© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 070/20 Konzernrecht Haftung, Ausgliederung, Insolvenz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 2 Konzernrecht Haftung, Ausgliederung, Insolvenz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 070/20 Abschluss der Arbeit: 18. Juni 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Konzernbegriff 4 3. Binnenhaftung 5 4. Konzernumgestaltung 6 5. Konzerninsolvenzrecht 7 6. Konzernkollisionsrecht 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 4 1. Einleitung Gerät ein Konzern insgesamt oder ein dem Konzern zugehöriges Unternehmen in finanzielle Bedrängnis , kann dies die Frage nach den einschlägigen konzernbezogenen rechtlichen Rahmenbedingungen aufwerfen. Nachfolgend sollen ausgewählte Aspekte zur konzernrechtlichen Binnenhaftung , zur Umstrukturierung von Konzernen sowie zum Konzerninsolvenzrecht summarisch dargestellt werden.1 2. Konzernbegriff Als Konzern wird gemäß § 18 AktG2 jede Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen – Konzernunternehmen – unter einheitlicher Leitung bezeichnet.3 Es werden verschiedene Arten von Konzernen unterschieden.4 Zum einen wird zwischen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzernen differenziert. Im Unterordnungskonzern sind die unter einheitlicher Leitung zusammengefassten Unternehmen zugleich voneinander abhängig im Sinne des § 17 AktG (§ 18 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 AktG). Im Gleichordnungskonzern fehlt eine solche Abhängigkeit (§ 18 Absatz 2 AktG). Weiterhin wird unterschieden zwischen Vertrags- und faktischen Konzernen: Vertragskonzerne werden allein durch einen Beherrschungsvertrag nach § 291 Absatz 1 Satz 1 AktG oder durch Eingliederung im Sinne der §§ 319 und 320 AktG begründet.5 Alle anderen Konzerne sind faktische Konzerne – und zwar nicht nur, wenn sie auf rein faktischen Verhältnissen fußen, sondern auch, wenn sie auf einem beliebigen sonstigen Vertrag beruhen .6 Verbreiteter Anwendungsfall eines faktischen Konzerns ist ein Konzern, der auf der Mehrheitsbeteiligung eines Unternehmens an einem anderen beruht.7 Auch unterscheiden lassen sich schließlich ein- und mehrstufige Konzerne, „je nachdem, ob sich nur Mutter und Tochtergesell- 1 Zu den nicht konzernspezifischen aktienrechtlichen Haftungsaspekten sowie den verfassungsrechtlichen Besonderheiten bei einer Insolvenz von Eisenbahnunternehmen vgl. bereits Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Insolvenz von Eisenbahnunternehmen nach Artikel 87e Absatz 3 GG – Zur privatrechtlichen Haftung der Bundesrepublik Deutschland bei Bestehen eines verfassungsrechtlichen Gewährleistungsauftrages, WD 7 - 3000 - 024/16 vom 22.02.2016 (abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/416958/94a8e5e6132a0bedb6686557aa4cac12/WD-7-024-16-pdf-data.pdf). 2 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2637) geändert worden ist. 3 Bayer, in: Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019 § 18 Rn. 1. 4 Vgl. hierzu und zum Folgenden Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar , 9. Auflage 2019, § 18 AktG Rn. 1 ff. 5 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 9. Auflage 2019, § 18 AktG Rn. 3. 6 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 9. Auflage 2019, § 18 AktG Rn. 3. Hinsichtlich der praktischen Verbreitung wird davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Konzerne faktische Konzerne sind, vgl. Schmollinger, Der Konzern in der Insolvenz, 2013, S. 195. 7 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 9. Auflage 2019, § 18 AktG Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 5 schaften auf einer Stufe gegenüberstehen, oder ob die von dem herrschenden Unternehmen einheitlich geleiteten Unternehmen auf mehreren Stufen hintereinander angeordnet sind (Paradigma : Mutter-, Tochter-, Enkelgesellschaft).“8 Auch öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften, die an einem Unternehmen des Privatrechts maßgeblich beteiligt sind, sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung als Unternehmen im Sinne des aktienrechtlichen Konzernrechts anzusehen und unterliegen insoweit in Bezug auf dieses Unternehmen gegebenenfalls dem Aktienkonzernrecht.9 3. Binnenhaftung In der Regel handelt es sich bei den einem Konzern zugehörigen Unternehmen um Kapitalgesellschaften , namentlich um Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH). Bezüglich der Außenhaftung gilt insofern: „Für die Verbindlichkeiten der jeweiligen Gesellschaft haftet den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 S. 2 AktG). Allein die jeweilige juristische Person ist Träger von Rechten und Pflichten. Es gilt das Trennungsprinzip (Lutter/Hommelhoff GmbHG § 13 Rn. 5 ff.); die Gesellschaft und nicht ihre Gesellschafter sind das Zuordnungssubjekt aller Rechtsbeziehungen mit Dritten. Die rechtliche Trennung wird nicht durch Beteiligungen oder Unternehmensverträge aufgehoben .