Besetzung des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG unter europarechtlichen Vorgaben - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 075/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Besetzung des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG unter europarechtlichen Vorgaben Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 075/08 Abschluss der Arbeit: 11.04.2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Soll im Falle der DB AG die Entsendung von Aufsichtsräten abweichend von § 101 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) geregelt werden, so kann dies beispielsweise in einem noch zu schaffenden Bundeseisenbahnstrukturgesetz erfolgen und dies unter Umständen in § 101 Abs. 2 AktG klargestellt werden. Die von der Bundesregierung und der Regierungskoalition vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen der Organisation der DB AG enthalten beispielsweise Vorschriften über die Entsendung von Aufsichtsräten in Unternehmen der DB AG. Die DB AG ist hierbei nicht mit der Volkswagen AG vergleichbar, da es sich nach Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag (EGV) um ein Unternehmen handelt, das Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (zur sog. Daseinsvorsorge) erbringt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum VW-Gesetz, wonach es mit dem EG-Vertrag nicht vereinbar ist, wenn der Bund oder ein Land unabhängig von ihrem Kapitalanteil einen Teil der Mitglieder des Aufsichtsrates der Volkswagen AG bestimmen dürfen, ist daher nicht auf die DB AG übertragbar. Allerdings ist europarechtlich auch bei Unternehmen im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EGV das Maß des staatlichen Einflusses am Kriterium der Verhältnismäßigkeit zu messen. Hierbei ist insbesondere zu beachten, ob die Maßnahme geeignet und erforderlich ist. Sie darf nur soweit die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränken, als es zur Sicherung der Daseinsvorsorge unabdingbar ist. - 3 - 1. Einleitung Im Rahmen des kontrovers diskutierten Börsengangs der Deutschen Bahn AG (DB AG) wird die Frage gestellt, ob es zulässig wäre, auf gesetzlichem Wege zu bestimmen, dass alle Aufsichtsräte der DB AG vom Deutschen Bundestag gestellt werden. Da hierbei insbesondere die Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorschriften zu problematisieren ist, wird zu prüfen sein, ob die Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum VW-Gesetz entwickelt hat, auch auf die DB AG übertragen werden müssen. Da es sich bei der DB AG um ein Unternehmen handeln kann, das auch der Erfüllung der öffentlichen Pflicht zur Daseinsvorsorge dient, ist Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag (EGV) zu beachten. 2. Die staatliche Kontrolle der öffentlichen Hand von privatisierten Unternehmen In vielen europäischen Staaten sind in den letzten beiden Jahrzehnten öffentliche Unternehmen in privatrechtliche Rechtsformen (AG, GmbH) überführt und anschließend teilweise oder im Ganzen an Private veräußert worden. Bei wirtschaftlich oder politisch als besonders wichtig eingestuften Unternehmen (z.B. Energieversorger, Verkehr) wollten sich die Regierungen dennoch weiter Einfluss sichern. Dies kann entweder unmittelbar durch Gesetz erfolgen oder mit dem vom Staat gehaltenen Anteil können Sonderrechte (Vetorechte, Zustimmungsvorbehalte, Organbesetzungsrechte) verbunden werden (sog. „Goldene Aktie“ bzw. „Golden Shares“).1 Ein prominentes deutsches Beispiel ist das VW-Gesetz2, in dem bestimmt wird, dass unabhängig von der Kapitalbeteiligung am Unternehmen das Land Niedersachsen und der Bund je zwei Aufsichtsratsmitglieder in den Volkswagen-Aufsichtsrat entsenden können. Da das allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) auf alle Eisenbahn-Unternehmen zugeschnitten ist und aufgrund der Umsetzung von EG-Richtlinien die Marktöffnung und den allgemeinen Marktzugang für alle Eisenbahn-Unternehmen regelt, wäre es systema- 1 Armbrüster: „Golden Shares“ und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, in: Juristische Schulung (JuS) 2003, 224 f. 2 Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 641-1-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 31. Juli 1970 (BGBl. I S. 1149). - 4 - tisch nicht der richtige Ort für eine Sonderregelung hinsichtlich der DB AG.3 Stattdessen müsste eine andere gesetzliche Grundlage geschaffen oder gefunden werden, in der ein besonderes Entsenderecht geregelt wird. Dies könnte ggf. im Rahmen eines Gesetzes nach Art. 87e Abs. 3 GG erfolgen. Hierzu liegen auch bereits Gesetzentwürfe vor.4 Hierbei müsste im Unterschied zum VW-Gesetz berücksichtigt werden, dass der Bundestag und nicht die Bundesregierung als Vertreter des Bundes entsendeberechtigt sein soll. Eventuelle verfassungsrechtliche Probleme, dass allein der Bundestag und nicht (auch) die Bundesregierung als Exekutive zur Entsendung befugt sind, bleiben in concreto dahingestellt. Fraglich ist jedenfalls, ob das Parlament prinzipiell das Recht hat, bei einem privatrechtlich organisierten und ggf. teilprivatisierten Unternehmen im (teilweisen) Eigentum des Bundes allein die Aufsichtsräte zu entsenden, obwohl der Bundesregierung nach Art. 87e GG die Eisenbahnverkehrsverwaltung zusteht, deren Aufsicht das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Bundesministerium der Finanzen wahrnimmt. Die Ausführung dieser Aufgaben unterliegt als Teil der Amtsführung der Bundesregierung, die auch zur Vertretung des Bundes nach außen zuständig ist. Mithin könnte hier der Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt werden. Andererseits ist die Bundesregierung nicht ausdrücklich vor gesetzlichen Regelungen geschützt, die in ihre Kompetenzen eingreifen. In einer parlamentarischen Demokratie ist grundsätzlich jede Frage einer gesetzlichen Regelung zugänglich. Es ist daher zweifelhaft , ob die Entsendung von Aufsichtsräten durch die Bundesregierung so als Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist, dass sie verfassungsrechtlich der Regelungsbefugnis des Bundestages entzogen ist. 3. Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages Solange die Anteile eines Staatsunternehmens in privatrechtlicher Form vollständig Eigentum der jeweiligen Körperschaft (im Falle der DB AG der Bund) sind, steht die 3 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378 (2396) [1994, 2439]), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 215). Ziel des Gesetzes ist die „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen“ (§ 1 Abs. 1 AEG). 4 Vgl. hierzu das „Deutsche Bahn Gründungsgesetz vom 27. Dezember 1993“ (BGBl. I S. 2378, 2386, (1994, 2439)), zuletzt geändert durch Artikel 307 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), nach diesem Gesetz wurde der erste Aufsichtsrat der DB AG durch das Bundesministerium für Verkehr bestimmt (§ 5). Siehe hierzu auch BT-Drs. 16/6294 und 6383, in denen die Struktur der DB-AG und ihrer Untergesellschaften in einem Bundeseisenbahnstrukturgesetz (BESG) geregelt wird. - 5 - Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EGV) besonderen Entsenderechten nicht entgegen, da der 100%ige Eigentümer auch den Aufsichtsrat besetzen kann (unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer). Werden jedoch Teile des Unternehmens privatisiert und somit dem freien Kapitalverkehr zugänglich gemacht, ist diese Grundfreiheit betroffen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in mehreren Entscheidungen festgestellt hat.5 Die Kapitalverkehrsfreiheit untersagt Regelungen, die den Kapitalverkehr unter den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten beschränken. Derartige Beschränkungen sind jedoch gegeben, wenn der Aktienerwerb, die Übernahme, die Verwaltung und Kontrolle einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile erworben werden können, durch nationalstaatliche Maßnahmen beeinträchtigt werden.6 Solche Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit können nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch gerechtfertigt sein, wenn die Vorschrift abschließend a) nicht diskriminierend wirkt (d.h. für in- und EU-ausländische Personen und Unternehmen gleichermaßen gilt, vgl. Art. 58 Abs. 3 EGV), b) einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art. 58 Abs. 1 EGV darstellt (z.B. aus Gründen der Sicherheit und Ordnung oder aufgrund zwingenden Allgemeininteresses) und c) verhältnismäßig ist.7 Allerdings legt der EuGH bei einer Rechtfertigung strenge Maßstäbe an. Die Analyse seiner ständigen Rechtsprechung ließ schon vor der betreffenden EuGH-Entscheidung die Unvereinbarkeit des VW-Gesetzes mit dem EGV erwarten.8 Da die DB AG verkehrs -, gesellschafts- und umweltpolitisch wichtige Leistungen erbringt, könnte jedoch bereits aus Gründen des zwingenden Allgemeininteresses eine Beschränkung der Rechte der privaten Aktionäre gerechtfertigt sein.9 Hinzu tritt, dass die DB AG als ein Unternehmen i.S.v. Art. 86 Abs. 1 Satz 1 EGV gilt. 5 EuGH Rs. C-483/99, C-503/99, C-367/98. 