Rechtliche Grundlagen für die Durchführung „autofreier Tage" - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 064/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtliche Grundlagen für die Durchführung „autofreier Tage" Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 064/08 Abschluss der Arbeit: 10.04.2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Der Begriff „autofreie Tage“ wurde in Deutschland erstmals im Jahr 1973 geprägt, als die damalige Bundesregierung als Reaktion auf die internationale Ölkrise ein Fahrverbot für vier Sonntage im November und Dezember 1973 sowie Tempolimits verhängte . Rechtsgrundlage für diese Sofortmaßnahmen war das Energiesicherungsgesetz vom 9. November 1973 und die darauf beruhende Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vom 19. November 1973, die 1974 wieder außer Kraft trat. Nach der heutigen Rechtslage wäre die Anordnung solcher „autofreien Sonntage“ seitens der Bundesregierung mangels der Existenz einer gesetzlichen Grundlage hingegen nicht mehr zulässig. Eine Prüfung der im Straßenverkehrsrecht, Straßenrecht, Immissionsschutzrecht und Baurecht zur Verfügung stehenden Regelungsinstrumentarien ergibt, dass für die Bundesländer und Kommunen keine rechtliche Befugnis zur Anordnung von flächendeckenden Innenstadtsperrungen oder pauschalen Fahrverboten im Rahmen der Durchführung von „autofreien Tagen“ besteht. Insbesondere die straßenverkehrsrechtlichen Normen des § 45 StVO und des § 29 StVO bieten keine geeignete Grundlage für den Erlass von generellen, flächendeckenden Fahrverboten zwecks Durchsetzung allgemeiner politischer Erwägungen des Umwelt- oder Klimaschutzes, sondern gestatten bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen lediglich partielle Verkehrsbeschränkungen, wie beispielsweise die Sperrung bestimmter Straßen oder einzelner abgegrenzter Innenstadtbereiche anlässlich konkreter Veranstaltungen. Wie ein aktuelles Beispiel illustriert, werden gegen die Realisierung eines zwangsweise verordneten „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 in Berlin erhebliche rechtliche Bedenken geltend gemacht, da für die verbindliche Festlegung eines flächendeckenden Fahrverbots eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehle und eine komplette Sperrung aller Straßen in der Innenstadt zudem für die betroffenen Autofahrer, Anlieger und ansässigen Gewerbebetriebe einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG und der Berufsfreiheit des Art. 12 GG darstelle. Inhalt 1. Einleitung 5 2. Historische Entwicklung und Rechtsgrundlagen für die Durchführung „autofreier Sonntage“ im Jahr 1973 6 2.1. Energiesicherungsgesetz 1973 6 2.2. Energiesicherungsgesetz 1975 8 3. Verfassungsrechtlicher Rahmen zulässiger Verkehrsbeschränkungen 9 3.1. Gesetzesvorbehalt 9 3.2. Bestimmtheitsgebot 9 3.3. Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechte 9 3.3.1. Gemeingebrauch 10 3.3.2. Anliegergebrauch 10 4. Überblick über das rechtliche Instrumentarium zur hoheitlichen Regelung innerstädtischer Verkehrsbeschränkungen 11 4.1. Befugnisse des Straßenverkehrsrechts 11 4.1.1. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO 11 4.1.2. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO 14 4.1.3. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO 14 4.1.4. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO 14 4.1.5. § 29 StVO 15 4.1.6. Zwischenergebnis 16 4.2. Befugnisse des Straßenrechts 17 4.3. Befugnisse des Immissionsschutzrechts 18 4.3.1. § 40 Abs. 1 BlmSchG 18 4.3.2. § 40 Abs. 2 BlmSchG 19 4.3.3. Verhältnis zu § 45 StVO 19 4.4. Befugnisse des Baurechts 20 5. Aktuelle Debatte zur Durchführung eines „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 in Berlin 21 - 5 - 1. Einleitung Der „auto-mobile Bürger“ ist zum Sinnbild der deutschen Nachkriegsgesellschaft und ihrer Freiheits- und Wohlstandsvisionen geworden.1 Im Spannungsfeld der Konkurrenz von individuellen Mobilitätsbedürfnissen mit gegenläufigen Allgemeininteressen an der Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs avancieren umweltschutzrechtlich oder städtebaulich motivierte Maßnahmen der innerstädtischen Verkehrsbeschränkung und Verkehrslenkung zunehmend zum Gegenstand politischer Diskussionen.2 Der Begriff „autofreie Tage“ wurde in Deutschland erstmals im Jahr 1973 geprägt, als die Bundesregierung als Reaktion auf die damalige internationale Ölkrise als Sofortmaßnahmen Fahrverbote an vier „autofreien Sonntagen“ im November und Dezember 1973 sowie Tempolimits anordnete, um Öl zu sparen.3 Seit Ende der 1980er Jahre werden in Deutschland zunehmend „autofreie Erlebnistage “ durchgeführt, bei denen an bestimmten Sonntagen sonst viel befahrene Bundesoder Landesstraßen auf begrenzten Strecken für den Autoverkehr gesperrt werden.4 Auch europaweit existieren zahlreiche Initiativen zur Durchführung „autofreier Tage “, wie z.B. in Österreich, der Schweiz, aber auch in Metropolen wie Paris oder Rom. Im Rahmen der vom 16. - 22. September 2007 veranstalteten „Europäischen Woche der Mobilität“, die seit 2002 stattfindet, nahmen mehr als 2.000 europäische und nichteuropäische Kommunen am europaweiten Aktionstag „In die Stadt - ohne mein Auto“ teil.5 Die aktuelle Brisanz der Thematik wird exemplarisch durch den im Februar 2008 im Berliner Abgeordnetenhaus eingebrachten fraktionsübergreifenden Antrag auf Durchführung eines „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 in Berlin und die dadurch ausgelöste Debatte demonstriert.6 1 Röthel, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 1999, 63. 2 Ausführlich hierzu und zum Grundrechtsschutz der Autofahrer gegenüber hoheitlichen Verkehrsbeschränkungen : Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 19 ff. 3 Siehe hierzu nur: Gregor Mayntz, in: 1973: Wachstumsgrenzen, Online-Version: http://www.bundestag.de/blickpunkt/104_Dossier/0501/0501026.html [Stand: 09.04.2008]. 4 Vgl. hierzu den Bericht des Umwelt- und Prognoseinstituts (UPI-Bericht 37) mit einer Liste der für 2008 geplanten Termine von 66 „autofreien Erlebnistagen“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Online-Version: http://www.upi-institut.de/upi37.htm [Stand: 09.04.2008]. 