© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 063/17 Das nationale automatisierte Register für terroristische Straftaten (FIJAIT) in Frankreich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 2 Das nationale automatisierte Register für terroristische Straftaten (FIJAIT) in Frankreich Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 063/17 Abschluss der Arbeit: 22. Juni 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 3 1. Einleitung Gegenstand dieses Sachstandes sind verschiedene Fragen in Zusammenhang mit der französischen Datenbank Fichier judiciaire national automatisé des auteurs d'infractions terroristes (FIJAIT, nationales automatisiertes Strafregister für terroristische Straftaten).1 2. Hintergrund und Zweck der Einrichtung des FIJAIT Bei der Vorstellung des als Reaktion auf die Attentate in Paris und in der Pariser Region im Januar 2015 beschlossenen Plans zur Terrorismusbekämpfung am 21. Januar 2015 kündigte der französische Premierminister auch die Einrichtung des FIJAIT an. Gesetzliche Grundlage für die Einrichtung des Registers ist Art. 19 des Gesetzes Nr. 2015-912 vom 24. Juli 2015 über die Nachrichtendienste . Das FIJAIT existiert seit dem 1. Juli 2016. Das Strafregister soll als ein Instrument für die mit der Terrorismusbekämpfung befassten Stellen dienen, mit dem der Gefahr von Wiederholungstaten entgegengetreten und die Fahndung nach Straftätern erleichtert werden soll. Die gesetzlichen Regelungen zum FIJAIT sind in den Art. 706-25-3 bis 706-25-14 Code de procédure pénale2 (Strafprozessordnung) enthalten. 3. Für das FIJAIT verantwortliche Behörde und zur Einsicht berechtigte Personen Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ist der Leiter des Casier judiciaire national (nationales Strafregister) auch verantwortlich für das FIJAIT. Es ist Aufgabe der örtlich zuständigen Staatsanwälte , Eintragungen in das FIJAIT über die Strafregisterbehörde vornehmen zu lassen. Zugang zu den im FIJAIT erfassten Informationen haben Justizbehörden; Beamte der Kriminalpolizei im Rahmen von Verfahren, die eine terroristische Straftat nach den Art. 421-1 bis 421-6 Code pénal3 oder Art. L. 224-1 und L. 225-7 des code de la sécurité intérieure4 (Gesetz über die innere Sicherheit: Verbot der Ausreise aus dem Hoheitsgebiet und behördliche Kontrolle von Rückkehrern aus Kampfgebieten terroristischer Gruppierungen) betreffen, sowie für die Durchführung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Führung des Registers und Kontrolle der Pflichten, die 1 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf einer Auskunft der französischen Parlamentsverwaltung. 2 Die französische Strafprozessordnung ist in französischer Sprache abrufbar unter https://www.legifrance .gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT000006071154 (abgerufen am 8. Juni 2017). 3 Das französische Strafgesetzbuch ist in französischer Sprache abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/affich Code.do?cidTexte=LEGITEXT000006070719 (abgerufen am 8. Juni 2017). 4 Das Gesetz über die innere Sicherheit ist in französischer Sprache abrufbar unter https://www.legifrance .gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT000025503132&dateTexte=20120618 (abgerufen am 8. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 4 sich aus der Erfassung einer Person im Register ergeben. Zudem können Beamte der Kriminalpolizei das Register auf Anweisung oder mit Genehmigung eines Staatsanwalts oder eines Ermittlungsrichters im Rahmen von Ermittlungen zu einer Straftat oder zur Erfüllung eines Rechtshilfeersuchens einsehen; Präfekte und bestimmte staatliche Behörden in Zusammenhang mit Entscheidungen über Einstellungen, Zuweisungen, Genehmigungen, Zulassungen oder Ermächtigungen. Zu diesen Behörden gehören die Personalabteilung des für Bildung und Hochschulen zuständigen Ministeriums, Schulbehörden und die Leiter von Dienststellen der Bildungsverwaltung auf Ebene der Départsments, die Leitung der Jugendgerichtshilfe sowie deren regionale Direktionen, die Leitung der Justizvollzugsbehörden, die Generaldirektion der Gendarmerie und die Generaldirektion der Polizei im Rahmen von