© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 075/19 Gesetzlicher Schutz von Hinweisgebern („Whistleblower“) Fragen zur Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/19 Seite 2 Gesetzlicher Schutz von Hinweisgebern („Whistleblower“) Fragen zur Rechtslage Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 075/19 Abschluss der Arbeit: 26. April 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Welche gesetzlichen Regelungen bestehen zum Schutz von Hinweisgebern (sogenannte „Whistleblower“)? 4 1.1. Meldewege für Hinweisgeber 4 1.2. Arbeitsrecht 5 1.3. Strafrecht 5 1.4. Strafprozessrecht 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/19 Seite 4 1. Welche gesetzlichen Regelungen bestehen zum Schutz von Hinweisgebern (sogenannte „Whistleblower“)? 1.1. Meldewege für Hinweisgeber Im deutschen Recht gibt es keine einheitliche gesetzliche Regelung über die Einrichtung von Meldesystemen für Hinweisgeber. Vereinzelt bestehen für bestimmte Bereiche jedoch gesetzliche Bestimmungen über die Meldewege. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung eines Meldesystems für Hinweisgeber besteht nach § 4d des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG)1. Danach errichtet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein System zur Annahme von Meldungen von Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen, deren Einhaltung durch die die BaFin überwacht wird.2 Hinweisgeber, die in einem von der BaFin beaufsichtigten Unternehmen angestellt sind und einen Hinweis über die Meldeplattform des BaFin abgeben, werden weder arbeitsrechtlich noch strafrechtlich belangt, soweit die Meldung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr abgegeben wurde, § 4d Abs. 6 FinDAG. Eine vergleichbare Regelung sieht auch § 53 des Geldwäschegesetzes (GWG)3 vor. Darin werden die Aufsichtsbehörden verpflichtet, ein System zur Annahme von Hinweisen von Verstößen gegen das GWG oder andere Bestimmungen zur Verhinderung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bereitzustellen. Zuständig für die Entgegennahme von Hinweisen ist die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen.4 Strafrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen sind für Hinweisgeber nach § 53 Abs. 5 GWG ausgeschlossen, soweit die Meldung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr abgegeben wurde. 1 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - Fin- DAG) vom 22.04.2002 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Art. 14 Abs. 3 des Gesetzes vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2446), abrufbar in deutscher Sprache unter: http://www.gesetze-im-internet.de/findag/ (Letzter Abruf : 25.04.2019). 2 Vgl. hierzu weiterführend die Informationen der BaFin zum Thema „BaFin-Hinweisgeberstelle für Verstöße gegen Aufsichtsrecht“ vom 24.01.2019, abrufbar unter: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Uebergreifend/Hinweisgeberstelle /hinweisgeberstelle_node.html (Letzter Abruf: 25.04.2019). 3 Geldwäschegesetz (GWG) vom 23.06.2017 (BGBl. I S. 1822), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 10.07.2018 (BGBl. I S. 1102), abrufbar in deutscher Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet .de/gwg_2017/index.html#BJNR182210017BJNE002800000 (Letzter Abruf: 25.04.2019). 4 Vgl. hierzu auch die Informationen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit), abrufbar unter: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/FIU/fiu_node.html (Letzter Abruf: 25.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/19 Seite 5 Eine spezielle Reglung sieht § 25a des Kreditwesengesetzes (KWG)5 vor, der Kreditinstitute zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung verpflichtet. Dies umfasst nach § 25a Abs. 1, Satz 6, Nr. 3 KWG die Einrichtung eines Systems, das es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglicht, Verstöße gegen einschlägige gesetzliche Regelungen über Kreditinstitute sowie etwaige strafbare Handlungen innerhalb des Unternehmens an geeignete Stellen zu berichten. 