5 Nähere Informationen hierzu und zu der nächsten „Europäischen Woche der Mobilität“ vom 16. – 22. September 2008: http://www.mobilityweek.eu/; http://www.localclimateprotection.eu/mobilityweek .html?&L=1 [Stand: 09.04.2008]. 6 Hierzu näher unter 5. - 6 - Die Idee von „autofreien Tagen“ erlebt derzeit eine Renaissance. Laut einer Emnid- Umfrage würden 65 % der Deutschen „autofreie Sonntage“ unterstützen, während Fachleute den ökologischen Nutzen dieser Maßnahme für den Klimaschutz bezweifeln und solchen Fahrverboten lediglich „symbolischen Wert“ zumessen.7 Näherer Prüfung bedarf in diesem Zusammenhang die Frage, welcher rechtliche Spielraum den Bundesländern und Kommunen hinsichtlich der Durchführung von „autofreien Tagen“ zukommt. 2. Historische Entwicklung und Rechtsgrundlagen für die Durchführung „autofreier Sonntage“ im Jahr 1973 Nach dem Jom-Kippur-Krieg im Nahen Osten und dem anschließenden Ölembargo der Förderländer ordnete die Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt im Jahr 1973 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Durchführung von vier „autofreien Sonntagen“ am 25. November sowie am 2., 9. und 16. Dezember 1973 sowie Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 100 km/h auf allen Autobahnen an. Auch in Luxemburg, Dänemark, der Schweiz, Italien und in den Niederlanden wurden entsprechende Fahrverbote verhängt. Die Bilder von weithin leeren Straßen und Autobahnen und Slogans wie „Wenn der Scheich es will, stehen alle Räder still“, prägten sich den Deutschen im kollektiven Gedächtnis ein und lösten einen „wahren Kulturschock“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte aus.8 2.1. Energiesicherungsgesetz 1973 Rechtsgrundlage für diese Sofortmaßnahmen war nicht das Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. die darauf beruhende Straßenverkehrsverordnung (StVO), sondern vielmehr das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Mineralöl oder Erdgas (Energiesicherungsgesetz) vom 9. November 1973.9 Das Energiesicherungsgesetz 1973, das nach dessen § 20 S. 2 bis zum 31. Dezember 1974 befristet war, wurde unter dem Druck der von den OPEC- Ländern beschlossenen Produktionskürzungen und Liefersperren als Notstandsgesetz 7 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ.NET, Online-Version vom 28. Februar 2008: http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E9E6C67847AC64D47B 3EB969958A12FA2~ATpl~Ecommon~Scontent.html [Stand: 09.04.2008]. 8 Hierzu und zu der umfassenden ökonomischen, politischen und sozialkulturellen Zäsur durch das Jahr 1973 näher: Rödder, „Autofrei im Autoland: der Ölpreisschock von 1973 und die Folgen“, in: Damals: Das Magazin für Geschichte und Kultur, Band 36 (2004), S. 58 - 63. 9 BGBl. I S. 1585, beigefügt als - Anlage 1 -. - 7 - im beschleunigten Gesetzgebungsverfahren erlassen.10 Zur Sicherung der Energieversorgung sah § 1 Abs. 3 Energiesicherungsgesetz 1973 u.a. die Möglichkeit von gezielten Verbrauchsbeschränkungen durch Rechtsverordnungen vor, wobei diesbezüglich insbesondere die Ermächtigung in § 1 Abs. 3 S. 2 von Relevanz war. § 1 Abs. 3 S. 2 Energiesicherungsgesetz 1973 lautete: „Die Benutzung von Motorfahrzeugen aller Art kann nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwindigkeit und Benutzerkreis sowie Erforderlichkeit der Benutzung eingeschränkt werden.“ Auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 17 Nr. 2 Energiesicherungsgesetz 1973 wurde die Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vom 19. November 197311 erlassen. § 1 dieser Rechtsverordnung sah unter dem Vorbehalt der in § 2 geregelten Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen Fahrverbote für vier Sonntage vor: „Am 25. November sowie am 2., 9. und 16. Dezember 1973 dürfen Kraftfahrzeuge , Wasserfahrzeuge mit Maschinenantrieb und motorgetriebene Luftfahrzeuge in der Zeit von 3.00 bis 3.00 Uhr des jeweils folgenden Tages nicht benutzt werden.“ Ferner statuierte § 3 der Verordnung zusätzlich Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen und von 80 km/h auf anderen Straßen. Hervorzuheben ist, dass es sich bei diesen Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen um die einzigen gesetzlichen Krisenmaßnahmen handelt, die während der Ölkrise von der Bundesregierung aufgrund des Energiesicherungsgesetzes 1973 getroffen wurden.12 Entsprechend der Befristung in § 7 S. 2 der Rechtsverordnung trat die Verordnung nach Ablauf von 6 Monaten am 24. Mai 1974 außer Kraft, wobei § 3 der Verordnung, der Geschwindigkeitsbegrenzungen anordnete, aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vom 12. März 197413 jedoch bereits mit Ablauf des 14. März 1974 außer Kraft trat. 10 Näher zur Entstehungsgeschichte: Danner, in: Energierecht, Kommentar, Band 3, B 1, EnSiR IX, Rn. 1 ff. 11 BGBl. I S. 1676, beigefügt als - Anlage 2 -. 12 Danner, in: Energierecht, Kommentar, Band 3, B 2, EnSiR IX, Rn. 12. 13 BGBl. I S. 682, beigefügt als - Anlage 3 -. - 8 - 2.2. Energiesicherungsgesetz 1975 Da auch nach Ablauf des Energiesicherungsgesetzes 1973 ein dringendes Bedürfnis für ein administratives Kriseninstrumentarium bei zivilen Störungen der Energieversorgung bestand, wurde im unmittelbaren Anschluss das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung vom 20. Dezember 1974 (Energiesicherungsgesetz 1975)14 erlassen. Die ursprünglich vorgesehene Befristung bis 31. Dezember 1979 wurde durch das Gesetz vom 19. Dezember 197915 aufgehoben mit der Folge, dass das Energiesicherungsgesetz 1975 bis heute gilt.16 Das Energiesicherungsgesetz 1975 folgt im Wesentlichen der Konzeption des Energiesicherungsgesetzes 1973 und sieht in § 1 Abs. 3 ebenfalls eine gleichlautende Rechtsverordnungsermächtigung zur Einschränkung der Benutzung von Motorfahrzeugen aller Art nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwindigkeit und Benutzerkreis sowie Erforderlichkeit der Benutzung vor. In diesem Kontext ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass von dieser Verordnungsermächtigung in der Folgezeit