© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 060/20 Geschlechtsspezifische Straftatbestände Regelungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 2 Geschlechtsspezifische Straftatbestände Regelungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 060/20 Abschluss der Arbeit: 14. Juli 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Regelungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union 5 2.1. Belgien 5 2.2. Bulgarien 6 2.3. Dänemark 8 2.4. Estland 9 2.5. Finnland 9 2.6. Frankreich 10 2.7. Griechenland 10 2.8. Irland 10 2.9. Kroatien 11 2.10. Lettland 11 2.11. Litauen 12 2.12. Luxemburg 12 2.13. Niederlande 12 2.14. Österreich 12 2.15. Polen 14 2.16. Portugal 14 2.17. Rumänien 14 2.18. Schweden 15 2.19. Slowakei 17 2.20. Slowenien 17 2.21. Spanien 18 2.22. Tschechien 18 2.23. Ungarn 19 3. Fazit 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland gibt es einen Straftatbestand, der nur von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts täterschaftlich verwirklicht werden kann, der Straftatbestand der exhibitionistischen Handlungen. So wird nach § 183 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) 1 „ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt“, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Straftatbestand der Kindstötung, welcher die vorsätzliche Tötung eines nichtehelichen Kindes durch die Mutter in oder gleich nach der Geburt regelte, wurde im Jahre 1998 gestrichen.2 § 183 StGB lautet auszugsweise: „§ 183 Exhibitionistische Handlungen (1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. (3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen , wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird. […]“ In der Rechtsprechung wird im Hinblick auf einen möglichen Verstoß der Vorschrift gegen die besonderen Gleichheitssätze aus Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (GG)3 aufgrund der Anknüpfung der Strafbarkeit an das männliche Geschlecht angeführt, die Tatbestände des Zeigens des männlichen bzw. weiblichen Geschlechtsteils seien „als soziale Phänomene“ in ihrem Wesen 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1247) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/BJNR001270871.html, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 14.07.2020. 2 Vgl. ehemals § 217 StGB. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 5 so unterschiedlich, dass Art. 3 Abs. 3 GG nicht einschlägig sei.4 Der biologische Unterschied im Geschlecht sei so prägend, dass etwaige vergleichbare Elemente gänzlich zurückträten.5 Der folgende Sachstand beleuchtet Straftatbestände aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die ebenfalls ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden können. Hierzu wurden alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union um Auskunft gebeten. Die folgenden Angaben basieren auf den von diesen Ländern übermittelten Informationen . Berücksichtigt wurden nur solche Mitgliedstaaten, deren Antworten bis zum Ende der Bearbeitungsfrist vorlagen. In diesem Rahmen wurden auch Regelungen übermittelt, die einen geringeren Strafrahmen im Falle der Verwirklichung durch Angehörige eines bestimmten Geschlechts vorsehen (Strafmilderung), als der Grundstraftatbestand, welche eine Begehung durch Personen jeden Geschlechts regelt. Auch diese Vorschriften werden aufgeführt. Für Deutschland lässt sich § 218 Absatz 3 StGB als Regelung anführen. Die vom Geschlecht unabhängige Regelung des § 218 Abs. 1 StGB lautet: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Für den Fall des Schwangerschaftsabbruchs durch die Schwangere sieht § 218 Abs. 3 StGB strafmildernd vor: „Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.“ Weiterhin werden – sofern diesbezüglich Informationen übermittelt wurden – die verschiedenen Rechtsfolgen der Vorschriften dargestellt und Begründungen für die Beschränkung auf Angehörige eines bestimmten Geschlechts angegeben. Gegenstand der Darstellung ist ebenfalls die Frage, wie die Geschlechtszugehörigkeit festgestellt wird. Diesbezüglich ist vorauszuschicken, dass hierzu nur vereinzelt ergiebige Informationen im Rahmen der Länderabfrage übermittelt wurden. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass die nachfolgenden Informationen auf einer durch den Fachbereich vorgenommenen Arbeitsübersetzung der überwiegend in englischer Sprache verfassten Länderantworten beruhen; bei der deutschen Wiedergabe der Rechtsvorschriften handelt es sich folglich nicht um amtliche Übersetzungen. 2. Regelungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union 2.1. Belgien In Belgien existiert ein Straftatbestand, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden kann: Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch 6 regelt, dass eine Frau, die freiwillig eine Abtreibung außerhalb der rechtlichen 4 OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.1992, Az. 2 Ss 769/92, BeckRS 1992, 09294 Rn 8 und 9; so auch im Ergebnis BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. März 1999, Az. 2 BvR 398/99, juris Rn 2. 5 OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.1992, Az. 2 Ss 769/92, BeckRS 1992, 09294 Rn 8 und 9. 