© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 - 069/19 Zur Legitimationswirkung einer fehlerhaften Gesellschafterliste Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 069/19 Seite 2 Zur Legitimationswirkung einer fehlerhaften Gesellschafterliste Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 069/19 Abschluss der Arbeit: 26.04.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau- und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 069/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Der Regelungsinhalt des § 16 Abs. 1 GmbHG 4 2.1. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste 5 2.2. Folgen einer fehlerhaften Liste für die Abberufung eines Gesellschafters 5 3. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 069/19 Seite 4 1. Einleitung Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)1 lässt eine Regelungslücke befürchten. Die Lücke könnte einen Missbrauch ermöglichen , der den Verlust der Stellung als Gesellschafter einer GmbH zur Folge haben könnte. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)2 vom 23.10.2008 eingeführt (Inkrafttreten am 01.11.2008). Durch das MoMiG erfolgte die Umsetzung der Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) und der Richtlinie 2005/60/EG vom 26.10.20053 der Europäischen Union.4 2. Der Regelungsinhalt des § 16 Abs. 1 GmbHG § 16 Abs.1 GmbHG lautet: „Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.“ § 16 GmbHG dient neben der Missbrauchsbekämpfung auch der Bekämpfung der Geldwäsche sowie der Transparenz hinsichtlich der Anteilseignerstrukturen.5 Dabei ist der Wortlaut und Regelungsinhalt an § 67 Abs. 2 AktG angelehnt.6 Die Neuregelung durch das MoMiG vom 01.11.2008 1 GmbHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.05.1898 (RGBl. S. 846) (BGBl. III/Fundstellennachweis 4123-1), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2446), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/gmbhg/__16.html (letzter Abruf: 25.04.2019). 2 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen in der Fassung vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2026), abrufbar unter https://www.jurion.de/gesetze/momig/ (letzter Abruf: 25.04.2019). 3 Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32005L0060 (letzter Abruf: 26.04.2019). Aufgehoben und ersetzt durch Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. L 141 vom 05.06.2015, S. 73), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:32015L0849 (letzter Abruf: 26.04.2019). 4 Vgl. Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Auflage 2017, § 16 Rn. 7. 5 Wilhelmi, in: Beck´scher Onlinekommentar zum GmbHG, 38. Edition, Stand: 01.02.2019, § 16 Rn. 2. 6 BT-Drucks. 16/6140, S. 37, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/061/1606140.pdf (letzter Abruf : 24.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 069/19 Seite 5 soll insbesondere bei gutgläubigem Erwerb (§ 16 Abs. 3 GmbHG) die schutzwürdigen Interessen des wahren Berechtigten schützen.7 Aus dem Wortlaut des Abs. 1 könnte eine Missbrauchsmöglichkeit folgen: Durch eine falsche Liste könnte der nicht (mehr) aufgeführte Gesellschafter keine Einladung zu der Gesellschafterversammlung erhalten. Er könnte dort in Abwesenheit erneut abberufen werden. 2.1. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste § 16 Abs. 1 GmbHG dient insbesondere der Rechtssicherheit der Gesellschafter, die von der Überprüfung der Übereinstimmung der Gesellschafterliste mit der Rechtslage entlastet werden sollen.8 Die Vorschrift regelt, wer von der Gesellschaft als Inhaber eines Geschäftsanteils anzusehen ist, also eine formale Gesellschafterstellung hat.9 Die tatsächliche (materiell-rechtliche) Gesellschafterstellung folgt dagegen aus dem Erwerb eines Geschäftsanteils.10 Grundsätzlich beeinträchtigen Fehler und das Wissen um die Fehlerhaftigkeit die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nicht.11 Wenn aber die Abweichung der Gesellschafterliste von der materiellen Rechtslage demjenigen nicht zurechenbar ist, zu dessen Lasten sie wirkt, ist eine Berücksichtigung der tatsächlichen Rechtslage unstreitig geboten.12 Eine Zurechnung wird insbesondere bei einer Listenfälschung ausgeschlossen.13 2.2. Folgen einer fehlerhaften Liste für die Abberufung eines Gesellschafters Die Einberufung der Gesellschafterversammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter (§ 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Da grundsätzlich nur die Gesellschafter zu berücksichtigen sind, die auch auf der Gesellschafterliste stehen, müsste ein ausgetragener Gesellschafter nicht zu der Versammlung eingeladen werden. 