© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 064/19 Sozialer Schutz im Mietrecht Fragen zur Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 064/19 Seite 2 Sozialer Schutz im Mietrecht Fragen zur Rechtslage Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 064/19 Abschluss der Arbeit: 23. April 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 064/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Durch welche Vorschriften soll im deutschen Mietrecht ein sozialer Schutz des Mieters bezweckt werden? 4 1.1. Miethöhe zu Vertragsbeginn 4 1.2. Schutz des Mieters vor Mieterhöhungen 4 1.3. Kündigungsschutz des Mieters 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 064/19 Seite 4 1. Durch welche Vorschriften soll im deutschen Mietrecht ein sozialer Schutz des Mieters bezweckt werden? Die wesentlichen Vorschriften zum Mietrecht finden sich in den §§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)1. Durch einen Mietvertrag wird der Eigentümer und Vermieter verpflichtet, dem Mieter die Mietsache zum Gebrauch gegen die Entrichtung einer vereinbarten Miete zu überlassen , § 535 BGB. Der Mieter eines Wohnraummietverhältnisses verlegt seinen Lebensmittelpunkt in die Mietsache und ist vor diesem Hintergrund besonders schutzwürdig. Dem tragen die speziellen Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse Rechnung (§§ 549 ff. BGB). 1.1. Miethöhe zu Vertragsbeginn Das deutsche Zivilrecht ist geprägt vom Gedanken der Privatautonomie, nach dem die Vertragsbedingungen den Vertragsparteien überlassen werden sollen, soweit gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Die vom Mieter zu entrichtende Miete richtet sich daher grundsätzlich nach der Vereinbarung der Vertragsparteien, § 535 Abs. 2 BGB. Eingeschränkt wird dies in § 556d BGB für Mietverträge über Wohnraum, der in angespannten Wohnraumlagen liegt. Danach sind die Landesregierungen ermächtigt, Gebiete für eine maximale Dauer von fünf Jahren zu einem angespannten Wohnungsmarkt zu erklären, mit der Folge, dass die Mietvereinbarungen in diesen Gebieten die ortsüblichen Mieten nicht um mehr als zehn Prozent übersteigen dürfen. 1.2. Schutz des Mieters vor Mieterhöhungen Der soziale Schutz spiegelt sich außerdem auch in den Regelungen über die Mieterhöhung in bereits bestehenden Mietverhältnissen wider. Bereits zu Vertragsbeginn können die Vertragsparteien bestimmen, dass die Miete sich in bestimmten zeitlichen Abschnitten verändert (sogenannte Staffelmiete, § 557a BGB). Dabei muss die Miete jedoch jeweils ein Jahr gleich bleiben, darüber hinaus sind anderweitige Mieterhöhungen ausgeschlossen. Die Parteien können ihre Miete auch von dem vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland abhängig machen (sogenannte Indexmiete, § 557b BGB). Auch dann sind weitergehende Mieterhöhungen nicht zulässig. Im Normalfall, wenn keine Staffel- oder Indexmiete vereinbar wurde, kann eine Mieterhöhung entweder durch eine Vereinbarung zwischen Eigentümer und Mieter (§ 557 Abs. 1 BGB) oder durch ein einseitiges Verlangen des Vermieters erfolgen (§ 558 BGB). Der Vermieter kann danach vom Mieter die Zustimmung zu einer Mietanpassung an den ortsüblichen Mietspiegel verlangen, wenn die Miete zuvor für einen Zeitrahmen von 15 Monaten unverändert geblieben ist, § 558 Abs. 1 BGB. Solche Mieterhöhungen kann der Vermieter nur verlangen, wenn seit der letzten Mieterhöhung bereits mehr als ein Jahr vergangen ist, § 558 Abs. 1 BGB. Weiter kann der Vermieter nach einer erfolgten Modernisierung der Mietsache eine Erhöhung der jährlichen Miete von 1 vgl. Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31.01.2019 BGBl. I S. 54), abrufbar in englischer Sprache unter: http://www.gesetze-im-internet.de/englisch_bgb/index.html (Letzter Abruf: 12.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 064/19 Seite 5 bis zu acht Prozent vom Mieter verlangen, § 559 BGB. Soweit der Vermieter von einer dieser beiden Möglichkeiten der Mieterhöhung Gebrauch macht, steht dem Mieter ein außerordentliches Kündigungsrecht des Mietvertrages zu, § 561 BGB. 1.3. Kündigungsschutz des Mieters Auch die Vorschriften über die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter sollen einen ausreichenden sozialen Schutz des Mieters bezwecken. Dem Vermieter stehen zwei Möglichkeiten der Kündigung zu: Zum einen die fristlose außerordentliche Kündigung, die an ein vorangegangenes Fehlverhalten des Mieters anknüpft, zum anderen die ordentliche Kündigung, die an eine bestimmte Frist gebunden ist und