© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 068/21 Einzelfragen zum Baulandmobilisierungsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 2 Einzelfragen zum Baulandmobilisierungsgesetz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 068/21 Abschluss der Arbeit: 30. Juni 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vorbemerkung: Grund- und Wohnungseigentum im deutschen Recht 4 3. Die Auswirkungen des Baulandmobilisierungsgesetzes auf die Umwandlung von Grund- in Wohnungseigentum 5 4. Einzelfragen zum Vorkaufsrecht 7 4.1. Das Vorkaufsrecht im Zusammenhang mit der Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) 9 4.2. Die Ermittlung des Kaufpreises im Vorkaufsverfahren 12 4.2.1. Gemeindliches Vorkaufsrecht 12 4.2.2. Vorkaufsrecht des Wohnraummieters 13 5. Kauf von Grund- bzw. Wohnungseigentum als Genossenschaft 14 6. Einzelfragen zur Umwandlungsgenehmigung nach § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 4 1. Einleitung Am 23. Juni 2021 ist das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz)1 in Kraft getreten.2 In diesem Zusammenhang wurden den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages mehrere Einzelfragen gestellt, die sich sowohl auf durch das Gesetz eingeführte Neuregelungen zur Bildung von Wohnungs- oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten als auch auf bereits bestehende Regelungsstrukturen zum Vorkaufsrecht beziehen. 2. Vorbemerkung: Grund- und Wohnungseigentum im deutschen Recht Der Großteil der durch die Einzelfragen aufgeworfenen Themenkomplexe hat seinen Hintergrund in der Unterscheidung von Grund- und Wohnungseigentum im deutschen (Privat-)Recht: Das deutsche Privatrecht steht in Tradition des antiken römischen Rechts.3 Aus letzterem Rechtssystem wurde u. a. das Prinzip der Untrennbarkeit des Eigentums an Grund und Boden und hierauf stehenden Gebäuden und Gebäudeteilen („Akzessionsprinzip“) in §§ 93 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)4 übernommen.5 Im Sinne der Rechtssicherheit und des Erhaltes wirtschaftlicher Werte soll das Eigentum an Gebäuden dem Eigentum am Grundstück folgen, auf dem sie stehen .6 Der Begriff „Grundstück“ ist dabei nicht gesetzlich definiert, nach allgemeiner Meinung jedoch handelt es sich um einen durch amtliche Vermessung bestimmten und durch die Art seiner 1 BGBl. [2021] I S. 1802, abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/custom/app/pdf.xqy?ident =f7f652d184f0103319d446dd6fd6b0fe31cbc6f4×tamp=20210629132638&version=2.2&document Id=910414 (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 30. Juni 2021). 2 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Gesetzgebungsverfahren – Gesetz zur Mobilisierung von Bauland, Stand: 23. Juni 2021, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren /DE/baulandmobilisierungsgesetz.html. 3 Groh, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, Stichworte „Römisches Recht“ und „Rezeption“. 4 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. 5 Vgl. etwa Rapp, in: Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2018, Einleitung WEG, Randnummer 58. 6 Die Gebäude stellen sogenannte wesentliche Bestandteile eines Grundstücks dar, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (§ 93 in Verbindung mit § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Vgl. näher zu den Gesetzesmotiven, Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20. Mai 1988 – V ZR 269/86 –, Randnummer 18 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 5 Buchung im Grundbuch individualisierten, räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche.7 In anderen Worten kann grundsätzlich an Gebäuden, die fest mit der Erdoberfläche verbunden sind, kein gesondertes Eigentum erworben worden – sie sind „sonderrechtsunfähig“.8 Maßgeblich begründet durch die erhebliche Wohnungsnot nach dem zweiten Weltkrieg schaffte der Gesetzgeber mit dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG)9 allerdings 1951 erstmals die Möglichkeit , Eigentum an einzelnen Einheiten eines Gebäudes und somit losgelöst vom Grundstück zu erwerben.10 Im Einzelnen ist das Wohnungseigentum dabei das Sondereigentum (= Alleineigentum ) an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.11 An nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen kann ebenfalls Alleineigentum (sogenanntes Teileigentum) begründet werden.12 Im gemeinschaftlichen Eigentum stehen somit der Rest des Grundstücks und des darauf befindlichen Gebäudes, das nicht im Alleineigentum steht.13 Die Alleineigentümer bilden untereinander eine sogenannte (Wohnungs -)Eigentümergemeinschaft mit mitgliedschaftlicher Beteiligung und Rechten und Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis.14 Die Anzahl an WEG-Einheiten steigt in der Praxis seit dem Ende der 1950er Jahre kontinuierlich an.15 3. Die Auswirkungen des Baulandmobilisierungsgesetzes auf die Umwandlung von Grundin Wohnungseigentum Die Umwandlung von Grund- in Wohnungseigentum richtet sich ebenfalls maßgeblich nach dem WEG. Wohnungseigentum wird danach durch die vertragliche Einräumung von Sondereigentum 7 Vgl. statt vieler Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Band 8, Vorbemerkung (Vor § 873), Randnummer 1. 