“10 Etwaige Pflichten von Konzernunternehmen, insbesondere von Konzernmüttern, im Konzern- Binnenverhältnis ein in finanzielle Bedrängnis geratenes Konzernunternehmen finanziell zu unterstützen , können sich vor allem aus den konkreten vertraglichen Vereinbarungen innerhalb des Konzerns ergeben. In Betracht kommen etwa „Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Garantien, Bürgschaft , Liquiditätszusagen oder Patronatserklärungen.“11 Auch bei Fehlen entsprechender Vereinbarungen im faktischen Konzern sind so genannte leitungsspezifische Ausgleichspflichten denkbar : „Leitungsspezifische Tatbestände ergeben sich zunächst aus dem Aktiengesetz, insbesondere den §§ 302 Abs. 1 AktG, 303 AktG, 304 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG, 305 AktG und 322 AktG. Hinsichtlich des Schutzes der Gläubiger hat die Rspr auch für die GmbH auf die Regelungen der §§ 302, 303 AktG zurückgegriffen und sie analog angewandt, wenn GmbHs an Unternehmensverträgen beteiligt waren. Liegt nur eine faktische Beherrschung, also eine Leitung ohne Beherrschungsvertrag vor, findet auf die AG § 311 AktG Anwendung. Danach darf zwar das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft veranlassen, für sie nachteilige Maß- 8 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 9. Auflage 2019, § 18 AktG Rn. 4. 9 BGHZ 69, 334, 338; BGHZ 175, 365; BGHZ 190, 7; Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum AktG, Viertes Buch. Sonder-, Straf- und Schlußvorschriften Erster Teil. Sondervorschriften bei Beteiligung von Gebietskörperschaften Vorbemerkung: Die Beteiligung von Gebietskörperschaften an Aktiengesellschaften mit Kommentierung der §§ 53, 54 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) Rn. 49 ff. 10 Leistikow, in: Heussen/Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auflage 2016, § 44 Rn. 224. 11 Leistikow, in: Heussen/Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auflage 2016, § 44 Rn. 225. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 6 nahmen und Rechtsgeschäfte zu tätigen, das herrschende Unternehmen hat jedoch die hieraus entstehenden Nachteile bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres auszugleichen (§ 311 Abs. 1 AktG). Ist der Ausgleich während des Geschäftsjahres tatsächlich nicht erfolgt, so muss spätestens am Ende des Geschäftsjahres, in dem der abhängigen Gesellschaft der Nachteil zugefügt worden ist, bestimmt werden, wann und durch welche Vorteile der Nachteil ausgeglichen werden soll (§ 311 Abs. 2 AktG). § 317 AktG gibt der abhängigen AG einen Schadensersatzanspruch gegen die herrschende AG, falls dies nicht geschieht.“12 4. Konzernumgestaltung Soll ein Konzernunternehmen aus einem Vertragskonzern ausscheiden, kann dies über eine Beendigung des einschlägigen Unternehmensvertrags erfolgen.13 Das Aktiengesetz kennt drei Beendigungsgründe : Einverständliche Aufhebung (§ 296 AktG), Kündigung (§ 297 AktG) sowie Hinzutritt eines außenstehenden Aktionärs nach Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags mit einer 100%igen Tochtergesellschaft (§ 307 AktG).14 Neben den in diesen – unmittelbar nur auf eine deutsche AG und KGaA anwendbaren15 – Normen geregelten Beendigungsgründen sind auch andere Beendigungsgründe denkbar, etwa der Zeitablauf eines befristeten Unternehmensvertrags , Rücktritt und Anfechtung, Eingliederung einer der Parteien in eine andere oder, in bestimmten Konstellationen, Umwandlung oder Verschmelzung.16 Für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags (§ 296 AktG, § 311 BGB17) ist in der AG grundsätzlich der Vorstand zuständig (§§ 77, 78 AktG). Eine Zustimmung der Hauptversammlung ist nicht erforderlich.18 Rechtsfolge der Beendigung eines Unternehmensvertrags ist in dem Fall, dass die eine Partei von der anderen abhängig ist, dass fortan zum Schutz einer abhängigen AG oder KGaA die Vorschriften zum faktischen Konzern gem. § 311 ff. AktG gelten.19 Bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen tritt außerdem § 303 AktG an die Stelle der Verlustübernahmepflicht: 12 Leistikow, in: Heussen/Hamm, Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Auflage 2016, § 44 Rn. 227 f. 13 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 1. 