© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 065/18 Rechtsprechung zum Baugebot nach § 176 BauGB Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 2 Rechtsprechung zum Baugebot nach § 176 BauGB Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 065/18 Abschluss der Arbeit: 4. April 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bundesverwaltungsgericht vom 30. Oktober 1958 4 3. Bundesverwaltungsgericht vom 3. August 1989 6 4. Bundesverwaltungsgericht vom 15. Februar 1990 7 5. Bundesverwaltungsgericht vom 15. Februar 1990 8 6. Bundesverwaltungsgericht vom 11. April 1991 8 7. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom 8. Juli 1996 9 8. Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 10. November 2005 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 4 1. Einleitung Ein durch eine Gemeinde angeordnetes Baugebot ist nur selten Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden. Es konnte lediglich eine Gerichtsentscheidung recherchiert werden, die zu einem Baugebot nach § 176 des Baugesetzbuches (BauGB)1 ergangen ist (siehe Ziffer 8). Insgesamt sind noch sechs weitere Entscheidungen einschlägig: In einer dieser Entscheidungen erging ein Baugebot nach mittlerweile nicht mehr geltendem hessischem Landesrecht (siehe Ziffer 2); fünf weitere betrafen Baugebote nach § 39b des Bundesbaugesetzes (BBauG)2 (siehe Ziffern 3-7). § 39b BBauG als Vorgängerregelung des § 176 BauGB entspricht in weiten Teilen der heutigen Regelung. Dies gilt insbesondere für die in § 176 Absatz 1 und Absatz 2 BauGB bestimmten Anwendungsfälle eines Baugebots, die sich nahezu wortgleich in § 39b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 7 BBauG wiederfinden . Ebenfalls entsprechen die in § 176 Absatz 3 und Absatz 4 BauGB enthaltenen Bestimmungen zur objektiven und subjektiven Wirtschaftlichkeit eines Baugebots der früheren Regelung in § 39b Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 BBauG.3 Diese sieben Gerichtsentscheidungen werden im Folgenden in chronologischer Reihenfolge dargestellt , um die Situationen, in denen es zur Anordnung von Baugeboten gekommen ist, zu veranschaulichen . 2. Bundesverwaltungsgericht vom 30. Oktober 1958 Am 30. Oktober 1958 hatte das Bundesverwaltungsgericht über ein Baugebot zu entscheiden, das aufgrund § 46 Absatz 1 Nummer 6 des hessischen Aufbaugesetzes4 angeordnet wurde.5 Diese Vorschrift ermöglichte es, einem Grundeigentümer die Pflicht aufzuerlegen, begonnene Bauten fertigzustellen, um sie für Wohn- oder gewerbliche Zwecke der allgemeinen Verkehrsanschauung entsprechend nutzbar zu machen.6 Der Fall spielte im Jahr 1955. Der Grundeigentümer hatte mit dem Wiederaufbau seines im Krieg beschädigten Wohnhauses begonnen. Der innere Ausbau der beiden Obergeschosse blieb aller- 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634). 2 Bundesbaugesetz in der Fassung vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2256). 3 Vgl. die synoptische Gegenüberstellung von § 176 BauGB und § 39b BBauG bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg /Krautzberger, Baugesetzbuch, 127. EL Oktober 2017, § 176 Rn. 19. 4 Das hessische Gesetz über den Aufbau der Städte und Dörfer des Landes Hessen (Aufbaugesetz) vom 25. Oktober 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, S. 139) in der Fassung des Gesetzes vom 23. November 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, S. 164) wurde durch § 186 Absatz 1 Nummer 38 BBauG vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) außer Kraft gesetzt. 5 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris. 6 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 5 dings unvollendet und diese Räume somit unbewohnbar. Versuche, den Ausbau der Räume aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer zu erreichen, scheiterten. Es wurde daher ein Baugebot angeordnet, um den Grundeigentümer zur Fertigstellung des begonnenen Ausbaus zu verpflichten.7 Dies wurde mit der bestehenden Wohnungsnot und dem Mangel an geeignetem Bauland begründet, weshalb vor Inanspruchnahme neuen Geländes zunächst vorhandene Gebäude zu nutzen seien.8 Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit des Baugebots. Eine Baupflicht sei eine Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG)9.10 Sie sei verfassungsgemäß, wenn sie erfolge, um das Eigentum gegen übergeordnete kollidierende Werte abzugrenzen und durch diese Gesichtspunkte gerechtfertigt sei.11 Dies sei hier zu bejahen. Denn: „In einer Zeit, in der immer noch eine Wohnungsnot besteht, auch ein spürbarer Mangel an geeignetem Bauland sich geltend macht, dient die Pflicht, vorhandene Gebäude zu Wohn- und gewerblichen Zwecken nutzbar zu machen, dem berechtigten Anliegen der Gemeinschaft, vor Inanspruchnahme neuen Geländes zunächst den bereits vorhandenen Raumbestand zur Beseitigung dieser Notlage zu benutzen.