© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 074/16 Raumordnungsrechtliche Voraussetzungen für ein Infrastrukturprojekt Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können Informationen enthalten, die der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegen, die geschützt sind oder die aus anderen Gründen nicht zur Veröffentlichung geeignet sind. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 2 Raumordnungsrechtliche Voraussetzungen für ein Infrastrukturprojekt Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 074/16 Abschluss der Arbeit: 9. Mai 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erfordernisse der Raumordnung 4 3. Erfordernisse eines Planfeststellungsverfahrens 6 4. Alternative Planungsverfahren 7 5. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 4 1. Einleitung Bei der Bahnstrecke Oldenburg–Wilhelmshaven handelt es sich um eine zweigleisige, nicht elektrifizierte Eisenbahnstrecke im Nordwesten Niedersachsens. Sie verläuft in Nord-Süd-Richtung von der Hafenstadt Wilhelmshaven nach Oldenburg. Im Rahmen des Ausbaus für den im September 2012 eröffneten Tiefwasserhafen JadeWeserPort soll die Strecke bis 2022 elektrifiziert werden.1 Der Ausbau der Bahnstrecke 1522 Oldenburg–Wilhelmshaven (Projekt-Nr. N03) ist im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP 2030) als in Bau befindlich ausgewiesen.2 Eine projektierte Neubaustrecke „NBS Güterumgehungsbahn Oldenburg“ fand keine Aufnahme in den Entwurf des BVWP 2030, da wohl eine Dringlichkeit wegen der derzeitigen Schienenverkehrszahlen nicht gesehen wird. Aus einer Machbarkeitsstudie der Ausbaustufe II des JadeWeserPorts kann wohl gefolgert werden , dass zukünftig von steigenden Umschlagszahlen und damit von einem verstärkten Güterverkehr auf der Bahnstrecke 1522 ausgegangen werden kann. Nach einem vorläufigen Zeitplan soll 2017 mit den Planungen begonnen werden und angestrebt werden, dass die Ausbaustufe II bereits 2027 in Betrieb geht.3 Mit dem Betrieb des JadeWeserPorts II dürfte sich dann auch die Anzahl der Containerzüge durch die Stadt Oldenburg deutlich erhöhen. Vor diesem Hintergrund könnte sich zur Realisierung der Güterumgehungsbahn Oldenburg die grundlegende Frage stellen, ob durch ein alternatives Planungsverfahren auf ein langwieriges Planfeststellungs- und weitere Raumordnungsverfahren verzichtet werden könnte. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Wissenschaftlichen Dienste nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine rechtliche Prüfung im Einzelfall vornehmen. Die nachfolgenden summarischen Betrachtungen zu den rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer solchen Güterumfahrung geben insoweit nur eine Orientierungshilfe für weitere noch zu konkretisierende Planungen . 2. Erfordernisse der Raumordnung Die Leitvorstellungen des Raumordnungsrechts sind durch eine nachhaltige Raumentwicklung geprägt , die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringen und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führen sollen. Das Raumordnungsrecht umfasst hierbei 1 Vgl. hierzu die Antworten der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/5994 und 18/6709. Zur Bahnstrecke Oldenburg– Wilhelmshafen und zum Ausbau des JadeWeserPorts, vgl. auch Wikipedia, zuletzt aufgerufen am 09.05.2016: https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Oldenburg%E2%80%93Wilhelmshaven. 2 BVWP 2030, S. 160, zuletzt aufgerufen am 09.05.2016: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/Verkehr UndMobilitaet/BVWP/bvwp-2030-gesamtplan.pdf?__blob=publicationFile. 3 Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, Machbarkeitsstudie JadeWeserPort 2 (Stand: Januar 2016), S. 44. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 5 eine Abfolge von Planungsentscheidungen mit fortschreitender Verdichtung der Regelungen auf Landes - und Regionalebene bis hin zu konkreten Festlegungen auf Gemeindeebene. Die angestrebte Güterumfahrung für Oldenburg dürfte eine raumbedeutsame Planung im Sinne des Raumordnungsgesetzes (ROG)4 darstellen. Bei derartigen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen sind die Ziele der Raumordnung zu beachten sowie Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung in Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen (vgl. § 4 Abs. 1 ROG). Grundsätzlich können die Raumordnungsbehörden deshalb auch raumbedeutsame Planungen untersagen, wenn Ziele der Raumordnung dem entgegenstehen (§ 14 ROG). Auch bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung für die angesprochene Güterumfahrung Oldenburg entfalten die Instrumente der Raumordnung mit ihren unterschiedlich ausgestalteten Plänen Bindungswirkungen für den Planungsträger und die Planfeststellungsbehörde. In dieser Planungshierarchie kommt jeder einzelnen Planungsstufe die Aufgabe zu, die verschiedenen Fachinteressen zu koordinieren , die auf dieser Stufe zusammentreffen. Die Planfeststellungsbehörde hat deswegen zu prüfen, ob das Vorhaben den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entspricht.5 Die unterste Ebene der Raumordnung wird auf der Ebene der Gemeinden bekanntlich als Bauleitplanung bezeichnet. Diese Bauleitplanung ist zweistufig und kennt die Planinstrumente Flächennutzungsplan und Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) kann also als ein Planungsinstrument (Planzeichnung mit Begründung) der öffentlichen Verwaltung im System der Raumordnung bezeichnet werden, mit dem die städtebauliche Entwicklung der Gemeinden gesteuert werden soll. Die angestrebte Güterumfahrungstrasse wäre ca. 12 km lang und würde im Norden im Landkreis Ammerland in der Gemeinde Rastede, Ortsteil Neusüdende, auf überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen beginnen und nach ca. 3 km weitere 9 km ausschließlich auf dem Stadtgebiet in Oldenburg verlaufen. Die genannten Flächen für eine mögliche Trassenführung sind zurzeit in den Flächennutzungsplänen der Gemeinden noch anders ausgewiesen, beispielweise als Flächen für landwirtschaftliche Nutzung oder als Flächen für den Landschaftsschutz. Erforderlich wird daher zumindest eine von den Aufsichtsbehörden zu genehmigende Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Rastede und der Stadt Oldenburg. Als Zwischenergebnis ist daher festzustellen, dass die Planung einer raumbedeutsamen Güterumfahrungstrasse eine raumordnungsrechtliche Abstimmung auf Gemeinde-, Kreis-, Regional- und Landesebene sowie gegebenenfalls eine Umweltprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert. 4 Raumordnungsgesetz (ROG) vom 22.12.2008 (BGBl. I S. 2986), zuletzt geändert durch Art. 124 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I S. 1474). 5 Vgl. im Einzelnen Vallendar/Wurster, AEG – Kommentar (2015), § 18 Rdnr. 121 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 6 Für die Güterumfahrung in Oldenburg entlang der Bundesautobahn A 29 sind daher raumordnungsrechtliche Verfahren zumindest auf kommunaler und wohl auch regionaler Ebene erforderlich . 3. Erfordernisse eines Planfeststellungsverfahrens Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG)6 soll einen sicheren Betrieb der Eisenbahnen und ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene gewährleisten. Der Betrieb und die Planung von Eisenbahnen , insbesondere das Planfeststellungsverfahren, erfolgen ausschließlich nach dem AEG. Eisenbahnen sind nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 AEG öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen ) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastrukturunternehmen ). Unabhängig von einem nach § 18 AEG durchzuführenden Planfeststellungsverfahren gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt Oldenburg oder ein (von ihr initiiertes) privatrechtlich organisiertes Unternehmen anlässlich des Baus und der Unterhaltung einer Güterumfahrungstrasse beabsichtigt, sich als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu betätigen. Im Übrigen wäre ein alternativer Träger der Eisenbahninfrastruktur ebenfalls an das geltende Raumordnungs- und Planungsrecht gebunden sowie auf Kooperationen mit anderer Gebietskörperschaften angewiesen . Überlegungen, ob ein gegenüber der Deutsche Bahn AG alternatives Eisenbahninfrastrukturunternehmen überhaupt in der Lage wäre, unter den gegebenen rechtlichen Voraussetzungen des AEG die Planungsphase zu verkürzen, dürften nicht in Erwägung zu ziehen sein. Fest steht demgegenüber, dass die Planungshoheit der Stadt Oldenburg, die verfassungsrechtlich auf die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)7 zurückgeht, das Recht einschließt, sich gegen solche (überörtlichen) Planungen zur Wehr zu setzen, die ihre eigene Planungshoheit rechtswidrig verletzen.8 Wie bei straßenrechtlichen ist die Gemeinde auch bei eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren wegen einer möglichen Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit zu beteiligen.9 Dieses Mitwirkungsrecht der Gemeinden und die damit verbundene Abstimmungspflicht der Planfeststellungsbehörde sind hierbei nicht allein von formeller (verfahrensmäßiger) Bedeutung, sondern umfassen, wenn sie ihren Sinn erfüllen sollen, zudem das Erfordernis sachlichen Abgestimmt- 6 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch Art. 