7 BT-Drucks. 16/6140, S. 39, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/061/1606140.pdf (letzter Abruf : 24.04.2019). 8 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, 21. Auflage 2017, GmbHG, § 16 Rn. 11. 9 Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Auflage 2017, § 16 Rn. 1. 10 BT-Drucks. 16/6140, S. 37, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/061/1606140.pdf (letzter Abruf : 24.04.2019); s. auch Heidinger, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage 2018, § 16 Rn. 4. 11 Wilhelmi, in: Beck´scher Onlinekommentar zum GmbHG, 38. Edition, Stand: 01.02.2019, § 16 Rn. 17, 35. Andere Voraussetzungen sind streitig, vgl. Ebbing, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Auflage 2017, § 16 Rn. 62. 12 Verse, in: Henssler/Strohn, 4. Auflage 2019, GmbHG, § 16 Rn. 32; Fastrich, in Baumbach/Hueck, 21. Auflage 2017, GmbHG, § 16 Rn. 12a. 13 Reymann, „Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste“ in: Betriebs Berater (BB), 2009, 506 (513). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 069/19 Seite 6 Die bloße Kenntnis der Abweichung der Gesellschafterliste von der materiellen Rechtslage steht zwar der Legitimationswirkung nicht entgegen, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich aber die Pflicht der Gesellschaft ergeben, einen in der Gesellschafterliste nicht aufgeführten Gesellschafter zu berücksichtigen, soweit die Gesellschaft Kenntnis von der materiell -rechtlichen Gesellschafterstellung hat.14 Insoweit darf der Wortlaut von § 16 Abs. 1 GmbHG - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze - nicht zu eng ausgelegt werden. Wird nach einer fehlerhaften Austragung eine Gesellschaftsversammlung einberufen, um den bereits ausgetragenen Gesellschafter erneut abzuberufen, ist zumindest eine solche Berücksichtigungspflicht nach § 242 BGB gegeben. Die erneute Abberufung macht die Kenntnis der eingetragenen Gesellschafter über die tatsächliche Rechtslage deutlich. Ihnen ist daher bewusst, dass der abberufene Gesellschafter in der Gesellschafterliste eingetragen sein müsste und ein Recht auf die Einladung zu der Gesellschafterversammlung hat. Ist eine Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß berufen, können nach § 51 Abs. 3 GmbHG Beschlüsse nur gefasst werden, soweit alle Gesellschafter anwesend sind. Ein solcher Beschluss kann durch den nicht anwesenden, ausgetragenen Gesellschafter nicht erfolgen, sodass er seine Gesellschafterstellung nicht verliert. 3. Fazit Die Gesellschaft kann sich nicht auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste berufen, wenn sie Kenntnis von der Abweichung zur tatsächlichen Rechtslage haben und diese Abweichung ausnutzen. Der Beschluss der erneuten Abberufung eines ausgetragenen Gesellschafters wäre nicht ordnungsgemäß . Dies ergibt sich entweder schon aus der fehlenden Legitimationswirkung im Sinne von § 16 Abs. 1 GmbHG bei einer gefälschten Liste oder aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Der ausgetragene Gesellschafter hat gem. § 40 GmbHG einen Anspruch auf Aktualisierung der Gesellschafterliste, den er im Wege der einstweiligen Verfügung gerichtlich geltend machen kann.15 Gegen einen nicht ordnungsgemäß gefassten Beschluss besteht für den ausgetragenen Gesellschafter die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zu erheben, der der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse einer GmbH dient.16 Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 GmbHG muss unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgelegt werden. Bei einer solchen Auslegung ist eine Gesetzeslücke nicht erkennbar, sodass eine Möglichkeit des Missbrauchs nicht besteht. 14 Wilhelmi, in: Beck´scher Onlinekommentar zum GmbHG, 38. Edition, Stand: 01.02.2019, § 16 Rn. 17. 15 Heilmeier, in: Beck´scher Onlinekommentar zum GmbHG, 38. Edition, Stand: 01.02.2019, § 40 Rn. 196. 16 Vgl. BGH, Urt. v. 27.04.2009 – Az. 2 ZR 167/07, Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 2009, 2300 (2301).