kein Gebrauch gemacht worden ist. Aufgrund des Energiesicherungsgesetzes 1975 wurden zwar mehrere Rechtsverordnungen erlassen, wie z.B. die Verordnung zur Sicherung der Elektrizitätsversorgung in einer Versorgungskrise (Elektrizitätssicherungsverordnung) vom 26. April 198217, die Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (Gassicherungsverordnung ) vom 26. April 198218, die Verordnung über Lieferbeschränkungen für Kraftstoff in einer Versorgungskrise (Kraftstoff-Lieferbeschränkungs-Verordnung) vom 26. April 198219 und die Verordnung über Lieferbeschränkungen für leichtes Heizöl in einer Versorgungskrise (Heizöl-Lieferbeschränkungs-Verordnung) vom 26. April 198220. Jedoch wurde nach Ablauf der Verordnung vom 19. November 1973 keine neue Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge mehr geschaffen. Hieraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass nach der heutigen Rechtslage - anders als im Jahr 1973 - keine rechtliche Befugnis mehr für die verbindliche Festle- 14 BGBl. I S. 3681, zuletzt geändert durch Art. 164 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407), beigefügt als juris-Text als - Anlage 4 -. 15 BGBl. I S. 2305. 16 Hierzu und zu den Erweiterungen des Anwendungsbereiches durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz): Danner, in: Energierecht, Kommentar , Band 3, B 1, EnSiR IX, Rn. 9 ff. 17 BGBl. I S. 514. 18 BGBl. I S. 517. 19 BGBl. I S. 520. 20 BGBl. I S. 536. - 9 - gung von „autofreien Sonntagen“ besteht, da die in § 1 Abs. 3 des Energiesicherungsgesetzes 1975 vorgesehene Ermächtigung nicht durch eine entsprechende Rechtsvorordnung ausgefüllt worden ist und auch keine sonstigen gesetzlichen Grundlagen für die Anordnung genereller Fahrverbote auf Autobahnen existieren. 3. Verfassungsrechtlicher Rahmen zulässiger Verkehrsbeschränkungen Im Folgenden sollen zunächst die wesentlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben, die hinsichtlich der Zulässigkeit von hoheitlichen Verkehrsverboten und Verkehrsbeschränkungen seitens der Bundesländer und Kommunen zu beachten sind, kurz skizziert werden . 3.1. Gesetzesvorbehalt Da Fahrverbote, Sperrmaßnahmen und ähnliche Verkehrsbeschränkungen in die Grundrechte der Bürger eingreifen, bedürfen sie als belastende staatliche Eingriffsakte nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG stets einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage .21 Wie im Folgenden im Einzelnen noch näher ausgeführt werden wird, ist im deutschen Recht derzeit jedoch kein Gesetz vorhanden, auf dessen Grundlage der Erlass eines flächendeckenden Fahrverbotes zur Umsetzung „autofreier Tage“ möglich wäre. Insbesondere die Normen der StVO sind nicht dafür geeignet, ein generelles Fahrverbot zu verhängen, sondern gestatten lediglich partielle Verkehrsbeschränkungen. 3.2. Bestimmtheitsgebot Verkehrsbeschränkungen müssen ferner hinreichend deutlich erkennen lassen, welches Verkehrsverhalten verboten ist. Vor diesem Hintergrund erscheinen insbesondere flächendeckende Verkehrsbeschränkungen, die sich pauschal auf ganze Innenstädte oder Innenstadtteile beziehen, problematisch.22 3.3. Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechte Im Widerstreit mit individuellen Mobilitätsbedürfnissen dürfen hoheitliche Maßnahmen innerstädtischer Verkehrslenkung die Grundrechte der Verkehrsteilnehmer und An- 21 Jahn, NZV 1994, 5 (6); Schurig, Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), § 45, S. 527f. 22 Jahn, NZV 1994, 5 (6). - 10 - lieger nicht unverhältnismäßig beschränken und dadurch verletzen.23 Gemäß den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) müssen Verkehrsbeschränkungen daher zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und bei einer Abwägung mit den kollidierenden Grundrechten der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) angemessen sein.24 Von besonderer Relevanz ist in diesem Kontext die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG, deren Schutzbereich - neben der grundrechtlich geschützten Nutzungsfreiheit am Auto und den Schutz am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - auch den Gemeingebrauch sowie den Anliegergebrauch umfasst. 3.3.1. Gemeingebrauch Der verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich durch die Landesstraßengesetze garantierte Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen gewährleistet die Befugnis, die Straße uneingeschränkt und unentgeltlich im Rahmen der Widmung zu nutzen.25 Der Gemeingebrauch wird beispielsweise beeinträchtigt , wenn durch Verkehrsbeschränkungsmaßnahmen die Verkehrsmittelwahl aufgehoben oder eingeschränkt wird.26 3.3.2. Anliegergebrauch Art. 14 GG schützt ferner den „Kernbereich des Anliegerrechts“, der soweit reicht, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert .27 Der Schutz der Interessen der Straßenanlieger an der Nutzung des öffentlichen Verkehrsraumes folgt unmittelbar aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und ist als gesteigerter Gemeingebrauch zu qualifizieren.28 Vom Anliegergebrauch erfasst ist dabei jedoch nur die Nutzung, die zur Wahrnehmung der Eigentümerinteressen unbedingt erforderlich ist. Eigentumsrechtlich geschützt ist somit nicht die optimale, sondern nur eine angemessene und damit zumutbare Erreichbarkeit des Grundstücks. Bei gewerblichen Anliegern gehört zu dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten „Kernbereich des Anliegerrechts“ auch der sog. „Kontakt nach außen“29, 23 Röthel, NZV 1999, 63 (65). 24 Hierzu ausführlich: Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 55 ff; dies. NZV 1999, 63 (65ff); Jahn, NZV 1994, 5 (6). 25 Vgl. nur Jahn, NZV 1994, 5 (6). 26 Jahn, NZV 1994, 5 (6). 27 BVerwGE 54, 1ff; BVerwG, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1988, 432 (433); Steiner, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1992, 1561 (1566); Röthel, NZV 1999, 63 (65f). 28 Schurig, StVO, § 45, S. 533. 