© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 058/19 Das Verbreiten von Informationen über im Ausland gestattete reproduktionsmedizinische Praktiken Straf- und lauterkeitsrechtliche Implikationen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 2 Das Verbreiten von Informationen über im Ausland gestattete reproduktionsmedizinische Praktiken Straf- und lauterkeitsrechtliche Implikationen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 058/19 Abschluss der Arbeit: 4. April 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Embryonenschutzgesetz 4 2.1. Die Verbotstatbestände des § 1 ESchG 5 2.2. Die persönlichen Strafausschließungsgründe des § 1 Abs. 3 ESchG 9 2.3. Die strafrechtlichen Teilnahmevorschriften 9 2.3.1. Die Anstiftungsstrafbarkeit gemäß § 26 StGB 10 2.3.2. Die Beihilfestrafbarkeit gemäß § 27 Abs. 1 StGB 12 2.4. Die Verbotstatbestände des § 1 ESchG als Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG 13 3. Das Adoptionsvermittlungsgesetz 15 3.1. Die Bußgeldvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2, lit. c AdVermiG 15 3.2. Die Strafvorschrift des § 14b Abs. 1 AdVermiG 16 4. Zusammenfassung 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 4 1. Einleitung Das Embryonenschutzgesetz (ESchG)1 stellt die missbräuchliche Anwendung bestimmter Fortpflanzungstechniken unter Strafe. Danach sind etwa die sogenannte Eizellspende und die sogenannte Ersatzmutterschaft verboten und mit Strafe bedroht.2 In verschiedenen anderen Ländern, darunter auch EU-Mitgliedstaaten, sind ebendiese Fortpflanzungstechniken in Teilen nicht untersagt .3 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob und inwieweit es zulässig ist, in Deutschland über die im Ausland mögliche Anwendung dieser nach deutschem Recht verbotenen Fortpflanzungstechnik zu informieren oder für diese zu werben. Vorliegend soll ein summarischer Überblick über die nach § 1 ESchG verbotenen Fortpflanzungstechniken und mögliche Teilnahmestrafbarkeiten gegeben werden. Weiter soll beleuchtet werden , ob diese Verbotstatbestände als Marktverhaltensregelungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)4 zwischen den Marktteilnehmern gelten. Schließlich soll dargestellt werden, ob die Bußgeld- und Strafvorschriften des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG)5 anzuwenden sind, wenn in Deutschland darüber informiert oder dafür geworben wird, dass in anderen Ländern Ersatzmutterschaften zulässig sind und durchgeführt werden. 2. Das Embryonenschutzgesetz Im ESchG hat der Umgang mit extrakorporalem menschlichen Leben unter Einschluss reproduktionsmedizinischer Sachverhalte gesetzliche Regelungen erfahren.6 Ziel des Gesetzes ist zunächst der physische Schutz der Embryonen vor den mit den Reproduktionstechniken verbundenen Ri- 1 Embryonenschutzgesetz vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.11.2011 (BGBl. I S. 2228), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/eschg/ESchG.pdf (Stand dieser und sämtlicher nachfolgender Online-Quellen: 04.04.2019). 2 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG, § 1 Abs.1 Nr. 7 ESchG. 3 Die nicht-kommerzielle Ersatzmutterschaft ist beispielsweise ausdrücklich erlaubt in Albanien, Griechenland, Großbritannien und den Niederlanden; in Belgien, Polen, der Tschechischen Republik und Luxemburg wird sie geduldet. Die kommerzielle Leihmutterschaft ist etwa in Georgien, Russland und der Ukraine legal (vgl. Wellenhofer , in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1591 BGB, Rn. 31). Die Eizellspende ist beispielsweise zulässig in Dänemark, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Slowenien und Spanien (vgl. Wellenhofer a.a.O. § 1591 BGB, Rn. 32-38). 4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.03.2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 17.02.2016 (BGBl. I S. 233), abrufbar unter: https://www.gesetzeim -internet.de/uwg_2004/. 5 Adoptionsvermittlungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.12.2001 (BGBl. 2002 I S. 354), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 31.01.2019 (BGBl. I S. 54), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/advermig_1976/. 