© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 073/15 Strafbarkeit bei der Eizellen- und Embryonenspende Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 2 Strafbarkeit bei der Eizellen- und Embryonenspende Verfasserinnen: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 073/15 Abschluss der Arbeit: 21. Mai 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Erste Überschrift 4 2. Einleitung 4 3. Ergänzung des § 5 StGB 5 3.1. Strafbarkeit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB 6 3.2. Strafbarkeit nach Maßgabe des § 5 StGB 7 3.3. Das aktive Personalitätsprinzip 8 3.4. Völkerrechtskonforme Auslegung des § 5 StGB 9 3.5. Unionsrechtskonforme Auslegung des § 5 StGB 11 4. Aufhebung der Straffreiheit 12 4.1. Rechtsgüterschutz 12 4.2. Persönlicher Strafaufhebungsgrund und Konsequenz einer Strafbewährung 14 5. Zusammenfassung 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 4 1. Erste Überschrift 2. Einleitung Gegenstand der Bearbeitung ist die Frage nach der Strafbarkeit bei der Eizellen- und Embryonenspende , insbesondere bei im Ausland begangenen Verstößen gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG).1 Dazu werden im Einzelnen folgende Anfragen beantwortet: 1. Besteht die verfassungsrechtliche Möglichkeit die Regelung des § 5 Strafgesetzbuch (StGB)2 über Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug um eine Nummer 16 zu ergänzen, die die im Ausland begangenen Verstöße gegen das ESchG strafrechtlich erfassen würde? 2. Besteht darüber hinaus die Möglichkeit die Straffreiheit der sog. „Bestellereltern “ in den Fällen von Eizellen- oder Embryonenspende und Leihmutterschaft aufzuheben? Die erste Fragestellung zielt auf mögliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Ergänzung des § 5 StGB ab. Allerdings soll bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass eine Ergänzung weniger ein verfassungsrechtliches, als vielmehr ein unionsrechtliches und auch völkerrechtliches Problem darstellt. Denn § 5 StGB erweitert die deutsche Strafgewalt auf Auslandstaten unabhängig von der Tatortstrafbarkeit3 und berührt damit zugleich die Souveränität des Staates , in dem die Tat begangen wird. Zweck der Norm ist es, eine Bestrafung auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen die Tat nach dem Recht des Tatortstaates nicht mit Strafe bedroht ist oder eine Verfolgung aus anderen Gründen nicht gewährleistet ist.4 Daher gilt es die Vereinbarkeit des § 5 StGB und dessen Ergänzung um die in Rede stehende Nummer 16 mit dem geltenden Unionsrecht und Völkerrecht zu überprüfen. Die zweite Frage knüpft an die aktuelle Rechtslage nach dem ESchG an, nach der die „Bestellereltern “ im Falle einer Eizellen- oder Embryonenspende und Leihmutterschaft straffrei bleiben. Gemäß § 1 ESchG wird die missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken unter Strafe gestellt. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt oder es gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten , als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Darüber hinaus macht sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG strafbar, wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Zudem ist gemäß 1 Embryonenschutzgesetz vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/eschg/ (Stand 22. April 2015). 2 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/stgb/ (Stand 22. April 2015). 3 Vgl. dazu Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2011, § 5 Rn. 1. 4 Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 5 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 5 § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG die Person strafbar, die es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. Jedoch sind gemäß § 1 Abs. 3 ESchG nicht die Spenderin sowie die Empfängerin der Eizellen- und Embryonenspende (Nr. 1) und ebenfalls nicht die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will (Nr. 2), strafbar. Damit enthält § 1 Abs. 3 ESchG einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Die Frage nach der Aufhebung der Straffreiheit ist nicht nur im Lichte des Schutzzweckes des ESchG, sondern auch im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte von Mutter und Kind und die tatsächlichen Folgen für das Kindeswohl zu beantworten. 3. Ergänzung des § 5 StGB Im Folgenden geht es um die Frage, ob § 5 StGB um eine Nummer 16 ergänzt werden kann, so dass auch die im Ausland begangenen Verstöße gegen das ESchG strafbar sind. Zunächst aber sollen die gegenwärtige Entwicklung und die Rechtslage, insbesondere die Strafbarkeit deutscher Ärzte, aufgezeigt werden, die deutsche Patientinnen an ausländische Kollegen empfehlen oder sogar erst deren Entschluss zur Eizellenspende im Ausland hervorrufen. Viele deutsche Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch wählen die Reise in das europäische Ausland, um eine Eizellenspende zu empfangen. Nach einer aktuellen internationalen Studie wird davon ausgegangen, dass in Deutschland bis zu 10 % aller Paare im fortpflanzungsfähigen Alter unfruchtbar sind. Dies sind aktuellen Schätzungen zufolge in Deutschland zwischen 1 und 2,5 Mio. Paare,5 das heißt, dass jede siebte Partnerschaft ungewollt kinderlos bleibt.6 Etwa 160.000 Paaren ist der Zugang zu Programmen der Eizellenspende im eigenen Land verwehrt, so dass viele für eine reproduktionsmedizinische Behandlung ins Ausland reisen.7 Eine Studie aus dem Jahre 2010 hat gezeigt, dass nahezu 5 % aller Fruchtbarkeitsbehandlungen in Europa eine Reise ins Ausland beinhalten.8 Ein Hauptgrund ist die restriktive Gesetzgebung im eigenen Land, von der auch deutsche Patientinnen betroffen sind, die sich eine befruchtete Eizelle einer anderen Frau einpflanzen lassen wollen. Weitere Vorteile sind der einfachere Zugang zu reproduktionsmedizinischen Programmen und Versorgungsleistungen, die geringeren Kosten, der Schutz 5 Thorn, Expertise Reproduktives Reisen, 2008, S. 4, m.w.N. abrufbar unter: http://www.profamilia.de/fileadmin /publikationen/Fachpublikationen/expertise_reproduktives_reisen.pdf (Stand 27. April 2015). 