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 28.05.2015 (BGBl. I S. 824). 7 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Änderungsgesetzes (Art. 91b) vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2438). 8 Vgl. hierzu im Einzelnen Vallendar, in: Hermes/Sellner, AEG – Kommentar (2006), § 18 Rdnr. 292 ff. 9 Vgl. bspw. Dürr, in: Kodal, Straßenrecht (2010), § 36 Rdnr. 35.2 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 7 seins. Das Gebot der Abstimmung zwischen der Schienenwegeplanung und der kommunalen Planungshoheit ergibt sich außerdem aus dem im Raumordnungsrecht verankerten Gebot der Rücksichtnahme (Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Ein eisenbahnrechtlicher Planfeststellungsbeschluss zu der Bahnstrecke 1522 Oldenburg–Wilhelmshafen wäre wohl nicht schon deshalb gegenüber der Stadt Oldenburg rechtmäßig, weil sie Gelegenheit hatte, sich zu beteiligen, sondern darüber hinaus erst dann, wenn die Planfeststellungsbehörde deren Vorstellungen mit dem ihnen zukommenden Gewicht anlässlich ihrer Entscheidung sachliche Berücksichtigung findet. Das anhängige Planfeststellungsverfahren ließe sich möglicherweise dann einvernehmlich abschließen , wenn den Vorstellungen der Stadt Oldenburg dadurch Rechnung getragen würde, dass zumindest im BVWP 2030 die Güterumgehungstrasse als „dringender Bedarf“ berücksichtigt würde. Hierbei sind im laufenden Konsultationsverfahren zum BVWP 2030 nicht die derzeitigen, sondern die angestrebten Schienenverkehrszahlen einzubeziehen . Dies hat die Bundesregierung zuletzt nochmals in ihrem „Nationalen Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen 2015“ zum Ausdruck gebracht.10 4. Alternative Planungsverfahren Alternative Planungsverfahren kommen – soweit ersichtlich – außerhalb des Anwendungsbereichs des AEG nicht in Betracht. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 AEG gilt das Allgemeine Eisenbahngesetz nicht für Straßenbahnen und für die nach ihrer Bau- oder Betriebsweise ähnlichen Bahnen. Es gilt auch nicht für „sonstige Bahnen besonderer Bauart“. Für Straßenbahnen und die nach ihrer Bau- und Betriebsweise ähnlichen Bahnen gilt, dass sie ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Personen im Orts- oder Nachbarschaftsbereich dienen. „Sonstige Bahnen besonderer Bauart“ sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nach ihrer Bauart mit dem technischen Verkehrssystem der Eisenbahn weder kombinierbar sind noch ein ähnliches (sicherheits-)technisches Anforderungsprofil aufweisen. Sämtliche in § 1 Abs. 2 Satz 2 AEG aufgeführten Bahnen würden nicht auf einer dem öffentlichen Güterverkehr gewidmeten Güterumgehungstrasse verkehren, sodass sie für ein alternatives Planungsverfahren ausscheiden . 10 BMVI (Hrsg.), Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen 2015, S. 45, zuletzt abgerufen am 06.05.2016: https://www.verkehrsforum.de/fileadmin/dvf/pdf_downloads/Sonstige_Dateien/2015-11-23_Nationales _Hafenkonzept_BMVI.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 074/16 Seite 8 5. Fazit Für eine raumbedeutsame Güterumfahrungstrasse ist regelmäßig ein raumordnungsrechtliches Verfahren erforderlich. Dies gilt auch für die Güterumfahrung in Oldenburg entlang der Bundesautobahn A 29. Bestehende raumordnungsrechtliche Pläne wären auch bei einem alternativen Planungsverfahren zur Realisierung der Güterumfahrung Oldenburg zu berücksichtigen, gegebenenfalls zu ändern und auf diese Trassenführung abzustimmen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ein alternatives Planungsverfahren ein Planfeststellungsverfahren für diese Trassenführung entlang der Bundesautobahn A 29 verkürzen würde. Ende der Bearbeitung