8 Stresemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Band 1, § 93 BGB, Randnummer 1. 9 Wohnungseigentumsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Januar 2021 (BGBl. I S. 34), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/woeigg/. 10 Denn die rechtliche Verselbstständigung einzelner Wohneinheiten erleichterte Wohnungssuchenden den Eigentumserwerb („Eigenheim in der Etage“) und sicherte im Gegenzug den Bauherren das Kapital für die Errichtung der benötigten größeren Gebäudekomplexe in den zerstörten Innenstadtlagen (ausführlich Weitnauer, Zur Entstehung des WEG, Zeitschrift für Wohnungseigentum (ZWE) 2011, S. 126, 128). 11 § 1 Abs. 2 WEG. 12 § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 WEG. 13 § 1 Abs. 5 WEG. 14 Vgl. §§ 10 ff. WEG. 15 Krafka, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, Band 8a, Einleitung (Einl. WEG), Randnummern 6 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 6 (§ 3 WEG) oder durch Teilung (§ 8 WEG) begründet.16 In der Praxis kommt fast ausschließlich letzteres vor.17 Bei der Teilung erklären der oder die Eigentümer eines Grundstücks gegenüber dem Grundbuchamt, das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile in der Weise zu teilen, dass mit jedem Anteil Sondereigentum verbunden ist.18 Für jeden Miteigentumsanteil legt das Grundbuchamt ein besonderes Grundbuchblatt (Wohnungsgrundbuch, Teileigentumsgrundbuch ) an.19 Diese treten an die Stelle des Grundstücksgrundbuchs.20 Ob sich auf dem zu teilenden Grundstück vermietete Wohnungen befinden, ist für diesen rein grundbuchrechtlichen Vorgang grundsätzlich ohne Belang. Auch das Baulandmobilisierungsgesetz berührt die privatrechtlichen Grundsätze des WEG-Umwandlungsverfahrens nicht. Es kann jedoch dem Grundbuchamt im Umwandlungsprozess zusätzliche Prüfpflichten auferlegen: Nach dem mit dem Baulandmobilisierungsgesetz neu eingefügten § 250 Baugesetzbuch (BauGB)21 ist für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach dem WEG in bestehenden Wohngebäuden mit mehr als drei Wohnungen ggf. eine behördliche Genehmigung erforderlich.22 Dies ist der Fall in „Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“, nach gesetzlicher Definition an anderer Stelle Orte, wo die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.23 Die entsprechenden Gebiete sind bei Bedarf durch die Landesregierung mittels Rechtsverordnung, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 wieder außer Kraft treten muss, zu bestimmen.24 Aus der Verordnungsbegründung muss sich zudem ergeben , auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt.25 In der Landesverordnung kann die Mindestanzahl der Wohnungen in einem Wohngebäude, für die die Genehmigungspflicht gilt, zwischen drei und 15 festgesetzt werden, 16 § 2 WEG. 17 Hügel, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 58. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 8 WEG, Randnummer 1. 18 § 8 Abs. 1 WEG. 19 § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 WEG. 20 Krafka, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, Band 8a, § 7 WEG, Randnummer 1. 21 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Juni 2021 (BGBl. I S. 1802) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze -im-internet.de/bbaug/. 22 § 250 Abs. 1 BauGB. 23 § 201a Satz 3 BauGB. Eine Auflistung von Merkmalen, die dies insbesondere indizieren (z. B. geringer Leerstand bei großer Nachfrage) findet sich dort in Satz 4. 24 § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB. 25 § 250 Abs. 1 Satz 5 BauGB. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 7 das gesetzgeberische Leitbild beträgt fünf Wohnungen.26 Falls sich eine Landesregierung entscheidet , eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen, bestimmt sie ebenfalls eine Stelle, die für die Genehmigungserteilung zuständig ist.27 In der Regel werden das gemäß dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf die Gemeinden sein.28 In der Sache darf dabei die Genehmigung nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist, ggf. ist sie mit einer Auflage zu versehen.29 Im Gegensatz ist die Genehmigung insbesondere zu erteilen, wenn im Einzelfall eine der in § 250 Abs. 3 Satz 1 Nummern 1 bis 5 BauGB genannten Voraussetzungen vorliegt, z. B. die Veräußerung zur eigenen Nutzung an zwei Drittel der Mieter.30 Im Rahmen eines grundbuchrechtlichen WEG-Umwandlungsprozesses darf das Grundbuchamt bei einem Grundstück, das im Geltungsbereich einer solchen Rechtsverordnung liegt, das Wohnungs - oder das Teileigentumsgrundbuch dann nur anlegen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist.31 4. Einzelfragen zum Vorkaufsrecht Das Vorkaufsrecht beschreibt allgemein das Recht des Vorkaufsberechtigten, mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag zu grundsätzlich den Bedingungen des Kaufvertrags mit einem Dritten zu schließen.32 Das Vorkaufsrecht kann durch Rechtsgeschäft (vertraglich) oder gesetzlich begründet werden.33 Für die vorliegende Ausarbeitung sind vor allem die gesetzlichen Vorkaufsrechte von Bedeutung . Von den gesetzlichen Vorkaufsrechten sind dabei das privatrechtliche Vorkaufsrecht des (Wohnraum-)Mieters (§ 577 BGB) und die verschiedenen öffentlich-rechtlichen gemeindlichen Vorkaufsrechte aus §§ 24 ff. BauGB hervorzuheben. 