6 Gesetz über den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch (2018), in Kraft getreten am 08.11.2018, in niederländischer Sprache abrufbar unter http://www.ejustice.just.fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language =nl&la=N&cn=2018101503&table_name=wet; in französischer Sprache abrufbar unter http://www.ejustice .just.fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language=fr&la=F&cn=2018101503&table_name=loi. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 6 Bedingungen vornimmt, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr und Geldstrafe von fünfzig bis zweihundert Euro bestraft wird. 2.2. Bulgarien Im Strafgesetzbuch Bulgariens existieren verschiedene Strafvorschriften, bei denen ausschließlich Angehörige eines bestimmten Geschlechts Tatsubjekte sein können. • Art. 120 des bulgarischen Strafgesetzbuchs lautet: Artikel 120 Ein Mord, den eine Mutter während der Entbindung oder unmittelbar danach an ihrem Nachkommen begangen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Tatsubjekt kann also nur eine Frau sein. • Weiterhin regelt Art. 152 des bulgarischen Strafgesetzbuchs: Artikel 152 (1) Eine Person, die Geschlechtsverkehr mit einer Person weiblichen Geschlechts hat, 1. der die Möglichkeit der Selbstverteidigung entzogen ist, und die keine Zustimmung erteilt hat, 2. wobei sie durch Gewalt oder Drohung gezwungen wird, 3. indem diese in einen Zustand der Hilflosigkeit versetzt wird, wird wegen Vergewaltigung mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis acht Jahren bestraft. (2) Bei Vergewaltigung ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren: 1. (geändert, SG Nr. 92/2002), wenn die vergewaltigte Frau das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat; 2. wenn sie eine Verwandte in absteigender Linie ist; 3. (neu, SG Nr. 28/1982) wenn die Tat ein zweites Mal begangen wurde. (3) (Geändert, GS Nr. 28/1982) Bei Vergewaltigung ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren: 1. wenn sie von zwei oder mehr Personen begangen worden ist; 2. wenn eine mittelschwere Körperverletzung verursacht worden ist; Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 7 3. wenn anschließend ein Selbstmordversuch begangen wurde; 4. (neu, SG Nr. 92/2002), wenn sie im Hinblick auf eine gewaltsame Beteiligung an weiteren Akten der Ausschweifung oder Prostitution begangen wurde; 5. (umnummeriert von Punkt 4, SG Nr. 92/2002), wenn es sich um einen Fall von gefährlicher Rückfälligkeit handelt. (4) (Geändert, SG Nr. 28/1982, SG Nr. 92/2002) Die Strafe für Vergewaltigung beträgt zehn bis zwanzig Jahre, wenn: 1. das Opfer nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat; 2. eine schwere Körperverletzung verursacht worden ist; 3. ein Selbstmord stattgefunden hat; 4. es sich um einen besonders schweren Fall handelt. Das Tatsubjekt der Vergewaltigung ist eine männliche Person, da die Rechtslehre davon ausgeht, dass ein Geschlechtsverkehr nur zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts möglich ist (und das Opfer nur eine Frau sein kann, was sich aus dem Gesetzestext ausdrücklich ergibt). • Des Weiteren lautet Art. 182b des bulgarischen Strafgesetzbuchs: Artikel 182b (1) Eine Person weiblichen Geschlechts, die dem Verkauf ihres Kindes in diesem Land oder im Ausland zustimmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu sechs Jahren und einer Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 BGN bestraft. (2) Die Strafe nach Absatz 1 ist auch gegen eine schwangere Frau zu verhängen, die vor der Entbindung in den Verkauf ihres Kindes einwilligt. Tatsubjekt ist hier wiederum eine weibliche Person. • Außerdem regelt Art. 191 des bulgarischen Strafgesetzbuchs auszugsweise: Artikel 191 (1) (Geändert und ergänzt, SG Nr. 28/1982) Eine volljährige Person, die, ohne eine Ehe geschlossen zu haben, beginnt, mit einer Person weiblichen Geschlechts, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als Mann und Frau zu leben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Bewährung sowie mit öffentlichem Tadel bestraft. […] Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 8 Nach der bulgarischen Verfassung und Gesetzgebung können nur ein Mann und eine Frau Ehepartner sein. In Anbetracht dessen kann nur eine männliche mit einer weiblichen Person im Sinne des Gesetzes zusammenleben. • Bestimmung des Geschlechts: Das Geschlecht ist im Personenstandsregister enthalten und wird nach dem bulgarischen Civil Registration Act (CRA) bei der Geburt des Kindes bestimmt. Art. 8 des bulgarischen Civil Registration Act lautet auszugsweise: Artikel 8. (1) Zu den Grunddaten einer Person im Personenstandsregister gehören […] 3. das Geschlecht; […] Die Bestimmung des Geschlechts zum Zeitpunkt der Geburt erfolgt nach biologischen Kriterien. Entscheidend sind also Anatomie und Physiologie des Neugeborenen. Die in Art. 8 des Civil Registration Act genannten Daten werden in die Geburtsurkunde eingetragen. Der Civil Registration Act sieht kein Verfahren vor, nach dem eine Person anderen Geschlechts in die Geburtsurkunde eingetragen wird. Gleichwohl wurden bei den Gerichten Bulgariens einige Anträge auf „rechtliche Geschlechtsumwandlung “ gestellt, was zu einer divergierenden Rechtsprechung führte. Die Generalversammlung der Zivilkammer des Obersten Kassationsgerichtshofs steht kurz vor einer Entscheidung in Bezug auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein rechtlicher Geschlechtswechsel im Falle einer festgestellten Transsexualität des Antragstellers zulässig ist. 2.3. Dänemark In Dänemark können die in § 238 und § 251 des dänischen Strafgesetzbuchs geregelten Straftaten nur von Frauen begangen werden: Nach § 238 Abs. 1 des dänischen Strafgesetzbuchs wird eine Mutter, die ihr Kind während oder unmittelbar nach der Entbindung tötet, mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren bestraft, sofern angenommen werden muss, dass sie aus Not, aus Angst vor Schande oder infolge der Geburt unter dem Einfluss von Schwäche, Verwirrung oder Ratlosigkeit gehandelt hat. Wurde die Straftat nur versucht, ohne dass das Kind verletzt wurde, kann die Strafe nach § 238 Abs. 2 des dänischen Strafgesetzbuchs erlassen werden. Nur die Mutter kann sich wegen § 238 des dänischen Strafgesetzbuchs strafbar machen. Sofern der Vater die Tat begeht, macht dieser sich wegen des in § 237 des dänischen Strafgesetzbuchs Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 9 normierten Tötungsdelikts strafbar, welches eine Freiheitsstrafe von mindestens 5 Jahren bis zu lebenslänglich vorsieht. Weiterhin wird nach § 251 des dänischen Strafgesetzbuchs jede Frau, die ihr Kind bei der Entbindung durch Leichtfertigkeit einer ernsten Gefahr aussetzt, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. Der Vater kann wegen „Beteiligung“ bestraft werden, sofern er die Mutter unterstützt. Dieser oder andere Personen können sich aber nicht „selbständig“ nach § 251 strafbar machen, jedoch – abhängig von den Umständen – nach anderen Vorschriften des dänischen Strafgesetzbuchs. Eine Definition der Geschlechter existiert im dänischen Strafgesetzbuch nicht. 2.4. Estland Das derzeit geltende Strafgesetzbuch Estlands7 enthält nur einen einzigen Straftatbestand, die mit dem Geschlecht des Täters im Zusammenhang steht. Wiederum handelt es sich um eine Vorschrift zur Kindstötung, welche lautet: § 116. Kindstötung Die Tötung eines neugeborenen Kindes durch die Mutter während oder unmittelbar nach der Entbindung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Dieses Delikt gilt gegenüber Mord und Totschlag als weniger schwerwiegend. Zur Begründung des milderen Strafrahmens wird Folgendes angeführt: Die Geburt eines Kindes könne bei einer Frau eine besondere emotionale Notlage hervorrufen, sodass ihre Fähigkeit, ihre Handlungen zu begreifen und zu steuern, einschränkt sei. Daraus resultiere eine geringere Schuld der Frau. Nur die biologische Mutter des Kindes kann bei dieser Straftat Täterin sein. 2.5. Finnland In Finnland existiert ebenfalls der Straftatbestand der Kindstötung, welcher als einziger ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts – nämlich Frauen – verwirklicht werden kann. Die entsprechende Vorschrift des finnischen Strafgesetzbuchs8 lautet: Kapitel 21, § 4 - Kindstötung (578/1995) (1) Eine Frau, die ihr Kind in einem durch die Geburt verursachten Zustand der Erschöpfung oder Not tötet, wird wegen Kindstötung mit Freiheitsstrafe von vier Monaten bis zu vier Jahren bestraft. 7 Strafgesetzbuch Estlands, in Kraft seit dem 01.03.2020, englische Übersetzung abrufbar unter https://www.riigiteataja.ee/en/eli/506032020002/consolide. 8 Strafgesetzbuch Finnlands (39/1889, Änderungen bis einschließlich 766/2015 enthalten), englische Übersetzung abrufbar unter https://www.finlex.fi/fi/laki/kaannokset/1889/en18890039_20150766.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 10 (2) Der Versuch ist strafbar. Nach dem „Vorschlag der Regierung zu Änderungen des Strafgesetzbuches und bestimmter anderer Gesetze, die die zweite Stufe der umfassenden Strafrechtsreform abdecken“ (HE 94/1993), wird der Umstand, dass sich nur eine Frau wegen Kindstötung strafbar machen kann, auch hier durch einen besonderen krankheitsähnlichen Zustand erklärt, in dem eine Frau ihr Kind nach der Geburt tötet. Dieser Zustand stehe in Verbindung mit hormonellen Veränderungen. In diesem Fall könne die Täterin oft als nicht oder eingeschränkt strafrechtlich verantwortlich angesehen werden. 2.6. Frankreich Im französischen Recht gibt es keinen Straftatbestand, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden kann. 2.7. Griechenland Nach dem griechischen Strafgesetzbuch ist der einzige Straftatbestand, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts begangen werden kann, der Straftatbestand des Kindsmordes durch die Mutter. Gemäß Art. 303 des griechischen Strafgesetzbuchs kann gegen eine Mutter, die ihr Kind während oder nach der Geburt vorsätzlich getötet hat – sofern ihr Organismus noch von der Geburt beeinflusst war – eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren verhängt werden . Das Wort "Mutter" beschreibt die Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat. 2.8. Irland In Irland existieren drei Straftatbestände, die nur durch Angehörige eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden können. Diese stammen aus der Kategorie der Sexualdelikte. Abschnitt 2 des irischen Criminal Law (Rape) Act9, 1981 sieht vor, dass ein Mann eine Vergewaltigung begeht, wenn (a) er Geschlechtsverkehr mit einer Frau hat, die zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs mit diesem nicht einverstanden ist, und (b) er zu diesem Zeitpunkt weiß, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden ist oder er in Bezug auf die Frage, ob sie zustimmt oder nicht, sorglos ist. Die Höchststrafe bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung ist in Irland eine lebenslange Freiheitsstrafe . 