behördlichen Untersuchungen sowie die Generaldirektion für innere Sicherheit; Mitarbeiter der Geschäftsstellen an Strafgerichten zur Überprüfung, ob eine im Register erfasste Person über die Eintragung informiert wurde, und um die Daten der Festnahme, der Freilassung und die von der freigelassenen Person angegebene Wohnanschrift einzutragen , sowie Mitarbeiter, die vom Strafvollzugsbüro der Justizvollzugsbehörde einzeln dazu benannt und ermächtigt wurden; Mitarbeiter der Nachrichtendienste, die einzig zum Zweck der Terrorprävention einzeln dazu dazu benannt und ermächtigt wurden; Mitarbeiter des Außenministeriums, die mit der Durchführung von Maßnahmen im Zusammenhang mit Eintragungen von im Ausland ansässigen Personen in das Register befasst sind. Darüber hinaus erhält jede Person, die ihre Identität nachweisen kann, auf Antrag Auskunft über alle sie betreffenden Informationen, die im FIJAIT erfasst sind. Der Antrag ist bei der Staatsanwaltschaft am für den Wohnbezirk der Person zuständigen Tribunal de grande instance zu stellen . 4. Erfasste Personen und eingetragene Daten Im FIJAIT werden Personen erfasst, die an einer terroristischen Straftat (Straftaten im Sinne der Art. 421-1 bis 421-6 Code pénal) oder an einer Straftat im Zusammenhang mit der Nichtbeachtung der Vorschriften zu Ausreiseverboten (Art. L. 224-1 Gesetz über die innere Sicherheit) beteiligt waren oder von der behördlichen Kontrolle von Rückkehrern aus Kampfgebieten terroristischer Gruppierungen (Art. L. 225-7 Gesetz über die innere Sicherheit) betroffen sind. Die Aufnahme in das Register erfolgt aufgrund folgender, in Art. 706-25-4 Code de procédure pénale aufgeführten, gerichtlicher oder behördlicher Entscheidungen: Verurteilung (auch vor Eintritt der Rechtskraft) einschließlich in Abwesenheit ergangener Urteile oder Schuldsprüche mit Aussetzung der Strafvollstreckung oder Straferlass; Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 5 Entscheidung (auch vor Eintritt der Rechtskraft) des Jugendrichters oder des Jugendgerichts gemäß Artikel 8, 15, 15-1, 16, 16bis und 28 der Verordnung Nr. 45-174 vom 2. Februar 1945 über straffällige Kinder und Jugendliche; Beschluss über die strafrechtliche Schuldunfähigkeit wegen geistiger Störung; von ausländischen Gerichten oder Justizbehörden getroffene vergleichbare Entscheidungen , die den französischen Behörden nach den Bestimmungen einer internationalen Vereinbarung oder eines internationalen Übereinkommens übermittelt wurden oder in Frankreich infolge der Überstellung der verurteilten Personen vollstreckt werden; Einleitung des Ermittlungsverfahrens, wenn der Ermittlungsrichter die Eintragung der Entscheidung im FIJAIT angeordnet hat. Das FIJAIT enthält Informationen zur Identität der betroffenen Person sowie deren Wohnanschrift beziehungsweise aufeinanderfolgenden Wohnanschriften und gegebenenfalls Wohnsitze sowie Informationen über die gerichtliche Entscheidung, die Grundlage für die Eintragung ist, und die Art der Zuwiderhandlung. Verurteilungen und Entscheidungen auf Grundlage der Verordnung Nr. 45-174 aus dem Jahre 1945 werden auf Beschluss der Justizbehörde eingetragen; Eintragungen von Entscheidungen über die Schuldunfähigkeit oder von ausländischen Gerichten ergangene Entscheidungen erfolgen durch die Staatsanwaltschaft. Nicht im Register erfasst werden Entscheidungen, die Minderjährige unter 13 Jahren betreffen. Entscheidungen in Bezug auf Minderjährige zwischen 13 und 18 Jahren werden nur dann in das FIJAIT eingetragen, wenn dies ausdrücklich vom Gericht beziehungsweise bei Entscheidungen über die Schuldunfähigkeit oder bei Entscheidungen ausländischer Gerichte von der Staatsanwaltschaft angeordnet wird. 5. Pflichten der gespeicherten Personen und Folgen bei Zuwiderhandlungen Jede im FIJAIT erfasste Person ist verpflichtet, - ihre Anschrift nachzuweisen, und zwar erstmals nach Erhalt der Benachrichtigung über die mit der Eintragung im Register verbundenen Maßnahmen und Pflichten, und in der Folge vierteljährlich; - Änderungen der Adresse innerhalb von höchstens zwei Wochen mitzuteilen; - jede Reise ins Ausland spätestens zwei Wochen vor Antritt mitzuteilen; - jede Reise