nicht zwingend ein Fehlverhalten des Mieters voraussetzt. Durch eine fristlose außerordentliche Kündigung des Vermieters ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache kurzfristig an den Vermieter zurückzugeben. Dies trifft den Mieter besonders hart. Eine außerordentliche Kündigung ist daher nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Der Vermieter muss sich zunächst auf einen wichtigen Grund berufen können, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, § 543 Abs. 1, Satz 1 BGB. Ein solcher wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn dem Vermieter nach einer Gesamtabwägung das Festhalten am Mietvertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden kann, § 543 Abs. 1, Satz 2 BGB. Davon ist auszugehen, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung erheblich gefährdet oder sie unbefugt Dritten überlässt, §543 Abs. 2, Satz 1, Nr. 2 BGB. Weiter ist der Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Mieter an zwei aufeinander folgenden Terminen die Miete nicht zahlt oder einen erheblichen Teil der Miete nicht zahlt, § 543 Abs. 2, Satz 1, Nr. 3, lit. a BGB. Nicht unerheblich ist dieser Teil, wenn der Rückstand eine Monatsmiete übersteigt, § 569 Abs. 3, Nr. 1 BGB. Auch kann der Vermieter außerordentlich kündigen, wenn der Mieter in einem Zeitraum von mehr als zwei Terminen einen Teil der Miete nicht zahlt, der insgesamt zwei Monatsmieten übersteigt, § 543 Abs. 2, Satz 1, Nr. 3, lit. b BGB. Die außerordentliche Kündigung knüpft an ein Fehlverhalten des Mieters an und ist deshalb grundsätzlich erst dann zulässig, wenn der Vermieter den Mieter abmahnt, indem er ihm das Fehlverhalten genau benennt und eine Kündigung in Aussicht stellt, wenn der Mieter sein Verhalten künftig nicht ändert, § 543 Abs. 3, Satz 1 BGB. Da die außerordentliche Kündigung durch den Vermieter auf einer Vertragsverletzung durch den Mieter beruht, die dieser zu verantworten hat, sieht das Gesetz keinen weitergehenden sozialen Schutz des Mieters vor. Kann sich der Vermieter auf keinen wichtigen Grund berufen, der ihn zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, kommt eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags in Betracht. Diese Kündigung ist fristgebunden. Die Kündigungsfrist beträgt grundsätzlich drei Monate, besteht das Mietverhältnis bereits seit fünf Jahren, wird die Frist auf sechs Monate verlängert, bei Mietverhältnissen , die bereits acht Jahre bestehen dauert die Kündigungsfrist neun Monate an, § 573c Abs. 1 BGB. Um ordentlich kündigen zu können, muss der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Kündigung nachweisen können, § 573 Abs. 1 BGB. Ein solches berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Mieter eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung begangen hat, der Vermieter die Räumlichkeiten selbst oder für Angehörige benötigt oder er den Wohnraum anderweitig wirtschaftlich verwerten will, § 573 Abs. 2 BGB. Eine Vertragspflichtverletzung kann beispielsweise wiederum in einem Zahlungsverzug liegen, den der Mieter zu verantworten hat. Einer ordentlichen Kündigung kann der Mieter nach § 574 Abs. 1 BGB widersprechen, wenn die Kündigung für ihn, seine Familie oder andere Angehörige eine Härte bedeuten würde, die auch Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 064/19 Seite 6 durch das berechtigte Interesse des Vermieters an der Kündigung nicht gerechtfertigt werden kann. Eine solche Härte kann etwa vorliegen, wenn Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen trotz Bemühungen des Mieters nicht beschafft werden kann, § 574 Abs. 2 BGB. Durch diese sogenannte Sozialklausel hat der Gesetzgeber ein Korrektiv für den Einzelfall geschaffen, in dem die Kündigung zwar grundsätzlich zulässig wäre, aber die Umstände dazu führen, dass die Kündigung für den Mieter eine besondere Härte darstellen würde. Härtegründe auf Mieterseite können alle Nachteile durch die Kündigung sein, die über bloße Unannehmlichkeiten hinausgehen. Das bloße Alter des Mieters oder das lange Bestehen eines Mietverhältnisses reicht für die Annahme einer besonderen Härte nicht aus. Ist jedoch zu erwarten, dass die Gesundheit des Mieters durch den Umzug beeinträchtigt würde, etwa wenn dieser bereits durch das Alter oder eine Krankheit geschwächt ist, so ist von einem ausreichenden Härtegrund auszugehen.2 2 Vgl. etwa das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.03.2017, Aktenzeichen: VIII ZR 270/15, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2017, 1474.