26 § 250 Abs. 1 Satz 6 in Verbindung mit Satz 2 BauGB. 27 § 250 Abs. 2 Satz 1 BauGB. 28 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz), 30. November 2020, Bundestag-Drucksache (BT-Drs.) 19/24838, S. 32, abrufbar unter: https://dserver.bundestag .de/btd/19/248/1924838.pdf. 29 § 250 Abs. 4 BauGB. 30 § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. 31 § 250 Abs. 5 Satz 1 BauGB. Nach Satz 2 gilt mit der Eintragung die Genehmigung als erteilt. Vgl. auch BT-Drs. 19/24838 (Fußnote 28), S. 33. 32 Definition abgewandelt nach Hageböke/Englich/Horst, Die examensrelevanten Vorkaufsrechte, Juristische Schulung (JuS) 2020, S. 815, 816. 33 Ausführlicher Überblick zu den verschiedenen Vorkaufsrechten bei Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, Band 4, § 463 BGB, Randnummern 8 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 8 Dabei unterscheiden sich die beiden Vorkaufsrechte insbesondere im Vorkaufsgegenstand: Das gemeindliche Vorkaufsrecht bezieht sich ausschließlich auf Grundstücke und somit das Grundeigentum .34 Es gilt explizit nicht für Wohnungs- und Teileigentum nach dem WEG.35 Das Mietervorkaufsrecht hingegen bezieht sich auf „vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll“.36 Obwohl der Gesetzeswortlaut beim Mietervorkaufsrecht nur von „vermieteten Wohnräumen“ spricht, bezieht sich der Vorkaufsgegenstand auf die gleichen Räumlichkeiten/Flächen wie auch der jeweilige Wohnraummietvertrag.37 Wie das Grundstück ist auch der Wohnraum nicht gesetzlich definiert. Nach allgemeiner Meinung ist jedoch Wohnraum jeder zum Wohnen bestimmter Raum, der Innenteil eines Gebäudes ist.38 Dabei können je nach Einzelfall Gemeinschaftsflächen im Haus (z. B. Hausflur, Fahrstuhl) oder auf dem Grundstück (z. B. Garten, Garage) zur Benutzung mitvermietet sein.39 Im Einzelfall kann sich ein Wohnraummietvertrag auch auf ein ganzes Grundstück beziehen.40 Zwar regelt das BGB auch den Grundstücksmietvertrag mit einem geringeren Schutzniveau für Mieter als beim Wohnraummietvertrag.41 Solange die Nutzung der Wohnräume den Schwerpunkt bildet, besteht dennoch ein Wohnraummietvertrag.42 Bei der Überlassung von Wohnräumen mit bloßer Mitbenutzung anderer Räumlichkeiten/Flächen dürfte somit regelmäßig von einem einheitlichen Wohnraummietverhältnis auszugehen sein. In welcher Eigentumsform die vermieteten Wohnräume stehen ist für das eigentliche Mietverhältnis grundsätzlich irrelevant. Für das Mietervorkaufsrecht besteht in Bezug auf den Vorkaufsgegenstand allerdings die zusätzliche Voraussetzung, dass an den entsprechenden Räumlichkeiten /Flächen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum (im Sinne des WEG) begründet worden ist oder begründet werden soll (s. o.). Bei der Begründung von Wohnungseigentum in der Zukunft („begründet werden soll“) muss der Verkäufer als Vorkaufsverpflichteter im 34 Vgl. § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 BauGB. 35 § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 2 BauGB. Nähere Informationen bei Grziwotz, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BauGB, 52. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 24 BauGB, Randnummer 8. 36 § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB [Hervorhebungen diesseits]. 37 Rolfs, in: Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2021, § 577 BGB, Randnummer 8; Blank, in: Schmidt- Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 577 BGB, Randnummer 7. Dabei sind Rückausnahmen zu beachten, etwa bei Unter- oder vorübergehenden Vermietungen (hierzu ausführlich Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Band 5, § 577 BGB, Randnummern 4 ff.). 38 Vereinfacht nach Zehelein, in: Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, 58. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 535 BGB, Randnummer 152 mit weiteren Nachweisen. 39 Ausführlich Gras, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Mietrecht, 24. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 535 BGB, Randnummern 800 ff. 40 Emmerich, in: Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2021, § 578 BGB, Randnummern 6 ff. 41 § 578 Abs. 1 BGB. 42 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 – VIII ZR 376/13 –, Randnummer 26 mit weiteren Nachweisen (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 9 Kaufvertrag eine Verpflichtung zur Aufteilung vorgenommen haben und dort die vom Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.43 4.1. Das Vorkaufsrecht im Zusammenhang mit der Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) Wie bereits aus der allgemeinen Definition des Vorkaufsrechts unter 4. ersichtlich bedarf dessen Auslösung des Schlusses eines (privatrechtlichen) Kaufvertrages (§§ 433 ff. BGB) zwischen dem Verkäufer