nach Frankreich spätestens zwei Wochen vor Antritt mitzuteilen, sofern es sich um eine im Ausland wohnhafte Person handelt. Personen mit Wohnsitz in Frankreich müssen sich persönlich bei der für ihren Wohnsitz zuständigen Dienststelle der Polizei oder der Gendarmerie melden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 6 Im Ausland wohnhafte Personen mit französischer Staatsangehörigkeit müssen persönlich bei dem für ihren Wohnsitz zuständigen französischen Konsulat oder der Konsularabteilung der zuständigen französischen Botschaft vorsprechen. Im Ausland wohnhafte Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit müssen die entsprechenden Nachweise als Einschreiben mit Rückschein an die zuständige Dienststelle senden. Die Pflicht des Nachweises und der persönlichen Vorsprache entfällt, solange die betroffene Person innerhalb des französischen Staatsgebiets inhaftiert ist. Personen, die im FIJAIT erfasst sind, werden für den gesamten Zeitraum, in dem sie diesen Pflichten unterliegen, in der Personenfahndungsdatei (fichier des personnes recherchées) eingetragen . Personen, die den ihnen aufgrund einer Eintragung im FIJAIT obliegenden Pflichten nicht nachkommen , können mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 30.000 Euro Geldstrafe bestraft werden. 6. Pflichten für Ausländer aus EU- und Nicht-EU-Ländern Die Staatsangehörigkeit einer Person hat keine Auswirkungen auf die Eintragung in das FIJAIT und die daraus resultierenden Pflichten. Jede Person, die von einer der in Art. 706-25-4 Code de procédure pénale aufgeführten Entscheidungen betroffen ist, wird - unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit - im FIJAIT erfasst. 7. Vernetzung des FIJAIT mit französischen oder europäischen Strafregistersystemen Die Datenbank FIJAIT ist in keiner Weise mit dem europäischen Strafregisterinformationssystem ECRIS (European Criminal Records Information System) vernetzt. Sie ist auch nicht direkt mit den Daten des französischen nationalen Strafregisters hinsichtlich der erfassten Strafurteile verknüpft. Die zuständige Behörde ist jedoch gesetzlich verpflichtet, die Identität der in FIJAIT erfassten Personen anhand des vom französischen Statistikamt (INSEE) geführten Nationalen Registers zur Identifizierung natürlicher Personen (RNIPP) zu überprüfen. Somit verwenden sowohl das FIJAIT als auch das nationale Strafregister dieses Personenverzeichnis , wobei es sich jedoch nicht um eine Vernetzung der Datensätze handelt. 8. Klagemöglichkeiten vor deutschen Gerichten Nach dem Grundsatz der Staatenimmunität ist eine Klage auch deutscher Betroffener vor einem deutschen Gericht nicht zulässig. Nach § 20 Abs. 2 GVG i. V. m. dem allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts, Art. 25 GG, sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 063/17 Seite 7 Staaten insoweit nicht unterworfen, wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist.5 9. Klagemöglichkeiten ausländischer Betroffener vor französischen Gerichten Personen, die von französischen Gerichten für terroristische Straftaten verurteilt und im FIJAIT erfasst wurden, können unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die Korrektur oder die Löschung sie betreffender Daten im FIJAIT verlangen. Jede im FIJAIT erfasst Person muss von den Justizbehörden über diese Rechte informiert werden. Die betroffene Person hat dann die Möglichkeit , Einspruch gegen die Eintragung einzulegen und bei der Staatsanwaltschaft desjenigen Gerichts , das die zur Erfassung im FIJAIT führende Entscheidung verhängt hat, die Löschung oder Berichtigung der Daten zu verlangen. Gegen die Entscheidung des Staatsanwalts kann zunächst beim Haftrichter desselben Gerichts Einspruch eingelegt werden, dann beim Vorsitzenden des Chambre de l’instruction des Appellationsgerichts. Informationen über Klagen ausländischer Staatsangehöriger vor französischen Gerichten liegen derzeit nicht vor. *** 5 LAG Hessen, Urt. v. 14.3.2014 - 3 Sa 95/13, Rn. 36 (beck-online); Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung , 32. EL 2016, Vorb. § 40, Rn. 41; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 78. EL 2016, Art. 35, Rn. 52.