© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 064/21 „Bio-Regionalität“ in der Gemeinschaftsverpflegung Verankerung im Vergabeverfahren Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Landesrechtliche Besonderheiten 14 4. Berücksichtigung umweltbezogener Aspekte außerhalb der Leistungsbeschreibung 14 5. Fazit 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 4 1. Einleitung Die Sicherstellung der Gemeinschaftsverpflegung in öffentlichen Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Schulen gehört zu den klassischen Aufgaben öffentlicher Träger.1 Sofern diese die Aufgabe nicht selbst erledigen, finden auf die Auswahl von hierzu herangezogenen Dritten in aller Regel die Vorgaben des Vergaberechts Anwendung.2 Den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages wurden in diesem Zusammenhang rechtliche Einzelfragen zur Aufnahme des Merkmals der „Bio-Regionalität“ in Leistungsbeschreibungen in Vergabeverfahren gestellt, die sich auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union (EU) erstrecken. Die Wissenschaftlichen Dienste weisen darauf hin, dass sie nach ihren Verfahrensgrundsätzen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit mit parlamentsgerecht aufbereiteten wissenschaftlichen Informationen unterstützen. Sie erteilen keine Rechtsauskünfte im Einzelfall. Die rechtlichen Aussagen dieses Gutachtens sind demgemäß abstrakt und können nicht pauschal auf die Gestaltung tatsächlicher Vergabeverfahren übertragen werden . 2. Vergaberechtliche Grundlagen Das Vergaberecht regelt allgemein die Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen sowie die Vergabe von Konzessionen durch staatliche oder vom Staat beeinflusste Auftraggeber. 3 EUweite Ausschreibungen sind dabei nur vorgeschrieben, sofern der geschätzte Beschaffungswert ein bestimmtes finanzielles Volumen übersteigt, das je nach Branche abweichen kann („Oberschwellenbereich “):4 Nur in diesen Fällen findet der erweiterte Regelungskanon des auch „Kartellvergaberecht “ genannten vierten Teils (§§ 97 ff.) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)5 Anwendung. Die dem GWB nachgeordneten Rechtsverordnungen schreiben schließlich entsprechend gestaltete Ausschreibungen vor.6 1 Grimm, Vergabe von Verpflegungsleistungen für kommunale Kindertagesstätten und Schulen , Landes- und Kommunalverwaltung (LKV) 2020, S. 549. 2 Vgl. hierzu noch unter 2. 3 Pünder/Buchholtz, in: Einführung in das Vergaberecht (Teil 1) − Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereich, Juristische Ausbildung (JURA) 2016, S. 1246. 4 Vollständige Zusammenstellung der verschiedenen Schwellenwerte auf der Internetseite der EU -Kommission mit Nachweisen zu den jeweiligen Rechtsgrundlagen, abrufbar nur in englischer Sprache unter: https://ec.europa .eu/growth/single-market/public-procurement/rules-implementation/thresholds_de (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 18. Juni 2021). 5 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Ju ni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 3 des Gesetzes vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gwb/. 6 Vgl. etwa §§ 37, 40 Vergabeverordnung (VgV). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 5 Die aktuelle Ausgestaltung des Kartellvergaberechts basiert maßgeblich auf der Vergaberechtsreform von 2016, die primär verschiedene EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt hat.7 Soweit das Kartellvergaberecht grundsätzlich Anwendung findet, stellt sich bei der Vergabe der Gemeinschaftsverpflegung als Gesamtdienstleistung das Problem der Abgrenzung zwischen Dienstleistungsauftrag (§ 103 Abs. 4 GWB) und (Dienstleistungs-)konzession (§ 105 GWB).8 Bei einem Dienstleistungsauftrag besteht das Vertragsverhältnis nur zwischen dem öffentlichen Träger und dem Dienstleister. Letzterer liefert gegen Entgelt die Verpflegungen in die betreffenden Einrichtungen . Ob der öffentliche Träger anschließend einen Teil oder die gesamten Kosten der Verpflegung von den Nutzern erhebt, bleibt ihm überlassen.9 Bei einer Konzession gewährt der öffentliche Träger einem Privaten das Recht, in seinen Einrichtungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Verpflegungsleistungen anzubieten.10 Seine