6 Grziwotz, Kinderwunscherfüllung durch Fortpflanzungsmedizin und Adoption, Neue Zeitschrift für Familienrecht (NZFam) 2014, S. 1065. 7 Magnus, Kinderwunschbehandlung im Ausland: Strafbarkeit beteiligter deutscher Ärzte nach internationalem Strafrecht (§ 9 StGB), in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2015, S. 57 m.w.N. 8 Amato/Brzyski/Benward et al cross-border reproductive care: a committee opinion, Fertility and Sterility, VOL. 100 NO. 3 / SEPTEMBER 2013, 645, abrufbar unter: http://www.asrm.org/uploadedFiles/ASRM_Content /News_and_Publications/Ethics_Committee_Reports_and_Statements/Cross-border%20reproductive %20care2013.pdf (Stand 27. April 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 6 der Privatsphäre sowie der erhöhte Einsatz von befruchteten Eizellen.9 Frauen, die im Ausland eine Eizellenspende in Anspruch nehmen, werden nicht selten zuvor von einem deutschen Arzt untersucht und mit entsprechenden Hormonen behandelt. Auch kommt es vor, dass der Arzt der Patientin ausländische Fachärzte für Reproduktionsmedizin im Ausland empfiehlt.10 In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Eizellenspende in mehreren europäischen Ländern wie Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Polen und Tschechien erlaubt ist.11 Eine Reise in das (europäische) Ausland ist längst zu einer Alternative für deutsche Frauen geworden, die sich mit Hilfe der Reproduktionsmedizin ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Der in der Fachliteratur verwendete Begriff „Cross-Border Reproductive Care“12 (CBRC – grenzüberschreitende reproduktionsmedizinische Versorgung), aber auch Begriffe wie „reproduktives Reisen“13 und „Reproduktionstourismus “14 beschreiben zutreffend die gegenwärtige Entwicklung der Reproduktionsmedizin . So gibt es etwa zahleiche Reproduktionszentren in der Ukraine und in Russland, die ihre Dienstleistungen vor allem europäischen „Wunscheltern“ anbieten. Auch lassen sich im Internet Pauschalangebote für einen „Kinderwunsch-Urlaub“ in Spanien finden, inklusive Strandaufenthalt und Einzeltransfer zu der Fertilitätsklinik.15 3.1. Strafbarkeit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB Bislang kann sich der im Inland praktizierende Arzt ausschließlich nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB als Teilnehmer an Verstößen gegen das ESchG im Ausland strafbar machen. Nach dem Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät verlangen sowohl Anstiftung als auch Beihilfe gemäß § 26 StGB und § 27 StGB das Vorliegen einer „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat“ (sog. Haupttat).16 Grundsätzlich ist damit die Teilnahme abhängig von der strafbaren Haupttat. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht auch dann, wenn der Teilnehmer bei einer Auslandstat im Inland gehandelt hat und die Tat nach dem Recht des Tatortes nicht mit Strafe bedroht ist. Sinn und Zweck der Norm ist es, deutsches Strafrecht bei 9 Amato/Brzyski/Benward et al cross-border reproductive care: a committee opinion, Fertility and Sterility, VOL. 100 NO. 3 / SEPTEMBER 2013, 645, 647, abrufbar unter: http://www.asrm.org/uploadedFiles/ASRM_Content /News_and_Publications/Ethics_Committee_Reports_and_Statements/Cross-border%20reproductive %20care2013.pdf (Stand 27. April 2015). 10 Magnus, NStZ 2015, S. 57 m.w.N. 11 Vgl. Magnus, NStZ 2015, S. 57. 12 Amato/Brzyski/Benward et al cross-border reproductive care: a committee opinion, Fertility and Sterility, VOL. 100 NO. 3 / SEPTEMBER 2013, 645, abrufbar unter: http://www.asrm.org/uploadedFiles/ASRM_Content /News_and_Publications/Ethics_Committee_Reports_and_Statements/Cross-border%20reproductive %20care2013.pdf (Stand 27. April 2015). 13 Thorn, Expertise Reproduktives Reisen, 2008, S. 4, m.w.N. abrufbar unter: http://www.profamilia.de/fileadmin /publikationen/Fachpublikationen/expertise_reproduktives_reisen.pdf (Stand 27. April 2015). 14 Bernard, Kindermachen – Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie – Samenspender, Leihmütter, künstliche Befruchtung, 2014, S. 354. 15 Bernard, S. 288. 