6 Armbrüster: „Golden Shares“ und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, in: Juristische Schulung (JuS) 2003, 224 (225); Geiger: Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EUV/EGV), Kommentar (4. Aufl. 2004), Art. 56, Rn. 6 ff. 7 Vgl. Geiger: Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EUV/EGV), Kommentar (4. Aufl. 2004), Art. 58, Rn. 1 ff. 8 So Armbrüster: „Golden Shares“ und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, in: Juristische Schulung (JuS) 2003, 224 (226 f.). 9 Hierzu ausführlich : Die Deutsche Bahn und das Volksaktien-Konzept, Gutachten WD 7 – 227/07, S. 6 ff. (Anlage 1). - 6 - 4. Ausnahme im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge? 4.1. Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag Art. 86 EGV lautet: (1) Die Mitgliedstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag (…) widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten. (2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. (3) Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten. Ein öffentliches Unternehmen i.S.d. Abs. 1 ist „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen , die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.“ Die Rechtsform spielt keine Rolle.10 Art. 86 Abs. 1 EGV stellt klar, dass auch diese Unternehmen die Wettbewerbsregeln einzuhalten haben. Allerdings bestimmt Abs. 2 Ausnahmen für Unternehmen, die „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ erbringen. Soweit die Einhaltung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages die Aufgaben dieser Unternehmen „rechtlich oder tatsächlich verhindert“, sind sie nicht anwendbar. Die besondere Bedeutung der Funktionsfähigkeit dieser Unternehmen ergibt sich auch aus Art. 16 EGV.11 Die „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ entsprechen dem deutschen Begriff der „Daseinsvorsorge“.12 Die Bahn ist hiervon (noch) umfasst, da sie netzgebundene Verkehrsleistungen im allgemeinen Interesse flächendeckender öffentlicher Mobilität erbringt und der jeweilige Mitgliedstaat einen gewissen Beurteilungs- 10 Geiger: Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EUV/EGV), Kommentar (4. Aufl. 2004), Art. 86, Rn. 4. 11 Ausführlich zu Art. 16 EGV: Pielow: Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, in: Juristische Schulung (JuS) 2006, 780 ff. 12 Zur Entwicklung des Begriffs der „Daseinsvorsorge“ siehe Pielow: Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, in: Juristische Schulung (JuS) 2006, 692. - 7 - spielraum in Anspruch nehmen darf, wann das allgemeine Interesse gegeben ist. Auch ist sie mit der Erbringung von Beförderungsleistungen betraut, die einer „Universaldienst -Verpflichtung“ gleichkommt (vgl. Art. 87e GG).13 Allerdings gibt Art. 86 Abs. 2 EGV solchen Unternehmen keinen „Freibrief“ zur Missachtung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des EGV (und damit insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 56 EGV). Bereits der Wortlaut des Art. 86 EGV stellt deutlich klar, dass eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nur zulässig ist, soweit sie in verhältnismäßiger Weise die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Daseinsvorsorge sichert (vgl. auch Art. 16 EGV). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Gemeinschaftsrecht möglichst auch die öffentliche Daseinsvorsorge im Wege des Wettbewerbs gesichert werden soll. Das Wettbewerbsprinzip wird nur dann zugunsten der Daseinsvorsorge zurückgedrängt, wenn und soweit es notwendig erscheint. Deshalb gewährt auch Art. 86 Abs. 3 EGV der Europäischen Kommission die Kontrolle, ob der Grundsatz „so viel Wettbewerb wie möglich, so wenig Beschränkung wie nötig“ eingehalten wird. Aus Art. 86 Abs. 2 EGV folgt jedoch, dass die Entscheidung des EuGH zum VW-Gesetz nicht ohne weiteres auf die DB-AG übertragen werden kann, da es sich hier ja um ein Unternehmen handelt, dass mit der Wahrnehmung der öffentlichen Daseinsvorsorge betraut ist. Der EuGH hat selbst wiederholt darauf hingewiesen, dass besondere staatliche Einflussnahme bei Unternehmen akzeptiert wird, die Dienstleistungen von besonderem öffentlichem Interesse erbringen. Ob nun eine konkrete Änderung der aktienrechtlichen Vorschriften für die DB AG hinsichtlich besonderer Entsenderegeln verhältnismäßig ist, hängt von der genauen Ausgestaltung und der Form der (Teil-)Privatisierung der DB AG ab. Soll die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern sicherstellen, dass die DB AG weiter ihrem Auftrag zu einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Verkehrsdienstleistungen nachkommt und ist dieses Ziel allein mit einer derartigen Maßnahme sicherzustellen, gibt es keine Anhaltspunkte, die offensichtlich gegen eine Verhältnismäßigkeit sprechen , zumal ein diskriminierendes Element, das Aktionäre aus anderen EU-Ländern besonders benachteiligen würde, nicht ersichtlich ist. Andererseits kann argumentiert werden, dass der Verbleib der Mehrheitsaktien beim Bund in jedem Falle ausreiche, um die öffentlichen Interessen zu sichern. Erst wenn der Anteil des Bundes weniger als 50,1% beträgt, würde er seinen bestimmenden Einfluss verlieren. 13 Vgl. Kämmerer: Strategien zur Daseinsvorsorge – Dienste im allgemeinen Interesse nach der „Altmark “-Entscheidung des EuGH, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2004, 28 f. sowie Pielow: Öffentliche Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, in: Juristische Schulung (JuS) 2006, 692 ff., 780 ff. - 8 - Besondere Rechte des Bundes sehen auch die wohl gleichlautenden Gesetzentwürfe 16/6294 (Entwurf der Bundesregierung zur teilweisen Kapitalprivatisierung der DB-AG, S. 9 f.) und 16/6383 (Entwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD, S. 7 f.), in denen Entsendevorschriften im Rahmen eines noch neu zu schaffenden Bundeseisenbahnstrukturgesetzes vorgeschlagen werden (§ 4). Auch sehen die Entwürfe in § 2 dieses Gesetzes einen Zustimmungsvorbehalt der Bundesregierung u.a. für die Wahl und Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrates vor. 4.2. Art. 295 EG-Vertrag Neben Art. 86 Abs. 2 EGV könnte auch Art. 295 EGV, wonach der Vertrag die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unberührt lässt, die These stützen, dass die Rechtsprechung des EuGH zum VW-Gesetz bei Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht ohne weiteres anwendbar ist. Art. 295 gewährleistet nämlich die Neutralität des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Form der Organisation öffentlicher Unternehmen. Die Kommission macht daher keine Vorgaben, ob Leistungen der Daseinsvorsorge von öffentlichen oder privaten Unternehmen zu erbringen sind. Sie verlangt auch nicht die Privatisierung öffentlicher Unternehmen.14 Allerdings rechtfertigt Art. 295 EGV nicht Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit oder der anderen Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Denn sonst könnte unter Verweis auf diese Norm jede nationale Wettbewerbsbeschränkung gerechtfertigt werden . Die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten, so der EuGH, können sich den Grundfreiheiten des EG-Vertrags nicht entziehen und Beschränkungen dieser Grundfreiheiten nicht legitimieren.15 Mit anderen Worten: Die Mitgliedstaaten sind frei, ob sie öffentliche Unternehmen privatisieren. Entscheidet sich jedoch der Staat für eine Privatisierung und für die Teilnahme des Unternehmens am Kapitalverkehr, dann muss er auch die Wettbewerbsregeln beachten. Fehl geht deshalb die Annahme, der EuGH würde mit seiner Entscheidung zum VW-Gesetz gegen Art. 295 EGV verstoßen.16 14 Vgl. Fuchs: Auf dem Weg zu einer neuen Konzeption der kommunalen Daseinsvorsorge, 2005 (http://delegibus.com/2005,11.pdf [11.04.2008]). 15 M.w.N. Armbrüster: „Golden Shares“ und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, in: Juristische Schulung (JuS) 2003, 224 (225). 16 So die Fraktion DIE LINKE. in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des VW-Gesetzes (BT-Drs. 168449).