9 Criminal Law (Rape) Act, 1981, abrufbar unter http://www.irishstatutebook.ie/eli/1981/act/10/enacted/en/print. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 11 Es wird darauf hingewiesen, dass es in Irland ein weiteres Vergewaltigungsdelikt gibt, welches geschlechtsneutral ist und das Eindringen des Penis in den Anus oder Mund oder das Eindringen eines von einer anderen Person gehaltenen oder beeinflussten Gegenstandes in die Vagina umfasst (Abschnitt 4 des Criminal Law (Rape) (Amendment) Act, 199010). • Weiterhin regelt Abschnitt 1 des Punishment of Incest Act 1908 in seiner geänderten Fassung den Inzest durch Männer: Jeder Mann, welcher Geschlechtsverkehr mit einer weiblichen Person hat, von der er weiß, dass sie seine Enkelin, Tochter, Schwester oder Mutter ist, macht sich strafbar und wird aufgrund einer Anklage bei Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren bestraft. • Abschnitt 2 des Punishment of Incest Act 1908 in seiner geänderten Fassung regelt den Inzest durch Frauen, die älter als 16 Jahre sind: Jede weibliche Person im Alter von 17 Jahren oder älter, die ihrem Großvater, Vater, Bruder oder Sohn unter Zustimmung erlaubt, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben (und sie weiß, dass er ihr Großvater, Vater, Bruder oder Sohn ist), macht sich strafbar und wird aufgrund einer Anklage bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren verurteilt. 2.9. Kroatien Im Strafgesetzbuch der Republik Kroatien gibt es nur einen Straftatbestand, der ausschließlich von einem Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden kann. Art. 112 des Strafgesetzbuches der Republik Kroatien (Straftat des Totschlags) regelt in seinem Abs. 2: Eine Mutter, die ihr Kind unter dem Einfluss einer schweren psychischen Belastung aufgrund von Schwangerschaft oder Geburt tötet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der genannte Straftatbestand kann also nur von einer weiblichen Person verwirklicht werden. 2.10. Lettland In Lettland existiert der Straftatbestand des Mordes an einem neugeborenen Kind. Dieser kann wiederum ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden. Die entsprechende Vorschrift im Strafgesetzbuch Lettlands11 lautet: § 119. Mord an einem neugeborenen Kind 10 Criminal Law (Rape) (Amendment) Act, 1990, abrufbar unter http://www.irishstatutebook .ie/eli/1990/act/32/enacted/en/print. 11 Strafgesetzbuch Lettlands, letzte Änderung vom 20. Juni 2019 am 1. Juli 2019 in Kraft getreten, in englischer Sprache abrufbar unter https://likumi.lv/ta/en/en/id/88966-the-criminal-law. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 12 Eine Person, die als Mutter während der Geburt oder unmittelbar nach der Geburt unter dem Einfluss des daraus resultierenden psychischen oder physiologischen Zustands einen Mord an ihrem eigenen Kind begeht, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, vorübergehendem Freiheitsentzug oder gemeinnütziger Arbeit bestraft. In der lettischen Gesetzgebung gibt es keine Definition des Begriffs "Geschlecht". 2.11. Litauen Auch im Strafgesetzbuch der Republik Litauen12 existiert der Straftatbestand der Kindstötung, welcher ausschließlich von Angehörigen des weiblichen Geschlechts verwirklicht werden kann. Nach Art. 131 des litauischen Strafgesetzbuchs wird eine Mutter, die ihr neugeborenes Kind in einem Zustand tötet, der sich nach der Geburt des Kindes ergibt, mit Arrest oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Zur Frage der Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit wird angeführt, dass eine genaue Definition des Geschlechts in der litauischen Gesetzgebung nicht existiere und im Streitfall Gegenstand der Rechtsprechung sei. Das Geschlecht sei aber im oben genannten Fall offensichtlich. 2.12. Luxemburg Das luxemburgische Strafgesetzbuch kennt keinen Straftatbestand, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden kann. 2.13. Niederlande Auch in den Niederlanden gibt es keine Straftaten, die ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts begangen werden können. 2.14. Österreich In Österreich stellt das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB)13 ebenfalls im Zusammenhang mit dem Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs und im Falle der Tötung eines Kindes bei der Geburt auf Frauen ab. § 79 des österreichischen Strafgesetzbuchs (Tötung eines Kindes bei der Geburt) lautet: 12 Strafgesetzbuch Litauens, zusammengefasste gültige Fassung vom 01.07.2020, in litauischer Sprache abrufbar unter https://www.e-tar.lt/portal/lt/legalAct/TAR.2B866DFF7D43/asr. 13 Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974 idF BGBl. I Nr 111/2019, abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung .wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002296. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 13 „Eine Mutter, die das Kind während der Geburt oder solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorgangs steht, tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ Die Vorschriften zu Mord (§ 75 des österreichischen Strafgesetzbuchs) und Totschlag (§ 76 des österreichischen Strafgesetzbuchs) lauten dagegen: „§ 75. Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.“ „§ 76. Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt, einen anderen zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“ Weiterhin regelt § 96 StGB (Schwangerschaftsabbruch): „§ 96. (1) Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen, begeht er die Tat gewerbsmäßig, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, begeht er die Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (3) Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zuläßt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“14 In Bezug auf die Frage, wie die Beschränkung auf Angehörige eines bestimmten Geschlechts begründet wird, erfolgt hinsichtlich § 79 des Strafgesetzbuchs Österreichs ein Verweis auf eine Regierungsvorlage zum Strafgesetzbuch, welche den gemilderten Strafrahmen wiederum unter anderem mit der Einwirkung des Geburtsakts auf den „Geistes- und Gemütszustand“ der Mutter erklärt , wodurch „Überlegung und Willenskraft“ gelähmt werde.15 In Bezug auf die Vorschrift des § 96 Abs. 3 StGB wird in einem Bericht des Justizausschusses ausgeführt: „Damit wird klargestellt , dass eine Frau, die ihre Gesundheit selbst gefährdet, nicht der Qualifikation des Abs. 2 unterliegt .“16 14 Vgl. in Bezug auf eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs § 97 des österreichischen Strafgesetzbuchs. 15 Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), 30 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP, S. 197, abrufbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XIII/I/I_00030/imfname_317766.pdf. 16 Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (30 der Beilagen): Bundesgesetz über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), 959 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP, S. 23, abrufbar unter https://www.parlament .gv.at/PAKT/VHG/XIII/I/I_00959/imfname_319746.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 14 Zur Frage der Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit wird darauf verwiesen, dass die Geschlechtszugehörigkeit aufgrund der Voraussetzungen „Geburt“ beziehungsweise „Schwangerschaft “ evident sei. 2.15. Polen In Polen regelt Art. 149 des polnischen Strafgesetzbuchs ebenfalls die Strafbarkeit der Kindstötung . Dieser stellt die einzige Bestimmung im polnischen Strafgesetzbuch dar, welche das Geschlecht des Täters festlegt. Die Vorschrift sieht vor, dass eine Mutter, die ihr Kind während der Entbindung aufgrund des Verlaufs der Entbindung tötet, mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft wird. Zur Begründung der Beschränkung der Strafbarkeit auf Angehörige eines bestimmten Geschlechts wird wiederum Folgendes angeführt: Nach polnischem Recht ist die Kindstötung eine privilegierte Form eines Tötungsdelikts. Die Mutter eines neugeborenen Kindes wird daher weniger hart beurteilt als andere Täter, welche im Falle der Tötung eines Kindes wegen der Straftat der Tötung einer Person verfolgt werden (Art. 148 des polnischen Strafgesetzbuches). Die von einer Frau vorgenommene Kindstötung fällt jedoch nur dann in den Anwendungsbereich von Art. 149 des polnischen Strafgesetzbuches, wenn nachgewiesen wurde, dass die Frau in hinreichendem Maße an einer psychischen Störung gelitten hat, das heißt, wenn sie unter dem Einfluss einer postpartalen Depression handelte. Hinsichtlich der Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit wird angeführt, der Ausdruck "eine Mutter, die ihr Kind während der Geburt tötet" präzisiere das Geschlecht der Täterin eindeutig. 2.16. Portugal Der einzige Fall, in dem das Strafgesetzbuch Portugals das Geschlecht des Täters ausdrücklich erwähnt, ist im Falle der Straftat der Abtreibung (Art. 140 des Strafgesetzbuchs Portugals17). Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Portugal nur aufgrund einer Entscheidung der Frau bis zur 10. Woche oder in besonderen Fällen (wie schwere Missbildung des Fötus, schwere Gefährdung der Gesundheit der Frau usw.) erlaubt. Gemäß Art. 140.3. des Strafgesetzbuchs Portugals wird eine Frau, die ihre Schwangerschaft außerhalb der erlaubten Umstände abbricht oder einer anderen Person ihr Einverständnis hierzu erteilt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft. Allerdings wird jeder, der die Schwangerschaft einer Frau mit deren Zustimmung abbricht, – ebenfalls nach Artikel 140 des Strafgesetzbuchs Portugals – genauso bestraft. 2.17. Rumänien Auch im rumänischen Strafgesetzbuch gibt es den Straftatbestand der Kindstötung. Art. 200 lautet auszugsweise: 17 Artikel in portugiesischer Sprache abrufbar unter http://www.pgdlisboa.pt/leis/lei_mostra_articulado.php?artigo _id=109A0140&nid=109&tabela=leis&pagina=1&ficha=1&so_miolo=&nversao=#artigo. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 15 Art. 200 (1) Die Tötung eines Neugeborenen während der ersten 24 Stunden durch die Mutter, die sich in einer psychischen Notlage befindet, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft. Weiterhin ist in Art. 202 Abs. 4 des rumänischen Strafgesetzbuchs geregelt: Art. 202 […] (4) Die Verletzung des Fötus während der Geburt durch seine Mutter, die sich in einer psychischen Notlage befindet, wird mit den in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Strafen geahndet , wobei deren Grenzen um die Hälfte herabgesetzt werden. Die Beschränkung auf das weibliche Geschlecht wird mit den besonderen Umständen begründet, die zu der Straftat führen, nämlich durch einen besonderen psychischen Zustand der Mutter als Folge der Geburt. Das weibliche Geschlecht wird durch das Wort „Mutter“ festgelegt. 2.18. Schweden Die schwedische Gesetzgebung ist grundsätzlich „geschlechtsneutral“. Das schwedische Strafgesetzbuch 18 enthält jedoch zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz – die Vorschriften zur Kindstötung und zur groben Verletzung der Integrität einer Frau. • Kindstötung In Kapitel 3, § 3 des schwedischen Strafgesetzbuchs heißt es: Eine Frau, die ihr Kind bei der Geburt oder zu einem anderen Zeitpunkt, in dem sie sich wegen der Geburt des Kindes in einem gestörten Geisteszustand oder in schwerer Not befindet, tötet, macht sich der Kindstötung schuldig und wird mit Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren bestraft. Zweck dieser Bestimmung ist es, eine mildere Bestrafung in Fällen zu ermöglichen, die sich ansonsten nach den Vorschriften über Totschlag (Freiheitsstrafe von 6 bis 10 Jahren) oder Mord (Freiheitsstrafe von 10 bis 18 Jahren oder lebenslänglich) richten würden. Die Vorschrift ist nur auf die Mutter anwendbar, die das Kind zur Welt gebracht hat. Sofern der Vater das Kind tötet, gelten stattdessen die Regelungen über Mord und Totschlag. Wird eine Mut- 18 Schwedisches Strafgesetzbuch, englische Übersetzung abrufbar unter https://www.government.se/498621/contentassets /7a2dcae0787e465e9a2431554b5eab03/the-swedish-criminal-code.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 16 ter durch eine andere Person zur Kindstötung veranlasst, kann diese Person sich wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord oder Totschlag strafbar machen. Eine Verurteilung wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Kindstötung ist aber nicht möglich. Seit dem Jahr 2013 ist es in Schweden möglich, das Geschlecht ohne vorherige Sterilisation zu ändern. Somit ist es in Schweden nun möglich, dass ein Mann (der sein Geschlecht von weiblich zu männlich geändert hat) ein Kind zur Welt bringt. Da die Gründe für eine besondere Vorschrift zur Kindstötung die biologischen Folgen der Schwangerschaft und der Geburt sind, verkündete die Regierung, dass die Vorschrift nicht aus dem Grund ausgeschlossen sein soll, dass die gebärende Person ein Mann ist. In solchen Fällen sei das Wort "Frau" als "die Person, die das Kind zur Welt gebracht hat" auszulegen. • Grobe Verletzung der Integrität einer Frau Kapitel 4, § 4 a des schwedischen Strafgesetzbuches enthält zwei Absätze: Der erste Absatz regelt die „geschlechtsneutrale“ Straftat der groben Verletzung der Integrität und der zweite Absatz regelt die grobe Verletzung der Integrität einer Frau, die voraussetzt, dass der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau ist. In Kapitel 4, § 4 des schwedischen Strafgesetzbuchs ist geregelt: Eine Person, die strafbare Handlungen gemäß Kapitel 3, 4, 6 oder 12 oder nach § 24 des Non- Contact Orders Act (1988:688) gegen eine Person begeht, mit der sie in einer engen Beziehung steht oder stand, ist, wenn jede der Handlungen Teil einer wiederholten Verletzung der Integrität der Person war und die Handlungen geeignet waren, das Selbstwertgefühl der Person schwer zu schädigen, einer groben Verletzung der Integrität schuldig und wird mit Freiheitsstrafe von neun Monaten bis zu sechs Jahren bestraft. Wenn Handlungen im Sinne des Absatzes 1 von einem Mann gegen eine Frau begangen wurden , mit der er verheiratet ist oder war oder mit der er unter eheähnlichen Umständen zusammenlebt oder gelebt hat, macht er sich stattdessen einer groben Verletzung der Integrität einer Frau schuldig und wird genauso bestraft. Zur Begründung der Einführung dieser besonderen Vorschrift wird angeführt, dass Straftaten, die gegen eine Frau begangen werden, zu der eine enge Beziehung besteht, eine besondere Form des Verstoßes darstellten. Außerdem könne eine solche Unterscheidung auch dazu beitragen, mehr Aufmerksamkeit auf Gewalt von Männern gegen Frauen in engen Beziehungen zu lenken und eine Analyse der Existenz solcher Gewalt zu erleichtern. Soweit ersichtlich, fanden bislang weder in der Wissenschaft Diskussionen über die Anwendung der Vorschrift auf den Fall statt, dass der Täter oder das Opfer das Geschlecht geändert hat, noch war dies Gegenstand von Gerichtsverfahren. Wenn aber ein Staatsanwalt eine Person wegen grober Verletzung der Integrität einer Frau anklagt und das Gericht feststellt, dass § 4 Abs. 2 des Kapitels 4 des schwedischen Strafgesetzbuchs aufgrund des Geschlechts des Täters oder Opfers nicht angewendet werden kann, hat das Gericht die Möglichkeit, den Angeklagten stattdessen wegen grober Verletzung der Integrität nach § 4 Abs. 1 des Kapitels 4 des schwedischen Strafgesetzbuchs zu verurteilen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 17 • Bestimmung des Geschlechts Das Geschlecht eines Kindes – männlich oder weiblich – wird kurz nach der Geburt in das schwedische Bevölkerungsregister