des Vorkaufsgegenstandes und einem Dritten („Vorkaufsfall“).44 Dies gilt für alle Vorkaufsrechte gleichermaßen.45 Eine besondere Problematik ergibt sich dabei in Fällen, in denen der Verkäufer und der Dritte rechtlich betrachtet keinen Kaufvertrag schließen, es aus rein wirtschaftlicher Sicht dennoch zu einem Leistungsaustausch um den Vorkaufsgegenstand kommt. Unter Umständen geschieht dies sogar, um das Vorkaufsrecht zu umgehen. Ein Beispiel hierfür kann auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen (share deal) darstellen. Im Gegensatz zum asset deal, bei dem sich der Unternehmenskauf durch Übertragung der zum Unternehmensvermögen gehörenden Gegenstände (Sachen, Rechte etc.) vollzieht, werden beim share deal lediglich die immateriellen Unternehmensanteile übertragen.46 Bezogen auf die hiesige Konstellation bedeutete dies etwa, dass der Dritte vom Verkäufer nicht unmittelbar Grund- oder Wohnungseigentum erwirbt, sondern stattdessen Anteile der Gesellschaft erwirbt, in deren Eigentum das Grundstück oder die Wohnung steht.47 Wirtschaftlich gesehen kann der alleinige Anteilseigner dennoch in faktisch gleicher Weise über das Eigentum verfügen. Zum anderen kann durch diese Vertragsgestaltung ggf. der Anfall der Grunderwerbssteuer vermieden werden.48 Hieraus ergibt sich die Frage, inwieweit das Vorkaufsrecht in solchen Fallgestaltungen abgesichert ist. Ein expliziter gesetzlicher Schutz des Vorkaufsrechts bei share deals ist dabei nicht ersichtlich. Die Behandlung der Problematik in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung erläutern zwei bereits veröffentlichte Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste aus den Jahren 2017 43 BGH, Urteil vom 27. April 2016 – VIII ZR 61/15 –, Randnummern 22 f. mit weiteren Nachweisen (zitiert nach juris). 44 Hageböke/Englich/Horst (Fußnote 32), S. 816 f. 45 Ebenda, S. 817. 46 Aichberger/Groh, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, Stichwort „Unternehmen“. 47 Vgl. speziell in Bezug auf Grundeigentum, Beckmann/Ellner, in: Das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24, 25 BauGB beim Verkauf von Gesellschaftsanteilen – Ein Beitrag zur aktuellen Debatte über die Reform des „Share Deals“ aus baurechtlicher Sicht, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2018, S. 1187. 48 Vgl. etwa Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Ausmaß und Bedeutung von Share Deals auf dem deutschen Immobilien- und landwirtschaftlichen Bodenmarkt“, 5. Februar 2019, BT-Drs. 19/7536, insbesondere S. 13 ff., abrufbar unter: https://dserver.bundestag .de/btd/19/075/1907536.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 10 und 2018.49 Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. An Entwicklungen aus jüngerer Zeit sind ergänzend drei Aspekte hinzuzufügen: – Im Dezember 2019 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, dass im Rahmen des gemeindlichen Vorkaufsrechts ein Berliner Bezirk 50 die Vorlage notarieller Urkunden über einen share deal, in dem u. a. eine Grundstücksgesellschaft involviert war, auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (§ 208 Satz 1 Nr. 2 BauGB) anordnen durfte.51 Der Sachverhalt ist dabei vor dem Hintergrund zu sehen, dass Gemeinden in der Praxis nach der aktuellen Rechtslage häufig keine Kenntnis entsprechender Anteilsübertragungen erlangen und somit nicht in der Lage sind, ihre Vorkaufsberechtigung zu prüfen.52 Anlässlich seiner Entscheidung betonte das Gericht zudem, dass es den Vorkaufsfall auslösende Umgehungsgeschäfte im besonderen Maße in sozialen Erhaltungsgebieten („Milieuschutzgebiete“) für möglich hält.53 Ein gegen den VG-Beschluss gerichtetes Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg wurde aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung des Verfahrens in der Hauptsache eingestellt .54 In der unanfechtbaren Entscheidung bezeichnete das OVG den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor Eintritt der Erledigung als offen.55 Bei der Interpretation von Gerichtsentscheidungen ist allgemein zu berücksichtigen, dass Fachgerichte (alle Gerichte mit Ausnahme der Verfassungsgerichte)56 lediglich über Einzel- 49 Wissenschaftliche Dienste, „Das gemeindliche Vorkaufsrecht bei Unternehmenskäufen“, Sachstand vom 6. Juni 2017, WD 7 - 3000 - 073/17, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/514882/c919f4245032522db5ecf47ebee1fa17/wd-7-073-17-pdf-data.pdf und Wissenschaftliche Dienste, „Das gemeindliche Vorkaufsrecht beim Share Deal“, Sachstand vom 27. August 2018, WD 7 - 3000 - 177/18, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/571482/40b9446e196dac3aed8dbb9b406b22a3/WD-7-177-18-pdf-data.pdf. 50 Im Gebiet des Landes Berlin üben die dortigen Bezirke das gemeindliche Vorkaufsrecht aus, vgl. § 1 Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs [Berlin] (AGBauGB), abrufbar unter: https://gesetze.berlin .de/bsbe/document/jlr-BauGBAGBErahmen. 51 VG Berlin, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 19 L 566.19 –, (zitiert nach juris). 52 Vgl. hierzu Beckmann/Ellner (Fußnote 47), S. 1190. 