© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 072/17 Die Erhöhung von Nutzungsentgelten für Garagengrundstücke nach der Nutzungsentgeltverordnung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Die durch die Wiedervereinigung veränderten Rahmenbedingungen machten auch eine Anpassung der Nutzungsentgelte erforderlich.1 Die Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV)2 ermöglicht daher eine Anhebung der Nutzungsentgelte auf das ortsübliche Entgelt für vergleichbar genutzte Grundstücke. Vor diesem Hintergrund wurde um Erläuterung gebeten, ob das Nutzungsentgelt für ein Garagengrundstück sofort auf das ortsübliche Entgelt erhöht werden darf, oder ob die Erhöhung gemäß § 3 Abs. 1 NutzEV nur schrittweise erfolgen darf. Zudem wurde um Auskunft gebeten, ob eine Erhöhung um 150 Prozent bezogen auf den Einzelstellplatz beziehungsweise um 144 Prozent bezogen auf die Gesamtfläche rechtlich zulässig sei. Ferner wurde gefragt, ob eine in der Vergangenheit nicht erfolgte Entgelterhöhung die Erlangung eines nicht unerheblichen geldwerten Vorteils darstellt. 2. Entgelterhöhung bei Garagenflächen Mit dem Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz - SchuldRAnpG) sollen nach dem Recht der DDR begründete Vertragsverhältnisse verschiedenster Art, die zum Gebrauch oder zur Nutzung eines Grundstücks berechtigten, in BGB-konforme Rechtsgestaltungen überführt werden.3 Darunter fallen unter anderem Grundstücke, die zum Zwecke der Erholung oder Freizeitgestaltung oder zur Errichtung von Garagen oder anderen persönlichen, jedoch nicht Wohnzwecken dienenden Bauwerken überlassen wurden (vgl. § 1 SchuldRAnpG). Gemäß § 20 SchuldRAnpG kann der Grundstückseigentümer vom Nutzer die Zahlung eines nach Maßgabe der Nutzungsentgeltverordnung angemessenen Entgelts verlangen. 2.1. Erhöhung auf das ortsübliche Entgelt Fraglich ist zunächst, ob das Nutzungsentgelt für ein Garagengrundstück sofort auf das ortsübliche Entgelt erhöht werden darf, oder ob die Erhöhung gemäß § 3 Abs. 1 NutzEV nur schrittweise erfolgen darf. 1 Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin, Nutzungsentgeltverordnung (https://www.berlin.de/gutachterausschuss /service/glossar/artikel.157759.php, abgerufen am 30.05.2017). 2 Art. 232 § 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Vorschriften über eine angemessene Gestaltung der Nutzungsentgelte zu erlassen. 3 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsänderungsgesetz - SchuldRÄndG, BT-Drs 12/7125, S. 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 072/17 Seite 4 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 NutzEV dürfen die Entgelte schrittweise bis zur Höhe der ortsüblichen Entgelte erhöht werden, „soweit sich nicht aus den §§ 4 und 5 etwas anderes ergibt.“ § 3 Abs. 1 S. 2 NutzEV legt bestimmte jährliche Erhöhungsschritte fest. Mit der Begrenzung der Erhöhungsschritte soll laut Begründung der NutzEV den schutzwürdigen Interessen der Nutzer Rechnung getragen und eine sozialverträgliche Anhebung der Nutzungsentgelte ermöglicht werden.4 Für Garagengrundstücke sieht § 5 Abs. 1 NutzEV vor, dass die Nutzungsentgelte bis zur Höhe der ortsüblichen Entgelte erhöht werden dürfen. Eine schrittweise Erhöhung ist, anders als in § 3 Abs. 1 NutzEV, dem Wortlaut nach nicht vorgesehen. Nach ganz überwiegender Auffassung findet § 3 Abs. 1 NutzEV auf Nutzungsentgelte für Garagengrundstücke keine Anwendung.5 Vielmehr ist eine sofortige Anhebung auf die Höhe der ortsüblichen Entgelte möglich. Bereits der Verordnungsgeber hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Garagen die sofortige Anhebung auf das ortsübliche Entgelt vorgesehen ist. Die sozialen Interessen und Belange der Nutzer seien hier nicht in dem Maße betroffen wie bei Erholungsgrundstücken .6 Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Garagengrundstücken eine stufenlose Erhöhung des Entgelts zulässig ist.7 Dem widerspricht auch nicht, dass § 4 NutzEV für die vertragswidrige Nutzung ausdrücklich die Beschränkungen des § 3 Abs. 1 NutzEV ausschließt. Hierbei handelt es sich auch um Grundstücke , die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 NutzEV fallen können; die Interessen des Nutzungsberechtigten gelten jedoch als nicht schutzwürdig, wenn er das Grundstück zu Zwecken nutzt, die mit den Nutzungsbeschränkungen der §§ 312, 313 des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (Nutzung insbesondere zu Freizeit- und Erholungszwecken ) nicht vereinbar sind.8 Eine sofortige Erhöhung des Nutzungsentgelts für Garagengrundstücke auf das ortsübliche Entgelt ist folglich zulässig. 