WD 7 - 3000 - 073/20 (17. Juni 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Nach deutschen Recht gibt es strafprozessuale Bestimmungen, die nicht generell, aber unter bestimmten Voraussetzungen zwingend die audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen vorgeben . Nach § 136 Abs. 4 S. 1 StPO kann die Vernehmung eines Beschuldigten durch den Ermittlungsrichter in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können (§ 136 Abs. 4 S. 2 StPO). Durch den Verweis in § 163a Abs. 3 S. 2 StPO gelten diese Regelungen auch bei einer Vernehmung durch den Staatsanwalt oder die Polizei. Die verpflichtende Bild- und Tonaufzeichnung im Falle des Verdachts eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes oder wenn Umstände vorliegen, welche eine besondere Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten begründen, wurde erst Anfang 2020 durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens (vgl. BT-Drs. 18/11277) in die Strafprozessordnung eingeführt. Nach der Begründung soll diese Erweiterung in erster Linie der Verbesserung der Wahrheitsfindung dienen. Demnach sei davon auszugehen, dass eine Videoaufzeichnung den Verlauf einer Vernehmung authentisch wiedergebe und dem herkömmlichen schriftlichen Inhaltsprotokoll überlegen sei (vgl. BT-Drs. S. 24). Die in kommunikativen Prozessen naturgemäß auftretenden Wahrnehmungsmängel könnten auf einer Videoaufnahme leichter aufgespürt und nachvollzogen werden als in einem schriftlichen Protokoll, dessen Inhalt durch die Wahrnehmung des mitschreibenden Vernehmungsbeamten gefiltert und damit grundsätzlich fehleranfällig sei. Daneben diene die Dokumentation dem Schutz des Beschuldigten vor unsachgemäßen und – im Sinne des § 136a StPO – rechtswidrigen Vernehmungsmethoden sowie dem Schutz der Vernehmungspersonen vor etwaigen falschen Anschuldigungen (vgl. BT-Drs. S. 24). Das Erreichen des gesetzgeberischen Ziels soll nach der Gesetzesbegründung fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 1. Januar 2025, überprüft werden, um dann über eine Erweiterung der Aufzeichnungspflicht auf andere schwere Straftaten nachdenken zu können (vgl. BT-Drs. S. 24). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen im Strafverfahren Kurzinformation Die audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen im Strafverfahren Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Nach § 58a Abs. 1 S. 1 StPO kann zudem auch die Vernehmung eines Zeugen in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Gemäß § 58a Abs. 1 S. 2 StPO soll die Vernehmung nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen unter 18 Jahren sowie von Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch eine der in § 255a Abs. 2 StPO genannten Straftaten – also insbesondere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben – verletzt worden sind, besser gewahrt werden können oder zu besorgen ist, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Nach § 58a Abs. 1 S. 3 StPO muss eine Vernehmung nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände zudem aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen, die durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j StGB) verletzt worden sind, besser gewahrt werden können und der Zeuge der Bild-Ton-Aufzeichnung vor der Vernehmung zugestimmt hat. Quellen: – StPO: Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. April 2020 (BGBl. I S. 840) geändert worden ist, abrufbar unter (Stand: 17. Juni 2020): https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/. – BT-Drs. 18/11277, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 22. Februar 2017, abrufbar unter (Stand: 17. Juni 2020): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/112/1811277.pdf. – StGB: Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. März 2020 (BGBl. I S. 431) geändert worden ist, abrufbar unter (Stand: 17. Juni 2020): http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. ***