53 VG Berlin, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 19 L 566.19 –, Randnummer 30 (zitiert nach juris). 54 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2020 – 2 S 1/20 – (nicht veröffentlicht). 55 Ebenda, S. 2. 56 Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 26. Edition 2021, Stichwort „Fachgerichte“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 11 fälle rechtskräftig entscheiden. Denn die fachgerichtliche Rechtsauslegung übt keine formale Bindungswirkung auf spätere gerichtliche Entscheidungen aus.57 Gleichwohl orientieren sich Gerichte in der Praxis häufig an bestehender Rechtsprechung, insbesondere der der oberen Instanzen.58 – Das Land Berlin leitete im Februar 2021 dem Bundesrat den Entwurf eines „Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz “ zur Einbringung in den Deutschen Bundestag zu.59 Der Entwurf bezieht sich speziell auf die erwähnte Problematik von share deals und Vorkaufsrechten und schlägt diesbezüglich Änderungen zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts vor. Konkret soll der Gemeinde auch bei vertraglichen Gestaltungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf eines Grundstücks entsprechen, ein Vorkaufsrecht zustehen.60 Auch sollen Anzeigepflichten öffentlicher Stellen und der Beteiligten bei share deals neu geschaffen bzw. ausgeweitet werden.61 Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts soll auf vier Monate verlängert werden.62 Der Entwurf wurde im Bundesrat noch nicht beraten.63 – Daneben tritt zum 1. Juli 2021 das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes in Kraft.64 Dessen wesentliches Element ist – vereinfacht – die sachliche und zeitliche Ausdehnung von Fallkonstellationen, bei denen die Grunderwerbsteuer im Rahmen von share deals zu leisten ist.65 Dies hat keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen auf Vorkaufsrechte , könnte jedoch in der Praxis dazu führen, dass die Grundstücksübertragung mittels 57 Dies folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 3. November 1992 – 1 BvR 1243/88 –, Randnummer 15 mit weiterem Nachweis (zitiert nach juris)) aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/). 58 Nachweise bei Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Auflage 2018, Band 3, Art. 97 GG, Randnummer 23, Fußnote 111. 59 Land Berlin, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des Baugesetzbuchs (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz), 11. Februar 2021, Bundesrat-Drucksache (BR-Drs.) 124/21, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/brd/2021/0124-21.pdf. 60 Art. 1 Nr. 2 Gesetzentwurf (Fußnote 59) für einen neuen § 24 Abs. 4 BauGB. 61 Ebenda, Art. 1 Nr. 4 für neu einzuführende §§ 27b bis 27d BauGB. 62 Ebenda, Art. 1 Nr. 5b aa). 63 Vgl. entsprechende Übersichtsseite des Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP) des Deutschen Bundestages, abrufbar unter: https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zurst %C3%A4rkung-des-gemeindlichen-vorkaufsrechts-nach-den-24/273804?term=br-drs.%20124/21&f.wahlperiode =19&rows=25&pos=6. 64 Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 2021 (BGBl. I S. 986), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/custom/app/pdf.xqy?ident=ab38152d6d22b5c2026881af4a78ccfce27b8c3b×tamp =20210629142709&version=2.2&documentId=910219. Das Datum des Inkrafttretens ergibt sich aus Art. 2 des Gesetzes. 65 Ausführlichere Vorstellung des Gesetzes etwa bei Labus/Busch, Verschärfungen bei der Grunderwerbsteuer treten ab 1.7.2021 in Kraft, GmbH-Rundschau (GmbHR) 2021, R176 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 12 share deal an Attraktivität verlieren könnte und somit die Zahl der Vorkaufsfälle auch unter aktueller Rechtslage steigen könnte.66 4.2. Die Ermittlung des Kaufpreises im Vorkaufsverfahren Entsprechend der allgemeinen Definition des Vorkaufrechts unter 4. versetzt der Vorkaufsfall den Vorkaufsberechtigten in die Lage, mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag zu grundsätzlich den Bedingungen des Kaufvertrags mit dem Dritten zu schließen. Schlüsselnorm ist hierbei § 464 Abs. 2 BGB, auf den verschiedene Vorkaufsrechte verweisen, so auch etwa das Mietervorkaufsrecht (§ 577 Abs. 1 Satz 3 BGB) und das gemeindliche Vorkaufsrecht (§ 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB). In § 464 Abs. 2 BGB heißt es: „Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.