16 Kudlich, in: Beck'scher Online-Kommentar StGB, 26. Auflage 2015, § 26 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 7 der Tathandlung im Ausland anzuwenden, wenn es im Inland zur Schädigung oder konkreten Gefährdung von Rechtsgütern kommt, die die jeweilige Strafvorschrift vermeiden will.17 Die Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB führt dazu, dass die für die Teilnahme notwendige Haupttat als rechtswidrig fingiert wird. Das führt zu einer nicht unerheblichen Ausdehnung der deutschen Strafgewalt.18 In der Konsequenz können sich deutsche Ärzte, die erst den Entschluss zur Eizellen - und Embryonenspende bei ihren Patientinnen hervorrufen oder diese gezielt im Vorfeld der im Ausland straflosen Eizellenspende behandeln, als Teilnehmer strafbar machen. Jedoch kann § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht unbesehen angewendet werden. So fragt Magnus kritisch, ob eine Fiktion der Haupttat (Eizellenspende) als rechtswidrige Tat möglicherweise eine verbotene analoge Anwendung zu Lasten des Teilnehmers bedeute.19 Der Widerspruch zum Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG lasse sich nur dadurch vermeiden, dass die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat (§§ 26, 27 StGB) allein auf die Verwirklichung eines deutschen Strafgesetzes bezogen werde. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass gemäß § 153c Abs. 2 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO)20 die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Straftaten absehen kann, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen wurden oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat. Damit kommt eine Lockerung des Verfolgungszwanges in Betracht.21 3.2. Strafbarkeit nach Maßgabe des § 5 StGB Eine Strafbarkeit als Täter kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der deutsche Arzt im Ausland ein Verfahren der Eizellenspende durchführt und dies im Ausland nicht unter Strafe gestellt ist. Denn gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB gilt das deutsche Strafrecht nur für Taten, die im Ausland begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist. Dieses Problem ließe sich mit einer Ergänzung des § 5 StGB um eine Nummer 16 umgehen, mit der Maßgabe, dass das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatortes für Verstöße gegen § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und 7 ESchG anwendbar wird. Gemäß § 5 StGB gilt das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatortes für bestimmte in § 5 StGB aufgeführte Straftaten. Grundsätzlich beschränkt sich der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf Inlandstaten (Territorialprinzip 22). Dieser Grundsatz erfährt aber durch § 5 StGB eine Relativierung, um eine strafrechtliche Verfolgung auch in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen nach dem Recht des Tatortstaates das Verhalten nicht strafbar ist oder eine Verfolgung der Tat aus anderen Gründen 17 Lackner, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Auflage 2014, § 9 Rn. 1. 18 Magnus, NStZ 2015, S. 57, 62. 19 Magnus, NStZ 2015, S. 57, 62. 20 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 3 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/ (Stand 28. April 2015). 21 Lackner, in: Lackner/Kühl, § 9 Rn. 7. 22 Gercke, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015, § 3 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 8 nicht gewährleistet ist.23 Grundlage für die Anwendbarkeit des § 5 StGB ist das sog. Schutzprinzip .24 Die Norm schützt neben den inländischen staatlichen Interessen (insbesondere § 5 Nr. 1 bis Nr. 6, Nr. 10, Nr. 11, Nr. 14) und den öffentlichen Interessen (§ 5 Nr. 12, Nr. 13, Nr. 14) auch Individualrechtsgüter (§ 5 Nr. 6a, Nr. 7 bis Nr. 9, Nr. 15). Die Norm ist damit Ausdruck des Staatsschutzprinzips bzw. Realprinzips25 sowie des Personalitätsprinzips.26 Das Staatsschutzprinzip erfasst Taten zum Nachteil deutscher staatlicher Einrichtungen, Verfahren und anderer wichtiger Gemeingüter.27 Beim Personalitätsprinzip wird unterschieden zwischen dem aktiven28 und passiven Personalitätsprinzip29, so dass Anknüpfungspunkt für eine strafrechtliche Verfolgung die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters bzw. Teilnehmers oder die des Opfers sein kann. Das passive Personalitätsprinzip wird damit begründet, dass der Heimatstaat des Opfers in der Regel ein größeres Strafverfolgungsinteresse als der Tatortstaat habe. Demgegenüber liegt dem aktiven Personalitätsprinzip der Gedanke der Pflichtverletzung des Staatsangehörigen gegenüber den Normen seines Staates und seiner Auflehnung gegen die geltende Rechtsordnung zugrunde.30 3.3. Das aktive Personalitätsprinzip § 5 StGB kombiniert das Personalitätsprinzip zum Teil mit dem Staatsschutzprinzip. Allerdings beruhen die Fälle des § 5 Nr. 9 (Abbruch der Schwangerschaft), Nr. 15 (Organ- und Gewebehandel ), Nr. 8 StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) und Nr. 14 a Alt. 1 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern) ausschließlich auf dem Personalitätsprinzip. Hier ist alleiniger Anknüpfungspunkt die „natürliche Nähebeziehung“ 31 zwischen Staat und dessen Staatsangehörigen. Der Staat dehnt damit seinen Strafanspruch auf Auslandstaten aufgrund der Staatsangehörigkeit des Täters aus. Gleiches würde für die ergänzte Nummer 16 gelten, denn Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit von Verstößen gegen das ESchG im Ausland wäre die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters. Möglich wäre sodann eine strafrechtliche Verfolgung des deutschen Arztes, der im Ausland (zeitweise) als Reproduktionsmediziner praktiziert. Allerdings besteht nur an den enumerativ in § 5 StGB aufgezählten Straftaten ein besonderes Verfolgungsinteresse für ihre Begehung im Ausland. Die hervorgehobene Stellung der Katalogtaten be- 23 Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 5 Rn. 1. 24 Eser, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 5 Rn. 1. 