“12 Das Grundstück liege „in einem seit langem erschlossenen Baugebiet . Es kann durch den Ausbau eine nicht unerhebliche Wohnfläche gewonnen werden.“13 Das Gericht machte aber auch deutlich, dass das Instrument des Baugebots nicht für Fälle gedacht sei, in denen es „zu wirtschaftlich unzumutbaren Belastungen des Grundeigentümers“ führt, „so etwa, wenn die durch den angeordneten Ausbau erzielten Mehreinnahmen nicht einmal die Bewirtschaftungskosten des Gebäudes oder des Gebäudeteiles decken oder dem Grundeigentümer doch eine auf lange Zeit nicht zu tilgende Kapitalschuld auferlegt wird, die, auch wenn man den vermehrten Baubestand berücksichtigt, den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks ernstlich mindert.“14 Deshalb sei es verfassungsrechtlich geboten, „dass bei Erlass eines Baugebots oder bei Androhung der Ersatzvornahme ersichtlich ist, ob es sich um eine Maßnahme handelt , die im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums bleibt, mit anderen Worten, ob die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme in dem oben bezeichneten Umfange gegeben ist.“15 Das bedeute 7 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 1. 8 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 15. 9 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist. 10 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 13-14. 11 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 15. 12 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 15. 13 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 21. 14 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 16. 15 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 6 nicht, dass bereits in dem Zeitpunkt, in dem das Baugebot erlassen oder die Ersatzvornahme angedroht werde, stets bereits ein detaillierter Finanzierungsplan oder eine genaue Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgestellt werden müsse. Eine „überschlägliche Berechnung – unter Berücksichtigung der gegebenenfalls zur Verfügung zu stellenden öffentlichen Mittel –“ müsse jedoch erfolgen , um erkennen zu können, ob die entschädigungslose Auferlegung einer Baupflicht verfassungsgemäß sei.16 Zwar erging diese Entscheidung zu einem Baugebot, welches aufgrund des damaligen hessischen Landesrechts angeordnet wurde. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze zur verfassungsrechtlichen Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit eines Baugebots sind jedoch noch heute von Bedeutung und werden unter anderem zur Auslegung des § 176 Absatz 3 BauGB herangezogen.17 3. Bundesverwaltungsgericht vom 3. August 1989 Dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts18 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eigentümer ließen ihr Grundstück, welches im Geltungsbereich eines Bebauungsplans lag, zunächst unbebaut. Durch Anordnung eines Baugebots nach § 39b Absatz 1 BBauG19 wurden sie verpflichtet , die Baulücke, die mit einem in die Straße hineinragenden massiven und relativ hohen Bauzaun zur Straßenseite hin abgeschirmt war, mit einem Wohngebäude zu schließen. Der Bebauungsplan setzte für diesen Bereich zwar eine Wohnhausbebauung fest.20 Allerdings schrieb er insoweit lediglich im Wesentlichen den vorhandenen Bestand fest. Die Zielvorstellung des Bebauungsplans hinsichtlich der Schaffung neuen Wohnraums bezog sich nach Auffassung des Gerichts dagegen erkennbar auf eine Neubebauung in anderen Bereichen des Plans.21 Diese Situation vermochte aus Sicht des Gerichts das Baugebot nicht zu rechtfertigen.22 Es fehle an der städtebaulichen Erforderlichkeit, die seinerzeit wie auch heute noch Voraussetzung für den Erlass eines Baugebotes ist23. Die städtebaulichen Gründe, die die Anordnung eines Baugebots rechtfertigen können, müssten in ihrem Gewicht und ihrer Dringlichkeit über diejenigen 16 BVerwG, Urteil vom 30.10.1958, I C 29.58, juris, Rn. 18. 