Verkauf von Mandaten unterbunden. Zudem bezweckt die Regelung, dass kein Honorar für die Vermittlung von Mandaten durch nicht als Rechtsanwalt zugelassene Personen gezahlt wird. Das hält Rechtsanwälte von der Beauftragung eines „Mandantenfängers “ ab.44 § 49b Abs. 3 Satz 6 BRAO wurde durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften45 aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungswidrigen Regelung der Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten46 angepasst. Aktuell wird zudem eine Änderung der noch immer geltenden und auch in § 49b Abs. 3 Satz 6 BRAO zum Ausdruck kommenden Singularzulassung der Rechtsanwälte vor dem Bundesgerichtshof diskutiert.47 3.2. Bewertung des Verbots der Gebührenteilung Das Verbot der Gebührenteilung wird soweit ersichtlich in Verbindung mit den bestehenden Ausnahmen nicht kritisiert.48 Durch die Regelung der Ausnahmen wurde vielmehr der Gebührenverteilungsschlüssel , der schon vor dem Erlass des Gesetzes in der Praxis üblich war, für zulässig erklärt.49 42 „Der Auftrag beschränkt sich auf die Führung des Verkehrs der Partei oder des Beteiligten mit dem Verfahrensbevollmächtigten .“ – VV Nr. 3400 RVG Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2). 43 Teubel, in: Mayer/Koiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 6 Rn. 13. 44 Römermann, in: Beck´scher Onlinekommentar BORA, 23. Edition, Stand: 01.09.2018, § 22 Rn. 8; Weyland, in: Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung: BRAO, 8. Auflage 2012, § 49b Rn. 78. 45 Vom 30.07.2009 (BGBl. I S. 2449), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzei - ger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl109s2449.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl109s 2449.pdf%27%5D__1556869487379 (letzter Abruf: 03.05.2019). 46 BVerfG, Urt. v. 13.12.2000, Az. 1 BvR 335/97, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2001, 353. 47 BT-Drucks. 19/4075, S. 39 f., abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/040/1904075.pdf (letzter Abruf: 03.05.2019). 48 Vgl. Römermann, in: Beck´scher Onlinekommentar BORA, 23. Edition, Stand: 01.09.2018, § 22 Rn. 15; auch Schons, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, Systematische Darstellung Rn. 418 ff. 49 Scharmer, in: Heussen/Hamm, Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auflage 2016, § 57 Rn. 69. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 12 3.3. Regelung der Gebührenteilung im Ausland 3.3.1. USA In den USA ist die Gebührenteilung in Rule 1.5 lit. e MRPC50 geregelt. Demnach ist die Gebührenteilung zwischen Rechtsanwälten, welche nicht in der gleichen Kanzlei arbeiten, zulässig, soweit die Teilung im Verhältnis zum jeweiligen Arbeitsanteil erfolgt. Außerdem muss der Mandant sein Einverständnis schriftlich erklärt haben und die Gebühren müssen insgesamt angemessen sein. 3.3.2. Vereinigtes Königreich (England und Wales) Nach den Vorschriften des Vereinigten Königreichs (vorliegend England und Wales) ist die Gebührenteilung zulässig, soweit nicht die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts durch die Teilung der Gebühren gefährdet wird. In Rule 8.01 und 8.02 des Solicitor´s Code of Conduct51 sind die Voraussetzungen einer zulässigen Gebührenteilung geregelt. Diese ist zulässig innerhalb einer Kanzlei, zwischen Anwälten und mit gemeinnützigen Organisationen. Die Gebührenteilung mit Dritten ist nach Rule 8.02 des Solicitor´s Code of Conduct erlaubt, wenn die Vereinbarung einen Austausch von Leistungen bzw. Kapital gegen einen Teil der Gebühr vorsieht. 3.3.3. Frankreich Durch die fehlende Regelung der Anwaltsgebühren ist auch die Gebührenteilung in Frankreich nicht geregelt.52 4. Fazit Das Verbot des Erfolgshonorars in Deutschland wird in der Europäischen Union als beispielhaft angesehen, da es die Risiken der Regelungen im Vereinigten Königreich und in Frankreich vermeidet . Zudem besteht durch § 49b Abs. 2 BRAO keine Gefahr einer Klageindustrie wie sie in den USA gesehen wird.53 Hinsichtlich der Kosten eines Prozesses haben in allen thematisierten Ländern die Richter Ermessen , in welcher Höhe die Prozesskosten durch eine Partei übernommen werden sollen. 50 Rule 1.5 MRPC, abrufbar unter: https://www.americanbar.org/groups/professional_responsibility/publications /model_rules_of_professional_conduct/rule_1_5_fees/ (letzter Abruf: 02.05.2019). 51 Rule 8 des Code of Conduct, geändert am 31.03.2009 als Bestandteil einer allgemeinen Aktualisierung der Vorschriften des Legal Services Act 2007, abrufbar unter: http://www.sra.org.uk/documents/code/rule-8-fee-sharing .pdf (letzter Abruf: 02.05.2019). 52 Direktion für rechtliche und administrative Informationen (Premierminister), Justizministerium, 15.02.2019, abrufbar unter: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/F15018 (letzter Abruf: 02.05.2019). 53 Penners, „Kostentragungsregeln im Zivilverfahren im Rechtsvergleich Eine Untersuchung verfahrensdynamischer Auswirkungen von Erfolgshonorar und contingent fee auf das Zivilverfahren anhand rechtsvergleichender Erkenntnisse“, Bucerius Law Journal 2017, 124 (126 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 076/19 Seite 13 Eine Gebührenteilung ist in allen Ländern unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das grundsätzliche Verbot dieser Teilung soll, wie auch das Verbot des Erfolgshonorars, die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege sichern. ***