14 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 1. 15 Bei anderen Gesellschaftsformen muss mangels einer gesetzlichen Regelung von Fall zu Fall eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften geprüft werden, vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 2. 16 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 3. 17 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 541) geändert worden ist. 18 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 9. 19 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10. Auflage 2013, § 19 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 7 „§ 303 Gläubigerschutz (1) Endet ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil den Gläubigern der Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, Sicherheit zu leisten, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung zu diesem Zweck bei ihm melden. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. (2) (…) (3) (…).“ 5. Konzerninsolvenzrecht Ein Insolvenzverfahren wird mit dem Eröffnungsbeschluss des zuständigen Amtsgerichts eröffnet (§ 27 InsO20).21 Durch die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Absatz 1 InsO). Insolvenzmasse ist hierbei das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Absatz 1 InsO). Immobilien, die zum Beginn des Insolvenzverfahrens im Eigentum des Insolvenzschuldners stehen, werden damit nach allgemeinen Grundsätzen Bestandteil der Insolvenzmasse. Verfügt der Insolvenzschuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, so ist diese Verfügung unwirksam (§ 81 Absatz 1 Satz 1 InsO). Leistet ein Dritter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Insolvenzschuldner, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte (§ 82 Satz 1 InsO). Die Insolvenzordnung sieht für den Fall, dass es sich bei dem Insolvenzschuldner um ein einem Konzern zugehöriges Unternehmen handelt, kein von den vorstehenden Grundsätzen abweichendes materielles Insolvenzrecht im Sinne eines „Konzerninsolvenzrechts“ vor: „Die InsO geht … vom Prinzip der Einzelgesellschaft aus. Sie kennt mithin (derzeit) kein besonderes Konzerninsolvenzrecht, sondern nur die Insolvenz der einzelnen Konzerngesellschaft , so dass die Insolvenzverfahren der einzelnen Konzernglieder formal getrennt voneinander ablaufen. Daher wird jede in Insolvenz gefallene Konzerngesellschaft unabhängig vom Bestehen einer Unternehmensverbindung in einem eigenen Insolvenzverfahren abgewickelt. 20 Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 24 Absatz 3 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) geändert worden ist. 21 Hoffmann, in: BeckOK GewO, 43. Edition, Stand: 01.10.2018, § 12 GewO Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 8 Das deutsche Recht ist mithin von den Grundsätzen ‚eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz ‘ und ‚jedes Unternehmen stirbt seinen eigenen Tod‘ beherrscht.“22 Dieser Grundsatz blieb auch mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 13. April 201723 im Kern unberührt, da sich die neu geschaffenen Regelungen darauf „beschränken (…), geeignete Koordinationsinstrumente für Konzerninsolvenzen bereitzustellen, ohne eine weitergehende verfahrensmäßige oder gar materielle Konsolidierung von Konzerninsolvenzen zu etablieren. Das Prinzip der Einzelgesellschaft bleibt daher auch nach den jüngsten gesetzgeberischen Reformen weiterhin als tragendes Prinzip des deutschen Konzerninsolvenzrechts erhalten.“24 Auswirkungen kann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens allerdings auf die vertraglichen Beziehungen von betroffenen Konzernunternehmen haben. In Betracht kommen hier insbesondere auch Unternehmensverträge: „Wird über das Vermögen der an einem Beherrschungsvertrag beteiligten Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist fraglich, wie sich dies auf die wechselseitigen Pflichten, insbesondere die Pflicht der abhängigen Gesellschaft, Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu befolgen, oder sogar den Bestand des Beherrschungsvertrages selbst auswirkt.