17 Vgl. beispielhaft Köhler/Fieseler, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 8. Auflage 2015, § 175 Rn. 5 f., § 176 Rn. 13 sowie Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 127. EL Oktober 2017, § 176 Rn. 42. 18 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris. 19 Entspricht § 176 Absatz 1 BauGB. 20 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris, Rn. 2. 21 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris, Rn. 2. 22 Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts diente hier zwar als Informationsquelle, jedoch erfolgten die rechtlichen Ausführungen in den vorinstanzlichen Entscheidungen. Im vorliegenden Beschluss griff das Bundesverwaltungsgericht diese Erwägungen wiederholend auf und stellte klar, dass sie keiner Ergänzung bedürften . 23 Vgl. § 39a Absatz 2 BBauG einerseits und § 175 Absatz 2 BauGB andererseits. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 7 Gründe hinausgehen, die den Bebauungsplan selbst tragen.24 Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass die Realisierung des Plans durch Errichtung eines Wohngebäudes gerade auf diesem Grundstück über das legitime Interesse der Verwaltung an einer Verwirklichung des Plans hinaus aus besonderen Gründen nunmehr alsbald erforderlich sei.25 Dem Bauzaun könne bei der Beurteilung der städtebaulichen Erforderlichkeit keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, da es sich lediglich um eine vorübergehende und nicht die örtlichen Verhältnisse prägende untergeordnete Anlage handele.26 4. Bundesverwaltungsgericht vom 15. Februar 1990 In diesem Anfang der 1980er Jahre spielenden Fall des Bundesverwaltungsgerichts27 ging es um ein bisher unbebautes und als Parkplatz genutztes Grundstück, welches innerhalb im Zusammenhang bebauter Orteilsteile und damit in einem unbeplanten Innenbereich, nämlich der Kölner Innenstadt, gelegen war. Durch Anordnung eines Baugebots nach § 39b Absatz 7 BBauG28 wurde die Grundeigentümerin zum Bau eines viergeschossigen Gebäudes verpflichtet. Zur Begründung wurde angeführt, das Grundstück stelle eine der wenigen noch vorhandenen Baulücken in der Kölner Innenstadt dar, in welcher zugleich ein Mangel an familiengerechten Wohnungen bestehe . Nach den städtebaulichen Zielvorstellungen des Entwicklungsprogramms für die Kölner Innenstadt sei durch die Bebauung der Baulücken mit Wohnungen die Stabilisierung der Wohnbereiche herbeizuführen. Hierdurch könne auch die vorhandene soziale und technische Infrastruktur besser ausgenutzt werden.29 Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, dass bei einer solchen Sachlage die Schließung der Baulücke städtebaulich erforderlich und ein Baugebot damit grundsätzlich zu rechtfertigen sei.30 Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass das Baugebot dann hinreichend bestimmt sei, wenn es für den Grundeigentümer die Pflicht ausspreche, innerhalb angemessener Frist die notwendigen Maßnahmen für eine Bebauung zu ergreifen. Die Handlungspflicht müsse für den Eigentümer so umschrieben sein, dass er erkennen könne, was von ihm verlangt werde.31 Seien jedoch bauplanungsrechtlich mehrere bauliche Nutzungen zulässig, dürfe das Baugebot dem Eigentümer aber keine konkrete Bebauung vorgeben, sondern lediglich die Pflicht, sich mit einer von ihm zu 24 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris, Rn. 2. 25 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris, Rn. 2 f. 26 BVerwG, Beschluss vom 03.08.1989, 4 B 70/89, juris, Rn. 4. 27 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris. 28 Entspricht § 176 Absatz 2 BauGB. 29 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 2, 7. 