6 Müller-Terpitz, in: Spickhoff: Medizinrecht, 3. Auflage 2018, Vorbemerkungen zum ESchG, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 5 siken, darüber hinaus soll auch ein sozialer Schutz des Embryos, etwa vor sogenannten „gespaltenen Mutterschaften“, erreicht werden.7 Schließlich soll das Gesetz auch die betroffenen Mütter schützen.8 Zu diesem Zweck sieht das Gesetz in § 1 ESchG Verbotstatbestände für die missbräuchliche Verwendung bestimmter Fortpflanzungstechniken vor. Normadressaten dieser nebenstrafrechtlichen Verbotstatbestände sind zum überwiegenden Teil Ärzte und Naturwissenschaftler.9 2.1. Die Verbotstatbestände des § 1 ESchG Nach § 1 Abs. 1 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer bestimmte Fortpflanzungstechniken missbräuchlich verwendet. - Verbot der Eizellspende: Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ist es verboten, auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle zu übertragen. Die Norm erfasst sowohl die Übertragung einzelner Eizellen als auch die Übertragung ganzer Eierstöcke nach vorangegangenem Tod der Spenderin.10 Ziel des Verbots der Eizellspende ist es, eine sogenannte „gespaltene Mutterschaft“, bei der austragende und genetische Mutter personenverschieden sind, zu verhindern.11 Durch eine solche gespaltene Mutterschaft werden negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung des Kindes befürchtet.12 Darüber hinaus könne auch die Identitätsfindung des Kindes wesentlich erschwert werden, da drei Elternteile gleichsam zur Kindesentstehung beigetragen haben.13 Vom Verbot der Eizellspende nicht erfasst wird die sogenannte „in vitro Embryonenspende“, bei der eine künstlich mit fremden Samen befruchtete fremde Eizelle auf eine Frau übertragen wird, die nicht als Ersatzmutter dienen will.14 Auch von den übrigen Verbotstatbeständen des ESchG wird die Spende eines in vitro befruchteten Embryos nicht untersagt.15 7 Müller-Terpitz a.a.O. Vorbemerkungen zum ESchG, Rn. 1. 8 Müller-Terpitz a.a.O. Vorbemerkungen zum ESchG, Rn. 1. 9 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (ESchG), BT Drs. 11/5460, Seite 7. 10 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 7. 11 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 7. 12 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 7. 13 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 7. 14 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 8. 15 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 6 - Zulässiger Befruchtungszweck: Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG ist es verboten, eine Eizelle zu einem anderen Zweck als dem Herbeiführen einer Schwangerschaft bei der Frau, von der die Eizelle stammt, zu befruchten. Zum einen soll hierdurch die medizinisch unterstützte Befruchtung zu jedem anderen Zweck als der Schwangerschaftsherbeiführung, etwa zu Forschungszwecken, unterbunden werden.16 Zum anderen wird die medizinisch unterstützte Befruchtung auf die Frau, von der die Eizelle stammt, beschränkt, um den Gefahren einer „gespaltenen Mutterschaft“ vorzubeugen.17 - Begrenzung des Mehrfachtransfers: § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG stellt die sogenannten „Mehrfachtransfers“, bei denen innerhalb des Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau übertragen werden, unter Strafe. Dies soll die Gesundheitsrisiken einer Mehrlingsschwangerschaft sowohl für die Embryonen als auch für die schwangere Frau minimieren.18 Die Gesundheitsrisiken bestehen etwa in einem erhöhten Abortrisiko, einer erhöhten Frühgeburtlichkeitsrate, einer erhöhten Kaiserschnittrate, einem erhöhten Risiko für geringeres Geburtsgewicht und einem erhöhten Risiko für postnatale und frühkindliche Entwicklungsstörungen .19 Demgegenüber kann durch einen Mehrfachtransfer die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Nidation erhöht werden.20 Die Begrenzung auf drei Embryonen beruht daher auf dem Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung, wonach eine Übertragung von mehr als drei Embryonen zur Optimierung der Nidationswahrscheinlichkeit nicht notwendig sei.21 - Begrenzung der Mehrfachbefruchtung: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG wird bestraft, wer es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten. Bei einem intratubaren Gametentransfer werden Ei- und Samenzelle noch vor der Befruchtung in den Eileiter der Frau verbracht, damit sie sich dort, am „natürlichen Ort“, vereinigen können.22 Der Schutzzweck dieses Verbots ist mit dem des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG vergleichbar: wiederum sollen Mehrlingsschwangerschaften und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken verhindert werden.23 Jedoch entstehen die 16 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 9. 17 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 9. 18 Taupitz, in: Günther/Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Auflage 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, Rn. 1. 19 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, Rn. 1. 20 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, Rn. 2. 21 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT. Drs. 11/8057, Seite 10. 