“67 Folglich ist der Kaufpreis zu bezahlen, den der Verkäufer mit dem Dritten in deren Kaufvertrag ausgehandelt hat. In Bezug auf die Frage, inwiefern hiervon Ausnahmen bestehen, dass stattdessen nur der Verkehrswert zu entrichten ist, ist zwischen den verschiedenen Vorkaufsrechten zu differenzieren: 4.2.1. Gemeindliches Vorkaufsrecht Beim gemeindlichen Vorkaufsrecht eröffnet das BauGB die grundsätzliche Möglichkeit der Heranziehung des Verkehrswertes des Grundstücks als Vorkaufspreis dann, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert deutlich überschreitet (§ 28 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz wurde dabei die zusätzliche Voraussetzung in der vorherigen Fassung des Tatbestandes gestrichen, nach dem die deutliche Überschreitung auch „in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise“ geschehen musste.68 Laut der Ausschussbegründung führt dies im Vergleich zur vorherigen Regelung in vielen Fällen zu einer Preisdämpfung für die Gemeinde.69 Soweit ersichtlich, bleibt die baurechtliche Bestimmung des Verkehrswertes hiervon jedoch unberührt . Dessen Definition richtet sich weiter explizit nach § 194 BauGB, auf den die entsprechende Regelung zum gemeindlichen Vorkaufsrecht verweist.70 In § 194 BauGB wird der Verkehrswert mit dem Marktwert gleichgesetzt.71 Der Verkehrswert/Marktwert wird danach „durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der 66 Diese Möglichkeit aufzeigend bereits Beckmann/Ellner (Fußnote 47), S. 1187 und 1190. 67 § 464 Abs. 2 BGB. 68 Art. 1 Nr. 10b Baulandmobilisierungsgesetz (Fußnote 1). 69 Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, Beschlussempfehlung und Bericht, 5. Mai 2021, BT-Drs. 19/29396, S. 64, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/293/1929396.pdf. 70 § 28 Abs. 3 Satz 1 BauGB. 71 § 194 BauGB. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 13 sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“72 Details zur Verkehrswert-/Marktwertermittlung regelt die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).73 Dort sieht § 8 Abs. 1 ImmoWertV verschiedene Verfahren zur Verkehrswert- /Marktwertermittlung vor: das Vergleichswertverfahren (§ 15 ImmoWertV) einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung (§ 16 ImmoWertV), das Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20 ImmoWertV), das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23 ImmoWertV) oder mehrere dieser Verfahren. Welches oder welche der Verfahren gewählt werden, ist „nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten “ unter Angabe einer Begründung zu entscheiden.74 Der Verkehrswert ist aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren unter Würdigung seines oder ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln.75 Im Ertragswertverfahren wird der Ertragswert auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt.76 Weitere Details ergeben sich aus §§ 17 ff. ImmoWertV. 4.2.2. Vorkaufsrecht des Wohnraummieters Für das Mietervorkaufsrecht fehlt ein expliziter gesetzlicher Bezug zum Verkehrswert wie beim gemeindlichen Vorkaufsrecht. Entsprechend bleibt es beim Grundsatz der Identität zum Drittkaufpreis des Mietobjektes. Eine Ausnahme gilt nach Treu und Glauben aber etwa hinsichtlich solcher Abreden, die aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens des Veräußerers und Erwerbers nur dazu getroffen wurden, um den Mieter von der Ausübung seines Vorkaufsrechts abzuhalten, insbesondere wenn für die betroffene Eigentumswohnung ein mit dem objektiven Wert nicht in Einklang stehender besonders hoher Kaufpreis oder für Kaufverträge unübliche Verpflichtungen vereinbart werden („Abschreckungsvereinbarungen“).77 Zusätzliche Probleme können sich beim Drittverkauf mehrerer Wohnungen oder des gesamten Grundstücks ergeben. Ist im dortigen Kaufvertrag ein einheitlicher, nicht auf die einzelnen Wohnungen heruntergebrochener Verkaufspreis vereinbart, kann ein solcher im Vorkaufsfall nicht ohne weiteres bestimmt werden. Im Zweifel ist der Einzelkaufpreis nach den Grundsätzen von 72 Ebenda. 73 Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639), die durch Artikel 16 des Gesetzes vom 26. November 2019 (BGBl. I S. 1794) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/immowertv/. Vgl. auch § 199 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 1 ImmoWertV. 74 § 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV (auch für das Zitat). 75 § 8 Abs. 1 Satz 3 ImmoWertV. 76 § 17 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV. 77 Tiedemann, in: „juris“ Praxiskommentar BGB, 9. Auflage 2020, Band 2, § 577 BGB, Randnummer 88 mit Rechtsprechungsnachweisen . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 14 Treu und Glauben abzuschätzen.78 Da die einzelnen Wohnungen in aller Regel nicht nur aufgrund ihrer abweichenden Größe, sondern auch wegen ihrer Lage einen unterschiedlichen Wert haben, kommt es im Rahmen der Schätzung nicht auf einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis und auch nicht auf einen dem Miteigentumsanteil entsprechenden Bruchteil des Gesamtpreises , sondern auf den „wirklichen Wert“ der einzelnen Wohnung an.79 Im Zweifel dürfte hierfür ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung dieses Verkehrswertes einzuholen sein. 5. Kauf von Grund- bzw. Wohnungseigentum als Genossenschaft Fraglich ist des Weiteren, ob sich nach dem Baulandmobilisierungsgesetz mehrere Mieter eines Mietshauses in einer Genossenschaft zusammenschließen können, um hierüber das ungeteilte bzw. geteilte Grundstück zu kaufen. Genossenschaften im Sinne des Genossenschaftsgesetzes (GenG)80 sind Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern.81 Die im Genossenschaftsregister eingetragene Genossenschaft