30 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 47, 58: Eine Feststellung, ob die genannten Gründe auch tatsächlich vorlagen, war jedoch bisher nicht erfolgt, weshalb die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde. 31 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 8 wählenden Bebauung im Rahmen der zulässigen Nutzungsmöglichkeiten zu halten.32 Da das vorliegende Baugebot diesen Anforderungen gerecht werde, nämlich die konkrete Art der Nutzung sowie alle weiteren Einzelheiten des zu bauenden Gebäudes offen lasse, sei es hinreichend bestimmt , ohne die Entscheidungsfreiheit der Grundeigentümerin unzulässig zu beschränken.33 5. Bundesverwaltungsgericht vom 15. Februar 1990 In diesem Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht lediglich über die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung eines bereits bestandskräftigen Baugebots zu entscheiden.34 Deshalb lassen sich der Entscheidung weder nähere Angaben zu den Gründen entnehmen, die zu der Anordnung des Baugebots geführt hatten, noch äußert sich das Bundesverwaltungsgericht zu dessen Rechtmäßigkeit . Es wird lediglich deutlich, dass das betroffene Grundstück ebenfalls in Köln lag, dass sich auf ihm eine Ruine befand und dass der Eigentümer verpflichtet wurde, nach Beseitigung der Ruine ein mehrgeschossiges Gebäude zu erbauen und innerhalb einer bestimmten Frist den hierzu erforderlichen Bauantrag35 zu stellen. Das Gericht stellte klar, dass ein Baugebot mit den Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden könne.36 Gleiches gelte für die mit dem Baugebot gegebenenfalls verbundene Anordnung, innerhalb einer bestimmten Frist den erforderlichen Bauantrag zu stellen.37 Komme der Grundeigentümer seinen Pflichten aus dem Baugebot trotz Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern nicht nach, habe die Behörde zu prüfen, ob anstelle wiederholter Androhung eines Zwangsgeldes eine Enteignung nicht das verhältnismäßigere Mittel sei, um die für notwendig erachtete Bebauung in die Wege zu leiten.38 6. Bundesverwaltungsgericht vom 11. April 1991 Am 11. April 1991 hatte das Bundesverwaltungsgericht über ein gemeinschaftliches Baugebot zu entscheiden.39 Ein solches Baugebot war in § 39b BBauG geregelt. § 39b Absatz 3 BBauG sah vor, 32 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 33, 34. 33 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 34, 39. 34 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 45/87, juris. 35 Gemäß § 176 Absatz 7 BauGB kann das Baugebot mit der Pflicht, innerhalb einer bestimmten Frist den erforderlichen Bauantrag zu stellen, verbunden werden. Vor Geltung des § 176 BauGB war die Rechtsgrundlage für ein solches Bauantragsgebot in § 39b Absatz 1 Satz 1 i. V. m. Absatz 7 BBauG enthalten, vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 41/87, juris, Rn. 50 ff. 36 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 45/87, juris, Rn. 21. 37 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 45/87, juris, Rn. 17-20. 38 BVerwG, Urteil vom 15.02.1990, 4 C 45/87, juris, Rn. 26. Heute ergibt sich die entsprechende Enteignungsbefugnis aus § 85 Absatz 1 Nummer 5 BauGB. 39 BVerwG, Urteil vom 11.04.1991, 4 C 7/90, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 9 dass ein Baugebot bei einem zusammenhängenden Bauvorhaben zur Erleichterung oder Beschleunigung der Durchführung des Bebauungsplans auch an mehrere Eigentümer als Gebot ergehen kann, das Bauvorhaben gemeinschaftlich oder in Abstimmung untereinander durchzuführen. In §§ 175, 176 BauGB wird das Instrument des gemeinschaftlichen Baugebots nicht mehr erwähnt . Im vorliegenden Fall hatte die Stadt Nürnberg zwei benachbarte Grundeigentümer durch Anordnung eines Baugebots nach § 39b Absatz 7 in Verbindung mit Absatz 3 BBauG40 zum gemeinsamen Bau eines mehrgeschossigen Gebäudes verpflichtet, welches sich über ihre beiden Grundstücke erstrecken sollte. Auf einem der betroffenen Grundstücke stand bisher ein lediglich eingeschossiges Gebäude, welches gewerblich genutzt wurde. Zur Begründung für dieses gemeinsame Baugebot wurde angeführt, dass der angeordnete Bau der Umgebungsbebauung entspreche.41 Das Bundesverwaltungsgericht erklärte das gemeinschaftliche Baugebot für rechtswidrig. Ein gemeinschaftliches Baugebot erfordere, dass sich das zusammenhängende Bauvorhaben auf Grundstücke beziehe, die jedes für sich entsprechend bebaubar seien.42 Dies sei vorliegend nicht der Fall, da der von der Stadt Nürnberg gewünschte Bau nicht auf nur einem der Grundstücke verwirklicht werden könne, sondern sich aufgrund seiner Größe notwendigerweise über beide Grundstücke erstrecken müsse.43 Der durch ein – auch gemeinschaftliches – Baugebot verpflichtete Grundeigentümer müsse aber laut Bundesverwaltungsgericht in der Lage sein, den geforderten Bau selbst zu verwirklichen. Denn das gemeinschaftliche Baugebot fasse nur einzelne Baugebote zum Zwecke besserer Koordinierung zusammen, wodurch eine Beschleunigung erreicht werden solle. § 39b Absatz 3 BBauG habe damit lediglich deklaratorische Bedeutung. Deshalb habe der Gesetzgeber auch darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung in den § 176 BauGB aufzunehmen.44 7. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom 8. Juli 1996 In dem Fall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs45 hatte eine Gemeinde ein Baugebot nach § 39b Absatz 1 BBauG46 erlassen, wonach die Grundeigentümerin innerhalb von vier Jahren nach Eintritt der Bestandskraft des Baugebots ihr Grundstück entsprechend den Vorgaben des geltenden Bebauungsplans bebauen sollte. Die Eigentümerin legte keine Rechtsbehelfe ein und das Baugebot wurde bestandskräftig. In der Folge kam sie ihrer Pflicht aus dem Baugebot trotz mehr- 40 § 39b Absatz 7 BBauG entspricht § 176 Absatz 2 BauGB. 41 BVerwG, Urteil vom 11.04.1991, 4 C 7/90, juris, Rn. 2. 42 BVerwG, Urteil vom 11.04.1991, 4 C 7/90, juris, Rn. 18 ff. 43 BVerwG, Urteil vom 11.04.1991, 4 C 7/90, juris, Rn. 2, 23. 44 BVerwG, Urteil vom 11.04.1991, 4 C 7/90, juris, Rn. 20. 45 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 08.07.1996, 15 B 94.3683, BeckRS 1996, 16932. 46 Entspricht § 176 Absatz 1 BauGB. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 065/18 Seite 10 facher Aufforderung nicht nach. Insgesamt 14 Jahre nach Erlass des Baugebots forderte die Gemeinde die Eigentümerin auf, innerhalb einer bestimmten Frist einen Bauantrag einzureichen (vgl. § 176 Absatz 7 BauGB), und drohte im Falle der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Hiergegen wandte sich die Grundeigentümerin im vorliegenden Fall. Das Gericht betonte, dass ein Baugebot auch ohne explizite Anordnung stets die Pflicht beinhalte , den zur Umsetzung des Baugebots erforderlichen Bauantrag zu stellen. Spreche die Gemeinde – wie im vorliegenden Fall – diese Pflicht später noch einmal ausdrücklich aus, liege hierin lediglich die Wiederholung einer Einzelverpflichtung aus dem ursprünglichen Baugebot. Daher stelle die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags keinen neuen Verwaltungsakt dar, der eigenständig angefochten werden könne.47 8. Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 10. November 2005 Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden48 war ein Baugebot nach § 176 Absatz 1 BauGB. Die Gebotsadressaten waren Eigentümer mehrerer Grundstücke, die in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet lagen und seit vielen Jahren unbebaut waren. Die Gemeinde ordnete an, die Grundstücke entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen. Zur Begründung wurde angeführt, dass in der Gemeinde ein erheblicher Bedarf an Gewerbefläche bestehe . Die Flächen innerhalb der Gemeinde, die gewerblich genutzt werden könnten, seien weitgehend erschöpft. Anfragen zur Neuansiedlung oder Umsiedlung müssten abgelehnt werden. Es gebe sogar einige Betriebe, die sich in Wohnbereichen befänden. Diesen solle ermöglicht werden, sich aus der bebauten Ortslage heraus zu verlagern.49 Die in Rede stehenden Grundstücke seien voll erschlossene, gewerblich nutzbare Grundstücke, die daher vor Ausweisung neuer Gewerbeflächen genutzt werden müssten.50 Das Gericht erklärte das Baugebot für rechtmäßig. Die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne von § 175 Absatz 2 BauGB sei aufgrund des geschilderten dringenden Bedarfs an Gewerbefläche gegeben.51 Selbst wenn in absehbarer Zeit ein neuer Bebauungsplan rechtskräftig werden sollte, könnten mit den dort neu ausgewiesenen Gewerbeflächen immer noch nicht alle Interessenten befriedigt werden.52 *** 47 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 08.07.1996, 15 B 94.3683, BeckRS 1996, 16932. 48 Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2005, 3 E 2389/02 (V), juris. 49 Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2005, 3 E 2389/02 (V), juris, Rn. 2. 50 Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2005, 3 E 2389/02 (V), juris, Rn. 16. 51 Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2005, 3 E 2389/02 (V), juris, Rn. 21. 52 Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 10.11.2005, 3 E 2389/02 (V), juris, Rn. 22.