“25 Im Detail sind die Rechtsfolgen hier äußerst umstritten.26 So wird zum einen die Auffassung vertreten, dass ein Beherrschungsvertrag auch in der Insolvenz fortbestehe – und gegebenenfalls bei Sanierung wieder auflebe27 –, der Insolvenzverwalter allerdings verschiedene Optionen hinsichtlich des Vertrages habe: „Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft führt weder zu einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages noch zu einer Suspendierung seiner Wirkungen. Vielmehr steht dem für die Obergesellschaft bestellten Insolvenzverwalter bzw. bei Anordnung der Eigenverwaltung deren Leitungsorgan entsprechend § 103 InsO ein Wahlrecht zu, ob der Beherrschungsvertrag fortbestehen soll oder nicht. Wird die Erfüllung des Beherrschungsvertrages gewählt, so fällt das Weisungsrecht in die Insolvenzmasse der Obergesellschaft, der nach Verfahrenseröffnung entstehende Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft ist gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO Masseverbindlichkeit. Zudem ist die abhängige Gesellschaft gem. § 297 AktG zur Kündigung berechtigt. Sofern allerdings auch über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet 22 Liebscher, in: Fleischer/Goette (Hrsg.), Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, Anhang zu § 13 Rn. 1282. 23 BGBl. I 2017, 866. 24 Liebscher, in: Fleischer/Goette (Hrsg.), Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2018, Anhang zu § 13 Rn. 1282. 25 Schmollinger, Der Konzern in der Insolvenz, 2013, S. 196. 26 Ausführliche Darstellung des Streitstands bei Schmollinger, Der Konzern in der Insolvenz, 2013, S. 196 ff.; vgl. auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Auflage 2020, § 19 Rn. 72 ff. 27 Specovius, in: Flöther (Hrsg.), Handbuch zum Konzerninsolvenzrecht, 2015, § 3 Rn. 181. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/20 Seite 9 wird, tritt eine Suspendierung der Wirkungen des Beherrschungsvertrages ein. Dies gilt unabhängig davon, ob für die Untergesellschaft ein Insolvenzverwalter bestellt oder die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO angeordnet wird.“28 Zahlreiche Stimmen vertreten demgegenüber die Auffassung, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundene Zweckänderung führe zur automatischen Beendigung von Beherrschungs - und Gewinnabführungsverträgen.29 Lediglich bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung könne die bloße Suspendierung der Verträge die angemessene Lösung sein 30 6. Konzernkollisionsrecht Sind ausländische Gesellschaften Teil eines Konzerns, ist nicht zwangsläufig deutsches Konzernrecht auf das Konzernrechtsverhältnis anzuwenden. Erforderlich ist vielmehr im Einzelfall eine Betrachtung, um welche Art von Konzern es sich handelt und welche Art der Konzernbeziehung tangiert ist, um sodann mittels der Regelungen des Internationalen Privatrechts die für das fragliche Rechtsverhältnis einschlägige Rechtsordnung zu bestimmen31: „Ist eine ausländische Gesellschaft Teil des Unterordnungskonzerns, so regelt nach deutschem Internationalem Privatrecht das Personalstatut der abhängigen Gesellschaft, wie sich das Konzernverhältnis auf ‚die Interessen der abhängigen Gesellschaft selbst, der außenstehenden Gesellschafter und ihrer Gläubiger‘ auswirkt. Das Personalstatut der Obergesellschaft ist hingegen maßgeblich für konzernrechtliche Rechtsinstitute, die dem Schutz der herrschenden Gesellschaft, ihrer außenstehenden Gesellschafter und Gläubiger dienen. Nach deutschem Sachrecht kann eine Auslandsgesellschaft sowohl Obergesellschaft eines Vertragskonzerns als auch eines faktischen Konzerns sein. Sofern allerdings eine ausländische Kapitalgesellschaft als abhängige Gesellschaft mit einer deutschen Gesellschaft als Obergesellschaft einen Beherrschungsvertrag schließen möchte, ist das deutsche Konzernrecht nicht maßgeblich. Im Ergebnis finden daher die nachfolgenden Grundsätze, die sich auf die Leitungsmacht einer Obergesellschaft nach deutschem Gesellschaftsrecht beziehen, bei Maßgeblichkeit des deutschen Internationalen Privatrechts nur Anwendung, wenn nicht nur die Insolvenzverfahren der betreffenden Konzerngesellschaften in Deutschland eröffnet wurden, sondern zumindest auch auf die Untergesellschaft deutsches Gesellschaftsrecht Anwendung findet.“32 * * * 28 Schmollinger, Der Konzern in der Insolvenz, 2013, S. 220. 29 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Auflage 2020, § 19 Rn. 73 f. m.w.N. 30 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Auflage 2020, § 19 Rn. 74 m.w.N. 31 Vgl. hierzu ausführlich Kindler, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Teil 10. Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, 7. Auflage 2018, E. Konzernkollisionsrecht, Rn. 681 ff. 32 Schmollinger, Der Konzern in der Insolvenz, 2013, S. 194.