4 Verordnung der Bundesregierung, Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV), 19.05.1993, BR-Drs 344/93, S. 9 ff. 5 Vgl. BGH, Urteil v. 07.10.2009 - XII ZR 175/07, Rn. 9 und 15 f. (juris); Matthiessen, NJ 2002, 98, 99; Rauscher, in: Staudinger/Rauscher, BGB (2016), Art. 232 § 4 EGBGB, Rn. 49; a.A. OLG Jena, Urteil v. 31.05.2001 - 1 U 1413/00, Rn. 53 und 58 ff. (juris) ohne Erläuterung, warum § 3 Abs. 1 NutzEV entgegen der herrschenden Meinung und der Intention des Gesetz- sowie des Verordnungsgebers auf Garagengrundstücke anwendbar sei. 6 Verordnung der Bundesregierung, Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV), 19.05.1993, BR-Drs 344/93, S. 2 und 25. 7 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes, 10.09.2001, S. 7; s.a. Bundesministerin der Justiz, Das Schuldrechtsanpassungsgesetz - Ein Überblick über die wichtigsten Inhalte und praktische Hinweise für Eigentümer und Nutzer, S. 14 (http://rsw.beck.de/rsw/downloads/gesetzgebung /schuldranpg.pdf, abgerufen am 30.05.2017). 8 Oetker, DtZ 1993, 325, 329; Verordnung der Bundesregierung, Verordnung über eine angemessene Gestaltung von Nutzungsentgelten (Nutzungsentgeltverordnung - NutzEV), 19.05.1993, BR-Drs 344/93, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 072/17 Seite 5 2.2. Keine prozentuale Beschränkung der Erhöhung Die Obergrenze für die Erhöhung des Nutzungsentgelts ist dabei allein das ortsübliche Entgelt. Eine prozentuale Beschränkung der Erhöhung in Bezug auf das bislang zu zahlende Entgelt gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können selbst versäumte Erhöhungen des Nutzungsentgelts für ein Erholungsgrundstück gemäß § 3 Abs. 1 NutzEV in voller Höhe und in einem Schritt für die Zukunft nachgeholt werden.9 Das Schutzbedürfnis des Nutzers gebiete diesbezüglich keine Begrenzung. Zwar „sollte die Verteilung der Erhöhung auf einen längeren Zeitraum "einen sprunghaften Anstieg der Nutzungsentgelte verhindern", der viele Nutzer gezwungen hätte, ihre Erholungsgrundstücke aufzugeben (BR-Drucks. 344/93 zu § 3).“10 Die Anpassung in einem Schritt führe aber nach Ansicht des BGH nicht zu höheren und damit zu verfrühten Belastungen des Nutzers, sondern dieser habe im Gegenteil durch die Nichtanpassung jahrelang weniger bezahlt, als der Vermieter hätte verlangen können.11 Die Nutzungsentgeltverordnung gebe keine zeitlichen Mindestabstände vor, in denen einzelne Entgelterhöhungen zu erfolgen haben.12 Diese Überlegungen dürften erst recht für die Nutzung eines Garagengrundstückes gelten, da hier die sozialen Interessen und Belange der Nutzer von vornherein als weniger schutzwürdig erachtet werden und bereits eine schrittweise Erhöhung des Entgelts gesetzlich nicht vorgesehen ist (s. o. unter 2.1). Andere rechtliche Vorschriften, die einer Erhöhung des Entgelts in einem Schritt entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. In Anbetracht der Ausführungen des BGH zu § 3 Abs. 1 NutzEV dürfte eine Erhöhung auf das ortsübliche Niveau insbesondere weder einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen (§ 138 BGB) noch gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 BGB). 2.3. Nicht erfolgte Entgelterhöhungen als „geldwerter Vorteil“ Gefragt wurde ferner, ob eine in der Vergangenheit nicht erfolgte Entgelterhöhung als „Erlangung eines nicht unerheblichen geldwerten Vorteils“ zu betrachten sei. Zunächst ist festzuhalten, dass weder das Schuldrechtsanpassungsgesetz noch die Nutzungsentgeltverordnung eine rückwirkende Erhöhung des Nutzungsentgelts vorsehen.13 Der Grundstückseigentümer kann die Erhöhung des Entgelts vielmehr nur für die Zukunft erklären, und zwar gemäß § 6 Abs. 2 NutzEV mit Wirkung vom Beginn des dritten Monats an, der auf den Zugang der Erhöhungserklärung folgt. Unterbleibt eine zulässige Erhöhung, so profitiert der Nutzer wie oben 9 BGH, Urteil v. 29.10.2008 - XII ZR 208/06, Rn. 36. 10 BGH, Urteil v. 29.10.2008 - XII ZR 208/06, Rn. 40. 11 BGH, Urteil v. 29.10.2008 - XII ZR 208/06, Rn. 40. 12 BGH, Urteil v. 29.10.2008 - XII ZR 208/06, Rn. 38. 13 LG Berlin, Urteil v. 09.01.2003 - 62 S 271/02, Rn. 9 (juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 072/17 Seite 6 unter 2.2 dargelegt insofern, als dass er weniger bezahlt, als der Vermieter nach der Nutzungsentgeltverordnung verlangen könnte. Rechtliche Folgen dieses Vorteils sind für das Verhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Nutzer jedoch grundsätzlich nicht ersichtlich. ***