© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 068/19 Zur Teilnahme von NATO-Streitkräften am inländischen Straßenverkehr Rechtsgrundlagen und Sanktionsmöglichkeiten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 2 Zur Teilnahme von NATO-Streitkräften am inländischen Straßenverkehr Rechtsgrundlagen und Sanktionsmöglichkeiten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 068/19 Abschluss der Arbeit: 24. April 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau- und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Teilnahme am Straßenverkehr 4 3. Sanktionsmöglichkeiten bei Verkehrsverstößen 5 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 4 1. Einleitung Die Bundesrepublik ist Mitglied in der NATO. Dies bedingt den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auf deutschem Boden. Für die rechtliche Beurteilung des Aufenthalts ausländischer Streitkräfte ist zwischen dem Recht zum Aufenthalt und dem Recht des Aufenthalts zu differenzieren.1 Rechtsgrundlage für den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte ist das „Gesetz betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 betreffend den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“.2 Das Recht des Aufenthalts wird maßgeblich durch das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. 06. 1951 (NATO-Truppenstatut )3 sowie das Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen vom 3. August 1959 (NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen)4 geregelt (Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen)5. Das Zusatzabkommen wurde nach Herstellung der deutschen Einheit durch Abkommen vom 18. 03. 1993 umfassend geändert.6 2. Teilnahme am Straßenverkehr Die Teilnahme am Straßenverkehr ist durch Art. 4 NATO-Truppenstatut sowie Art. 9 NATO- Truppenstatut-Zusatzabkommen geregelt. Art. 4 NATO-Truppenstatut verpflichtet den Aufnah- 1 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Schäfer et al., BT-Drs. 17/5279, BT-Drs. 7/5586 S. 2. 2 Gesetz betreffend den Vertrag vom 23. Oktober 1954 betreffend den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, (BGBl. 1955 II S. 253); abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik /themen/internatrecht/-/240236 (Letzter Abruf: 22. 04. 2019) 3 Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. 06. 1951 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190); abrufbar unter: http://www.abg-plus.de/abg2/ebuecher/abg_all/index.html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 4 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. 08. 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218); abrufbar unter: http://www.abg-plus.de/abg2/ebuecher/abg_all/index .html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 5 Gesetz vom 18. 08. 1961 (BGBl. 1961 II S. 1183) zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 57-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 227 der Verordnung vom 31. 08. 2015 (BGBl. I S. 1474); abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/natotrstatvtrg/BJNR211839961.html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 6 Gesetz zu dem Abkommen vom 18. 03. 1993 zur Änderung des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut und zu weiteren Übereinkünften vom 28. 09. 1994 (BGBl. 1994 II S. 2594), das zuletzt durch Art. 228 der Verordnung vom 31. 08. 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist; abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/natotrstatzabk_ndabkg/BJNR259420994.html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 5 mestaat, entweder die Fahrerlaubnisse des Entsendestaates als gültig anzuerkennen oder aufgrund des Vorliegens einer Fahrerlaubnis des Entsendestaates eine eigene Fahrerlaubnis auszustellen . Art. 9 Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen sieht vor, dass Fahrerlaubnisse für dienstliche Fahrzeuge in Deutschland zur Teilnahme am Straßenverkehr berechtigen. Diese berechtigen auch zum