22 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG, Rn. 1. 23 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 7 Embryonen bei einem intratubaren Gametentransfer erst durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle im Körper der Frau, während bei einem Embryonentransfer bereits bestehende Embryonen übertragen werden.24 Insofern bezweckt § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG den Schutz der Lebensgerichtetheit des werdenden menschlichen Lebens und nicht unmittelbar den Schutz bereits bestehender Embryonen.25 - Konnexitätsprinzip: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG wird bestraft, wer mehr Eizellen einer Frau befruchtet, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Die Vorschrift soll verhindern, dass „überzählige“ Embryonen entstehen.26 Sie begründet damit ein Konnexitätsverhältnis zwischen der extrakorporalen Erzeugung menschlicher Embryonen und dem vorgesehenen Transfer.27 Dies ist Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf Leben des in vitro gezeugten Embryos, das dem Embryo die physischen Voraussetzungen des Weiterlebens im Körper der Frau garantiert.28 Umstritten ist, ab welcher Anzahl von befruchteten Eizellen gegen den Straftatbestand verstoßen wird. Teilweise wurde früher ausgehend von § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, wonach zulässigerweise lediglich drei Embryonen übertragen werden dürfen, gefolgert, dass auch die zulässige Höchstanzahl der Befruchtungsvorgänge drei nicht überschreiten dürfe.29 Indessen hat sich die medizinischen Praxis dahingehend entwickelt, dass so viele Eizellen befruchtet werden, wie erfahrungsgemäß für eine erfolgreiche Befruchtung erforderlich sind; je nach individuellen Parametern schwankt die Anzahl dabei zwischen vier und sieben Eizellen.30 Diese Praxis hat auch gerichtliche Anerkennung gefunden.31 - Verbot der Entnahme eines Embryos: § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG verbietet es, einer Frau einen Embryo vor dessen Einnistung zu entnehmen , um ihn entweder auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn zu Zwecken, die nicht seiner 24 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG, Rn. 4. 25 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG, Rn. 4. 26 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 9. 27 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 17. 28 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 17. 29 Vgl. etwa die (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer vom 17.02.2006, Deutsches Ärzteblatt 103 (2006) A-1392 (1400), abrufbar unter: https://www.aerzteblatt .de/pdf.asp?id=51526. 30 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 18. 31 Vgl. etwa: AG Wolfratshausen, Urteil vom 30.04.2008, Az.: 6 C 677/06, Zeitschrift für Lebensrecht (ZfL) 04/2008, 121; AG München, Urteil vom 27.04.2012, Az.: 242 C 10202/11, Medizinrecht (MedR) 2013, 99; Bundesfinanzhof , Urteil vom 17.05.2017, Az.: VI R 34/15, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (DStRE) 2017, 1283. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 8 Erhaltung dienen, zu verwenden. Im Gegensatz zur „in vitro Embryonenspende“ 32 verbietet die erste Tatbestandsalternative des § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG die Embryonenspende einer Frau an eine andere Frau. Dies wird abermals mit den befürchteten negativen Auswirkungen einer gespaltenen Mutterschaft auf das Kind und die betroffenen Frauen begründet.33 Die zweite Tatbestandsalternative dient dem Lebensschutz des Embryos.34 Erfasst ist lediglich der Zeitrahmen bis zur Nidation , da ab der Nidation der strafrechtliche Schutz der §§ 218 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB)35 eingreift.36 - Verbot der Ersatzmutterschaft: Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG wird bestraft, wer bei einer Ersatzmutter eine künstliche Befruchtung durchführt oder auf diese einen menschlichen Embryo überträgt. Als Ersatzmutter definiert § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG eine Frau, „die bereit ist, ihr Kind nach der Geburt auf Dauer Dritten zu überlassen“. Das ESchG verwendet den Begriff der Ersatzmutterschaft als Oberbegriff für alle Fälle, in denen eine Frau bereit ist, ihr ausgetragenes Kind nach der Geburt Dritten dauerhaft zu überlassen, unabhängig davon ob, dies unentgeltlich oder entgeltlich geschieht.37 In allen Fällen soll die Norm bereits das Herbeiführen einer Ersatzmutterschaft verhindern.38 Schutzgut der Norm ist das Kindeswohl, für das der Gesetzgeber durch die Ersatzmutterschaft die Gefahr einer „gespaltenen Mutterschaft“ und damit einhergehende seelische Konflikte und Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung des betroffenen Kindes sieht.39 Darüber hinaus wird angeführt , dass die austragende Mutter im stetigen Wissen der späteren Überlassung des Kindes an eine dritte Person eine gewisse Distanz zum Kind aufbauen könnte, die sich bereits während der Schwangerschaft negativ auf die Kindesentwicklung auswirken könnte.40 Auch werden Beeinträchtigungen des Kindeswohls durch die frühe Trennung von der austragenden Mutter nach der Geburt befürchtet.41 Schließlich wird durch das Verbot auch der Schutz der betroffenen Frauen vor möglichen seelischen Belastungen durch die Weitergabe des Kindes bezweckt.42 32 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zum „Verbot der Eizellspende“ unter 2.1. 33 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 19. 34 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 19. 35 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.03.2019 (BGBl. I S. 350), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. 36 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG, Rn. 11. 37 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Rn. 6, 7. 38 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Rn. 3. 39 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Rn. 10. 40 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Rn. 11. 41 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Rn. 11. 42 Müller-Terpitz a.a.O. § 1 ESchG, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 9 2.2. Die persönlichen Strafausschließungsgründe des § 1 Abs. 3 ESchG In § 1 Abs. 3 ESchG sind persönliche Strafausschließungsgründe für bestimmte Straftatbestände des ESchG normiert.43 Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 ESchG werden in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 ESchG jeweils die Frauen, von denen die Eizelle oder der Embryo stammen und die Frauen, auf die die Eizelle oder der Embryo übertragen werden, nicht bestraft. Dies wird mit einem mangelnden Strafverfolgungsinteresse begründet, da bereits die strafrechtliche Verfolgung der handelnden Ärzte, Biologen oder anderer Angehöriger der Heilberufe – die überdies durch ihre fachspezifischen Kenntnisse die volle Tragweite der Eingriffe erkennen könnten – ausreiche.44 Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 ESchG werden auch in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG die Ersatzmutter sowie der Dritte, der das Kind auf Dauer aufzunehmen bereit ist, mangels Strafverfolgungsinteresse nicht bestraft.45 Daneben sollen negative Auswirkung auf die Kindesentwicklung durch eine etwaige Strafverfolgung verhindert werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die austragende Mutter letztendlich nicht bereit sei, das Kind an die „Bestelleltern“46 herauszugeben . Eine strafrechtliche Verfolgung der austragenden Mutter in einem solchen Fall entspreche nicht dem Kindeswohl.47 Gleiches gelte auch für den Fall der Herausgabe des Kindes an die „Bestelleltern“ bezüglich deren strafrechtlicher Verfolgung: Wiederum würde eine Strafverfolgung das Kindeswohl gefährden.48 Etwaige Teilnahmestrafbarkeiten von anderen Personen werden durch die persönlichen Strafausschließungsgründe nicht berührt.49 2.3. Die strafrechtlichen Teilnahmevorschriften Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob das deutsche Strafrecht einschlägig ist, wenn in Deutschland darüber informiert wird oder dafür geworben wird, dass in anderen Staaten Fortpflanzungstechniken erlaubt sind und Anwendung finden, die nach den Verbotstatbeständen des § 1 Abs. 1 ESchG untersagt sind. Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch 43 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 3 ESchG, Rn. 1. 44 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 9. 45 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 9. 46 Vgl. hierzu die Legaldefintion in § 13 b Satz 1 AdVermiG, wonach Bestelleltern Personen sind, „die das aus einer Ersatzmutterschaft entstandene Kind annehmen oder in sonstiger Weise auf Dauer bei sich aufnehmen wollen “. 47 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 9. 48 Vgl. BT Drs. 11/5460, Seite 9. 