© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 075/17 Zum Rechtsbegriff der „städtebaulichen Eigenart“ im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. BauGB 7 4.2. Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. BauGB 8 4.3. Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 S. 2 BauGB 8 5. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 4 1. Einleitung In Berlin existieren Kombinationen von Wohn- und Arbeitsflächen auf ein und demselben Grundstück , welche in der Gründerzeit entstanden sind (sog. „Kreuzberger“ oder „Berliner Mischung“). Typisch für diese Mischungen sind vor allem die mehrgeschossigen, sogenannten Gewerbehöfe, welche eine spezielle Bauweise aufweisen. Zunehmend werden diese Grundstücke zu reinen Wohnzwecken genutzt und ggf. entsprechend umgebaut, wodurch der ursprüngliche Mischcharakter verloren geht. § 172 BauGB ermöglicht den Gemeinden, u.a. zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebietes auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt sog. Erhaltungssatzungen zu erlassen. Erhaltungssatzungen lösen für bestimmte bauliche Maßnahmen in dem durch sie festgelegten Erhaltungsgebiet ein Genehmigungserfordernis aus. In diesem Zusammenhang stellt die Auftraggeberin die Frage, ob die Genehmigung einer Umnutzung von historisch gewachsener Mischnutzung zu reinem Wohnraum in dem Gebiet einer Erhaltungssatzung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart versagt werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Erhaltungssatzung insbesondere zur Erhaltung städtebaulicher Eigenarten erlassen werden kann und welche Wirkung dies hat (Ziff. 2). Im Folgenden wird dargestellt, welche Änderungen und Nutzungsänderungen von § 172 BauGB erfasst sind und damit in Erhaltungsgebieten dem Genehmigungserfordernis ausgesetzt sein können (Ziff. 3). Anschließend werden die im Einzelfall maßgeblichen Vorrausetzungen der Erteilung bzw. Versagung einer Genehmigung eines Vorhabens in dem Gebiet einer Satzung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart dargestellt (Ziff. 4). Abschließend wird in einem Fazit auf die Ausgangsfragestellung eingegangen (Ziff. 5). 2. Voraussetzungen und Wirkungen des Erlasses einer Erhaltungssatzung zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebietes § 172 BauGB ermächtigt die Gemeinden zum Erlass sog. Erhaltungssatzungen, mit denen sie drei Erhaltungsziele verfolgen können: die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) und den sozialverträglichen Ablauf einer städtebaulichen Umstrukturierung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). 1 In Gebieten, die in einer solchen Satzung festgelegt sind (sog. Erhaltungsgebiete), bedarf der Abbruch , die Änderung, die Nutzungsänderung sowie nach Maßgabe einer Rechtsverordnung des Landes die Begründung von Wohnungs- bzw. Teileigentum einer Genehmigung, § 172 Abs. 1 1 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch –Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 5 Satz 1 und 4 BauGB. Bei Erhaltungssatzungen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets bedarf gemäß § 172 Abs. 1 Satz 2 auch die Errichtung baulicher Anlagen einer Genehmigung. Dieses Genehmigungserfordernis besteht unabhängig von sonstigen landesrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen und einer ggf. bestehenden landesrechtlichen Genehmigungsfreiheit.2 Die §§ 172, 173 BauGB sehen dabei ein zweistufiges Ablaufverfahren vor. § 172 Abs. 1 und 2 BauGB regeln in der ersten Stufe die Voraussetzungen für die Bezeichnung eines Erhaltungsgebietes durch die Erhaltungssatzung (sog. allgemeine Gebietsfestlegung). Die Absätze 3 – 5 des § 172 BauGB sowie § 173 BauGB enthalten in der zweiten Stufe Bestimmungen über das Genehmigungsverfahren bezüglich einzelner Vorhaben in einem Erhaltungsgebiet.3 § 174 BauGB enthält Bestimmungen über das Verfahren bei Grundstücken bestimmter öffentlicher Bedarfsträger. Die Bezeichnung des Erhaltungsgebietes kann gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung vorgenommen werden, d.h. es sind die allgemeinen Vor- 4schriften zum Erlass einer Satzung bzw. eines Bebauungsplanes zu beachten. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB enthalten eine abschließende Aufzählung der möglichen städtebaulichen Erhal- 5tungsziele. Der Begriff der städtebaulichen Eigenart als eines dieser Erhaltungsziele wird konkretisiert durch § 172 Abs. 3 BauGB. Er wird demgemäß geprägt durch die Elemente Ortsbild, Stadtgestalt oder Landschaftsbild. Das jeweils vorliegende Element muss in dem Erhaltungsgebiet insgesamt gestalterische Besonderheiten aufweisen und aus diesem Grunde erhaltungswürdig sein.6 Die Erhaltungswürdigkeit der vorhandenen Bebauung kann sich dabei nach Ansicht der Rechtsprechung nicht nur aus ihrem künstlerischen oder historischen Eigenwert, sondern unter Umständen auch aus ihrer bloßen optischen Wirkung ergeben.7 Der Erhaltungszweck des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB muss auf optisch wahrnehmbare, für die städtebauliche Gestalt eines Gebietes bedeutsame bauliche Gegebenheiten gerichtet sein.8 Maßgebliche Merkmale einer städtebaulichen Eigenart sind v.a. ortsprägende Gebäudestellungen, Geschosszahlen und Gebäudehöhen sowie die Zuordnungen zur Straße. Maßgebend kann aber auch die Wiederholung von Merkmalen sein, die nicht im Bebauungsplan festgesetzt werden können 2 Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch – Kommentar, 13. Auflage, Stand: 2016, § 172 Rdnr. 1, 4. 