Führen entsprechender privater Fahrzeuge, Art. 9 Abs. 1 Satz 2. Im Entsendestaat ausgestellte Fahrerlaubnisse für private Fahrzeuge berechtigen auch zum Führen solcher Fahrzeuge in Deutschland, Art. Abs. 2 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen. Schließlich können gemäß Art. 9 Abs. 3 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen auch deutsche Fahrerlaubnisse vergeben werden. Dies richtet sind grundsätzlich nach deutschem Recht. Jedoch wird der Inhalt der schriftlichen und theoretischen Prüfungen im Benehmen mit dem Entsendestaat festgelegt (Art. 9 Abs. 3 Buchstabe c) und die Ausbildung kann auch in von der Truppe des Entsendestaates betriebenen Fahrschulen stattfinden (Art. 9 Abs. 3 Buchstabe b), sofern sie eine Bescheinigung besitzen, die sie aufgrund ihrer Eignung zur Ausbildung von Fahrschülern ermächtigt . Diese muss mit einer deutschen Übersetzung versehen sein. Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen des Entsendestaates gemäß Art. 9 Abs. 1 betrifft nur Mitglieder der Truppe und das zivile Gefolge. Die Anerkennung von Fahrerlaubnissen nach Art. 9 Abs. 2 sowie die Möglichkeit einer Ausstellung von deutschen Fahrerlaubnissen nach Art. 9 Abs. 3 stehen auch Angehörigen offen. Angehöriger ist gemäß Art. 1 Absatz 1 Buchstabe c NATO- Truppenstatut der Ehegatte eines Mitglieds einer Truppe oder eines zivilen Gefolges, sowie ein dem Mitglied gegenüber unterhaltsberechtigtes Kind. Art. 2 Abs. 2 Buchtstabe a NATO-Truppenstatut -Zusatzabkommen ergänzt dies um nahe Verwandte eines Mitgliedes einer Truppe oder eines zivilen Gefolges, die von diesem aus wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen abhängig sind, von ihm tatsächlich unterhalten werden, die Wohnung teilen, die das Mitglied innehat, und sich mit Genehmigung der Behörden der Truppe im Bundesgebiet aufhalten. 3. Sanktionsmöglichkeiten bei Verkehrsverstößen Art. 9 Abs. 6 Buchstabe a NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen ordnet an, dass die Entziehung von Fahrerlaubnissen den Behörden des Entsendestaates obliegt. Diese haben Ersuchen deutscher Behörden „wohlwollend“ zu prüfen. Soweit es um die Nutzung privater Fahrzeuge geht, lässt Art. 9 Abs. 6 Buchstabe b NATO-Truppenstatut -Zusatzabkommen die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis unberührt, soweit deutsche Gerichtsbarkeit einschlägig ist. Dies richtet sich nach Art. 7 NATO-Truppenstatut sowie nach Artikel 17 bis 19 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen.7 7 Für allgemeine Ausführungen zur Gerichtsbarkeit von in Deutschland stationierten Streitkräften wird verwiesen auf die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes (Hrsg.), Voraussetzungen einer Verfolgung von Straftaten in Deutschland stationierter Angehöriger von Streitkräften der NATO-Mitgliedstaaten, WD 2 - 3000 - 149/11; abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/413612/651c65889dc0fddfbb3bd833aac6c643/wd-2- 149-11-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 22. 04. 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 6 Art. 7 Abs. 3 Buchstabe a i. NATO-Truppenstatut weist dem Entsendestaat die Gerichtsbarkeit für Straftaten mit Dienstbezug zu. Ob eine Straftat einen Dienstbezug hat, entscheidet gemäß Art. 18 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen der Entsendestaat. Die höchste zuständige Behörde dieses Entsendestaates kann dem mit der Sache befassten deutschen Gericht oder der mit der Sache befassten deutschen Behörde eine Bescheinigung hierüber vorlegen. Das deutsche Gericht oder die deutsche Behörde trifft die Entscheidung im Einklang mit der Bescheinigung. In Ausnahmefällen kann diese Bescheinigung jedoch auf Antrag des deutschen Gerichts oder der deutschen Behörde zum Gegenstand einer Überprüfung durch Erörterungen zwischen der Bundesregierung und der diplomatischen Vertretung des Entsendestaates in der Bundesrepublik gemacht werden. Im Übrigen steht dem Aufnahmestaat ein