WD 7 - 3000 - 067/19 (17. April 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG hat der Bund das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung für das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 weist dem Bund dann einen Kompetenztitel für das Bodenrecht zu, vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1 veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. 03. 2019 (BGBl. I S. 404); abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html (Letzter Abruf: 17. 04. 2019). Der verfassungsrechtliche Rechtsrahmen ergibt sich aus Art. 14 Abs. 3 GG. Demnach ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig und darf nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (sog. Junktimklausel), vgl. die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes (Hrsg.), Zur Zulässigkeit der Vergesellschaftung von Wohneigentum eines privaten Wohnungsunternehmens, - WD 7 - 3000 - 108/19 –. Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen für eine Enteignung aus städtebaulichen Gründen sind in den §§ 85 ff. des BauGB niedergelegt. So sind Enteignungen zulässig, wenn einer der dort genannten Enteignungszwecke einschlägig ist. Für die Enteignung brachliegender Grundstücke kommt insbesondere § 85 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 176 BauGB in Betracht, wenn der Eigentümer ein rechtmäßig angeordnetes Baugebot nicht befolgt. Die Enteignungszwecke des § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauGB können ebenfalls auf brachliegende Grundstücke angewandt werden. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sieht Enteignungen zur Verwirklichung eines Bebauungsplans vor (sog. planakzessorische Enteignung). § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB betrifft Grundstücke im sogenannten ungeplanten Innenbereich, die nicht oder nur geringfügig bebaut sind, vgl. § 85 Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 03. 11. 2017 (BGBl. I S. 3634); abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet .de/bbaug/BJNR003410960.html (Letzter Abruf: 17. 04. 2019). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Zulässigkeit der Enteignung brachliegender Grundstücke Kurzinformation Zur Zulässigkeit der Enteignung brachliegender Grundstücke Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Der Anordnung eines Baugebotes soll nach § 175 Abs. 1 BauGB eine Erörterung mit dem Betroffenen vorausgehen, die über eine bloße Anhörung hinausgeht. Zudem muss nach § 175 Abs. 2 BauGB eine alsbaldige Durchführung aus städtebaulichen Gründen erforderlich sein. Als solchen Belang nennt § 175 Abs. 2 BauGB ausdrücklich den dringenden Wohnbedarf der Bevölkerung. Die Anordnung eines Baugebotes ist eine Ermessensentscheidung der Gemeinde. Gemäß § 185 Abs. 3 BauGB sind die Wirkungen eines Baugebotes auch von etwaigen Mietern, Pächtern und sonstigen Nutzungsberechtigten zu dulden. Ist die Durchführung aus wirtschaftlichen Gründen dem Eigentümer nicht zuzumuten (objektive Unzumutbarkeit), hat die Gemeinde von dem Baugebot abzusehen (§ 175 Abs. BauGB). Ist die Durchführung nur dem konkreten Eigentümer aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten (subjektive Unzumutbarkeit), kann dieser die Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde verlangen, § 175 Abs. 4 BauGB. Nach § 87 Abs. 1 BauGB darf der Enteignungszweck (bspw. dringender Wohnbedarf der Bevölkerung) ferner auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden können. Als ultima ratio kommt die Enteignung demnach nur in Frage, wenn es keine andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösung gibt. § 87 Abs. 2 Satz 1 BauGB sieht weiter ein Verhandlungsgebot vor. Demnach muss vor einer Enteignung ein ernsthaftes Bemühen um einen Erwerb des Grundstücks stattgefunden haben. Ernsthaftigkeit setzt insbesondere einen angebotenen Preis voraus, der zumindest annähernd dem entspricht, was im Falle einer Enteignung als Entschädigung zu erwarten wäre. Weiterhin erforderlich ist die Glaubhaftmachung der dauerhaften Zweckverwirklichung, § 87 Abs. 2 Satz 2 BauGB. Wird zum Zwecke der Bebauung brachliegender Grundstücke enteignet, ist also die Glaubhaftmachung erforderlich, dass das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist, die im Einzelfall zu bestimmen ist, bebaut wird. Die Enteignung ist entschädigungspflichtig. Die Grundsätze der Entschädigung werden durch die §§ 93 ff. BauGB geregelt. Demnach ist die Entschädigung durch einen einmaligen Geldbetrag das gesetzliche Grundmodell, § 99 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Eine Entschädigung durch einen laufenden Gelbetrag ist gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 BauGB nur auf Antrag des zu Enteignenden und nur unter der Voraussetzung möglich, dass dies den übrigen Beteiligten zumutbar ist. Eine Entschädigung in Land ist gemäß § 100 BauGB auf Antrag des zu Enteignenden möglich, wenn er zur Sicherung seiner Berufstätigkeit, seiner Erwerbstätigkeit oder zur Erfüllung der ihm wesensgemäß obliegenden Aufgaben auf Ersatzland angewiesen ist und der Enteignungsbegünstigte über geeignetes Ersatzland verfügen, oder dieses freihändig oder im Wege der Enteignung beschafft werden kann. ***