25 Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 5 Rn. 1. 26 Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 5 Rn. 1. 27 Walter, Einführung in das internationale Strafrecht, in Juristische Schulung (JuS) 2006, S. 967. 28 Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, § 5 Rn. 26. 29 Eser, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 5 Rn. 1. 30 Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform – Der Rechtsgrund bei Straftaten im Ausland nach den §§ 5 und 6 StGB, in: Schriften zum Strafrecht, Band 27, 1977, S. 77. 31 Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 5 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 9 steht auch schon deshalb, da nur diese und nicht auch andere konkurrierende Taten erfasst werden .32 Daher stellt sich die Frage nach einer Vergleichbarkeit einer neueinzufügenden Nr. 16 mit den bisher bestehenden Katalogtaten. Zweifelhaft aber ist, ob ein derartiges besonderes Verfolgungsinteresse auch an Verstößen gegen § 1 ESchG besteht. Für die notwendige vergleichende Betrachtung kommen aufgrund der vorangestellten Ausführungen allein die Straftatbestände in Betracht, die auf dem Personalitätsprinzip als Anknüpfungspunkt beruhen. Etwa gilt gemäß § 5 Nr. 9 StGB das deutsche Strafrecht im Ausland unabhängig vom Recht des Begehungsstaates für den Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 StGB, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich des StGB hat. Hintergrund der Norm ist es, dem „Abtreibungstourismus“ und dem „Reichenprivileg“ entgegenzuwirken.33 Bereits aus dem Wortlaut des § 5 Nr. 9 StGB geht hervor, dass die Norm auf dem aktiven Personalitätsprinzip beruht. Weiterer Anknüpfungspunkt ist das passive Personalitätsprinzip (Schutz des ungeborenen Lebens). Diese teleologische Reduktion über eine Rückbindung an das passive Personalitätsprinzip ist eher geeignet, um völkerrechtliche Bedenken gegen § 5 StGB auszuräumen, als ergänzend an das Staatsschutzprinzip (Erhaltung der deutschen Bevölkerung) anzuknüpfen.34 Eine Einschränkung erfolgt zudem dadurch, dass der Täter seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes haben muss (Domizilprinzip).35 3.4. Völkerrechtskonforme Auslegung des § 5 StGB Eine Ergänzung des § 5 StGB um Nr. 16 könnte aber deshalb mit dem geltenden Völkerrecht unvereinbar sein, weil allein an die Staatsangehörigkeit des Täters angeknüpft würde. Das passive Personalitätsprinzip verfängt von vornherein nicht als Anknüpfungspunkt, da werdendes Leben zum Wohle des Kindes nach dem Gesetzgeber durch die Verbote in § 1 ESchG gerade verhindert werden soll. Auch die Spenderin sowie die Leihmutter und erst recht nicht die „Bestellermutter“ werden davor geschützt, Opfer einer Straftat im Sinne des § 1 ESchG zu werden. Das Schutzprinzip greift ebenfalls nicht, da ausweislich der Gesetzesbegründung zum ESchG Individualschutzinteressen , namentlich das Kindeswohl durch Verhinderung einer „gespaltenen Mutterschaft“, geschützt werden. Der Staat erweitert im Rahmen seines freien Gestaltungsermessens die Strafgewalt auf eigene Staatsangehörige im Ausland, muss aber zugleich die durch das Völkerrecht gesetzten Grenzen beachten. Nach Schmitz bestehe die völkerrechtliche Relevanz darin, dass ein fremder Staat sich auf Tathandlungen in einem fremden Hoheitsgebiet Strafgewalt anmaße, möge 32 Lackner, in: Lackner/Kühl, § 9 Rn. 4. 33 Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 60. Auflage 2013, § 5 Rn. 9; Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform – Der Rechtsgrund bei Straftaten im Ausland nach den §§ 5 und 6 StGB, in: Schriften zum Strafrecht, Band 27, 1977, S. 137. 34 Böse, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 5 Rn. 25; a.A. Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform – Der Rechtsgrund bei Straftaten im Ausland nach den §§ 5 und 6 StGB, in: Schriften zum Strafrecht, Band 27, 1977, S. 137. 35 Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im Internationalen Strafrecht – Zugleich ein kritischer Beitrag zur Legitimation der Ausdehnung der Strafgewalt auf Auslandstaten Deutscher, in: Europäische Hochschulschriften, Juni 2002, S. 200. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 10 er auch die Strafgewalt selbst nicht unmittelbar auf jenem fremden Hoheitsgebiet ausüben.36 Denn die unmittelbare Ausübung von Exekutivgewalt (etwa bei einer Festnahme auf dem Gebiet des fremden Staates) ist ein klarer Verstoß gegen das Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen (Interventionsverbot).37 Die völkerrechtliche Brisanz liegt vielmehr darin, dass der Heimatstaat seine abweichenden Wertvorstellungen gegenüber dem Begehungsstaat durchsetzen will. Im vorliegenden Fall geht es um die Durchsetzung des Verbots der Eizellen- und Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft, welche in anderen Staaten sehr wohl vom Gesetzgeber toleriert oder ausdrücklich erlaubt sind. So wird allgemein ein „sensibler Umgang“ mit § 5 StGB zur Vermeidung eines Konflikts mit dem Souveränitätsprinzip gefordert.38 Zu berücksichtigen ist dabei, dass dort, wo die Strafgewalt des deutschen Staates aufgrund völkerrechtlicher Anknüpfungspunkte gilt, diesen Anknüpfungspunkten unterschiedliche Legitimationswirkung zukommt.39 Ambos vertritt daher die Auffassung, § 5 StGB sei nur dann mit Völkerrecht vereinbar, wenn die Strafgewalt auf dem Realprinzip