© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 074/21 Das familienrechtliche Umgangsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/21 Seite 2 Das familienrechtliche Umgangsrecht Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 074/21 Abschluss der Arbeit: 2. Juli 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Umgang 4 3. Durchsetzung des Umgangsrechts 5 4. Umgang gegen den Willen des Kindes 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/21 Seite 4 1. Einleitung Nachfolgend soll ein Überblick über das familiäre Umgangsrecht und dessen Durchsetzung gegeben werden. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich in den nachstehend genannten Normen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)1 sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)2. 2. Umgang Das Umgangsrecht des Kindes und beider Elternteile regelt § 1684 BGB. Danach besteht ein Recht des minderjährigen Kindes und der Eltern auf gegenseitigen Umgang miteinander. Der Schutzzweck ist die familiäre Beziehung zwischen den Eltern und dem minderjährigen Kind.3 „§ 1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. (2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. (3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. (4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Fam FG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021 (BGBl. I S. 1810) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 2. Juli 2021). 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2123) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. 3 Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/21 Seite 5 Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.“ 3. Durchsetzung des Umgangsrechts Die Durchsetzung von Vollstreckungstiteln, die die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs betreffen erfolgt nach näherer Maßgabe von § 89 FamFG. „§ 89 FamFG Ordnungsmittel (1) Bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen und zur Regelung des Umgangs kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft anordnen. Die Anordnungen ergehen durch Beschluss. (2) Der Beschluss, der die Herausgabe der Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, hat auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen. (3) Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für den Vollzug der Haft gelten § 802g Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, die §§ 802h und 802j Abs. 1 der Zivilprozessordnung entsprechend. (4) Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt , aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Werden Gründe, aus denen sich das fehlende Vertretenmüssen ergibt, nachträglich vorgetragen, wird die Festsetzung aufgehoben.“ § 90 FamFG ergänzt § 89 FamFG und regelt die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung von Vollstreckungstiteln in Bezug auf die Herausgabe von Personen und Regelungen des Umgangs.4 „§90 FamFG Anwendung unmittelbaren Zwanges (1) Das Gericht kann durch ausdrücklichen Beschluss zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn 1. die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist; 2. die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht; 3. eine alsbaldige Vollstreckung der Entscheidung unbedingt geboten ist. 4 Sieghörtner, in: Beck’scher Online-Kommentar FamFG, 38. Edition (Stand: 1. April 2021), § 90. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/21 Seite 6 (2) Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden, wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben. Im Übrigen darf unmittelbarer Zwang gegen ein Kind nur zugelassen werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Kindeswohls gerechtfertigt ist und eine Durchsetzung der Verpflichtung mit milderen Mitteln nicht möglich ist.“ 4. Umgang gegen den Willen des Kindes Der Wille des Kindes ist aufgrund seines Persönlichkeitsrechts zu beachten.5 Insbesondere spielt dabei das Alter und die Fähigkeit zu eigenständigen Entscheidungen eine Rolle.6 Wenn ein Kind sich ernstlich dem Umgang verweigert, hat die Rechtsprechung in Einzelfällen den Umgang aus diesem Grund bereits (befristet) ausgesetzt.7 Das Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, ist nach § 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB dazu gehalten, alle Handlungen, die das Verhältnis des Kindes mit dem anderen Elternteil gefährden, zu unterlassen.8 Das Missachten dieser Loyalitätspflicht hat in der gerichtlichen Praxis bereits zur Änderung der Umgangsregeln, zu der Anordnung von Ordnungsmitteln oder anderen Maßnahmen geführt.9 Gegen das Elternteil , bei dem das Kind lebt, können jedoch keine Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden, wenn das Kind den Umgang nachhaltig ablehnt.10 Die Entscheidungen über den Umgang und deren Durchsetzung trifft bei fehlender Einigung der Eltern das zuständige Familiengericht.11 * * * 5 Hennemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1684 Rn. 55. 6 Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 54. 7 Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 56. 8 vgl. Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 18. 9 Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 20. 10 Veit, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 58. Edition (Stand: 1. November 2019), § 1684 Rn. 89. 11 vgl. Budzikiewicz, in: Jauernig BGB, 18. Auflage 2021, §§ 1684, 1685 Rn. 11.