49 Taupitz a.a.O. § 1 Abs. 3 ESchG, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 10 (EGStGB)50 finden die Vorschriften des allgemeinen Teils des StGB auch auf die Vorschriften des Nebenstrafrechts, zu denen das ESchG gehört, Anwendung.51 Damit steht in Frage, ob eine strafrechtliche Täterschaft oder Teilnahme an der missbräuchlichen Anwendung von Fortpflanzungstechniken begründen werden kann, wenn in Deutschland darüber informiert wird, dass im Ausland zulässigerweise Fortpflanzungstechniken angewendet werden, die nach § 1 Abs. 1 ESchG in Deutschland verboten sind. Die täterschaftliche Verwirklichung eines Straftatbestands nach § 25 StGB in Form der unmittelbaren Alleintäterschaft, der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft setzt den Täterwillen des Täters, der die Tat als eigene will, voraus.52 Dieser Täterwille ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen – etwa der objektiven Mitbeherrschung des Geschehens, dem Umfang der Tatbeteiligung , der Bedeutung der Beteiligungshandlung und dem eigenen Interesse am Taterfolg.53 Ob dies der Fall ist, kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. In aller Regel wird die reine Information über und das Bewerben von Fortpflanzungstechniken diese Kriterien jedoch nicht erfüllen und keine Täterschaft für die Straftatbestände des § 1 ESchG begründen können . In Betracht kommt aber möglicherweise die Anwendung der strafrechtlichen Teilnahmevorschriften über die Anstiftung (§ 26 StGB) und über die Beihilfe (§ 27 StGB). 2.3.1. Die Anstiftungsstrafbarkeit gemäß § 26 StGB Gemäß § 26 StGB wird als Anstifter gleich einem Täter bestraft, „wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat“. Zunächst müsste eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat, zu der der Täter vom Anstifter bestimmt worden ist, vorliegen. Daraus folgt, dass die Strafbarkeit der Anstiftung nach § 26 StGB stets voraussetzt, dass es im konkreten Fall auch zu einer Haupttat gekommen ist. Daher muss es im konkreten Einzelfall für eine etwaige Strafbarkeit des informierenden oder bewerbenden Teilnehmers zwingend zur Anwendung der genannten Fortpflanzungstechniken gekommen sein. Entsprechend kann die strafrechtliche Würdigung des Verhaltens des Teilnehmers erst zu einem möglicherweise deutlich späteren Zeitpunkt erfolgen. Für die Fälle, in denen die Fortpflanzungstechniken nicht angewendet wurden, scheidet eine Strafbarkeit wegen Anstiftung nach § 26 StGB aus; auch eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB 50 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469; 1975 I S. 1916; 1976 I S. 507), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11.06.2017 (BGBl. I S. 1612), abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/stgbeg/. 51 Müller-Terpitz a.a.O. Vorbemerkungen zum ESchG, Rn. 3; Putzke, in: Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung , 1. Auflage 2018, Art. 1 EGStGB, Rn. 1. 52 Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25.03.1982, Az.: 1 StR 534/81, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 1982, 243; BGH, Urteil vom 15.09.1988, Az.: 4 StR 352/88, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1989, 912. 53 Kudlich, in: Beck’scher Onlinekommentar zum Strafgesetzbuch, 41. Edition, Stand: 01.02.2019, § 25 StGB, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 11 kommt dann nicht in Betracht, da diese ein Verbrechen54 voraussetzt und es sich bei § 1 ESchG um ein Vergehen55 handelt. Soweit eine verbotene Fortpflanzungstechnik im Ausland durchgeführt wurde, wo diese Technik nach dem geltenden Recht nicht verboten ist, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit des StGB. Grundsätzlich gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen wurden, § 3 StGB. Für die Teilnahme gilt jedoch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB: „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.“ Durch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB wird die Akzessorietät der Teilnahmestrafbarkeit von der Strafbarkeit der Haupttat gelockert, soweit diese im Ausland begangen wurde.56 Für inländische Teilnahmehandlungen an den Tatbestandsvarianten des § 1 ESchG bedeutet dies, dass diese unabhängig davon, ob die Haupttat und damit die jeweilige Fortpflanzungstechnik im Ausland unter Strafe gestellt ist, durch § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB strafbar sein können. Weiter müsste eine Anstiftungshandlung vorliegen. Ein „Bestimmen zur Tat“ im Sinne des § 26 StGB liegt vor, wenn der Teilnehmer den Tatentschluss des Täters hervorruft.57 Die genauen Anforderungen an das „Bestimmen“ sind im Einzelnen umstritten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist hierunter die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu einem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt, wobei Form und Mittel der Anstiftung gleichgültig sind.58 Überdies reiche eine bloße Mitursächlichkeit der Anstiftungshandlung für den Tatentschluss des Täters aus.59 Ob das Informieren über oder das Bewerben von Fortpflanzungstechniken, die nach deutschem Recht verboten sind, im Ausland jedoch zulässigerweise angewendet werden, die Voraussetzungen einer Anstiftungshandlung erfüllt, ist im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls abhängig und kann abstrakt nicht beantwortet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Anstifter nach dem Wortlaut des Gesetzes „gleich einem Täter“ zu bestrafen ist. Dies ermöglicht 54 Vgl. § 12 Abs. 1 StGB: Eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. 