© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 070/19 Sanktionierung von Vergaberechtsverstößen im Bereich der Verteidigung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 2 Sanktionierung von Vergaberechtsverstößen im Bereich der Verteidigung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 070/19 Abschluss der Arbeit: 6. Mai 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Sanktionierung von Vergaberechtsverstößen 4 2.1. Strafrecht 5 2.1.1. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen 5 2.1.2. Untreue 7 2.1.2.1. Missbrauchstatbestand 7 2.1.2.2. Treuebruchtatbestand 8 2.1.3. Korruptionsstraftaten 8 2.2. Ordnungswidrigkeiten 9 3. Schadensersatzansprüche betroffener Unternehmen bei Vergaberechtsverstößen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 4 1. Einleitung Vergaben im Bereich der Verteidigung und Sicherheit waren in der Vergangenheit auch Gegenstand von Beratungen in Untersuchungsausschüssen.1 Auch der Wissenschaftliche Dienst hat sich in einer Ausarbeitung unter dem Titel „Das Vergabeverfahren bei Rüstungsaufträgen“ dieser Thematik gewidmet.2 Im Einzelnen werden dort die völker- und europarechtlichen Vorgaben für das deutsche Vergaberecht und die verschiedenen Verfahrensarten vorgestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen. Die Thematik ist darüber hinaus Gegenstand verschiedener Monografien3 und Einzelveröffentlichungen4. Bei Vergaben im Bereich der Verteidigung kann sich die Frage stellen, welche Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verwirklicht werden können, wenn öffentliche Aufträge vergaberechtswidrig vergeben werden. In diesem Zusammenhang ist vielfach von Interesse, wie sich ein Schaden berechnet, wenn derartige Aufträge nicht im Wettbewerb von Auftragsnehmern und ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vergeben wurden. Nach seinen Verfahrensgrundsätzen nimmt der Wissenschaftliche Dienst keine Einzelfallprüfungen vor. Die Untersuchung bestimmter Vergabeverfahren für den Bereich der Verteidigung auf ihre straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Relevanz würde eine derartige Prüfung im Einzelfall darstellen. Vor diesem Hintergrund erfolgt deshalb eine Darstellung von Verstößen gegen das allgemeine Vergaberecht, die eine strafrechtliche oder Ahndung als Ordnungswidrigkeit nach sich ziehen können. 2. Sanktionierung von Vergaberechtsverstößen Auch bei der rechtswidrigen Vergabe öffentlicher Aufträge für den Bereich der Verteidigung und Sicherheit können Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten verwirklicht werden. Zunächst werden deshalb besonders relevante Straftatbestände unter Ziffer 2.1 vorgestellt und anschließend verschiedene Tatbestände aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht er unter Ziffer 2.2 erläutert. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus das Korruptionsstrafrecht (Ziffer 2.1.3). Dieses 1 Vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Hilgers, Der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss gemäß Art. 45a Abs. 2 des Grundgesetzes (2015), S. 104 ff. 2 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Ausarbeitung, Das Vergabeverfahren bei Rüstungsaufträgen , WD 7 – 3000 – 083/17, abrufbar unter : https://www.bundestag.de/resource /blob/525216/c62819ac9301ea5d922e85a46fbc9c2c/WD-7-083-17--pdf-data.pdf (Letzter Abruf: 03.05.2019). 3 Vgl. bspw. Weitersheim von (Hrsg.), Vergaben im Bereich Verteidigung und Sicherheit – Gesetzliche Neuregelung und Anwendung (2013); Simonis, Die Ahndung schwerer Vergaberechtsverstöße – Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung von De-Facto-Vergaben (2015). 4 Vgl. hierzu bspw. Behörden Spiegel, Newsletter, Ausgabe 7, Dezember 2012, update Vergabe, Informationsdienst für Entscheider, abrufbar unter: https://www.heuking.de/fileadmin/DATEN/Dokumente/Veroeffentlichungen /2012/Newsletter_Update_Vergabe_Behoerdenspiegel__12_2012_02.pdf (Letzter Abruf: 03.05.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 5 sanktioniert korruptes Verhalten von Amtsträgern (§§ 331 ff. StGB) als auch unter Privaten (§ 299 StGB, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr). 2.1. Strafrecht Bei einem vergaberechtswidrigen Verhalten können unterschiedlichste Strafbarkeitsrisiken auftreten . Zu erwähnen ist zunächst § 298 Strafgesetzbuch (StGB)5, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe stellt (Ziffer 2.1.1). Auch weitere Strafnormen, wie Betrug oder Untreue (Ziffer 2.1.2), können relevant werden. 2.1.1. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen In Betracht kommt zunächst eine Strafbarkeit wegen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 Abs. 1 StGB. Diese Strafrechtsnorm hat folgenden Wortlaut: „(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich. (3) Nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert , dass der Veranstalter das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Veranstalters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.“ Strafrechtlich relevant können auch solche Absprachen sein, die gegen das Kartellrecht verstoßen .6 Darunter fallen insbesondere Absprachen, die gegen das Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)7 und die kartellrechtlichen Normen des Vertrags über die Arbeitsweise der 5 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.03.2019 (BGBl. I S. 350), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (Letzter Abruf: 29.04.2019). 