29 BVerwG NJW 1975, 1528. - 11 - der einerseits die Zugänglichkeit des Gewerbebetriebes für die Kundschaft und den Lieferverkehr , andererseits die Möglichkeit der Kundenwerbung von der Betriebsstätte aus gewährleistet. Dieser gewerbliche Anliegergebrauch wird beeinträchtigt, wenn durch Verkehrsbeschränkungsmaßnahmen die Erreichbarkeit des Gewerbebetriebes völlig aufgehoben oder beschränkt wird.30 4. Überblick über das rechtliche Instrumentarium zur hoheitlichen Regelung innerstädtischer Verkehrsbeschränkungen Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die wesentlichen rechtlichen Instrumentarien zur hoheitlichen Regelung innerstädtischer Verkehrsbeschränkungen gegeben und der diesbezüglich bestehende Spielraum der Bundesländer und Kommunen zur Durchführung von „autofreien Tagen“ näher eruiert werden. In kompetenzrechtlicher Hinsicht ist dabei zunächst darauf hinzuweisen, dass die Durchführung „autofreier Erlebnistage“ in der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden liegt. Dem Bund kommt diesbezüglich keine Kompetenz zu.31 Das einfache Recht stellt eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen zur Lenkung und Reduzierung individueller Kraftfahrzeugmobilität bereit. Neben dem Kreis ordnungsrechtlicher Instrumente des Straßenverkehrs- und Immissionsschutzrechts stehen des Weiteren auch Eingriffsbefugnisse aufgrund des Straßenrechts sowie planungsrechtliche Maßnahmen im Baurecht zur Verfügung. 4.1. Befugnisse des Straßenverkehrsrechts 4.1.1. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO Das Straßenverkehrsrecht regelt als bundesrechtliche Materie (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) den Verkehr unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Zu dieser rein verkehrsorientierten Zielsetzung ermächtigt die zentrale Verkehrslenkungsnorm des § 45 StVO die Straßenverkehrsbehörden , die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zu beschränken oder zu verbieten und den Verkehr umzuleiten. 30 Jahn, NZV 1994, 5 (6); Steiner, DVBl 1992, 1561 (1567). 31 So die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 16/5255 vom 09.05.2007, S. 33. - 12 - Demgegenüber enthalten § 45 Abs. 1 S. 2 StVO sowie § 45 Abs. 1a, b und c StVO darüber hinaus Eingriffsbefugnisse, um den Straßenverkehr aus außerverkehrlichen Gründen einzuschränken.32 Die Fülle der Eingriffsermächtigungen und die Weite der Generalklausel haben § 45 StVO zu einem Hauptpfeiler kommunaler Verkehrspolitik gemacht.33 In diesem Zusammenhang wird jedoch kritisiert, dass die Straßenverkehrsbehörden vielfach zu einer extensiven Anwendung von § 45 Abs. 1 StVO zwecks Durchsetzung allgemeiner verkehrspolitischer Konzeptionen zu Lasten des privaten Fahrzeugverkehrs neigen mit der Folge, dass Beschränkungen häufig nicht von § 45 Abs. 1 StVO gedeckt sind.34 Hervorzuheben ist, dass die Verkehrsbehörden den Verkehr nur aus den in § 45 StVO enumerativ genannten Gründen beschränken oder verbieten dürfen.35 Da es sich bei § 45 StVO um klassisches Gefahrenabwehrrecht handelt, setzen Beschränkungen aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs stets eine konkrete Gefahrenlage für die in § 45 StVO genannten Schutzgüter voraus.36 Für Verkehrsbeschränkungen nach § 45 Abs. 1 S. 1 StVO reicht es daher nach der vorherrschenden Rechtsauffassung nicht aus, wenn die allgemeine verkehrspolitische Zielsetzung der Zurückdrängung des Individualverkehrs das maßgebliche Motiv ist.37 Die Eingriffsbefugnis des § 45 StVO darf folglich nicht für eine vermeintlich fehlende Ermächtigung „umgebogen“ werden, z.B. für flächendeckende Fahrverbote zur Luftreinhaltung aus Anlass „autofreier Sonntage“, da solche Anordnungen rechtswidrig wären .38 Wie sich anhand einer grammatikalischen Auslegung explizit aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 S. 1 StVO („bestimmte Straßen oder Straßenstrecken“) und im Umkehrschluss aus § 45 Abs. 1b Nr. 3 und 2 StVO („Bereiche“ bzw. „Zonen“) ergibt, erlaubt das Eingriffsinstrumentarium in § 45 Abs. 1 und 2 StVO nur die Verkehrssperrung 32 Jahn, NZV 1994, 5 (8); Röthel, NZV 1999, 63. 33 Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 36; dies. NZV 1999, 63. 34 Steiner, DVBl 1992, 1561 (1562); ders. NJW 1993, 3165; König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht , § 45 StVO, Rn. 28; vgl. auch VG Berlin NZV 2001, 395f. 35 Schurig, StVO, § 45, S. 526. 36 Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 3; Jahn, NZV 1994, 5 (9); Steiner, NJW 1993, 3161; Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 37. 37 Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 23.08.1994 – 49 OWi 79 Js 654/94 – 490/94; NJW 1994, 1911 (1912); VG Berlin NZV 2001, 395f; Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 3a ; König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 27f; Jahn, NZV 1994, 5 (9). 38 Schurig, StVO, § 45, S. 526. - 13 - oder –beschränkung für bestimmte Straßenzüge oder einzelne Straßenabschnitte. Flächendeckende, auf ganze Innenstadtbereiche bezogene Sperrungen oder Verkehrsbeschränkungen zwecks Erreichung einer „autofreien Innenstadt“ kommen mithin nicht in Betracht.39 Das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Straßen oder Straßenstrecken“ verdeutlicht, dass Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 StVO nicht abstrakt-generell sein dürfen, sondern sich immer auf eine begrenzte, konkrete örtliche Verkehrssituation beziehen müssen , um besonderen situationsbezogenen und im Verhältnis zu anderen Streckenabschnitten erhöhten Gefahren und Belästigungen zu begegnen. 