55 Vgl. § 12 Abs. 2 StGB: Eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht ist (geringer als ein Jahr); § 1 ESchG ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. 56 Ambos, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2017, § 9 StGB, Rn. 39, 40. 57 Kudlich a.a.O. § 26 StGB, Rn. 12. 58 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.01.2000, Az.: 4 StR 400/99, NJW 2000 1877 (1878). 59 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 07.09.1993, Az.: 1 StR 325/93, NStZ 1994, 29 (30). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 12 einen im Einzelfall möglicherweise hohen Strafrahmen, die Anstiftung ist deshalb restriktiv auszulegen und anzuwenden.60 Die bloße objektive Information über Fortpflanzungstechniken, die nach ausländischen Rechtsordnungen nicht verboten sind, wird demgemäß regelmäßig die Schwelle zum „Bestimmen“ des Täters und damit zur Anstiftung nicht überschreiten.61 Überdies ist im Einzelfall zu prüfen, ob derjenige, der sich über die Fortpflanzungstechniken im Ausland informieren lässt oder dem gegenüber diese Techniken beworben werden, nicht bereits vor Kenntnisnahme dieser Informationen zur Anwendung dieser Techniken, in einem Staat, der dies zulässt, entschlossen war. Denn der bereits zur Tat Entschlossene kann nicht mehr zur Tat bestimmt werden; in diesen Fällen scheidet eine Anstiftung aus.62 In Betracht könnte allenfalls eine psychische Beihilfe (s.u.) kommen.63 In subjektiver Hinsicht ist der sogenannte „Doppelvorsatz“ des Anstifters erforderlich: Dieser muss den Täter vorsätzlich zu dessen vorsätzlicher, rechtswidriger Haupttat bestimmt haben.64 Der Vorsatz des Anstifters muss auch die vorsätzliche Haupttat des Täters umfassen.65 Auch dies ist von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und kann abstrakt nicht bewertet werden . 2.3.2. Die Beihilfestrafbarkeit gemäß § 27 Abs. 1 StGB Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer „vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. Wie die Anstiftung nach § 26 StGB setzt die Beihilfestrafbarkeit zunächst eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat voraus. Für die Fälle, in denen über die Anwendung von Fortpflanzungstechniken in anderen Staaten informiert wird oder für diese geworben wird, setzt dies abermals zwingend voraus, dass diese Fortpflanzungstechnik im konkreten Einzelfall auch angewendet wurde. Wenn dem so ist, gilt § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB, wonach eine Strafbarkeit des Teilnehmers auch dann in Betracht kommt, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und nach der dortigen Rechtsordnung nicht strafbewehrt ist. Die Beihilfestrafbarkeit setzt eine Hilfeleistung voraus. Der Begriff der Hilfeleistung ist im Einzelnen umstritten, jedoch kommt jedenfalls jede Handlung in Betracht, die die Haupttat in ihrer konkreten Gestalt erst ermöglicht, indem sie eine kausale Ursache setzt, die nicht hinweggedacht 60 Joecks, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage 2017, § 26 StGB, Rn. 19. 61 Joecks a.a.O. § 26 StGB, Rn. 22; Magnus, Kinderwunschbehandlungen im Ausland: Strafbarkeit beteiligter deutscher Ärzte nach internationalem Strafrecht (§ 9 StGB), NStZ 2015, 57 (60). 62 Joecks a.a.O. § 26 StGB, Rn. 28. 63 Joecks a.a.O. § 26 StGB, Rn. 28. 64 Joecks a.a.O. § 26 StGB, Rn. 55. 65 Joecks a.a.O. § 26 StGB, Rn. 56. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 13 werden könnte, ohne dass der Taterfolg entfiele.66 Der ständigen Rechtsprechung zufolge ist eine Ursächlichkeit des Gehilfenbeitrags für die Haupttat selbst jedoch nicht unabdingbar erforderlich , sondern unter Umständen schon eine Förderung der Handlungen des Haupttäters ausreichend .67 Unumstritten ist jedoch, dass allein das Setzen einer kausalen Bedingung dafür, dass der Haupttäter seine Tat begangen hat, nicht hinreichend dafür ist, eine Handlung objektiv als Hilfeleisten zur Tat im Sinne von § 27 StGB zu qualifizieren.68 Beihilfehandlungen können sowohl physische als auch psychische Unterstützungen der Haupttat sein.69 Für die Information über oder das Bewerben von Fortpflanzungstechniken, die im Ausland zulässigerweise angewendet werden, nach deutschem Recht jedoch verboten sind, kommt insbesondere die psychische Beihilfe als Unterstützung der Tat „durch Rat“ in Betracht.70 Teile des Schrifttums gehen in Fällen, in denen Ärzte mit Patienten Beratungsgespräche über die Anwendung dieser Techniken im Ausland führen, von einer Anwendbarkeit des § 27 Abs. 1 StGB aus.71 Ob die Voraussetzungen der Beihilfehandlung tatsächlich erfüllt werden, bedarf jedoch einer Prüfung im Einzelfall und kann abstrakt nicht beantwortet werden. In subjektiver Hinsicht ist für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe „doppelter Gehilfenvorsatz“ erforderlich : Der Gehilfe muss sowohl hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Haupttat als auch hinsichtlich seiner Förderung derselben vorsätzlich handeln.72 Maßgeblich für die Bewertung des Gehilfenvorsatzes sind die Umstände des Einzelfalls. 