Refinanzierung stellt der Privatanbieter dadurch sicher, dass er für die Veräußerung der Mahlzeiten von den Besuchern ein Entgelt erhält.11 Wann ein Dienstleistungsauftrag und wann eine Konzession gegeben ist, hängt somit von der Formulierung des Leistungsgegenstandes im Einzelfall ab. Dienstleistungsaufträge zählen zu den öffentlichen Aufträgen gemäß § 103 GWB, für die die allgemeinen Vorschriften der §§ 97 ff. GWB regulär gelten. Details ergeben sich aus der Vergabeverordnung (VgV).12 Für Konzessionen finden speziell die §§ 148 ff. GWB und näher die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV)13 Anwendung. Sowohl beim Dienstleistungsauftrag als auch bei der Konzession hat der Auftrag- bzw. Konzessionsgeber im Rahmen der Ausschreibung sogenannte Vergabeunterlagen öffentlich zur Verfügung zu stellen.14 Hierzu gehört auch die Leistungsbeschreibung.15 In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu umreißen, dass die Be- 7 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergRModG) vom 17. Februar 2016 (BGBl. 2016 I S. 203). Siehe auch weitergehende Erläuterungen in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 16. Dezember 2015, Bundestag -Drucksache (BT-Drs.) 18/7086, abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/18/070/1807086.pdf. 8 So in Bezug auf kommunale Schulen und Kindertagesstätten, Grimm (Fußnote 1), S. 550. 9 Ebenda. 10 Ebenda. 11 Ebenda. 12 Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624), die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. November 2020 (BGBl. I S. 2392) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/vgv_2016/. 13 Konzessionsvergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. 2016 I S. 624, 683), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. 2018 I S. 1117) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/konzvgv/index.html. 14 Vgl. §§ 29, 41 VgV bzw. §§ 16 f. KonzVgV. 15 Vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VgV bzw. § 16 Satz 2 KonzVgV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 6 schreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können.16 Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen („konventionelle Leistungsbeschreibung“)17 oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe („funktionale Leistungsbeschreibung“),18 deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist.19 Zudem werden die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung aufgeführt.20 Das Recht zur Aufstellung der Leistungsbeschreibung geht vom Grundsatz des Leistungsbestimmungsrechts des Auftrag- bzw. Konzessionsgebers aus: Es ist dessen kaufmännische Entscheidung , ob und welche Leistungen mit welchen Merkmalen ausgeschrieben werden.21 Das Vergaberecht bestimmt dabei nicht, was beschafft wird, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung .22 3. „Bio-Regionalität“ und Vergaberecht Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen im Oberschwellenbereich ist von verschiedenen , hauptsächlich in § 97 GWB niedergelegten Grundsätzen geprägt. Ihre Grundlage finden sie jedoch in den maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben.23 Zentrale Leitlinien für das Vergabeverfahren ergeben sich v. a. aus den ersten beiden Absätzen von § 97 GWB: „(1) 1Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. 2Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.“24 16 § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB. Über § 152 Abs. 1 GWB auch für Konzessionsausschreibungen anwendbar. 17 Burgi, Vergaberecht – Systematische Erläuterung für Praxis und Ausbildung, 3. Auflage 2021, § 12, Randnummer 8. 18 Stein/Wolf, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Vergaberecht, 20. Edition (Stand: 30. April 2020), § 121 GWB, Randnummern 60 ff. 19 § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB. Über § 152 Abs. 1 GWB auch für Konzessionsausschreibungen anwendbar. 20 Ebenda. 21 Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 19, Randnummer 16. 22 Ebenda. 