40 Könnte die Straßenverkehrsbehörde ohne weiteres flächenhafte Verkehrsverbote aussprechen, bliebe von der Kompetenz der Gemeinden zur Verkehrsplanung wenig übrig.41 Weiterhin ist zu beachten, dass Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen nur gerechtfertigt sind, wenn sie aus Gründen der Sicherheit oder der Leichtigkeit des Verkehrs notwendig und verhältnismäßig sind. Verkehrsbeschränkungen müssen dem Übermaßverbot, der Eigentumsgarantie, dem Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung auch durch Ausübung des Gemeingebrauchs und dem Grundrecht der Berufsfreiheit standhalten.42 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist verletzt, wenn die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs durch weniger weitgehende Anordnungen erreicht werden kann oder wenn die Interessen Einzelner von der Beschränkung Betroffener diejenigen der Allgemeinheit überwiegen.43 Vor diesem Hintergrund erscheint ein flächendeckendes Fahrverbot an „autofreien Tagen“, das mit einer kompletten Sperrung aller Straßen in der Innenstadt einhergeht, im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Einschränkungen und massiven Grundrechtseingriffe für die betroffenen Autofahrer sowie die involvierten Bewohner, Anlieger und ansässigen Gewerbebetriebe im Lichte der Art. 14 GG und 12 GG unverhältnismäßig . Ferner ist darauf hinzuweisen, dass straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen daneben stets auch den Vorbehalt des Straßenrechts zu berücksichtigen haben. Danach kann mit straßenverkehrsrechtlichen Mitteln die widmungsgemäße Nutzung einer Straße 39 Jahn, NZV 1994, 5 (9); vgl. auch VG Aachen, Beschluss vom 23.08.1994 – 49 OWi 79 Js 654/94 – 490/94; NJW 1994, 1911 (1912), siehe ferner König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 27. 40 VG Berlin NZV 2001, 395 (396); König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 27; Erbguth/Beaucamp, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2000, 769 (773). 41 Erbguth/Beaucamp, DÖV 2000, 769 (773). 42 BVerwG, Urteil vom 25.04.1980 - 7 C 19/78, NJW 1981, 184f; Röthel, NZV 1999, 65 ff; König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 26 ff; Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht , § 45 StVO, Rn. 4; Schurig, StVO, § 45, S. 527 m.w.N. 43 König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 28a m.w.N. - 14 - nicht derart eingeschränkt werden, dass dies einer dauernden Entwidmung oder Widmungsbeschränkung gleichkommt; vielmehr muss hier eine straßenrechtliche Teileinziehung vorangehen (siehe näher hierzu unten 4.2.).44 4.1.2. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO Nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO kann die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenabschnitte „zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“ beschränkt werden. Jedoch macht auch hier wiederum bereits der Wortlaut der Norm deutlich, dass diese Bestimmung keinesfalls dazu dienen kann, pauschal ganze Stadtviertel aus Lärmschutzgründen für den Straßenverkehr zu sperren, vielmehr können insoweit nur Einzelfallentscheidungen für bestimmte Straßen und Straßenstrecken getroffen werden.45 Im Ergebnis bedeutet dies, dass auch § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO nicht zu umfassenden Innenstadtsperrungen, sondern lediglich zu streckenbezogenen Verkehrsbeschränkungen ermächtigen kann. 4.1.3. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO ermöglicht die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen. Für flächendeckende Fahrverbote oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, z.B. zur Ozonbekämpfung, bietet § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO jedoch keine Rechtsgrundlage, da dieses Ziel außerhalb des durch die Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 17 StVG begrenzten Schutzzwecks dieser straßenverkehrsrechtlichen Norm liegt.46 4.1.4. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO Nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken beschränken oder verbieten, wenn dies zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen dient. 44 Jahn, NZV 1994, 5 (9); Schurig, StVO, § 45, S. 526; König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 28b m.w.N. 45 Vgl. VG Aachen, Beschluss vom 23.08.1994 – 49 OWi 79 Js 654/94 – 490/94; NJW 1994, 1911 (1912); Steiner, DVBl 1992, 1561 (1565) Fn. 26. 46 BVerwG, NZV 2000, 342 (344); König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 31. - 15 - Voraussetzung ist hier ebenfalls das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die in § 45 StVO genannten Schutzgüter. Zudem ist eine Beschränkung nach dieser Norm nur zulässig , wenn sie auch als endgültige Maßnahme rechtmäßig wäre.47 Auch der Tatbestand des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO ist für die Realisierung eines „autofreien Sonntags“ nicht anwendbar, da er keine derart umfangreiche Analyse des Verkehrsverhaltens abdeckt.48 4.1.5. § 29 StVO Die Vorschrift des § 29 StVO regelt die übermäßige Straßenbenutzung, d.h. die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung öffentlicher Straßen. § 29 Abs. 2 StVO statuiert diesbezüglich eine Erlaubnispflicht für Veranstaltungen, die eine Sondernutzung öffentlicher Verkehrsflächen darstellen, und lautet wie folgt: „Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmer oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch . Der Veranstalter hat dafür zu sorgen, dass die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden.“ In der Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO49 werden als erlaubnispflichtige Veranstaltungen z.B. motorsportliche Veranstaltungen, Veranstaltungen mit Fahrrädern, Volksmärsche und –läufe, Radmärsche und Umzüge bei Volksfesten aufgeführt.50 Öffentliche Versammlungen i.S.v. §§14 ff. Versammlungsgesetz (VersG) werden von der Erlaubnispflicht hingegen nicht erfasst. Wesentlicher Inhalt der Erlaubnis nach § 29 StVO ist die ordnungsrechtliche Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung für Dritte, weshalb auch angemessene Verkehrsumleitungen erfolgen müssen, die sowohl Anliegerinteressen als auch die Sicher- 47 VGH Mannheim NZV 1995, 45 (47); König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, Rn. 32. 48 So die Senatorin für Stadtentwicklung Berlin, I. Junge-Reyer (SPD), in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 25.02.2008 zum Thema „autofreier Tag“, Inhaltsprotokoll StadtVerk 16/22, Online-Version: http://www.parlamentberlin .de/ados/16/StadtVerk/protokoll/sv16-022-ip.pdf [Stand: 09.04.2008]. 49 Vgl. Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO Rn.5 - 9, abgedruckt in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht , § 29 StVO, Rn. 1a ff. 50 So hat das Land Berlin z.B. die Sperrung einzelner Straßen bei Großereignissen, wie der FahrradSternfahrt , der Skate-Night und der Love Parade, auf § 29 Abs. 2 StVO gestützt. - 16 - heit für die Teilnehmer innerhalb des Veranstaltungsraums zu berücksichtigen haben. Werden Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen und wird dadurch der nach den Straßengesetzen bestimmte Widmungsgehalt überschritten, ist neben der ordnungsrechtlichen Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO zusätzlich eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nach den landesrechtlichen Straßengesetzen erforderlich.51 Ausweislich der in der Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO statuierten allgemeinen Grundsätze52 sollen Veranstaltungen in der Regel auf abgesperrtem Gelände durchgeführt werden; ist das wegen der Eigenart der Veranstaltung nicht möglich , so sollen Straßen nur benutzt werden, wenn dadurch die Sicherheit oder Ordnung des allgemeinen Verkehrs nicht beeinträchtigt wird. Radsportveranstaltungen sollen in der Regel nur auf Straßen erlaubt werden, die keine oder nur eine geringe Verkehrsbedeutung haben, und Volksmärsche, Volksläufe und Radmärsche sollen nur auf abgelegenen Straßen (Gemeindestraßen, Feld- und Waldwegen) zugelassen werden.53 Für den Fall, dass für eine Veranstaltung nach § 29 Abs. 2 StVO Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen erforderlich werden, kann die Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 5 S. 3 StVO der Gemeinde, in der die Veranstaltung stattfindet, mit deren Einvernehmen die Verpflichtung nach § 45 Abs. 5 S. 1 StVO übertragen. In diesem Kontext ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Straßensperrungen nach § 29 StVO grundsätzlich voraussetzen, dass dort konkrete andere Aktivitäten (Veranstaltungen) stattfinden.54 Hieraus folgt, dass auch § 29 Abs. 2 StVO keine geeignete Rechtsgrundlage für flächendeckende Innenstadtsperrungen anlässlich der Durchführung „autofreier Tage“ bietet. 4.1.6. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist daher zu konstatieren, dass das Straßenverkehrsrecht den Bundesländern und Kommunen keine rechtliche Grundlage für die Anordnung von flächendeckenden, generellen Fahrverboten im Rahmen „autofreier Tage“ zur Verfügung stellt. 51 Schurig, StVO, § 29, S. 299. 52 Vgl. Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO Rn. 11 ff, abgedruckt in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht , § 29 StVO, Rn. 1b. 53 Vgl. Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO Rn.70, 73, abgedruckt in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht , § 29 StVO, Rn. 1b. 54 Siehe die Information der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin anlässlich der Aktuellen Viertelstunde des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 25.02.2008 zum Thema „autofreier Sonntag“, Anlage 2 zum Beschlussprotokoll StadtVerk 16/22, Online-Version: http://www.parlament-berlin.de/ados/16/StadtVerk/protokoll/sv16-022-bp-Anlage2.pdf [Stand: 09.04.2008]; beigefügt als - Anlage 5 -. - 17 - Die Instrumentarien der StVO gestatten insoweit lediglich partielle Verkehrsbeschränkungen . So ist beispielsweise die Sperrung bestimmter Straßen oder einzelner abgegrenzter Innenstadtbereiche für den Kraftfahrzeugverkehr unter der Voraussetzung , dass konkrete Aktivitäten wie z.B. Straßenfeste stattfinden, rechtlich zulässig. Abgesehen von den Möglichkeiten nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO und § 40 BIm- SchG dürfen verkehrsbehördliche Maßnahmen jedoch nicht aus allgemeinen politischen Erwägungen des Umwelt- oder Klimaschutzes angeordnet werden, wie z.B. Fahrverbote aus Anlass von „Umwelttagen“ oder zur Besinnung auf den Schutz der Erdatmosphäre.55 Auch nach Ansicht der Bundesregierung können „autofreie Sonntage“ nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden; ein Gebot oder Verbot der Bundesregierung kommt insofern nicht in Betracht.56 Zwar werden „autofreie Erlebnistage“ und Werbeaktionen von der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt, jedoch lehnt sie Streckensperrungen aufgrund außerhalb der straßenverkehrsrechtlichen Gefahrenabwehr liegender Ziele ab.57 4.2. Befugnisse des Straßenrechts Als Regelungsinstrument für innerstädtische Verkehrsbeschränkungen, wie z.B. die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen und Fußgängerzonen, kommt - wie bereits erwähnt - auch das Straßenrecht der Länder in Betracht. Das landesrechtlich kodifizierte Straßenrecht bildet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)58 die Voraussetzungen für Regelungen des Straßenverkehrsrechts , da es mit den Vorschriften über Widmung, Gemeingebrauch, Sondernutzung , Umstufung und Einziehung anordnet, unter welchen Bedingungen und in welchem Rahmen die Straße dem Einzelnen zur Verfügung steht. Nach dem sog. „Vorbehalt des Straßenrechts“ legt das Straßenrecht folglich den „Nutzungsrahmen“ fest, innerhalb dessen das Straßenverkehrsrecht unter Ordnungsgesichtspunkten das Verhältnis der Verkehrsteilnehmer zueinander regeln kann.59 55 Schurig, StVO, § 45, S. 537. 56 Vgl. BT-Plenarprotokoll 08/212 vom 18.04.1980, S. 17023 (D). 57 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 16/5255 vom 09.05.2007, S. 33. 58 Vgl. BVerfGE 40, 371 (378); 67, 299 (314). 