6 Hohmann, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 298, Rn. 70. 7 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 12.07.2018 (BGBl. I S. 1151), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gwb/ (Letzter Abruf: 29.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 6 Europäischen Union (AEUV)8 verstoßen. Erfasst werden sowohl horizontale Absprachen (Absprachen zwischen den Bietern) als auch vertikale Absprachen (Absprachen zwischen dem Veranstalter und den Bietern).9 Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass eine täterschaftliche Verwirklichung des § 298 Abs. 1 StGB auch für den Veranstalter einer Ausschreibung in Betracht kommt: „Täter kann daher nicht nur derjenige sein, der selbst ein Angebot abgibt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen, müssen sich vielmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die Abgabe des Submissionsangebots im Sinne des § 25 StGB zurechenbar ist; ansonsten würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck - Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Kartellrecht und Strafrecht - unterlaufen .“10 Der § 298 Abs. 1 StGB schützt als Rechtsgut den Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen, beschränkten Ausschreibungen und nicht offenen Verfahren; das Vermögen des Veranstalters wird nur mittelbar geschützt. Für eine Strafbarkeit nach § 298 Abs. 1 StGB kommt es demnach nicht auf den Eintritt eines Vermögensschadens beim Veranstalter an. 11 Erfasste Vergabeverfahren sind - die Öffentliche Ausschreibung oder das Offene Verfahren, - die Beschränkte Ausschreibung oder das Nichtoffene Verfahren und - das Verhandlungsverfahren oder die Freihändige Vergabe.12 Von Teilen der Literatur wird kritisch gesehen, dass nach Auffassung der Rechtsprechung13 eine Beschränkte Ausschreibung/ein Nichtoffenes Verfahren auch ohne (vorangegangenen) öffentlichen Teilnahmewettbewerb vom Anwendungsbereich des § 298 erfasst sein soll. 8 Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der Fassung vom 26.10.2012 (2012/C 326/01), abrufbar unter: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/de/TXT/?uri=celex:12012E/TXT (Letzter Abruf: 29.04.2019). 9 Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge , Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (71). 10 Vgl. bspw. BGH, Beschluss vom 25.07.2012, Az.: 2 StR 154/12, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, 3318 (3319). 11 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 1, Rn. 204. 12 Momsen/Laudien, in: Beck’scher Onlinekommentar zum StGB, 41. Edition 01.02.2019, § 298 StGB Rn. 20 mit zahlreichen Nachweisen. 13 BGH, Beschluss vom 17.10.2013, Az.: 3 StR 167/13, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2014, 400 (401). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 7 2.1.2. Untreue In Betracht kommt weiter eine täterschaftliche Verwirklichung der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB. Wegen Untreue wird bestraft, „wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. In der Praxis kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen insbesondere dann in Betracht, wenn vergaberechtswidrig die Durchführung einer Ausschreibung unterlassen wurde (sogenannte „Direktvergabe“).14 Der Tatbestand der Untreue differenziert zwischen dem Missbrauchstatbestand (vgl. hierzu Ziffer 2.1.2.1) und dem Treuebruchtatbestand (vgl. Ziffer 2.1.2.2). 2.1.2.1. Missbrauchstatbestand Der Missbrauchstatbestand verlangt den Missbrauch einer dem Täter eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Dies setzt zunächst voraus, dass der Täter eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen innehat. Eine solche Befugnis bezeichnet die rechtliche Möglichkeit des Täters , Vermögensrechte eines anderen wirksam zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern oder ihn Dritten gegenüber wirksam zu solchen Verfügungen zu verpflichten.15 Die Strafbarkeit setzt weiter voraus, dass die eingeräumte rechtliche Befugnis missbraucht wird. Von einem solchen Missbrauch ist auszugehen, wenn der Täter ein im Außenverhältnis zu Dritten rechtlich wirksames Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäft vornimmt, das jedoch im Widerspruch zu seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu dem Geschädigten steht.16 Dies erfordert zunächst die Bestimmung des jeweiligen Pflichtenkreises des Innenverhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem. Schließlich setzt der Missbrauchstatbestand in objektiver Hinsicht zwingend den Eintritt eines kausalen Vermögensnachteils beim Geschädigten voraus. Dies bedeutet, dass dem vertretenen Hoheitsträger durch die vergaberechtswidrige Vergabe des öffentlichen Auftrags ein Vermögensnachteil entstanden sein muss. Hierfür ist ein Vergleich des Vermögens vor und nach der vergaberechtswidrigen Vergabe anzustellen, wobei nachgewiesen werden muss, dass durch den Verstoß gegen das Vergaberecht ein Schaden eingetreten ist, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Die Strafgerichte müssen im Einzelfall „den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach 14 Feldmann, Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB bei unterlassener oder fehlerhafter Ausschreibung?, Vergaberecht (VergabeR) 2017, 571 (571); Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (75). 15 Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 266, Rn. 34. 16 Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 266, Rn. 86. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 8 beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen“. In subjektiver Hinsicht setzt eine Strafbarkeit wegen des Missbrauchstatbestands der Untreue voraus , dass der Täter vorsätzlich in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit seines Tuns und den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschädigten gehandelt hat. Dies entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles. 2.1.2.2. Treuebruchtatbestand Der Treuebruchtatbestand ist erfüllt, wenn der Täter eine beliebige vermögensrelevante Handlung vornimmt, die die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Wiederum ist die Pflichtverletzung akzessorisch zum Vergaberecht festzustellen, sodass eine Strafbarkeit davon abhängt , ob die Vergabe des öffentlichen Auftrags gegen Vergaberecht verstößt. Auch der Treuebruchtatbestand setzt den Eintritt eines Vermögensschadens und ein vorsätzliches Handeln des Täters bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns und dem Eintritt eines Schadens beim Geschädigten voraus.17 Auch dies entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. 2.1.3. Korruptionsstraftaten Je nach den Umständen des Einzelfalls können die Korruptionsstraftaten der §§ 331 ff. StGB verwirklicht sein. Nach § 331 Abs. 1 StGB macht sich ein Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. StGB), ein europäischer Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB) oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafbar, „der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“. Weiter macht sich nach § 332 Abs. 1 ein Amtsträger, ein europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter strafbar, „der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde“. Spiegelbildlich werden nach §§ 333, 334 StGB diejenigen bestraft, die den genannten Personen einen Vorteil für diesen oder Dritten anbieten, versprechen oder gewähren. Soweit sich Angestellte des öffentlichen Dienstes, die an der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligt sind, während des Verfahrens Vorteile für sich oder Dritte fordern, versprechen lassen oder annehmen, kommt die Anwendung der jeweiligen Korruptionsstraftaten für Amtsträger in Betracht . 17 Vgl. im Einzelnen Feldmann, Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB bei unterlassener oder fehlerhafter Ausschreibung?, Vergaberecht (VergabeR) 2017, 571 (576 - 578); Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (75).Feldmann, a.a.O., (576). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 9 In diesem Zusammenhang kann weiter eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.18 Danach werden Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens bestraft, die einen Vorteil für sich oder Dritte dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen in unlauterer Weise bevorzugen. Angestellte im Sinne des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB können auch Beamte oder Angestellte einer öffentlichen-rechtlichen Körperschaft sein, soweit diese fiskalisch handelt und am Wirtschaftsleben teilnimmt.19 Ein fiskalisches Handeln der Verwaltung liegt vor, wenn sie sich Handlungsformen des Privatrechts bedient, also gerade nicht hoheitlich auftritt.20 Wenn im Einzelfall durch einen Angestellten des öffentlichen Dienstes im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags ein Bestechungsgeld angenommen wurde, kann überdies der Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO)21 erfüllt sein. Bestechungsgelder sind erklärungspflichtige sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG)22 und müssen als solche in der Steuererklärung angegeben werden .23 2.2. Ordnungswidrigkeiten Von besonderer Bedeutung ist daneben das Ordnungswidrigkeitenrecht des GWB und hier insbesondere § 81 GWB und §§ 30, 130 OWiG mit der Möglichkeit von hohen Geldbußen und Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe. Danach handelt unter anderem ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig dem § 1 GWB zuwiderhandelt . Nach § 1 GWB sind „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Un- 18 Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge , Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (73). 19 Krick, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 299, Rn. 27. 20 Kirchhof, in: Maunz/Düring, Grundgesetz Kommentar, 85. Ergänzungslieferung 2018, Art. 83, Rn. 105; Krick, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 299, Rn. 27. 21 Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.10.2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/ao_1977/ (Letzter Abruf: 30.04.2019). 22 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.10.2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 25.03.2019 (BGBl. I S. 357), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/estg/ (Letzter Abruf: 30.04.2019). 23 BGH, Urteil vom 02.12.2005, Az.:5 StR 119/05, NJW 2006, 930 (932); Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (73); Nöckel, Grundprobleme zu § 299 StGB – Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr , Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS) 01/2013, 50 (55). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 10 ternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung , Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken“ verboten. Erfasst werden hiervor sowohl horizontale als auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen.24 Bei der Vergabe öffentliche Aufträge kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB wegen vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen in Betracht. Das Kartellverbot des § 1 GWB, auf dessen Verstoß die Ordnungswidrigkeit des § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB fußt, richtet sich nach seinem Wortlaut allein an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen . Im Rahmen ihrer Beschaffungstätigkeit handelt die öffentliche Hand regelmäßig als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB und muss gleichermaßen wie andere Marktteilnehmer die rechtlichen Grenzen des Wettbewerbsrechts achten.25 Für das grundsätzliche Auftreten der öffentlichen Hand im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt: „Der Staat wird als Nachfrager am Markt tätig, um seinen Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu decken. In dieser Rolle als Nachfrager unterscheidet er sich nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern. Auf seine übergeordnete öffentliche Rechtsmacht greift er bei einer Vergabeentscheidung nicht zurück, so dass kein Anlass besteht, seine Maßnahme als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG einzuordnen .“26 Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags erfolgt mithin nicht als hoheitliches Handeln. Entsprechend muss die öffentliche Hand die Vorgaben des § 1 GWB achten; bei einem Verstoß durch einen Angestellten des öffentlichen Dienstes kommt daher eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Betracht. Soweit durch rechtswidrige Absprachen zwischen öffentlicher Hand und Bieter auf einen öffentlichen Auftrag zwischenstaatliche Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb der Europäischen Union verursacht werden, kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs.1 AEUV in Betracht. 3. Schadensersatzansprüche betroffener Unternehmen bei Vergaberechtsverstößen In zivilrechtlicher Hinsicht ist fraglich, ob Unternehmen für den Fall, dass vergaberechtswidrig kein Vergabeverfahren für einen öffentlichen Auftrag durchgeführt wurde, Schadensersatzansprüche zustehen und wie der Schaden zu beziffern wäre. Die Unternehmen hatten in solchen Fällen von vornherein nicht die Chance, sich auf den öffentlichen Auftrag zu bewerben, weil das Vergabeverfahren nicht durchgeführt wurde. 24 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 81 GWB, Rn. 44. 25 Simonis, Vergaberechtliche Compliance – Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge , Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2016, 70 (71, 72). 26 BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, Az.: 1 BvR 1160/03, NJW 2006, 3701 (3702). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 070/19 Seite 11 Ein Anspruch des betroffenen Unternehmens könnte sich zunächst aus § 181 Satz 1 GWB ergeben . Danach wird dem Unternehmen bei einem Vergaberechtsverstoß jedoch lediglich ein Anspruch auf Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren zugestanden. Für den Fall, dass überhaupt kein Vergabeverfahren durchgeführt wurde, sind dem Unternehmen solche Kosten nicht entstanden; ein Anspruch nach § 181 Satz 1 GWB scheidet daher aus. Nach § 181 Satz 2 GWB bleiben weitergehende Schadensersatzansprüche unberührt. In Betracht kommt insbesondere ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)27. Dies setzt die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus.28 Hierfür ist maßgeblich , ob die verletzte Vorschrift zumindest auch dazu bestimmt ist, Individualinteressen zu schützen. Für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte der EU ist ein Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB durchzuführen.29 Dabei haben Unternehmen gemäß § 97 Abs. 6 GWB einen Anspruch, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden. Damit wird ein subjektives Recht des Bieters und ein Individualschutz der Norm begründet, sodass § 97 Abs. 6 taugliches Schutzgesetz für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB ist.30 Auch unterhalb der EU-Schwellenwerte sollen den Bietern subjektiven Schutzrechten zustehen, die sich aus der Selbstbindung der Verwaltung und den Grundfreiheiten des AEUV ergeben. Mithin kann in diesen Fällen ebenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB vorliegen. Der praktischen Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruchs steht jedoch regelmäßig entgegen, dass die Unternehmen nicht mit hinreichender Sicherheit darlegen können, dass sie, wenn ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt worden wäre, auch den Zuschlag erhalten hätten . Dies liegt bereits darin begründet, dass ein fiktives Vergabeverfahren nicht durchgeführt werden kann.31 Inwiefern gleichwohl ein Grundurteil in der Sache ergehen kann, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles. *** 27 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31.01.2019 (BGBl. I S. 54), abrufbar unter: http://www.gesetze -im-internet.de/bgb/ (Letzter Abruf: 30.04.2019). 28 Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 823, Rn. 498. 29 Dies ergibt sich aus § 106 Abs. 1 GWB, wonach die §§ 97 ff. allein dann Anwendung finden, wenn die von der EU vorgegebenen Schwellenwerte für das Auftragsvolumen erreicht werden. 30 Antweiler, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, GWB, 3. Auflage 2017, § 181 GWB, Rn. 47, 48 und 50. 31 Kammergericht Berlin, Urteil vom 27.11.2003, Az.: U 174/02, VergabeR 2004, 490