23 Ausführliche Nachzeichnung bei Dietlein/Fandrey, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht – Vergaberechtliche Vorschriften des GWB, 4. Auflage 2018, Einleitung, Randnummern 29 ff. 24 § 97 Abs. 1 f. GWB [Hervorhebungen diesseits]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 7 Daneben sehen die gesetzlichen Vorgaben die Berücksichtigung weiterer vergaberechtlicher Zwecke vor, die neben die aus den zitierten Grundsätzen ersichtliche Kanalisierung und Ökonomisierung staatlicher Nachfragemacht treten. Besonders hervorzuheben sind dabei die seit den 2000er Jahren zunehmend erfolgten gesetzgeberischen Bestrebungen der Hebung des Potenzials der politisch -gesellschaftlichen Lenkungswirkung öffentlicher Beschaffungsvorgänge („strategische Beschaffung “).25 Dies ist niedergelegt in § 97 Abs. 3 GWB: „(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.“26 Die konkrete Ausgestaltung ergibt sich dabei jedoch aus den vergaberechtlichen Einzelvorschriften .27 Soweit ersichtlich, findet der Begriff der „Bio-Regionalität“ weder in den Grundsätzen noch speziellen Vorschriften des Vergaberechts unmittelbare Erwähnung. Entsprechend stellt sich die Frage, inwiefern den hinter dem Begriff stehenden Eigenschaften eine Bedeutung bei Beschaffungen zukommen kann. Hierfür müssen diese jedoch zunächst geklärt werden: 3.1. Zum Begriff „Bio-Regionalität“ Soweit ersichtlich, besteht für „Bio-Regionalität“ keine einheitliche Definition. Stattdessen dürfte es sich im Kontext der Nahrungsmittelversorgung um Lebensmittel handeln, auf die sowohl die Beschreibung „Bio-Lebensmittel“ als auch „regional produzierte Lebensmittel“ zutrifft. Das Attribut „Bio“ ist dabei EU-einheitlich für ökologisch/biologisch produzierte Erzeugnisse nach der 25 Vgl. auch zu den entsprechenden europarechtlichen Vorgaben den kurzen rechtsgeschichtlichen Abriss bei Burgi (Fußnote 17), § 7, Randnummern 9 ff. 26 § 97 Abs. 3 GWB. 27 Überblick zu den Einzelvorschriften bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 97 GWB, Randnummer 138. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 8 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 („EG-Öko-Verordnung“)28 definiert und geschützt.29 Für den Begriff „Regionalität“ bzw. „regional“ existiert keine einheitliche Definition.30 Eine eigene Analyse naturwissenschaftlicher Studien zu tatsächlichen Eigenschaften „bio-regionaler “ Lebensmittel würde den Rahmen dieses Gutachtens sprengen und kann deswegen vorliegend nicht erfolgen. Eine Auswertung verschiedener Verbraucherumfragen durch das Informationsportal „Ökolandbau.de“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) legt jedoch nahe, dass jedenfalls Verbraucher beiden Begriffen zwar keine überschneidende, aber teilweise überlappende Bedeutung zumessen: Mit Bio-Lebensmitteln werden insbesondere die Freiheit von Zusatzstoffen und Gentechnik, artgerechte Tierhaltung und Umweltschutz verbunden.31 Regionalität steht gesellschaftlich für kurze Transportwege, Frische, Saisonalität und Unterstützung der heimischen Wirtschaft.32 Insbesondere mit kurzen Transportwegen spannen Analysen der Verbraucherumfragen dabei einen Bogen zu eine niedrigen CO2-Bilanz solcher Produkte.33 Andere Darstellungen betonen dagegen, dass der Transportweg neben bspw. der Betriebsgröße und der Art des Transportmittels nur ein Faktor in der Klimabilanz eines Lebensmittels sei. 34 28 Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. L 189 S. 1), aktuelle Fassung abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX:02007R0834-20130701. 29 Vgl. insbesondere Art. 23 Abs. 1 EG-Öko-Verordnung. Die EG-Öko-Verordnung wird mit der ab 1. Januar 2022 geltenden Verordnung (EU) 2018/848 ersetzt werden (vgl. näher Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), „Die EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau“, Artikel vom 4. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/eg-oeko-verordnungfolgerecht .html). Am Schutz der Bezeichnung „Bio“ wird sich diesbezüglich jedoch nichts Wesentliches ändern , vgl. Art. 30 Abs. 1 Verordnung (EU) 2018/848, aktuelle Fassung abrufbar unter: https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:02018R0848-20201114). 30 Vgl. zuletzt Becker, Was ist regional?, Verbraucher und Recht (VuR) 2020, S. 15. Dazu auch bereits Wissenschaftliche Dienste, Zum Begriff der Regionalität bei der Lebensmittelerzeugung , Dokumentation vom 23. März 2016, WD 5 - 3000 - 022/16, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/421390/fbe9c9758380c056946fbc59edb3d77b/WD-5-022-16-pdf-data.pdf. 31 „Ökolandbau.de“, „Bio und regional ist beste Wahl – aber geht das immer?