59 Hierzu näher: Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 39 ff; Jahn, NZV 1994, 5 (8). - 18 - Da Straßen im Allgemeinen gerade auch für den Kraftfahrzeugverkehr gewidmet sind und dieser damit dem Gemeingebrauch unterliegt, können Kommunen Verkehrszüge im Innenstadtbereich dem Kraftfahrzeugverkehr nur über den Weg der teilweisen Umwidmung entziehen, wobei eine solche Teileinziehung jedoch nur aus überwiegenden Gründen des Wohls der Allgemeinheit und nach umfassender Abwägung aller Belange zulässig ist.60 4.3. Befugnisse des Immissionsschutzrechts 4.3.1. § 40 Abs. 1 BlmSchG Ferner hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde gemäß § 40 Abs. 1 BlmSchG die Befugnis, den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu verbieten, soweit ein Luftreinhalte- oder Aktionsplan nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG dies vorsehen. Die Norm dient der Durchsetzung der EG-rechtlich festgelegten Luftqualitäts-Standards.61 Die dort genannten Luftreinhalte- oder Aktionspläne setzen die Überschreitung von Immissionsgrenzwerten oder von Alarmschwellen voraus , die in einer Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegt sind.62 Die zuständigen Straßenverkehrsbehörden sind an die Vorgaben dieser Pläne gebunden, d.h. ihnen steht kein Ermessensspielraum zur Verfügung.63 Verkehrsbeschränkungen und –verbote, die im Luftreinhalte- oder Aktionsplan konkret vorgesehen sein müssen, können nach § 40 Abs. 1 BlmSchG auch auf Dauer verhängt werden.64 Die verkehrsbeschränkenden Maßnahmen können dabei nach § 40 Abs. 1 BlmSchG, der eine Rechtsfolgenverweisung auf die Instrumente des Straßenverkehrsrechts darstellt, auf bestimmte Fahrzeuge (z.B. nur Lkw), bestimmte Zeiten (z.B. nur während der Verkehrsspitzen) und bestimmte Straßenabschnitte eingegrenzt werden, sie können jedoch auch bis zur vollständigen Sperrung bestimmter Bereiche für den gesamten Kraftfahrzeugverkehr reichen.65 Gestützt auf § 40 Abs. 1 BImSchG können grundsätzlich auch gebietsbezogene Verkehrsbeschränkungen angeordnet werden, soweit ein Plan nach § 47 Abs. 1 bzw. 2 60 Jahn, NZV 1994, 5 (8); Erbguth/Beaucamp, DÖV 2000, 769 (774). 61 Ausführlich hierzu: Scheidler, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ 2007), 144 ff; Rebler /Scheidler, straßenverkehrsrecht (SVR) 2007, 201 ff. 62 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 11. 63 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 14; Rebler /Scheidler, SVR 2007, 201 (204). 64 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 11; Rebler /Scheidler, SVR 2007, 201 (204). 65 Rebler/Scheidler, SVR 2007, 201 (203ff); Scheidler, NVwZ 2007, 144 (146). - 19 - BImSchG dies vorsieht. Hierfür kann das neu eingeführte Zeichen 270.1/270.2 („Umwelt-Zone“: Beginn/Ende eines Verkehrsverbots zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone) verwendet werden.66 Mit den Zeichen 270.1/270.2 werden die Grenzen einer Verkehrsverbotszone bestimmt. Sie verbieten den Verkehr mit Kraftfahrzeugen innerhalb einer so gekennzeichneten Verkehrsverbotszone im Falle der Anordnung von Maßnahmen zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 BImSchG. Die Anordnung flächendeckender, ganze Innenstadtbereiche betreffender Verkehrsbeschränkungen hängt von den Umständen des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ab.67 Die auf § 40 Abs. 3 BImSchG gestützte Kennzeichnungs-Verordnung (35. BImSchV) regelt insoweit abstraktgenerell Ausnahmen von Verkehrsverboten, die nach § 40 Abs. 1 BImSchG ergehen.68 4.3.2. § 40 Abs. 2 BlmSchG § 40 Abs. 2 BImSchG dient hinsichtlich des Kraftfahrzeugverkehrs der Durchsetzung von nationalen Immissionswerten, die nicht EG-rechtlich vorgesehen sind.69 Die zuständige Straßenverkehrsbehörde kann danach den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten verbieten oder beschränken, wenn der Kraftfahrzeugverkehr zur Überschreitung von in Rechtsverordnungen nach § 48a Abs. 1a BImSchG festgelegten Immissionswerten beiträgt und soweit die für den Immissionsschutz zuständige Behörde dies im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse für geboten hält, um schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu vermindern oder deren Entstehen zu vermeiden. 4.3.3. Verhältnis zu § 45 StVO Umstritten ist, ob die straßenverkehrsrechtliche Befugnisnorm des § 45 StVO neben der Regelung des § 40 BImSchG anwendbar ist. 66 Detailliert hierzu: Rebler/Scheidler, SVR 2007, 201 (204ff). 67 Rebler/Scheidler, SVR 2007, 201 (204). 68 Näher hierzu: Rebler/Scheidler, SVR 2007, 201 (206ff); Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht , Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 28 ff. 69 Scheidler, NVwZ 2007, 144 (147); Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 21ff. - 20 - Zum Teil wird dies abgelehnt, weil die Anwendung der straßenverkehrsrechtlichen Regelungen der StVO allein aus Gründen der Überschreitung der festgelegten Grenzwerte durch das insoweit spezielle und daher vorrangige Immissionsschutzrecht ausgeschlossen sei und sich deshalb ein Rückgriff auf straßenverkehrsrechtliche Befugnisse verbiete.70 Demgegenüber geht die h.M.71 davon aus, dass beide Vorschriften grundsätzlich nebeneinander stehende Eingriffsmöglichkeiten bieten und mit § 40 BImSchG keine Verdrängung der Eingriffsmöglichkeiten nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO bezogen auf Abgasimmissionen erfolgen sollte. Für diese Ansicht spricht, dass die Regelungen unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen: So knüpft § 45 StVO an ein besonderes Schutzbedürfnis der Bevölkerung an, § 40 BImSchG hingegen an die Einhaltung von Immissionswerten. Verkehrsbeschränkungen nach § 45 StVO dienen der konkreten, wenn auch vorbeugenden Gefahrenabwehr (Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung), während Verkehrsbeschränkungen nach § 40 BImSchG darüber hinaus auch zur Vorsorge gegen das drohende Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen möglich sind.72 4.4. Befugnisse des Baurechts Während Verkehrssperrungen und –beschränkungen für den überörtlichen Verkehr aufgrund der Regelung des § 38 S. 2 BauGB der kommunalen Bauleitplanung von vornherein entzogen sind, kann für innerörtliche, punktuelle Verkehrsbeschränkungen ferner auf das Recht der kommunalen Bauleitplanung zurückgegriffen werden.73 Spezifisch verkehrsbezogene Festsetzungen ermöglichen insoweit § 9 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 24 BauGB. Als Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung können nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB z.B. verkehrsberuhigte Bereiche, wie Fußgängerzonen, ausgewiesen werden. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB erlaubt es Gemeinden, Vorkehrungen baulicher und technischer Art aus Gründen des Immissionsschutzes festzusetzen (passiver Lärmschutz).74 70 VG München, NVwZ 2005, 1215 (1217); Brenner, Deutsches Autorecht (DAR) 2005, 426 (430). 