bzw. Schutzprinzip (Schutz staatlicher Kerninteressen), einer Kombination des Schutzprinzips und dem Personalitätsprinzip oder direkt auf völkerrechtlichen Abkommen beruhe.40 Auch nach Schmitz kann die reine Anknüpfung an das Personalitätsprinzip nicht überzeugen, sondern es müsse gleichzeitig auf das Schutzprinzip abgestellt werden. Zur Begründung wird angeführt, dass die Geltung der eigenen Rechtsordnung für die im Ausland lebenden Staatsangehörigen sehr zweifelhaft sei, da diese Personen vielmehr der im Ausland geltenden fremden Rechtsordnung unterstehen. Zum anderen werde die reine Anknüpfung an das Personalitätsprinzip den internationalen Interessen nicht gerecht. Nach Schmitz geht es heute bei den internationalen Interessen um die Orientierung an bestimmten Rechtsgütern und um die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes. Dem könne aber nur hinreichend Rechnung getragen werden, wenn an den Schutzgedanken angeknüpft werde und nicht allein auf das aktive Personalitätsprinzip abgestellt werde.41 Auch nach Walter bestehen völkerrechtliche Bedenken, soweit § 5 StGB ausschließlich dem Individualschutz diene. Es sei zudem anerkannt, dass die Nationalität des Opfers nur dann zum ausschließlichen Anknüpfungspunkt gemacht werden dürfe, wenn dies unter dem Vorbehalt einer Strafbarkeit auch in dem Tatortstaat stehe.42 Gleiches würde für die zu ergänzende Nummer 16 gelten. Im Folgenden ist daher die Frage zu beantworten, ob das Völkerrecht die ausschließliche Anknüpfung an das aktive Personalitätsprinzip zulässt. Nach Schmitz lassen sich aber aus den ver- 36 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 231. 37 Bereits v. Ständigen Internationalen Gerichtshof anerkannt (StIGHE 5, 71, 90 – „Lotus“). 38 Gercke, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015, § 5 Rn. 1. 39 Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 5 Rn. 10. 40 Ambos, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 5 Rn. 11. 41 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 122. 42 Walter, Einführung in das internationale Strafrecht, in Juristische Schulung (JuS) 2006, S. 967. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 11 traglichen oder vertragsähnlichen Rechtsquellen des Völkerrechts keine allgemeinen völkerrechtlichen Regeln ableiten, die die Anknüpfung an das aktive Personalitätsprinzip begrenzen.43 Auch aus dem Völkergewohnheitsrecht, welches auf der tatsächlichen Übung der Mehrheit aller Staaten und der gemeinsamen Rechtsüberzeugung beruht, ergebe sich nichts anderes, da es bereits an einer allgemeinen Übung fehle.44 Schmitz aber weist auf das in der Völkerrechtsordnung gleichermaßen geltende Rücksichtnahmegebot hin und betont, dass die auf der Souveränität des Staates beruhende Gestaltungsfreiheit sich an dem völkerrechtlichen Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme orientiere. Auch wenn das Völkerrecht anders als das nationale Recht als sog. „soft law“ nur wenig Durchsetzungskraft besitze, so seien die Staaten dennoch gehalten völkerrechtliche Normen einzuhalten. So betont Schmitz, der Staat, welcher das aktive Personalitätsprinzip anwende, sei aufgrund des völkerrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet , den Begehungsstaat „in den Blick zu nehmen.“45 So ist einerseits das berechtigte Interesse des Heimatstaates des Täters zu berücksichtigen, der seine Strafgewalt ausdehnt, um der Erschütterung des eigenen Rechtsbewusstseins mit Strafe entgegenzuwirken und auch um die staatliche Ordnung auf dem Territorium des Tatortstaates wiederherzustellen.46 Gleichermaßen muss aber bedacht werden, dass der Tatortstaat gerade keine Bestrafung im Falle der Eizellen- und Embryonenspende sowie Leihmutterschaft vorsieht. Das bloße Fehlen eines Bewertungsanspruches auf Seiten des Begehungsstaates hieße aber nur, dass der nationale Gesetzgeber sich einer strafrechtlichen Beurteilung dieses Verhaltens enthalten habe. Es könne aber nicht stets daraus geschlossen werden, dass das nicht als strafwürdig erachtete Verhalten gewünscht oder in irgendeiner Weise gebilligt werde. Diese Annahme sei im Gegenzuge nur dann begründet, wenn der Begehungsstaat ein entsprechendes Unterlassen bestrafe.47 Wird nun aber die Eizellenund Embryonenspende sowie Leihmutterschaft in fremden Rechtsordnungen mit Strafe bewährt, so muss auch der deutsche Gesetzgeber diesen Wertungen schon wegen des völkerrechtlichen Rücksichtnahmegebotes hinreichend Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die strafrechtliche Verfolgung eines deutschen Arztes mit dem völkerrechtlichen Rücksichtnahmegebot vereinbart werden kann. 3.5. Unionsrechtskonforme Auslegung des § 5 StGB Darüber hinaus sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen. § 5 StGB ist im Lichte des Unionsrecht, insbesondere der Grundfreiheiten, einschränkend auszulegen. So ist die Bestrafung eines deutschen Arztes, der in Deutschland wohnt, aber in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit und nach dem dortigen Recht eine erlaubte Eizellen- oder Embryonenspende vornimmt mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 43 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 241. 44 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 261. 45 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 262. 46 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 263, m.w.N 47 Schmitz, Europäische Hochschulschriften, S. 264, 265. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 12 und Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)48 unvereinbar. Dieser Fall lässt sich vergleichen mit dem eines deutschen Arztes, der einen in einem anderen Mitgliedstaat zulässigen aber gemäß § 218 StGB pönalisierten Schwangerschaftsabbruch verwirklicht . Eine Bestrafung des deutschen Arztes wäre auch in diesem Falle ein ungerechtfertigter Eingriff in die Niederlassungsfreiheit bzw. (subsidiäre) Dienstleistungsfreiheit des deutschen Arztes. Eine zulässige Inländerdiskriminierung kann hierin schon nicht erkannt werden, da der deutsche Arzt in beiden Fällen im EU-Ausland tätig wird. Insoweit wird § 5 Nr. 9 StGB einschränkend europarechtskonform dahingehend ausgelegt, dass auch das Opfer (das ungeborene Kind) der deutschen Rechtsordnung unterfällt und damit auch die Schwangere deutsche Staatsangehörige sein muss49. In der Konsequenz müsste auch § 5 Nr. 16 StGB in seinem Anwendungsbereich teleologisch reduziert werden, um europarechtskonform zu sein. Dazu kann aber aufgrund der vorangestellten Ausführungen weder auf das Schutzprinzip noch auf das passive Personalitätsprinzip abgestellt werden. Denn im Unterschied zu Nr. 9, der den Anwendungsbereich des § 218 StGB zum Schutze des werdenden Lebens erweitert, würde § 5 Nr. 16 StGB die Strafgewalt auf Verstöße gegen das ESchG erweitern, um gerade die Ermöglichung menschlichen Lebens zu verhindern . 4. Aufhebung der Straffreiheit Im Folgenden wird die Aufhebung der in § 1 Abs. 3 ESchG normierten Straffreiheit für die sog. „Besteller- oder Wunscheltern“ erörtert. In diesem Zusammenhang werden der Schutzzweck des ESchG und die Konsequenzen einer Strafbewährung aufgezeigt. 4.1. Rechtsgüterschutz Der Gesetzgeber setzt mit den im ESchG geregelten Verboten der Reproduktionsmedizin strafrechtliche Grenzen, die zum Schutze der Menschenwürde und des Grundrechts auf Leben als zwingend erforderlich angesehen werden.50 Haskamp weist in diesem Zusammenhang aber daraufhin , dass es im Hinblick auf die Funktionen des Strafrechts schon rein tatsächlich nicht möglich sei, sämtliche Entwicklungen zu beeinflussen und allen Missständen entgegenzuwirken.51 Darüber hinaus führt er an, eine Einschränkung des naturwissenschaftlichen Fortschrittes um seiner selbst willen sei nur schwer mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar.52 Nichtsdestotrotz hat der Gesetzgeber in § 1 ESchG die Eizellen- und Embryonenspende sowie die Leihmutterschaft verboten. Der Gesetzgeber will durch § 1 Abs. 1 und Abs. 2 ESchG eine sog. „gespaltene“ Mutterschaft verhindern, bei der die austragende und die genetische Mutter nicht 48 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der konsolidierten Fassung vom 26. Oktober 2012, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=de (Stand 18. Mai 2015). 49 Ambos, in: Münchener Kommentar, § 5 Rn. 28. 50 Haskamp, Embryonenschutz in vitro – Offene Fragen und Regelungsalternativen im deutschen und internationalen Recht, in: Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, Band 238, 2012, S. 151, 152. 51 Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, S. 155. 52 Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, 2012, S. 155. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 13 identisch sind.53 Die In-vitro-Fertilisation ermöglicht es, menschliches Leben im Labor entstehen zu lassen. Notwendige Folge einer Eizellen- und Embryonenspende und einer Leihmutterschaft ist jedoch, dass die Spenderin der Eizelle und die austragende Frau personenverschieden sind. Das Gesetz kennt jedoch keine Trennung der Mutterschaft. Bis zur Einführung der Legaldefinition durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG) vom 16. Dezember 199754 galt der gewohnheitsrechtliche Satz „mater semper certa est“ („die Mutter ist immer sicher“), wonach aufgrund der Geburt bereits feststeht, wer die Mutter des Kindes ist.55 § 1591 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)56 bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Das Gesetz schließt die Mutterschaft einer anderen Frau also selbst dann aus, wenn das Kind genetisch von ihr abstammt.57 Der Gesetzgeber hat § 1591 BGB mit dem Ziel eingeführt, die infolge der modernen Reproduktionsmedizin entstandene Gesetzeslücke im Interesse des Kindes zu schließen.58 In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass nur die gebärende Frau während der Schwangerschaft sowie während und unmittelbar nach der Geburt eine körperliche und psychosoziale Beziehung zu dem Kind aufbaue.59 Auch zur Begründung des ESchG wird das Kindeswohl an erster Stelle genannt. So werde dem Kind, das durch eine In-vitro-Fertilisation entstanden ist, eine eigene Identitätsfindung, insbesondere in der Phase der Pubertät, wesentlich erschwert .60 Es sehe sich mit dem Umstand konfrontiert, von drei Elternteilen abzustammen, da bei einer Eizellen- bzw. Embryonenspende sowie Leihmutterschaft die genetische und die austragende Mutter gleichermaßen ursächlich für die Geburt des Kindes seien. Die damit verbundenen und zu befürchtenden seelischen und psychischen Belastungen des Kindes bzw. des Jugendlichen , der über die Umstände seiner Zeugung aufgeklärt wird, seien nicht absehbar.61 Deswegen werde bereits im Vorfeld der Schutz des Kindeswohls durch die Verbote in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 53 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs.. 11/5460 S. 6. 