“, Stand: 11. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.oekolandbau.de/handel/marketing/sortiment/sortimentsgestaltung/bio-und-regional-istbeste -wahl-aber-geht-das-immer/. 32 Ebenda. 33 Ebenda. 34 Märtlbauer/Hagen, Regionalität – zwischen Verführen und Verschaukeln?, Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht (ZLR) 2014, S. 245, 247. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 9 Für die Zwecke dieses Gutachtens wird in der Folge angenommen, dass die durch Verbraucher zugesprochenen Eigenschaften „bio-regionalen“ Lebensmitteln auch tatsächlich zukommen. Entsprechend beinhalten beide Unterbegriffe sowohl den Aspekt der erhöhten Qualität des Essens /der gesunden Ernährung als auch die Förderung des allgemeinen Umweltschutzes.35 3.2. „Bio-Regionalität“ unter § 97 Abs. 3 GWB Bezugnehmend auf die bisherigen Erkenntnisse und getroffenen Annahmen scheint der Begriff der „Bio-Regionalität“ am ehesten unter die Aspekte „umweltbezogen“ („Grüne Beschaffung“ bzw. green procurement)36 und „Qualität“ gemäß § 97 Abs. 3 GWB fassbar. Dabei sind beide Aspekte getrennt voneinander zu betrachten: 3.2.1. Umweltbezogene Aspekte In Bezug auf die Leistungsbeschreibung finden sich auf der gesetzlichen Ebene des GWB keine weiteren Vorgaben zur Heranziehung umweltbezogener Aspekte.37 Solche finden sich stattdessen auf untergesetzlicher Stufe im VgV und KonzVgV. So heißt es in § 31 VgV: „(2) 1In der Leistungsbeschreibung sind die Merkmale des Auftragsgegenstands zu beschreiben : […] (3) 1Die Merkmale können auch Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. 2Sie können sich auch auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstands einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.“38 Für Konzessionen besteht eine vergleichbare Regelung in § 15 Abs. 1 und 2 KonzVgV. Der Wortlaut der zitierten Absätze differenziert zwischen (unmittelbaren) Merkmalen des Auftragsgegenstandes (Abs. 3 Satz 1) und solchen, die „keine materiellen Bestandteile der Leistung“ sind (Abs. 3 Satz 2). Für letztere Merkmale sieht der Wortlaut von Abs. 3 Satz 2 weitere Voraussetzungen vor. Ob die Vergabestellen allerdings tatsächlich nur im letzteren Fall oder stets die zusätzlichen 35 Dabei wird vorliegend der Klima- als Teil des Umweltschutzes verstanden. 36 Vgl. zu den Begriffen Wegener, Umweltschutz in der öffentlichen Auftragsvergabe, Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (NZBau) 2010, S. 273, 274 f. 37 Vgl. speziell § 121 GWB. 38 § 31 Abs. 2, 3 VgV [Hervorhebungen diesseits.]. Für Konzessionen besteht mit § 15 Abs. 2 KonzVgV eine nahezu wortgleiche Regelung zu § 31 Abs. 3 VgV. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 10 Voraussetzungen von Abs. 3 Satz 2 zu beachten haben, ist in der Literatur nicht abschließend geklärt .39 Rechtsprechung hierzu ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis dürfte jedoch der umweltbezogene Aspekt der „Bio-Regionalität“ gänzlich als nichtmaterieller Leistungsbestandteil unter Abs. 3 Satz 2 zu fassen und somit in jedem Fall dessen Voraussetzungen zu unterwerfen sein. Denn der Aspekt der regionalen Herkunft der verwendeten Lebensmittel dürfte sich beispielsweise eher als ein Teil der mit dem Auftragsgegenstand verbundenen Produktions- und Lieferkette darstellen. Mit der „Qualität“ des Lebensmittels im materiellen (kulinarischen) Sinne besteht auf dieser Ebene keine zwingende Verknüpfung. Insofern dürfte hier kein wesentlicher Unterschied zur Lieferung „fair gehandelter Waren“ bestehen, das die zugrundeliegenden Richtlinien als Beispiel für einen Teil der Produktions- und Lieferkette anführen.40 In Konsequenz muss etwa bei Aufnahme des Wunsches der „bio-regionalen“ Herkunft der bereitgestellten Verpflegung entsprechend § 31 Abs. 3 Satz 2 VgV/§ 15 Abs. 2 Satz 2 KonzVgV in jedem Fall die Verbindung mit dem Beschaffungsgegenstand und die allgemeine Verhältnismäßigkeit in Bezug zum Leistungswert und zu den Beschaffungszielen gegeben sein. 3.2.1.1. Verbindung mit Auftrags- bzw. Konzessionsgegenstand Die Verbindung mit dem Beschaffungsgegenstand