71 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band I, BImSchG, § 40 Rn. 10; Jarass, BImSchG, § 40 Rn. 3, 16; Scheidler, NVwZ 2007, 144 (147) m.w.N.; Krohn, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2005, 371 (373); Rebler, SVR 2005, 211 (213); König, in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht , § 45 StVO, Rn. 29. 72 Scheidler, NVwZ 2007, 144 (147). 73 Jahn, NZV 1994, 5 (7); vgl. zum Instrument des Bauplanungsrechts auch: Röthel, in: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft, Dissertation 1997, S. 51 ff. 74 Erbguth/Beaucamp, DÖV 2000, 769 (771). - 21 - Zu beachten ist insoweit jedoch, dass § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB der Gemeinde kein Instrument an die Hand gibt, flächendeckend in Innenstadtbereichen Kraftfahrzeugverkehr auszuschließen.75 5. Aktuelle Debatte zur Durchführung eines „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 in Berlin Zur Illustration der Argumente pro und contra soll als abschließendes Beispiel kurz die aktuelle kontroverse Diskussion zur Durchführung eines „autofreien Sonntages“ am 1. Juni 2008 in Berlin dargestellt werden. Im Abgeordnetenhaus von Berlin wurde am 18. Februar 2008 ein fraktionsübergreifender Gruppenantrag von 61 Abgeordneten der SPD, der Linken und der Grünen eingebracht, der einen Beschluss des 7. Berliner Jugendforums vom November 2007 aufgriff und den Senat im Sinne des aktiven Klimaschutzes und als Zeichen in „Sachen Umdenken und Umstieg auf Busse und Bahnen“ dazu aufforderte, für den 1. Juni 2008 ein verbindliches Sonntagsfahrverbot auszusprechen.76 Zur Begründung wurde u.a. angeführt, dass am 1. Juni 2008 aufgrund der an diesem Tag stattfindenden großen Fahrrad-Sternfahrt und des Umweltfestes am Brandenburger Tor ohnehin zahlreiche Straßen gesperrt seien. Der umweltpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Daniel Buchholz, betonte in diesem Zusammenhang, dass dem Instrument des verordneten autofreien Sonntags hohe Symbolkraft für den Umwelt- und Klimaschutz sowie hinsichtlich der Werbung für den öffentlichen Nahverkehr und der Fahrradstadt Berlin zukomme und dass die StVO durchaus Spielräume für ein berlinweites Autoverbot vorsehe.77 Der Vorschlag eines verbindlichen „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 fand jedoch keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Die Idee eines zwangsweisen Fahrverbots stieß sowohl innerhalb der SPD-Fraktion als auch bei der oppositionellen CDU und FDP auf Widerstand, da die StVO eine flächendeckende Straßensperrung nicht zu- 75 Jahn, NZV 1994, 5 (8). 76 Antrag der Abgeordneten Daniel Buchholz, Mari Weiß, Stefan Ziller und weiterer 58 Abgeordneter, „Jugendforum ernst nehmen: Berlin macht einen Tag autofrei!“, Drs. 16/1194 vom 18.02.2008, Online -Version: http://www.parlament-berlin.de/ados/16/StadtVerk/vorgang/sv16-0159-v.pdf [Stand: 09.04.2008]. 77 Nach Aussage des umweltpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Daniel Buchholz „könne die Stadt durch eine geschickte Kombination solcher gesperrter Abschnitte zumindest weitgehend autofrei gemacht werden“. Vgl. Tagesspiegel, Online-Version vom 19.02.2008, http://www.tagesspiegel.de/berlin/Verkehr-Autofreier-Sonntag;art270,2479276 [Stand: 09.04.2008]. - 22 - lasse und ein solches Fahrverbot zudem eine „massive Verletzung der Grundrechte“ darstelle. Auch der Senat lehnt einen zwangsweise verordneten Tag ohne Auto dezidiert ab, da ein generelles Fahrverbot für die gesamte Stadt rechtlich nicht möglich und zudem politisch das falsche Signal sei. So machte die Senatorin für Stadtentwicklung von Berlin, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 25. Februar 2008 erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Realisierung eines berlinweiten zwangsweisen „autofreien Sonntags“ am 1. Juni 2008 geltend.78 Sie führte aus, dass es für ein allgemein verbindliches Fahrverbot an einer Ermächtigungsgrundlage im StVG und der darauf beruhenden StVO fehle, da weder der Tatbestand des § 45 StVO noch des § 29 StVO erfüllt sei. Zudem stelle eine Sperrung aller Straßen im Land Berlin oder in der Innenstadt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Nach § 29 Abs. 2 StVO komme unter der Voraussetzung, dass konkrete andere Aktivitäten stattfinden, lediglich eine Sperrung einzelner Straßen in Betracht, wie dies bei diversen Veranstaltungen (wie z.B. bei der traditionellen Fahrrad-Sternfahrt) bereits bisher praktiziert werde. Aufgrund dieser von der Stadtentwicklungssenatorin dargelegten juristischen Bedenken gegen die Anordnung eines allgemein verbindlichen Fahrverbots stellte die Fraktion der SPD und die Fraktion Die Linke in der Ausschusssitzung am 10. März 2008 einen Änderungsantrag , der für einen freiwilligen Verzicht der Autonutzung plädierte.79 Dieser Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde dann vom Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr in der Sitzung am 10. März 2008 mehrheitlich mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Linksfraktion und der Fraktion der FDP als dringliche Beschlussempfehlung beschlossen.80 Danach soll der für den 1. Juni 2008 geplante „autofreie Sonntag“ nunmehr auf freiwilliger Basis stattfinden. 78 Siehe hierzu die Information der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin anlässlich der Aktuellen Viertelstunde des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 25.02.2008 zum Thema „autofreier Sonntag“, Anlage 2 zum Beschlussprotokoll StadtVerk 16/22, Online-Version: http://www.parlament-berlin.de/ados/16/StadtVerk/protokoll/sv16-022-bp-Anlage2.pdf [Stand: 09.04.2008]; beigefügt als -Anlage 5 -. 79 Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke vom, Anlage 3 zum Beschlussprotokoll StadtVerk 16/23 vom 10.03.2008, Online-Version: http://www.parlamentberlin .de/ados/16/StadtVerk/protokoll/sv16-023-bp-Anlage3.pdf [Stand: 09.04.2008]. 80 Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr vom 10. März 2008, Online-Version: http://www.parlament-berlin.de/ados/16/StadtVerk/vorgang/sv16-0159-vd 16-1194-be.pdf [Stand: 09.04.2008].