54 BGBl. I 1997, S. 2942. 55 Nickel, in jurisPK-BGB, 7. Auflage 2014, § 1591 Rn. 3 m.w.N. 56 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. April 2015 (BGBl. I S. 610), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (Stand: 29. April 2015). 57 BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 463/13 –, juris. 58 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Juni 1996, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG), BT-Drs. 13/4899, 51f., 82. 59 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Juni 1996, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG), BT-Drs. 13/4899, 82. 60 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs. 11/5460 S. 7. 61 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs. 11/5460 S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 14 ESchG gewährleistet und den Wertentscheidungen der Verfassung zugunsten der Menschenwürde und des Lebens Rechnung getragen.62 Darüber hinaus begründet der Gesetzgeber die Verbote gemäß § 1 ESchG mit dem Risiko einer erheblichen seelischen sowie körperlichen Belastung für die Spenderin und Empfängerin. Insbesondere die kinderlos gebliebene Eizellenspenderin könne versuchen, „Anteil an dem Schicksal des von der anderen Frau geborenen Kindes zu nehmen “ und könne dadurch „erheblichen seelischen Konflikten“ ausgesetzt seien.63 Auch für die austragende Mutter kann eine spätere Kontaktaufnahme, die etwa seitens der Spenderin unternommen werde, eine erhebliche seelische Beeinträchtigung bedeuten.64 Ferner hat der Gesetzgeber die Leihmutterschaft zum Schutze der Beziehung zwischen der schwangeren Frau und dem Fötus verboten. So heißt es in dem Entwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes von 1989, dass „diese besonders geartete Beziehung des ungeborenen Lebens mit der Mutter eine Übernahme von Schwangerschaften als eine Art Dienstleistung verbiete, da die für die Entwicklung des Kindes wesentliche enge persönliche Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind unter diesen Umständen kaum zustande kommen könnte.“65 4.2. Persönlicher Strafaufhebungsgrund und Konsequenz einer Strafbewährung Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG sind aber Spenderin und Empfängerin der Eizellen- bzw. Embryonenspende in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 von einer Strafbarkeit ausgenommen. Auch für die Leihmutter und die Frau, die das Kind bei sich aufnehmen will, normiert § 1 Abs. 3 Nr. 2 StGB einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Ein Strafausschließungsgrund findet sich neben § 1 Abs. 3 ESchG auch in § 4 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 ESchG. Der persönliche Strafausschließungsgrund besteht nur für den Beteiligten, der ihn in eigener Person verwirklicht,66 ohne damit den Vorwurf schuldhaft verübten Unrechts auszuschließen.67 Auch dient § 1 Abs. 3 ESchG ausweislich der Gesetzesbegründung dem Kindeswohl.68 Günther stellt in diesem Zusammenhang die Frage, warum sich die Ersatzmutter, die das Kind austrage, ungeachtet des Strafausschließungsgrundes zunächst einmal schuldhaft und strafwürdig handele, gleichermaßen aber nach geltendem Recht gemäß § 218a Abs. 1 StGB kein strafwürdiges Unrecht begehe, wenn sie das Kind abtreiben ließe.69 Denn der Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs gemäß § 218 ist nicht verwirklicht, wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch 62 Vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs. 11/5460 S. 6. 63 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs. 11/5460 S. 7. 64 KG Berlin, Urteil vom 08. November 2013 – 5 U 143/11 –, juris. 65 Gesetzentwurf der Bundesregierung vo, 9. März 1989, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes , BT-Drs. 11/4154, S. 6. 66 Günther, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, Juristischer Kommentar mit medizinisch-naturwissenschaftlichen Einführungen, 2008, S. 142, Vor § 1 Rn. 94. 67 LG Berlin, Urteil vom 25. November 2008 – 15 O 146/08 –, juris. 68 Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, S. 157. 69 Günther, in: Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, S. 142, Vor § 1 Rn. 94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 15 eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. Die Fälle des straffreien Schwangerschaftsabbruchs auf der einen Seite und der strafwürdigen Eizellenund Embryonenspende auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber offensichtlich unterschiedlich bewertet. Losgelöst von den Rechtsfragen sind aber die tatsächlichen Konsequenzen einer Aufhebung des persönlichen Strafausschließungsgrundes maßgebend. Eine Bestrafung hätte nicht nur unmittelbare Folgen für die „Wunschmutter“ als Empfängerin der Eizellenspende, die mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe betraft werden würde. Auch stellt sich das rein praktische Problem , dass die Mutter des Kindes zumindest im Falle einer Freiheitsstrafe nicht für die Versorgung des Kindes da ist. Vorstellbar ist in diesem Zusammenhang nur eine gemeinsame Unterbringung von Mutter und Säugling bzw. Kleinstkind in der Haftanstalt. Auch das heranwachsende aufgeklärte Kind würde damit konfrontiert, dass die Mutter aufgrund der eigenen Entstehung bestraft worden wäre. Das aber ist Mutter und