eingetragen. Kurz nachdem ein Kind gemeldet wurde, teilt die Steuerbehörde dem Kind eine persönliche Identifikationsnummer zu. Die neunte Ziffer ist bei männlichen Personen eine ungerade und bei weiblichen Personen eine gerade Zahl. Die Nummer , welche in Schweden häufig benutzt wird, um Personen in verschiedenen Situationen zu identifizieren, gibt also Auskunft darüber, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Eine Person kann beim Nationalen Gesundheits- und Wohlfahrtsamt einen Antrag auf Änderung des Geschlechts im Bevölkerungsregister (sogenanntes "rechtliches Geschlecht") stellen, was bedeutet , dass die Person eine neue persönliche Identifikationsnummer erhält, die dem neuen Geschlecht entspricht. Das Nationale Gesundheits- und Wohlfahrtsamt kann einer Person auch die Erlaubnis erteilen, sich einer Genitaloperation zu unterziehen, um das Geschlecht zu ändern. 2.19. Slowakei Auch das Strafgesetzbuch der Slowakischen Republik (Act. No. 300/2005 Coll. Criminal Code) in der geänderten Fassung enthält Straftatbestände, die ausschließlich durch Angehörige eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden können. Die Straftat der Vergewaltigung kann nur von Männern begangen werden. In § 199 des slowakischen Strafgesetzbuchs heißt es: Wer eine Frau durch Gewalt oder die Androhung unmittelbar bevorstehender Gewalt zum Geschlechtsverkehr zwingt oder ihre Schutzlosigkeit zu einer solchen Tat missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bestraft. Eine Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 1984 (Entscheidung 6/1984) führt hierzu aus, dass der Geschlechtsverkehr ein sexueller Akt zwischen einem Mann und einer Frau sei. Auch kennt die Slowakische Republik den Straftatbestand des Kindsmordes, welcher nur von einer Frau verwirklicht werden kann. § 146 des slowakischen Strafgesetzbuchs lautet: Eine Mutter, die ihr Neugeborenes während oder unmittelbar nach der Geburt wegen des durch die Geburt verursachten Stresses vorsätzlich tötet, wird mit Freiheitsstrafe von vier bis acht Jahren bestraft. 2.20. Slowenien Im Strafgesetzbuch (KZ-1) der Republik Slowenien existiert nur ein Straftatbestand, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden kann. Hierbei handelt es sich wiederum um den Straftatbestand der Kindstötung (Art. 119 des Strafgesetzbuchs der Republik Slowenien), bei welchem nur eine Frau als Täterin in Betracht kommt und der eine privilegierte Form des Mordes darstellt. Ein Mann, welcher die Täterin anstiftet oder ihr Hilfe leistet, macht sich wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Mord strafbar. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 18 Die Beschränkung auf das weibliche Geschlecht in Art. 119 des Strafgesetzbuchs der Republik Slowenien soll auch hier durch die besonderen zur Tat führenden Umstände gerechtfertigt sein, nämlich durch einen besonderen psychischen Zustand der Frau als Folge der Geburt. Unter einem solchen Einfluss könne nur die Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat, stehen. In Art. 119 des Strafgesetzbuchs der Republik Slowenien wird das weibliche Geschlecht durch das Wort „Mutter“ festgelegt. 2.21. Spanien In Spanien gibt es keine Straftatbestände, die ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden können. Allerdings bringen „geschlechtsbezogene Gewaltdelikte “ verschärfte Strafen mit sich, wenn der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau ist. Beispielsweise beinhaltet Art. 172 des spanischen Strafgesetzbuchs Nötigungsdelikte und enthält auch erschwerende Umstände in Bezug auf Männer, die Frauen nötigen, mit denen sie in einer Beziehung stehen. Art. 172.2 des spanischen Strafgesetzbuchs regelt auszugsweise: 2. Wer seine Ehefrau, seine ehemalige Ehefrau oder eine Frau, mit der er auch ohne Zusammenleben durch eine ähnliche emotionale Beziehung verbunden ist oder war, „leicht nötigt“, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr oder mit gemeinnütziger Arbeit von einunddreißig bis achtzig Tagen und in allen Fällen mit dem Entzug des Rechts, Waffen zu besitzen und zu tragen und zwar für mindestens ein Jahr und einen Tag und höchstens drei Jahre bestraft sowie, wenn der Richter oder das Gericht es im Interesse der minderjährigen oder geschäftsunfähigen Person für angebracht hält, mit einem besonderen Ausschluss von der Ausübung der elterlichen Rechte, der Vormundschaft, Pflege, Verwahrung oder Patenschaft für bis zu fünf Jahre. […] Eine ähnliche Regelung mit denselben Rechtsfolgen sieht Art. 171.4 des spanischen Strafgesetzbuchs für den Fall vor, dass Männer Frauen bedrohen, mit denen sie in einer Beziehung stehen. Das Ziel der strafrechtlichen Differenzierung soll darin bestehen, die physische, psychische und moralische Integrität von Frauen zu erhöhen, insbesondere im Bereich von affektiven Beziehungen , in denen sie unzureichend geschützt seien. In Spanien gibt es keine einschlägige Rechtsprechung dazu, wie das Merkmal "Mann" oder "Frau" bestimmt wird. 2.22. Tschechien In der Tschechischen Republik ist der Tatbestand des Mordes an einem neugeborenen Kind durch seine Mutter gemäß § 142 des Strafgesetzbuchs der Tschechischen Republik19 der einzige 19 Strafgesetzbuch der Tschechischen Republik, 40/2009 Coll., Gesetz vom 8. Januar 2009, Gesetzesänderung: 330/2011 Coll., in englischer Sprache abrufbar unter http://www.ejtn.eu/PageFiles/6533/Criminal %20Code%20of%20the%20Czech%20Republic.