bedeutet insbesondere, dass in der Leistungsbeschreibung kein Merkmal aufgestellt werden darf, dass nicht auf die konkrete Leistung, sondern auf die Verfolgung einer bestimmten allgemeinen Unternehmenspolitik potenzieller Bieter abzielt.41 Bei umweltbezogenen Anforderungen müssen sich die Anforderungen in konkreten Eigenschaften der beschafften Dienstleistung/Konzession manifestieren.42 Unzulässig dürften folglich etwa Anforderungen in der Leistungsbeschreibung sein, die potenziellen Dienstleistern über die konkrete Leistung hinaus die allgemeine Verwendung „bio-regionaler“ Lebensmittel in deren Geschäftstätigkeit vorschreibt. 3.2.1.2. Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Zudem müsste das Merkmal der „Bio-Regionalität“ – verstanden im Sinne des Umweltschutzes – zum Wert des Auftragsgegenstandes und zu den Beschaffungszielen verhältnismäßig sein. Der 39 Vgl. Argumentationslinien mit weiteren Nachweisen etwa bei Wagner-Cardenal, in: Dieckmann/Scharf/Wagner- Cardenal, VgV, UVgO, § 31 VgV, Randnummer 79. 40 Vgl. Erwägungsgrund 97 der der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014 L 94 S. 65), aktuelle Fassung abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/ALL/?uri=CELEX:32014L0024 und Erwägungsgrund 64 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014 L 94 S. 1), aktuelle Fassung abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32014L0023. 41 So jedenfalls für Aufträge, Erwägungsgrund 97 der der Richtlinie 2014/24/EU. 42 Im Ergebnis Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 31 VgV, Randnummer 80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 11 Prüfungspunkt stellt eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB dar und verlangt eine Abwägung im Einzelfall, deren Durchführung zu dokumentieren ist.43 Inhaltlich ist dabei Grundprämisse, dass die Verfolgung strategischer Ziele nicht Primärzweck des Beschaffungswesens ist.44 Insbesondere sind die anderen in § 97 GWB geregelten Grundsätze der Vergabe zu berücksichtigen: Gegen eine unverhältnismäßige Verteuerung der Dienstleistung durch die Aufnahme gesellschaftspolitischer Vorgaben streitet das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 97 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 GWB).45 In diesem Zusammenhang steht auch die geforderte Prüfung des Verhältnisses des umweltbezogenen Merkmals zum Wert des Auftragsgegenstandes. Konkret bedeutet dies, dass je größer das Auftragsvolumen insgesamt ist, desto mehr Aufwand für die Erfüllung des strategischen Vergabeziels verlangt werden kann.46 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich vorliegend der Aufwand für die Erfüllung des Einsatzes „bio-regionaler“ Produkte überhaupt beziffern lässt bzw. vom Auftrags-/Konzessionsgeber kontrolliert werden kann.47 Dabei scheint eine Differenzierung zwischen den Unterbegriffen „Bio“ und „Regionalität“ angezeigt: Wie bereits unter 3.1. dargestellt, ist der Begriff „Bio“ durch die EG-Öko-Verordnung EU-einheitlich definiert. Entsprechend kann in der Leistungsbeschreibung auf die Anforderungen dieser Verordnung verwiesen werden.48 Auch eine Kombination mit dem entsprechenden (Umwelt-)Gütezeichen (§ 34 VgV) ist möglich.49 Dies wird in der Literatur auch speziell für die Gemeinschaftsverpflegung so gesehen.50 Bei dem nicht allgemein definierten Begriff der „Regionalität“ erscheint eine Bezifferung aufwendiger: Zur hinreichenden Nachvollziehbarkeit dürfte mindestens die Angabe einer maximalen Entfernung bzw. die Angabe von klar bestimmbaren Regionen nötig sein. Im Sinne der Dokumentationspflicht könnte auch eine nähere Darlegung des mit der Verwendung regionaler Produkte verfolgten Beschaffungsziels angezeigt 43 Ebenda, Randnummer 81 mit weiterem Nachweis. 44 Ebenda. 45 Vgl. auch Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 31 VgV, Randnummern 81 f. 46 Thiele, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Vergaberecht, 20. Edition (Stand: 31. Januar 2021), § 31 VgV, Randnummer 43 mit weiterem Nachweis. 47 Allgemein Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 31 VgV, Randnummer 78. 48 Im Ergebnis Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 19, Randnummer 157 unter Verweis auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10, Randnummer 68 (zitiert nach juris). 