1.2. Arbeitsrecht 1.3. Strafrecht Für eine strafrechtliche Sanktionierung von Hinweisgebern kommen eine Vielzahl an Normen in Betracht: bei der Weitergabe von Staatsgeheimnissen etwa §§ 93 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB)6 und § 353b StGB, bei der Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen etwa § 203 StGB, § 355 Abs. 1 StGB und insbesondere § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)7. Das deutsche Strafrecht kennt jedoch keine Norm, die allein auf den Schutz der Hinweisgeber gerichtet ist. Für die strafrechtliche Würdigung ist stets zwischen dem „internen Whistleblowing“ und dem „externen Whistleblowing“ zu differenzieren. Beim „internen Whistleblowing“ wendet sich der Hinweisgeber nicht an die Öffentlichkeit, sondern an eine unternehmensinterne Stelle, die zur Entgegennahme von Hinweisen über Fehlverhalten geschaffen wurde. In diesem Fall ist von einer Einwilligung im strafrechtlichen Sinne durch den betroffenen Unternehmer, der die Hinweisstelle geschaffen hat, auszugehen, sodass die Rechtswidrigkeit der Handlung entfällt und eine strafrechtliche Sanktionierung des Hinweisgebers ausscheidet. Demgegenüber wendet sich der „externe Whistleblower“ an die Öffentlichkeit, etwa an die Presse oder an Strafverfolgungsbehörden. In diesem Fall liegt keine Einwilligung im strafrechtlichen Sinne durch den Unternehmer vor. Jedoch wird diskutiert, ob der Hinweisgeber wegen des allgemeinen Rechtfertigungsgrunds des Notstands nach § 34 StGB gerechtfertigt gehandelt haben könnte. Danach ist der Täter nicht zu bestrafen, wenn er in einer Gefahrenlage handelt, um diese Gefahr abzuwenden und in einer Abwägung das Rechtsgut, das der Täter durch die Straftat geschützt hat, gegenüber dem beeinträchtigten Schutzgut als höherwertig anzusehen ist. Die Rechtfertigung des Hinweisgebers über den allgemeinen Notstand setzt im konkreten Einzelfall zunächst voraus, dass ein höherwertiges Rechtsgut geschützt wird. Weiter müsste das Handeln des 5 Kreditwesengesetz (KWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.09.1998 (BGBl. I S. 2776), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 25.03.2019 (BGBl. I S. 357), abrufbar in deutscher Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/kredwg/index.html#BJNR008810961BJNE030209128 (Letzter Abruf: 25.04.2019). 6 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.03.2019 (BGBl. I S. 350), abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_stgb/index.html (Letzter Abruf: 25.04.2019). 7 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.03.2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17.02.2016 (BGBl. I S. 233), abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_uwg/index.html (Letzter Abruf: 25.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/19 Seite 6 Hinweisgebers auch „erforderlich“ gewesen sein. Dies bedeutet, dass dem Täter kein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben darf. Beim „externen Whistleblowing“ kann dieses mildere Mittel im Einzelfall die Meldung an das Unternehmen selbst, also das „interne Whistleblowing “, sein.8 Schließlich erscheint eine Rechtfertigung des Hinweisgebers über die Pflicht zur Anzeige bestimmter Straftaten nach § 138 StGB möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Meldung des Hinweisgebers auf die in § 138 Abs. 1 StGB aufgeführten Straftaten bezieht. Dabei handelt es sich um schwere Straftaten, etwa Hochverrat, Landesverrat, Mord, Totschlag oder Raub. Demnach kommt eine solche Rechtfertigung nur in Ausnahmefällen in Betracht. 1.4. Strafprozessrecht Auch die Strafprozessordnung (StPO)9 sieht keine Regelung vor, die allein auf den Schutz von Hinweisgebern gerichtet ist. Wenn der Hinweisgeber eine Meldung von Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden vornimmt , wird diskutiert, ob er sich rechtfertigend auf sein Recht zur Anzeige von Straftaten nach § 158 StPO berufen kann. Dabei ist eine vom konkreten Einzelfall abhängige Abwägung zwischen dem Recht zur Strafanzeige des Hinweisgebers einerseits und dem Verbot der Offenbarung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen andererseits vorzunehmen.10 *** 8 Vgl. hierzu ausführlich: Reinbacher, Die Strafbarkeit des Whistleblowings nach § 17 UWG im Lichte der Geheimnisschutzrichtlinier , in: Kriminalpolitische Zeitschrift (KriPoZ), Ausgabe 02/2018, abrufbar unter: https://kripoz.de/2018/03/28/die-strafbarkeit-des-whistleblowings-nach-%C2%A7-17-uwg-im-lichte-der-geheimnisschutzrichtlinie / (Letzter Abruf: 25.04.2019); Engländer/Zimmermann, Whisleblowing als strafbarer Verrat von Geschäfts- und Betribesgeheimnissen?, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer und Unternehmensstrafrecht (NZWiSt) 2012, 328. 9 Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.04.1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639), abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_stpo/index.html (Letzter Abruf: 25.04.2019). 10 vgl. Sieber, Ermittlungen in Sachen Liechtenstein – Fragen und erste Antworten, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2008, 881 (884).