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 19 Straftatbestand, der nur von Angehörigen eines bestimmten Geschlechts begangen werden kann. Die Vorschrift lautet: § 142 Mord an einem neugeborenen Kind durch seine Mutter Eine Mutter, die in einem durch die Geburt des Kindes verursachten Zustand psychischer Störung ihr Kind während oder unmittelbar nach der Geburt vorsätzlich tötet, wird mit Freiheitsstrafe von drei bis acht Jahren verurteilt. Der Strafrahmen ist auch hier im Vergleich zu einem Mord reduziert. Zweck der Vorschrift ist es, eine Mutter besser zu stellen, die ihr Kind in dem besonderen psychischen Zustand unmittelbar nach der Geburt vorsätzlich tötet, welcher durch physiologische Prozesse in ihrem Körper verursacht wurde. In der Tschechischen Republik ist es nicht möglich, das Geschlecht zu ändern, es sei denn, eine transsexuelle Person unterzieht sich einer chirurgischen Behandlung und einer Hormontherapie. Dies ist in den §§ 21-23 des Gesetzes über besondere medizinische Dienstleistungen20 geregelt. Die Operation ist mit einer Sterilisation verbunden. Das tschechische öffentliche Recht unterscheidet nur zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht. Das bedeutet, dass eine Person – trotz möglicherweise abweichender Geschlechtsidentität – bis zum Abschluss der Geschlechtsumwandlung im Sinne des Gesetzes rechtlich als eines der beiden Geschlechter angesehen wird. Nach § 775 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (No 89/2012 Coll.) ist die Mutter eines Kindes die Frau, die ein Kind geboren hat. Daher wird angeführt, nach dem Gesetz könne – unabhängig von der „geschlechtlichen Identität“ – lediglich eine Person weiblichen Geschlechts ein Kind gebären. Das tschechische öffentliche Recht erkennt nur das männliche und das weibliche Geschlecht an. 2.23. Ungarn Ungarn regelt in § 163 Absatz 4 des Gesetzes C von 2012 über das Strafgesetzbuch den Straftatbestand der Abtreibung. Die Vorschrift lautet: Jede Frau, die vorsätzlich ihren Fötus vernichtet oder jemanden dazu veranlasst, macht sich eines Vergehens schuldig, das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft wird. Eine Definition des Begriffs "Geschlecht" existiert im ungarischen Strafgesetzbuch nicht. 3. Fazit Aus den vorliegenden 23 Länderantworten ergibt sich folgendes Bild: 20 Gesetz über besondere medizinische Dienstleistungen, 373/2011 Coll., in tschechischer Sprache abrufbar unter https://www.zakonyprolidi.cz/cs/2011-373. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 060/20 Seite 20 In den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es Straftatbestände, die nur durch Angehörige eines bestimmten Geschlechts verwirklicht werden können. So finden sich Regelungen, welche die Tötung eines Kindes durch die Mutter nach oder während der Geburt betreffen in unterschiedlichen Varianten und unter verschiedenen Bezeichnungen (z.B. Kindstötung, Kindsmord, Mord an einem neugeborenen Kind usw.) in insgesamt 15 der aufgeführten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, namentlich in Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien und Tschechien. In Kroatien ist die entsprechende Regelung in einem Absatz 2 der Vorschrift zum Totschlag enthalten. Weiterhin gibt es in vier Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch , welche Absätze enthalten, die den Fall des Schwangerschaftsabbruchs durch die Schwangere regeln: in Belgien, Österreich, Portugal und Ungarn. In Rumänien ist die Verletzung des Fötus während der Geburt durch seine Mutter unter Strafe gestellt. Außerdem existiert in Dänemark ein Straftatbestand, nach dem jede Frau, die ihr Kind bei der Entbindung durch Leichtfertigkeit einer ernsten Gefahr aussetzt, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft wird. Laut schwedischem Strafgesetzbuch ist eine grobe Verletzung der Integrität einer Frau durch einen Mann gesondert strafbar. Hier kann also nur ein Mann Täter sein. Die Regelung sieht jedoch dieselben Rechtsfolgen vor, wie die grobe Verletzung der Integrität. In drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es Straftatbestände zur Vergewaltigung, die nur durch Männer verwirklicht werden können, nämlich in Bulgarien, Irland und der Slowakei. In Irland existieren weiterhin zwei den Inzest betreffende Straftatbestände, von denen einer nur durch Männer und der andere nur durch Frauen verwirklicht werden kann. In Bulgarien ist es unter Strafe gestellt, wenn eine Person weiblichen Geschlechts ihr Kind verkauft . Außerdem existiert in Bulgarien ein Straftatbestand, der es unter Strafe stellt, mit einer Person weiblichen Geschlechts, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als Mann und Frau zu leben. Dieser Straftatbestand kann nur durch Männer verwirklicht werden. In Spanien zielt kein Straftatbestand ausschließlich auf Angehörige eines bestimmten Geschlechts ab. Allerdings sind erschwerende Umstände für den Fall der Nötigung oder Bedrohung von Frauen durch Männer vorgesehen, sofern sie mit diesen in einer Beziehung stehen. In Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden gibt es keine geschlechtsspezifischen Straftatbestände . ***