Lärmvorsorge an Bundesautobahnen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bei einseitig zuschaltbarem Standstreifen - Sachstand - © 2009 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 075/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Lärmvorsorge an Bundesautobahnen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bei einseitig zuschaltbarem Standstreifen Sachstand WD 7 - 3000 - 075/09 Abschluss der Arbeit: 17.04.2009 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 2 - 1. Einführung Der Anbau eines zuschaltbaren Standstreifens stellt einen erheblichen baulichen Eingriff i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 16. BImSchV dar, wenn er den von der Autobahn ausgehenden Verkehrslärm um 3 dB(A) oder auf über 70 dB(A) tags oder 60 dB(A) nachts erhöht. Lärmbetroffene Dritte haben in diesem Fall einen Anspruch auf Festsetzung und Durchführung kostenverhältnismäßiger Lärmschutzmaßnahmen.1 Die folgenden Ausführungen behandeln die Frage, ob bei dem Anbau eines zuschaltbaren Standstreifens für nur eine Fahrbahnrichtung ein Anspruch auf Lärmvorsorge auch jenseits der gegenüberliegenden Fahrbahnseite besteht. 2. Immissionsschutzrechtliche Voraussetzungen Nach § 1 Abs. 1 BImSchG bezweckt das Bundesimmissionsschutzgesetz den Schutz von Menschen und den aufgeführten Gütern vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Demnach eröffnet die Gefährdung der Schutzbegünstigten und -güter durch solche Immissionen den Anwendungsbereich des Gesetzes. Unerheblich ist dagegen grundsätzlich der Belegenheitsort der Emissionsquelle innerhalb des Bundesgebietes. Dem steht auch nicht das an der Emissionsquelle orientierte sog. Verursacherprinzip2 entgegen. Dieses verpflichtet nur dazu, Immissionsschutzmaßnahmen grundsätzlich gegenüber dem Verursacher zu ergreifen. Gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BImSchG können auch Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sein. §§ 41-43 BImSchG enthalten spezielle Regelungen für Geräuschimmissionen, die der Gebrauch von Straßen und Schienenwegen hervorruft. Dabei ist § 43 BImSchG Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Durchführungsverordnungen zu §§ 41, 42 BImSchG. Die Schädlichkeitsschwellen für Verkehrsgeräusche in verschiedenen Gebieten konkretisiert § 2 Abs. 1 16. BImSchV. Sofern eines oder mehrere der Schutzgüter des § 1 Abs. 1 BImSchG von einem Schallpegel oberhalb dieser Grenzwerte betroffen sind, müssen Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden. Anderenfalls wären die Begünstigten oder Güter entgegen § 41 Abs. 1 BImSchG schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt. Im Anwendungsbereich von § 41 BImSchG steht den Betroffenen ein subjektivöffentliches Recht auf Lärmschutzmaßnahmen zur Vermeidung schädlicher Einwirkun- 1 Vgl. , Anspruch auf Lärmvorsorge an Bundesautobahnen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 7 - 3000 - 220/08), Berlin: (2009) Deutscher Bundestag. 2 Zum Verursacherprinzip: Hansmann, Bundesimmissionsschutzgesetz, 24. Auflage (2006), S. 15. - 3 - gen zu.3 Vor Verkehrslärm geschützt ist in Abweichung zu § 3 Abs. 1 BImSchG nur die Nachbarschaft, nicht auch die Allgemeinheit.4 Räumlich ist der Nachbarschaftsbegriff weit zu verstehen und umfasst den gesamten Einwirkungsbereich der Quelle.5 Persönlich zählt zur Nachbarschaft, wer „sich vorhabenbezogenen Auswirkungen jedenfalls nicht nachhaltig entziehen kann, weil [er] nach [seinen] Lebensumständen, die durch den Wohnort, den Arbeitsplatz oder die Ausbildungsstätte vermittelt werden können, den Einwirkungen dauerhaft ausgesetzt ist“.6 Diese Personen haben einen Anspruch auf Lärmvorsorge, wenn Verkehrsgeräusche die in § 2 Abs. 1 16. BImSchV festgelegten Grenzwerte überschreiten.7 Für Betroffene in dem hier fraglichen Gebiet gilt nichts Abweichendes. 3. Ergebnis Einen Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen jenseits der dem zuschaltbaren Seitenstreifen entgegen gesetzten Fahrbahnrichtung hat der beschriebene Personenkreis, soweit dort die in § 2 Abs. 1 16. BImSchV normierten Beurteilungspegel überschritten werden. 3 Bracher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 54. Ergänzungslieferung (2008), BImSchG § 41, Rn. 83. 4 § 43 Abs. 1 BImSchG nennt nur den „Schutz der Nachbarschaft“; siehe auch Strick, Lärmschutz an Straßen, 2. Auflage (2006), S. 30. 5 BT-Drucksache 7/179, S. 29; Jarass, Kommentar zum Bundesimmissionsschutzgesetz, 7. Auflage (2007), § 3, Rn. 33. 6 BVerwGE 121, 57, 59; ähnlich: 101, 157, 165; NJW 1983, 1507, 1508. 7 BVerwGE NVwZ 1996, 1003; 2000, 565; siehe zum Umfang des Anspruchs auch die Ausarbeitung : Rechtsvorschriften und Rechtsprechung zum Lärmschutz beim Bau von Bundesstraßen und Bundesautobahnen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (2. WF VII G – 005/06), Berlin: (2006) Deutscher Bundestag. - 4 -