Kind nur schwer zumutbar und widerspricht der gesetzgeberischen Intention, die Interessen des Kindes umfassend zu schützen. Der Gesetzgeber hat das Kindeswohl an erste Stelle gestellt, obgleich es vornehmlich dadurch geschützt werden soll, dass das Kind schon nicht zur Entstehung gelangt. In diesem Zusammenhang kritisiert Haskamp, dass Verbote zum Schutze der Eindeutigkeit der Mutterschaft weder aufgrund ihrer positiven Wirkungen für das Kindeswohl noch durch die vermeintlich geschützten Rechte der betroffenen Frauen überzeugten.70 Er bezweifelt, ob tatsächlich das Kindeswohl geschützt werde. Denn gerade aufgrund der Erzeugungsverbote in § 1 ESchG werde dem noch nicht existenten Embryo die Möglichkeit seiner Existenz doch erst vollständig genommen.71 Auch zeige ein hypothetischer Vergleich , dass die eventuellen späteren Probleme weniger schwer wögen als die Kindeswohlgefährdung und die Interessen der betroffenen Frauen. Schließlich seien es weitgehend Vermutungen von Gefahren, die als Begründung für die Verbote zum Schutze der Eindeutigkeit der Mutterschaft und des Kindeswohles dienten. Jedenfalls aber lässt es der Gesetzgeber im Interesse des Rechtsgüterschutzes genügen, die Reproduktionsmediziner strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Zwar wendet sich das Verbot in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ESchG nicht ausdrücklich nur an die Ärzteschaft, es wirkt sich aber notwendigerweise allein auf diese aus. Denn diese können „die neuen Techniken der Fortpflanzungsmedizin anwenden und die negativen Folgen eines Missbrauchs der Reproduktionsmedizin überblicken“.72 Zugleich treffe die Ärzteschaft eine „primäre Verpflichtung gegenüber dem neu zu schaffenden Leben.“73 Es muss aber auch in den Blick genommen werden, dass das Strafrecht schärfstes Mittel und ultima ratio74 des Gesetzgebers ist. Dieser will aber gerade nicht die „Wunscheltern“ zum Wohle des geborenen Kindes bestrafen, obwohl er ihr Verhalten durchaus als strafwürdig erachtet und missbilligt. 70 Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, S. 181. 71 Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, S. 179. 72 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Oktober 1989, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), BT-Drs. 11/5460, S. 9. 73 Retzlaff, in: Medizinische, ethische und rechtliche Probleme der künstlichen Befruchtung und der Leihmutterschaft – Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion am 16. April 1985 in Bonn, Bundeshaus (Hrsg. Emmerlich, MdB a.D.). 74 Vgl. Haskamp, Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis, S. 156. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 073/15 Seite 16 5. Zusammenfassung Die Ergänzung des § 5 StGB (Auslandstaten mit besonderem Inlandsbezug) um eine Nummer 16, der im Ausland begangene Verstöße gegen das ESchG strafrechtlich würdigen soll, ist nur schwer mit dem geltenden Unionsrecht und Völkerrecht zu vereinbaren. Insbesondere die Niederlassungsfreiheit des deutschen Arztes steht einer Ausdehnung der deutschen Strafgewalt entgegen. Darüber hinaus spricht die dem ESchG zugrunde liegende gesetzgeberische Intention, das Kindeswohl umfassend zu schützen, gegen die Aufhebung der Straffreiheit der sog. „Bestellereltern“ in den Fällen der Eizellen- oder Embryonenspende und Leihmutterschaft. Es muss vielmehr die grundlegende Frage gestellt werden, ob das Strafrecht weiterhin das richtige Mittel zur Regulierung der Reproduktionsmedizin ist. Zwar muss bedacht werden, dass sich bereits ein Markt von wirtschaftlicher Bedeutung etabliert hat, der unweigerlich Risiken und Gefahren birgt. Gleichzeitig ist aber zu bedenken, dass auch eine gesellschaftliche Akzeptanz der modernen Reproduktionsmedizin wächst.75 Das zeigt auch eine rechtsvergleichende Betrachtung im europäischen Raum. So ist in anderen Rechtsordnungen etwa eine Leihmutterschaft rechtlich zulässig. Der deutsche Gesetzgeber vertritt hingegen eine klare Position zu Gunsten des Kindeswohles . Aber auch andere Motive liegen den Verboten des § 1 ESchG zu Grunde. So werden die Gefahren einer Kommerzialisierung von Eizellen- und Embryonenspende und Leihmutterschaft begegnet, wie etwa die Ausbeutung der Eizellenspenderin und Leihmütter. Die Erzeugung von Leben als Dienstleistung lässt das Bedürfnis nach einem „Reproduktionsmedizingesetz “ wachsen, welches Fragen rund um die Eizellen- und Embryonenspende und Leihmutterschaft beantwortet. Im Vordergrund muss dabei stets der Schutzanspruch des Embryos bzw. Kindes stehen. Regelungsbedarf bestehe unter anderem bei der Anerkennung der Elternschaft , wenn eine im Ausland erlaubte Leihmutterschaft oder Eizellen- und Embryonenspende erfolgreich stattfindet, das Kind geboren und nunmehr die Anerkennung der Elternschaft der „Wunscheltern“ in Deutschland verlangt werde.76Auch hier müsse das betroffene Kindeswohl maßgebend sein. Dieses könne dadurch gewahrt werden, dass die „Wunscheltern“ auf eine Adoption des Kindes verwiesen werden. 75 Engel, Internationale Leihmutterschaft und Kindeswohl, in: Zeitschrift für europäisches Privatrecht (ZEuP) 2014, S. 539 m.w.N. 76 Benicke, Kollisionsrechtliche Fragen der Leihmutterschaft, in: Das Standesamt, Zeitschrift für Standeswesen, Familienrecht, Staatsangehörigenrecht, Personenstandsrecht, internationales Privatrecht des In- und Auslands (StAZ), 66. Jahrgang Nr. 4 2013, S. 113.