49 Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 19, Randnummer 157. Vgl. zum „EU-Bio-Logo“ als Gütezeichen gemäß § 34 VgV, Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 34 VgV, Randnummer 14. Auch ohne ausdrückliche Regelung in der KonzVgV steht es im Übrigen Konzessionsgebern grundsätzlich frei, Gütezeichen auch im Rahmen der Konzessionsvergabe zu verlangen (von Rummel, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Vergaberecht, 20. Edition (Stand: 31. Januar 2021), § 15 KonzVgV, Randnummer 16). 50 Grimm (Fußnote 1), S. 552. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 12 sein. Soweit ersichtlich, sind die Mindestanforderungen in diesem Zusammenhang durch die Rechtsprechung allerdings noch nicht diskutiert worden. Hinsichtlich des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebotes/Gebot der Nichtdiskriminierung (§ 97 Abs. 2 GWB) gilt, dass die Forderung der regionalen Herkunft der für die Gemeinschaftsverpflegung verwendeten Lebensmittel nicht einhergehen darf mit einer pauschalen Bevorzugung oder gar Beschränkung auf regionale Verpflegungsdienstleister.51 Insbesondere ist es gerade Ziel der EU-weiten Ausschreibungspflicht, dass sich Unternehmen aus dem gesamten EU-Binnenmarkt um Aufträge/Konzessionen bemühen können. Unter Umständen kann jedoch nicht nur eine Beschränkung der Herkunft der Dienstleister, sondern auch des Essens aus bestimmten Regionen eine versteckte Bevorzugung lokaler Anbieter bedeuten. Entsprechend zurückhaltend wird in der Literatur formuliert, dass bei der Vergabe von Gemeinschaftsverpflegungsleistungen lediglich ein Anteil an regionalem Essen bei speziellen Einrichtungskonzeptionen denkbar ist.52 Eine Alternative hierzu sei allerdings, dass statt Fokussierung auf die regionale Herkunft eine „ganzheitliche Nachhaltigkeitsbetrachtung“ durch Abstellen auf die erzeugten CO2-Emissionen erfolge.53 Dies entspricht ebenfalls dem Potenzial der Verbesserung der CO2-Bilanz mittels kürzerer Transportwege.54 Die Anforderung „geringer Emissionen “ stellt neben solchen wie dem „Bio-Siegel für Lebensmittel“ im Übrigen auch ein durch die Bundesministerien, die Bundesanstalten und die Zentralen Beschaffungsstellen produkt- und einzelfallbezogenes ökologisches Kriterium im Beschaffungsverfahren dar.55 Eine unmittelbare gesetzliche Erlaubnis für eine Ungleichbehandlung aufgrund „Regionalität“ ist auch für andere Branchen nicht ersichtlich. Die pauschale Bevorzugung lokaler oder regionaler Bieter verstößt stattdessen generell gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.56 Eine Rechtfertigung kann sich entsprechend nur aus den Einzelfallumständen ergeben. 51 Ebenda. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird für Leistungsbeschreibungen in § 31 Abs. 1 VgV wiederholt. Vgl. speziell auch § 31 Abs. 6 Satz 1 VgV/15 Abs. 3 Satz 1 KonzVgV, der u. a. den Verweis auf die Herkunft in der Leistungsbeschreibung, der bestimmte Unternehmen begünstigt oder ausschließt, unter den Vorbehalt der Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand stellt. 52 Grimm (Fußnote 1), S. 552. 53 Ebenda. 54 Vgl. zur entsprechenden Diskussion bereits unter 3.1. 55 Bundesregierung, Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Ökologische , soziale und menschenrechtliche Kriterien in der öffentlichen Beschaffung als Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung weltweit“, 7. Februar 2019, BT-Drs. 19/7567, S. 15, abrufbar unter: https://dserver.bundestag .de/btd/19/075/1907567.pdf. 56 Im Ergebnis Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 97 GWB, Randnummer 107. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 13 3.2.2. Qualitätsbezogene Aspekte Des Weiteren erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Verwendung „bio-regionaler“ Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung unter dem gesonderten Aspekt der Qualität in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden kann. Zwar ist der Qualitätsaspekt ebenfalls in § 97 Abs. 3 GWB genannt, bei näherer Betrachtung ist dieser jedoch gar kein Teil der „strategischen Beschaffung“.57 Stattdessen ist die Berücksichtigung der unmittelbaren Qualität einer Leistung von vornherein „vergabeeigen“, da sie unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit eines Angebots als bestes Preis-Leistungs-Verhältnis einwirkt.58 Anders als umweltbezogene Aspekte, die die Qualität eines Produktes möglicherweise „ideell“ erhöhen, geht es hierbei alleine um dessen „materielle“ Qualität. Am Beispiel der Gemeinschaftsverpflegung in Kindertagesstätten und Schulen empfiehlt eine Literaturstimme die punktuelle Bezugnahme auf die entsprechenden Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).59 Auch die Vergabekammer Niedersachsen hat in einer Entscheidung im Jahr 2020 in Bezug auf die Ausschreibung der Errichtung und des Betriebs einer Kindertagesstätte die Bezugnahme der Beschaffungsstelle auf den dort geltenden DGE-Qualitätsstandard nicht beanstandet.60 Der aktuelle DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kindertagesstätten erwähnt beispielhaft als positives Kriterium sowohl den Einsatz ökologisch erzeugter als auch „einheimischer“ Lebensmittel.61 Neben dem Umwelt- und Ressourcenschutz wird dies in beiden Fällen mit geringeren Rückständen und Schadstoffen in Lebensmitteln begründet.62 Insoweit wird hiermit (auch) auf die positiven gesundheitlichen Auswirkungen „bio-regionaler“ Lebensmittel und somit auf deren „materielle“ Qualität abgestellt. Insbesondere letztere Umstände könnten deswegen ggf. auch als materielle Leistungsbestandteile (§ 31 Abs. 3 Satz 1 VgV/§ 15 Abs. 2 Satz 1 KonzVgV) aufgefasst werden, deren Aufnahme in die Leistungsbeschreibung geringeren Anforderungen unterworfen sein könnte als die Aufnahme als „indirektes“ umweltbezogenes Merkmal (§ 31 Abs. 3 Satz 2 VgV/§ 15 Abs. 2 Satz 2 KonzVgV).63 Nichtsdestotrotz wären allgemeine vergaberechtliche Grundsätze aus § 97 GWB wie das Wirtschaftlichkeits -, Gleichbehandlungs-, und Verhältnismäßigkeitsgebot in jedem Fall zu beachten. 57 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 97 GWB, Randnummer 131. 58 Siehe § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB: „Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis -Leistungs- Verhältnis“. 59 Grimm (Fußnote 1), S. 551. 60 Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 27. April 2020 – VgK-04/2020 –, Randnummern 6 und 70 (zitiert nach juris). 61 DGE, DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas, 6. Auflage 2020, S. 47 und S. 42, abrufbar unter: https://www.dge.de/gv/dge-qualitaetsstandards/?L=0. 62 Ebenda. 63 Siehe bereits unter 3.2.1. Vgl. speziell Fußnote 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 14 3.2.3. Landesrechtliche Besonderheiten Soweit die Vergabe von Leistungen der Gemeinschaftsverpflegung durch Vergabestellen der Länder oder Kommunen erfolgt, sind in Bezug auf die Gestaltung der Leistungsbeschreibung ggf. Besonderheiten zu beachten. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen landesrechtlichen Regelungen liegt jedoch außerhalb der Grenzen der Auftragsbearbeitung der Wissenschaftlichen Dienste. Als Beispiel für über das Bundesrecht hinausgehende Regelungen in diesem Kontext kann allerdings das Land Berlin angeführt werden. Auftraggeber sind dort nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen ökologische Kriterien zu berücksichtigen.64 Diese Anforderungen an die Beschaffungsverwaltung werden mittels einer Verwaltungsvorschrift nebst Anhängen konkretisiert. Dort finden sich in Bezug auf das Leistungsblatt „Essen- und Getränkeverpflegung “ verbindliche Umweltschutzanforderungen für die Erstellung der Leistungsbeschreibung , z. B. dass – bezogen auf den Gesamtwarenumsatz – mindestens 15 % der eingesetzten Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft gemäß EG-Öko-Verordnung stammen oder „täglich mindestens eine Speisekomponente (z. B. Kartoffeln oder Gemüse) in Bio-Qualität“ angeboten werden muss.65 Weiter hat das Land Berlin auch Musterausschreibungsunterlagen zur landesweit einheitlichen Vergabe des kostenbeteiligungsfreien Schulmittagessens veröffentlicht.66 Insgesamt wird jedoch in der Literatur teilweise in Frage gestellt, ob den Ländern nach der Neufassung des Kartellvergaberechts durch den Bund überhaupt noch die Gesetzgebungskompetenz für gesonderte Vorgaben für die Leistungsbeschreibung im Oberschwellenbereich zusteht.67 4. Berücksichtigung umweltbezogener Aspekte außerhalb der Leistungsbeschreibung Neben der Leistungsbeschreibung eröffnet das Kartellvergaberecht zudem die Möglichkeit, umweltbezogene Aspekte auch in anderen Teilen der Vergabeunterlagen zu berücksichtigen. Zu 64 § 7 Abs. 1 Satz 1 Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG), abrufbar unter: http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=9593363,1. 