3 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 6 f. 4 Siehe hierzu: Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 8 ff. 5 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 9, 24. 6 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 39. 7 BVerwG, Urteil vom 04. Dezember 2014, Az. 4 CN 7/13, Rdnr. 14. 8 BVerwG, Urteil vom 04. Dezember 2014, Az. 4 CN 7/13, Rdnr. 10 f. m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 6 (z.B. bestimmte Dach- oder Fassadengestaltungen), oder gerade die eigentümliche Verbindung von Homogenität und Vielfalt einzelner Bauelemente.9 Die Gemeinde hat zu prüfen, in welchem Umfang in dem Gebiet noch positive, ortsbildprägende bauliche Anlagen vorhanden sind. Von Bedeutung ist auch das Umfeld dieser Bauten, wobei die prägende Wirkung der zu erhaltenden baulichen Anlagen nicht zwingend durch zeitgenössische Bauten ausgeschlossen wird, sofern sich diese in den Massenverhältnissen, Proportionen und Baumaterialien gestalterisch anpassen.10 Die Eigenart und der schützenswerte Charakter eines Gebietes wird insbesondere nicht aufgehoben durch einzelne bauliche Anlagen, die mit der Gesamtheit im Widerspruch stehen oder sie negativ beeinflussen; derartige „Fremdkörper“ bleiben unberücksichtigt . Nicht erforderlich ist, dass die baulichen Anlagen, die durch die Erhaltungssatzung geschützt werden sollen, einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Denkmalwert nach dem Denkmalschutzrecht haben.11 Ob eine erhaltenswerte städtebauliche Eigenart besteht, unterliegt einer nur summarischen flächenbezogene Prüfung der Gemeinde.12 3. Die Begriffe des „Rückbaus“, der „Änderung“ und der „Nutzungsänderung“ im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB listet als genehmigungsbedürftige Vorhaben „Rückbau“, „Änderung“ und „Nutzungsänderung“ auf. „Rückbau“ meint dabei sowohl die völlige Beseitigung, als auch den Teilabbruch einer baulichen Anlage. Eine „Änderung“ im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB betrifft die Änderung der Substanz einer baulichen Anlage, soweit sie nicht unter den Begriff des Rückbaus fällt.13 Der Begriff der „Nutzungsänderung“ beschreibt eine Änderung der Nutzungsweise , durch die der Anlage eine von der bisherigen Nutzung abweichende Zweckbestimmung gegeben wird, d.h. durch die die ihr bisher zugewiesene Funktion in rechtserheblicher Weise geändert wird.14 Erfasst werden jedoch nach dem Zweck der Regelung nur Vorhaben, die das jeweilige Erhaltungsziel der Erhaltungssatzung beeinträchtigen.15 Rückbau- und Änderungsmaßnahmen berühren das Erhaltungsziel der Erhaltung der städtebaulicher Eigenart im Sinne des § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in der Regel bei allen verändernden Eingriffen, die das Erscheinungsbild, die Struktur oder die Funktion der baulichen Anlage in nicht unerheblichem Maße verändern und damit die 9 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 27. 10 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 26. 11 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 31, 39. 12 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 28. 13 Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch – Kommentar, 13. Auflage, Stand: 2016, § 172 Rdnr. 5 f. 14 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 107. 15 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 165. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 7 städtebaugeschichtliche, städtebaukünstlerische oder sonstige städtebauliche Bedeutung der Anlage ganz aufheben oder schmälern.16 Veränderungen des Gebäudeinneren oder Änderungen der bisherigen Nutzung, die für das Gebäude charakteristisch und daher erhaltenswert ist, berühren dagegen i.d.R. das Erhaltungsziel des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht, da dieses auf die Erhaltung optisch wahrnehmbarer Gegebenheiten gerichtet ist. Sie können aber die Erhaltungsziele der § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB berühren und bei derartigen Erhaltungssatzungen einer Genehmigungspflicht unterliegen. Im Übrigen können sie höchstens nach Maßgabe landesrechtlichen Denkmalschutzrechts verhindert werden.17 4. Genehmigungsvoraussetzungen bei Erhaltungssatzungen zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart im Einzelfall In § 172 Abs. 3 BauGB sind abschließend diejenigen Gründe geregelt, die eine Versagung der Genehmigung in dem Gebiet einer Erhaltungssatzung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB rechtfertigen . Liegt einer der Gründe des § 172 Abs. 3 BauGB vor, ist umstritten, ob die Genehmigung zwingend zu versagen ist oder ob sie mit der Rechtsprechung nur grundsätzlich zu versagen ist und der Verwaltung bei atypischen Fällen ein Ermessen zusteht.18 Liegt keiner der Versagungsgründe vor, ist die Genehmigung stets zu erteilen. 