WD 7 - 3000 - 058/21 (26. Mai 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer durch äußere Faktoren sprunghaft erhöhten Marktnachfrage sowie eines damit einhergehenden unerwartet und kurzfristig auftretenden Beschaffungsbedarfs kann sich die Frage stellen, ob und inwieweit etwaige Vermittlungsprovisionen und / oder Honoraransprüche Dritter noch mit den gesetzlichen Regelungen vereinbar sind. Nachfolgend soll diese Frage im Lichte der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Notwendigkeit des schnellen Einkaufs medizinischer Schutzausrüstung überblicksartig beleuchtet werden. Bereits an dieser Stelle ist darauf zu hinzuweisen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Einzelfallprüfung vornehmen. Eine rechtliche Detailprüfung bestimmter Vertragskonstellationen, insbesondere in Bezug auf die konkrete Höhe etwaig zugesicherter Vermittlungsprovisionen und / oder Honorare, kann mithin nicht erfolgen. Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten daher vielmehr eine summarische Darstellung von Einzelaspekten des gesetzlichen Wuchertatbestandes sowie grundsätzliche Möglichkeiten einer Sanktionierung. Bei Provisions- oder Honorarkonstellationen handelt es sich in aller Regel um sog. Dreiecksverhältnisse . Es ist daher zwischen den Vertragsparteien des eigentlichen Rechtsgeschäfts (z.B. Lieferant / Hersteller Konsument) und denen einer etwaigen Provisionsvereinbarung (z.B. Lieferant / Hersteller Vermittler) zu differenzieren. Zivilrechtlich ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Nach § 138 Abs. 2 BGB, der den sog. Wuchertatbestand normiert, erfasst dies insbesondere auch solche Rechtsgeschäfte, durch die jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit , des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Dieser zivilrechtliche Tatbestand des Wuchers setzt mithin objektiv voraus, dass in einem Austauschvertrag ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung besteht (BGH 1994). Wann ein solches Missverhältnis gegeben ist, entscheiden die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des übernommenen Risikos (BGH 1982). Entscheidend ist der objektive Wert vergleichbarer Leistungen, also das jeweilige verkehrsübliche Äquivalent (vgl. Armbrüster, Rn. 144.) Obwohl das Gesetz insoweit keine festen Grenzen vorgibt, Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zivil- und strafrechtliche Einzelaspekte des Wuchertatbestandes Kurzinformation Zivil- und strafrechtliche Einzelaspekte des Wuchertatbestandes Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz durchgesetzt, dass das Doppelte des Wertes der gewöhnlich zu veranschlagenden Gegenleistung als Indiz für eine zur Sittenwidrigkeit führende Äquivalenzstörung anzusehen ist (vgl. etwa BGH 1988). Bei Maklerverträgen sind die vereinbarte und die übliche Provision miteinander zu vergleichen (Armbrüster, Rn. 113). In subjektiver Hinsicht setzt der zivilrechtliche Wuchertatbestand zudem voraus, dass der Wucherer eine Unterlegenheit seines Vertragspartners ausbeutet, sich diese also in Kenntnis des objektiven Missverhältnisses bewusst zunutze macht (Dörner, Rn. 16). „Die Unterlegenheit kann sich aus einer (wirtschaftlichen oder persönlichen, etwa gesundheitlichen) Zwangslage (BGH NJW 03, 1861: psychische Bedrängnis) ergeben, aus der ein zwingendes Bedürfnis nach einer Sachoder Dienstleistung entsteht, ferner aus der Unerfahrenheit des Schuldners (infolge Jugend, Alters, fehlender Geschäftsgewandtheit), aus einem Mangel an Urteilsvermögen (zB aufgrund geringer geistiger Beweglichkeit) oder aus einer erheblichen Willensschwäche (dh Unfähigkeit, sich der Vornahme des Rechtsgeschäfts trotz richtiger Einschätzung seiner Nachteile zu widersetzen)“ (ebenda). Rechtsfolge des Wuchers, und damit einer bestehenden Sittenwidrigkeit, ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB). Der Geschädigte kann das zur Erfüllung des wucherischen Geschäfts Geleistete nach §§ 985, 812 BGB zurück- bzw. herausverlangen (Wendtlandt, Rn. 59). Zudem können dem Geschädigten Schadenersatzansprüche zustehen (Dörner, Rn. 17). Wer sich auf die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung beruft, muss die dafür notwendigen Voraussetzungen indes selbst beweisen (BGH 2008). Darüber hinaus enthält auch die strafrechtliche Regelung des § 291 StGB einen umfassenden, mit § 138 Abs. 2 BGB weitgehend übereinstimmenden Wuchertatbestand (Wendtland, Rn. 42). Nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 StGB wird danach mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine sonstige Leistung (Nr. 3) oder für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen (Nr. 4) Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen. Die o.g. Ausführungen zum Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung gelten entsprechend. Quellen: – BGB: Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Mai 2021 (BGBl. I S. 882) geändert worden ist. – BGH, Urteil vom 25. Februar 1994, Az.: V ZR 63/93, NJW 1994, 1344. – BGH, Urteil vom 8. Juli 1982, Az.: III ZR 1/81, NJW 1982, 2767. – Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Kommentierung zu § 138 BGB. – BGH, Urteil vom 24. März 1988, Az.: III ZR 30/87, NJW 1988, 1659. – Dörner, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, Kommentierung zu § 138 BGB. – BGH, Urteil vom 5. November 2008, Az.: XII ZR 157/06, NJW 2009, 842. – StGB: Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 441) geändert worden ist. – Wendtland, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 57. Edition, Stand: 1. Februar 2021, Kommentierung zu § 138 BGB. * * *