kann als juristische Person des Privatrechts als eigene Rechtspersönlichkeit am Rechtsverkehr teilnehmen (Rechtsfähigkeit).82 Dabei wird sie durch ihren Vorstand vertreten.83 Eine eingetragene Genossenschaft kann somit wie eine Privatperson Kaufverträge über Grundbzw . Wohnungseigentum schließen und als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen werden.84 Nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln kann sie auch über ihren Vorstand ihre Rechte in der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen. Nach Gesetzesänderungen im WEG im Jahr 2020 ist auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als „Ein-Personen-Gemeinschaft“, der lediglich ein einziges Mitglied angehört, möglich und gewollt.85 Dies könnte etwa für Genossenschaften relevant werden, die alle WEG-Einheiten auf einem geteilten Grundstück innehaben. 78 BGH, Urteil vom 22. Juni 2007 – V ZR 269/06 –, Randnummer 11 (zitiert nach juris). Vgl. auch § 577 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 467 BGB. 79 Rolfs, in: Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2021, § 577 BGB, Randnummer 69 mit weiteren Nachweisen . 80 Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2230), das zuletzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1534) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/geng/. 81 § 1 Abs. 1 GenG. 82 § 17 Abs. 1 GenG. 83 § 24 Abs. 1 Satz 1 GenG. 84 § 17 Abs. 1 GenG. 85 Überblick zur aktuellen Rechtslage bei Burgmair, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, Band 8a, § 9a WEG, Randnummern 26 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 15 Das Baulandmobilisierungsgesetz hat auf diesen Rechtszustand keine ersichtlichen Auswirkungen . Es regelt im neu eingeführten § 250 BauGB lediglich, dass die für die Umwandlung in Wohnungs - oder Teileigentum ggf. notwendige behördliche Genehmigung zu erteilen ist, wenn dieses zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.86 Die Modalitäten einer solchen Veräußerung richten sich jedoch alleine nach dem Privatrecht. Besonderheiten – wenngleich ebenfalls ohne Bezug zum Baulandmobilisierungsgesetz – sind jedoch in Bezug auf den genossenschaftlichen Erwerb von Mietwohnungen im Wege des Mietervorkaufrechts zu beachten: Zunächst greift das Vorkaufsrecht bei bisher ungeteiltem Grundeigentum nur ein, wenn Wohnungseigentum „begründet werden soll“.87 Hierfür muss sich der Drittkäufer im Kaufvertrag insbesondere bereits zur Aufteilung verpflichtet haben.88 Dementsprechend kann etwa beim bloßen Verkauf eines ungeteilten Grundstücks („en bloc-Verkauf“)89 ohne eine solche Verpflichtung von vornherein kein Mietervorkaufsrecht ausgeübt werden.90 Bei Kaufverträgen, in denen mehrere bereits aufgeteilte Wohnungseigentumseinheiten bzw. sogar das gesamte aufgeteilte Objekt in einem einheitlichen Vertrag zu einem Paketpreis veräußert werden („Paketverkauf“),91 steht nur den jeweiligen Mietern das Vorkaufsrecht zu. Denn beim Mietervorkaufsrecht handelt es sich um ein persönliches Recht.92 Es ist nicht übertragbar, der Mieter kann das Vorkaufsrecht deshalb nur selbst ausüben und auch nur Eigentumsübertragung auf sich selbst verlangen.93 Auch bei einem Paketverkauf von Wohnungen an einen Dritten bezieht sich das Mietervorkaufsrecht immer nur auf die vermietete Wohnung.94 Hieraus folgt, dass Mieter eines Mehrfamilienhauses, in dem mehrere Eigentumswohnungen zum Verkauf stehen, diese nicht unmittelbar unter Geltendmachung ihres jeweiligen Vorkaufsrechts gemeinsam als Genossenschaft erwerben können. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Ziel bei der Einführung des 86 § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Vgl. ausführlich zu § 250 BauGB bereits unter 3. 87 § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB. 88 Vgl. bereits unter 4., insbesondere dort Fußnote 43. 89 Klühs, Mietervorkaufsrecht bei en bloc-Verkauf, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM) 2013, S. 809, 811. 90 So explizit BGH, Urteil vom 22. November 2013 – V ZR 96/12 –, Randnummern 13 ff. (zitiert nach juris). 91 Vgl. etwa Klühs (Fußnote 89), S. 811 oder Bruns, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Mietrecht, 24. Edition (Stand: 1. Mai 2021), § 577 BGB, Randnummern 23. Soweit ersichtlich, benutzt die Rechtsprechung die Begrifflichkeit „Paketverkauf“ jedoch nicht und spricht auch dort von einem Verkauf en bloc, so etwa in BGH, Urteil vom 22. Juni 2007 – V ZR 269/06 –, Randnummer 11 (zitiert nach juris). 92 Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Band 5, § 577 BGB, Randnummer 23 mit weiteren Nachweisen. 93 Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 577 BGB, Randnummer 29. Vgl. auch § 577 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 473 Satz 1 BGB. Lediglich bei Versterben des Mieters sieht das Gesetz Ausnahmen vor (§ 577 Abs. 4 BGB). 94 Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2021, § 577 BGB, Randnummer 31 mit weiteren Nachweisen. Für die Festlegung des Kaufpreises in diesen Fällen gelten die bereits unter 4.2.2. diskutierten Regeln. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 16 Mietervorkaufrechts Anfang der 1990er Jahre, die Mieter vor einer Verdrängung im Zusammenhang mit einer Umwandlung in Wohnungseigentum zu schützen.95 Denn mit einer solchen Umwandlung geht die Gefahr der Eigenbedarfskündigung einher.96 Ziel des Mietervorkaufrechts in seiner derzeitigen Fassung ist es dagegen nicht, Mietern den Erwerb der von ihnen bewohnten Wohnung allgemein zu ermöglichen, etwa zur Vermögensbildung.97 Auch nach derzeitiger Rechtslage sind Mieter allerdings nicht gehindert, die von ihnen im Wege des Vorkaufrechts erworbene Wohnung weiterzuverkaufen.98 Nach allgemeinen Regeln kann die Weiterveräußerung dabei auch an eine rechtsfähige Genossenschaft erfolgen, die in der Folge auch WEG-Anteile innehaben kann (s. o.). 6. Einzelfragen zur Umwandlungsgenehmigung nach § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB Wie bereits erwähnt sieht § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, dass die für die Umwandlung in Wohnungs- oder Teileigentum ggf. notwendige behördliche Genehmigung zu erteilen ist, wenn dieses zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll.99 Die Bundesregierung begründet dies im zugrundeliegenden Gesetzentwurf damit, dass die Wohnungen dann zwar dem Mietwohnungsmarkt verloren gehen, „allerdings ohne eine große Zahl angestammter Bewohner zu verdrängen.“100 Aus der gesetzlichen Formulierung („veräußert werden soll“)101 wird dabei deutlich, dass die Genehmigung nicht davon abhängt, ob das Eigentum bereits an die Mieter veräußert wurde. Durch die zeitliche Staffelung kann zum Genehmigungszeitpunkt somit nicht mit vollständiger Sicherheit feststehen, dass das Eigentum in der Folge auch tatsächlich an die Mieter übergeht und diese somit wie beabsichtigt vor Verdrängung geschützt werden. 95 Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (Viertes Mietrechtsänderungsgesetz ), 15. September 1992, BT-Drs. 12/3254, S. 40, abrufbar unter: https://dserver.bundestag .de/btd/12/032/1203254.pdf. Vgl. ebenfalls BGH (Fußnote 43), Randnummer 25 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen . 96 Vgl. zu den diesbezüglichen Gefahren und gesetzgeberischen Schutzbemühungen näher Blank, in: Schmidt- Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 577 BGB, Randnummer 2. 97 Dies kritisierend und einen konkreten Änderungsvorschlag unterbreitend, Jeep, Das Mietervorkaufsrecht – Risiken de lege lata und Chancen de lege ferenda, Monatsschrift für die gesamte notarielle Praxis (notar) 2020, S. 311 ff. 98 Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 577 BGB, Randnummer 29. 99 Vgl. insbesondere umfassend unter 3. 100 BT-Drs. 19/24838 (Fußnote 28), S. 33. Weder der Gesetzeswortlaut noch die zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien differenzieren dabei im Übrigen, ob die Mieter das Eigentum unter Ausübung eines eventuellen Mietervorkaufsrechts oder frei erwerben. 101 § 250 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB [Hervorhebung diesseits]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 068/21 Seite 17 § 250 BauGB sieht zur Auflösung dieser Spannungslage keine verbindliche Regelung vor. Die Verbindung der Genehmigung mit einer Auflage soll in diesen Fällen jedoch ausgeschlossen sein.102 Im Übrigen eröffnen die § 250 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BauGB allerdings eine Möglichkeit, mit dem Unsicherheitsmoment umzugehen. Danach kann in der Umwandlungsgenehmigung in u. a. der vorliegenden Konstellation bestimmt werden, dass auch die spätere Veräußerung des aufgeteilten Eigentums der Genehmigung bedarf. Laut der Begründung der zugrundeliegenden Entwurfsfassung soll hierdurch gerade der zukünftige Eigentumsübergang an Personenkreise wie die Mieter eines Wohngebäudes sichergestellt werden.103 Die gesonderte Genehmigungspflicht wird auf Ersuchen der Genehmigungsstelle in das Wohnungs- bzw. das Teileigentumsgrundbuch eingetragen .104 Inwieweit Genehmigungsbehörden von dieser oder anderen Gestaltungsmöglichkeiten zur Absicherung des Genehmigungszweckes in der Praxis Gebrauch machen werden, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Insbesondere scheint es auch möglich, dass die Länder für ihre Behörden nähere Vorgaben für die Verwaltungspraxis treffen werden, z. B. in Form von Verwaltungsvorschriften . Im Zweifel richtet sich die nähere Ausgestaltung einer Genehmigung nach den Einzelfallumständen . Demnach hängen auch die Rechtsfolgen einer möglichen Aufhebung der Genehmigung von deren konkreter Ausgestaltung im jeweiligen Verwaltungsverfahren ab. * * * 102 „Eine Auflagenerteilung scheidet aus, wenn nach § 250 Absatz 3 Satz 1 ein Anspruch auf Genehmigung besteht .“ (BT-Drs. 19/29396 (Fußnote 69), S. 66.). Vgl. auch § 250 Abs. 4 Satz 2 BauGB. 103 Die Begründung knüpft im Einzelnen an die in § 250 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BauGB genannten Personen an (BT-Drs. 19/24838 (Fußnote 28), S. 33). 104 § 250 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Vgl. zu den verschiedenen Grundbuchbegriffen bereits unter 3.