4.1. Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. BauGB Der Versagungsgrund des § 172 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. BauGB setzt voraus, dass die betreffende bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt. Unter Ortsbild ist die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteils bei einer Betrachtung sowohl von innen als auch von außen unter Einschluss der Fernwirkung des Ortsumrisses zu verstehen.19 Die Stadtgestalt ist die Gesamtheit aller die städtebauliche Gestaltung bestimmenden Elemente, die in ihrem Zusammenwirken zu einer bestimmten deutlich erkennbaren Gestalt das städtebauliche Gesicht einer Gemeinde oder eines Gemeindeteils bewirken. Der Begriff der Stadtgestalt ist ein 16 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 165. 17 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 107, 165. 18 Vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 128, 130 ff. m.w.N. 19 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 8 Auffangtatbestand neben dem Orts- und dem Landschaftsbild. Der Begriff Landschaftsbild beschreibt den optischen Eindruck einer Fläche, die durch das Vorherrschen der freien Natur geprägt ist.20 „Prägen“ i.S.d. Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. bedeutet eine maßgebliche optische Wirkung und positive gestalterische Auswirkung der betreffenden baulichen Anlage bzw. des Ensembles, dem sie angehört , auf die Umgebung.21 4.2. Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. BauGB Bei der zweiten Alternative des § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden , wenn die bauliche Anlage von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Nicht jede alte bauliche Anlage hat dabei geschichtliche Bedeutung. Die Wahrscheinlichkeit einer geschichtlichen Bedeutung wird jedoch durch das Alter der baulichen Anlage beeinflusst. Für die künstlerische Bedeutung einer baulichen Anlage ist hingegen ausschließlich deren äußeres Erscheinungsbild maßgeblich.22 Mit Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. sollen Einzelbauwerke, die unterhalb der Schwelle der ersten Alternative liegen, etwa weil sie das Ortsbild nicht optisch wahrnehmbar prägen, aber dennoch städtebauliche Bedeutung haben, erhalten werden. Der Umstand, dass eine bauliche Anlage Gegenstand historischer Vorkommnisse war oder künstlerische Bedeutung hat, ist allein ist nicht ausreichend für die Einbeziehung in eine Erhaltungssatzung.23 Eine bauliche Anlage hat vielmehr nur dann städtebauliche Bedeutung, wenn sie untrennbarer Bestandteil eines Bau-Ensembles ist, d.h. wenn sie zu einer Gesamtheit von baulichen Anlagen gehört, die bestimmte einheitliche Gestaltungsmerkmale aufweisen oder eine bestimmte städtebauliche Ordnung erkennen lassen.24 4.3. Versagung der Genehmigung gem. § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB Gem. § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB darf die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird. Unter Beeinträchtigung ist jede negative gestalterische Auswirkung zu verstehen, d.h. die beabsichtigte bauliche Anlage darf nicht zu einem Fremdkörper im Sinne der Ziele der Erhaltungssatzung werden.25 20 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 33 f. 21 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 70. 22 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 83, 85. 23 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch - Kommentar, 124. EL, Stand: Feb. 2017, § 172 Rdnr. 36. 24 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 79 f. 25 Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar, 8. Auflage, Stand: 2015, § 172 Rdnr. 95. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 075/17 Seite 9 5. Fazit Umnutzungen einer Mischnutzung zu reiner Wohnnutzung können mittels Erhaltungssatzungen mit dem Ziel der Erhaltung der städtebaulichen Eigenart nur unter engen Voraussetzungen einem Genehmigungserfordernis unterworfen und die Genehmigung dann versagt werden. Einerseits muss das in der Erhaltungssatzung bezeichnete Gebiet den o.g. Anforderungen entsprechen. Andererseits muss auch das von der geplanten Umnutzung konkret betroffene Gebäude die o.g. Tatbestandsmerkmale v.a. des § 172 Abs. 3 Satz 1, 1. oder 2. Alt. BauGB erfüllen. Hinzu kommt, dass das Vorhaben das Erhaltungsziel beeinträchtigen muss. Dies ist bei äußerlich erkennbaren Substanzveränderungen denkbar, wird jedoch bei reinen Nutzungsänderungen ohne Substanzveränderung i.d.R. nicht der Fall sein. ***