65 Nr. 23 Umweltschutzanforderungen bei der Beschaffung (Leistungsblätter) – Anhang 1 zur Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU), S. 54, abrufbar unter: https://www.berlin.de/senuvk/service/gesetzestexte /de/beschaffung/. 66 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Die Musterausschreibung als Grundlage für die Vergabe in den Bezirksämtern, 2020, abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/praevention-inder -schule/gesundheit/. Ein Praxisbeispiel für eine hierauf basierende Leistungsbeschreibung aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg findet sich auf dem Internetangebot „Kompass Nachhaltigkeit“ (https://www.kompass-nachhaltigkeit.de/kommunaler -kompass/berlin/lebensmittel/schulmahlzeiten#c177424). Auf dem im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) betriebenen Portal finden sich verschiedene Informationen für nachhaltige Beschaffung mit Praxisbeispielen einzelner Vergabestellen (https://www.kompassnachhaltigkeit .de/ueber-den-kompass). 67 Vgl. Gerhardt, Möglichkeiten und Grenzen einer strategischen Vergabe öffentlicher Aufträge, 2020, S. 303, 264 ff.; Burgi (Fußnote 17), § 7, Randnummern 17 ff, 22 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/21 Seite 15 nennen sind dabei insbesondere die Eignungskriterien, Zuschlagskriterien und die Ausführungsbedingungen .68 Dies kann speziell in Bezug auf die Erstellung von Leistungsbeschreibungen relevant werden, da nach einigen Literaturstimmen die Grenze zwischen Leistungsbeschreibung und Ausführungsbedingungen in der Praxis zunehmend verschwimmt.69 In der Theorie beschreiben die Ausführungsbedingungen im Gegensatz zur Leistungsbeschreibung nicht die Anforderungen an Eigenschaften und Güte des Angebots, sondern die äußeren Umstände bzw. die Art und Weise der späteren Leistungserbringung.70 In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben können allerdings nach neuer Rechtslage im Vergaberecht Spezifika in der Leistungsbeschreibung auch durch Merkmale im Zusammenhang mit der Lieferung oder Herstellung beschrieben werden, die sich materiell auf das Produkt selbst nicht auswirken.71 Ein Beispiel hierfür sind die bereits unter 3.2.1. dargestellten umweltbezogenen Merkmale in der Produktions- und Lieferkette.72 Somit bleibt es Aufgabe der Vergabestelle im Einzelfall zu entscheiden, auf welcher Ebene strategische Vorgaben gemacht werden sollen.73 5. Fazit Setzt man den Begriff der „Bio-Regionalität“ in der Gemeinschaftsverpflegung mit erhöhter materieller Produktqualität und Umweltschutzförderung gleich, erscheint eine Aufnahme dieses Merkmals in der Leistungsbeschreibung bei EU-weiten Ausschreibungen unter dem Gesichtspunkt der Qualität als auch unter umweltbezogenen Aspekten grundsätzlich möglich. Insbesondere vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgebotes könnte sich jedoch ein zu pauschales Abstellen auf die regionale Herkunft als problematisch erweisen. Letztlich ist die Rechtskonformität von Leistungsbeschreibungen für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen. * * * 68 Vgl. hinsichtlich Eignungskriterien bei Aufträgen etwa § 49 VgV, hinsichtlich Zuschlagskriterien für Aufträge etwa § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB (bei Konzessionen entsprechend § 152 Abs. 3 Satz 3 GWB) und bezüglich Ausführungsbedingungen bspw. § 128 Abs. 2 Satz 3 GWB (§ 152 Abs. 4 GWB). Detaillierte Übersicht bei Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 97 GWB, Randnummer 138. 69 Gerhardt (Fußnote 67), S. 379; Krönke, Sozial verantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht , VergabeR 2017, S. 101, 117. 70 Gerhardt (Fußnote 67), S. 379 71 Ebenda. 72 Siehe auch Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 19, Randnummer 158. 73 Krönke (Fußnote 69), S. 117.