Strafverfolgungsvorrang zu, Art. 7 Abs. 3 Buchstabe b NATO-Truppenstatut. Allerdings kann die Bundesrepublik gemäß Art. 19 Abs. 1 NATO-Truppenstatut -Zusatzabkommen einen allgemeinen Verzicht auf die Strafverfolgung erklären. Die Regelung des Unterzeichnungsprotokolls8 zu Artikel 19 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen, Abs. 1, ordnet an, dass dieser Verzicht mit Inkrafttreten des NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen in Kraft tritt, sofern dies von den Entsendestaaten erwünscht ist. Dies haben alle Entsendestaaten entsprechen erklärt.9 Seit dem gilt der Verzicht gegenüber den Entsendestaaten Vereinigtes Königreich, Kanada, die Niederlande und die Vereinigten Staaten. Für Frankreich wurde dies mit Wirkung zum 01. 07. 2000 wieder aufgehoben.10 Dieser Verzicht kann binnen einer Frist von 21 Tagen im Einzelfall durch die deutschen Behörden zurückgenommen werden, wenn Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Rechtspflege erfordern, Art. 19 Abs. 3 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen. Art. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen sieht die Staatsanwaltschaft als zuständige Behörde für die Verzichtserklärung vor. Gemäß der Regelung des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen, Absatz 2 Buchstabe a, ist eine Rücknahme des Verzichts insbesondere dann möglich, wenn die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszuge gegeben ist, der Generalbundesanwalt die Verfolgung übernimmt oder es sich um Tötungsdelikte, Raub und Vergewaltigung handelt. Gleiches gilt für den Versuch solcher Delikte oder die Teilnahme an ihnen. Sonderregelungen für Verkehrsdelikte existieren nicht. Jedoch ergibt sich aus der Aufzählung von Absatz 2 Buchstabe a der der Regelung des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19 NATO-Truppenstatut-Zusatzabkommen, dass typische Verkehrsstraftaten gerade nicht erfasst sind. Anderes gilt für die fahrlässige Tötung, § 222 Strafgesetzbuch (StGB)11 sowie das verbotene Kraftfahrzeugrennen, sofern der Tod eines Menschen verursacht wurde, § 315d Abs. 5 StGB. 8 Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzabkommen vom 3.8.1959, abrufbar unter http://www.abg-plus.de/abg2/ebuecher /abg_all/index.html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 9 Vgl. die Bekanntmachung zu Art. 19 Abs. 1 des Zusatzabkommens vom 03. 08.1959 (BGBl. 1964 II 1231), abrufbar unter https://www.bgbl.de/ (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 10 Vgl. die Bekanntmachung zu Art. 19 Abs. 1 des Zusatzabkommens vom 03. 08.1959 (BGBl. 2001 II 189); abrufbar unter https://www.bgbl.de/ (letzter Abruf: 22. 04. 2019). 11 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 11. 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22. 03. 2019 (BGBl. I S. 350); abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet .de/stgb/BJNR001270871.html (letzter Abruf: 22. 04. 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 068/19 Seite 7 4. Fazit Fahrerlaubnisse von Entsendestaaten werden in Deutschland grundsätzlich anerkannt. Ihre Entziehung erfolgt durch den Entsendestaat. Verkehrsverstöße in Ausübung des Dienstes sind der vorrangigen Gerichtsbarkeit des Entsendestaates unterworfen. Im Übrigen gilt ein Vorrang deutscher Gerichtsbarkeit, auf den die Bundesrepublik jedoch gegenüber dem Vereinigten Königreich, Kanada, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten verzichtet hat. Die zuständige Staatsanwaltschaft kann diesen Verzicht im Einzelfall widerrufen, wenn die Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der Gerichtsbarkeit erfordern. Dies ist namentlich bei Staatsschutzund Tötungsdelikten sowie Vergewaltigung und Raub der Fall. Bei Verkehrsstraftaten ohne tödlichen Ausgang wird die deutsche Gerichtsbarkeit daher regelmäßig nicht ausgeübt. Soweit deutsche Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, kommt auch eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht. ***