2.4. Die Verbotstatbestände des § 1 ESchG als Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG In zivilrechtlicher Hinsicht ist fraglich, ob die Verbotstatbestände des § 1 Abs. 1 ESchG Markverhaltensregelungen im Sinne des UWG darstellen, die geeignet sind, die Annahme einer unlauteren Handlung zu begründen. Gemäß § 1 UWG dient das Gesetz dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren Handlungen und schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Daher sind gemäß § 3 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter handelt unter anderem nach § 3a UWG „wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die 66 Joecks a.a.O. § 27 StGB Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 27 StGB, Rn. 2. 67 Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 StGB Rn. 4 m.w.N. 68 Joecks a.a.O. § 27 StGB Rn. 6; Kühl a.a.O. § 27 StGB, Rn. 46; Heine/Weißer a.a.O. § 27 StGB Rn. 8. 69 Joecks a.a.O. § 27 StGB, Rn. 6. 70 Joecks a.a.O. § 27 StGB, Rn. 7. 71 Vgl. Lang, Das Strafbarkeitsrisiko des deutschen Arztes bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, MedR 2018, 568 (569). 72 Kühl a.a.O. § 27 StGB, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 14 Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen .“ Der BGH hat für die Verbotstatbestände der Eizellspende (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG) entschieden , dass diese keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG darstellen.73 Der Entscheidung lag die Klage eines Arztes, der in Deutschland im Bereich der Reproduktionsmedizin tätig ist, gegen einem Arzt, der an einem tschechischen Institut für Reproduktionsmedizin tätig ist, zugrunde .74 Der Beklagte hielt in Deutschland einen Vortrag über Möglichkeiten der Kinderwunschbehandlung in anderen Ländern der Europäischen Union und führte darin aus, dass die in Deutschland verbotene Einpflanzung einer fremden Eizelle nach dem Recht der tschechischen Republik zulässig sei.75 Nach dem Urteil des BGH76 handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG nicht um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG.77 „Eine Norm regelt das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt.“78 Eine Marktverhaltensregelung müsse zumindest auch auf den Schutz wettbewerblicher Interessen der Marktteilnehmer gerichtet sein, bloße reflexartige Auswirkungen würden dem nicht genügen .79 Das strafrechtliche Verbot der Eizellspende sei nicht darauf gerichtet, den wettbewerblichen Belangen von Spenderin oder Empfängerin zu dienen, sondern bezwecke vielmehr den Schutz des Kindeswohls.80 Auch ziele das Verbot der Eizellspende nicht auf die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen unter Ärzten ab, dies sei lediglich eine reflexartige Folge.81 Das Verbot der Eizellspende ist damit keine Marktverhaltensregelung im Sinne des UWG, sodass auch keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG vorliegt. 73 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 2016, 513 (513). 74 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (513). 75 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (513). 76 Das BGH-Urteil bezieht sich auf § 4 Nr. 11 UWG alte Fassung, der gleichlautend zum § 3a UWG neue Fassung ist. 77 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (514). 78 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (514). 79 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (515). 80 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (515). 81 BGH, Urteil vom 08.10.2015, Az.: I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 (515, 516). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 15 Aus dem Urteil des BGH folgt, dass zumindest im Verbot der Eizellspende nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG keine Marktverhaltensregelung im Sinne des UWG zu erblicken ist. Für die übrigen Verbotstatbestände des § 1 Abs. 1 ESchG findet das Urteil des BGH zunächst keine unmittelbare Anwendung. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Verbotstatbestände den Schutz des Wettbewerbs selbstständig bezwecken sollen oder ob dies nur eine Reflexwirkung des Schutzes des Kindeswohls ist.82 Personen, die darüber informieren oder dafür werben, dass in anderen Ländern Fortpflanzungstechniken erlaubt sind und angewendet werden, die nach § 1 Abs. 1 ESchG in Deutschland verboten sind, können von Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern wegen Wettbewerbsverstößen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die übrigen Verbotstatbestände des § 1 Abs. 1 ESchG anders als § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG Marktverhaltensregelungen darstellen. Allerdings zielen auch diese Tatbestände unmittelbar auf den Schutz des Kindeswohls ab und dürften damit den Schutz der Marktteilnehmer nur reflexartig bewirken, ohne diesen bezwecken zu wollen. 3. Das Adoptionsvermittlungsgesetz Die Vorschriften des AdVermiG könnten Anwendung finden, wenn darüber informiert oder dafür geworben wird, dass Ersatzmutterschaften nach den Rechtsordnungen anderer Länder zulässig sind und eine Vermittlung von Bestelleltern an Ersatzmütter in diesen Ländern ermöglicht werden könne. Das AdVermiG sieht in seinem zweiten Abschnitt (§§ 13a ff. AdVermiG) Bußgeldvorschriften und Strafvorschriften vor. Dabei handelt es sich um eigenständige Verbote, die anders als die strafrechtlichen Teilnahmevorschriften nicht an die Begehung einer Haupttat gebunden sind. 3.1. Die Bußgeldvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2, lit. c AdVermiG Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 lit. c AdVermiG handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 13d AdVermiG durch öffentliche Erklärung Ersatzmütter oder Bestelleltern sucht oder anbietet. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 14 Abs. 3 AdVermiG mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden. Nach dem Anzeigeverbot des § 13d AdVermiG ist es untersagt, „Ersatzmütter oder Bestelleltern durch öffentliche Erklärungen, insbesondere durch Zeitungsanzeigen oder Zeitungsberichte, zu suchen oder anzubieten“. Als eine Ersatzmutter wird in § 13a AdVermiG eine Frau definiert, „die auf Grund einer Vereinbarung bereit ist, sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen (Nr. 1) oder einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen (Nr. 2) und das Kind nach der Geburt Dritten zur Annahme als Kinder oder zur sonstigen Aufnahme auf Dauer zu überlassen“. Bestelleltern sind hingegen nach § 13b Satz 1 AdVermiG Personen, „die das aus einer Ersatzmutterschaft entstandene Kind annehmen 82 Stellpflug/Braun, Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz von Verstößen gegen § 1 Abs., 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Embryonenschutzgesetzes und dem berufsrechtlichen Verbot der Mitwirkung an einer Eizellspende, MedR 2016, 530 (535). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 16 oder in sonstiger Weise auf Dauer bei sich aufnehmen wollen“. Von diesem Begriff werden entgegen des Wortlauts nicht allein Paare, sondern auch Einzelpersonen erfasst.83 § 14 Abs. 1 Nr. 1 lit. c AdVermiG sanktioniert denjenigen, der durch eine öffentliche Erklärung eine Ersatzmutter oder Bestelleltern sucht oder anbietet. In § 13d AdVermiG wird konkretisiert, dass eine öffentliche Erklärung insbesondere durch Zeitungsberichte oder Zeitungsanzeigen abgegeben werden kann. Das AdVermiG verwendet den Begriff der „öffentlichen Erklärung“ bereits im Anzeigeverbot für Adoptionen in § 6 Abs. 1 Satz 1 AdVermiG. In diesem Kontext wird unter der Erklärung jede auf eine Adoption gerichtete Willensäußerung verstanden.84 Öffentlich ist diese, wenn sie einem größeren Personenkreis zugänglich ist, der nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängt.85 Unter die öffentlichen Erklärungen seien demnach insbesondere Zeitungsanzeigen , Zeitungsberichte , Plakatwerbungen, Plakatanzeigen, Flugblätter, Postwurfsendungen , Sendungen in Rundfunk und Fernsehen, Ausrufe, Aushänge oder Werbung im Internet oder per E-Mail zu fassen.86 Diesem Begriffsverständnis entsprechend sind öffentliche Erklärungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 lit. c AdVermiG Willensäußerungen, die die Suche oder das Anbieten von Ersatzmüttern oder Bestelleltern zum Zweck haben und einem größeren, nicht zusammenhängenden Personenkreis zugänglich sind. Im Einzelfall kann bei Personen, die über ausländische Ersatzmutterschaften informieren oder diese bewerben, insbesondere fraglich sein, ob die Äußerungen einem größeren Personenkreis zugänglich waren und ob sie tatsächlich eine Suche oder ein Anbieten zum Zweck hatten. Erfasst werden insbesondere die oben aufgeführten Arten der öffentlichen Erklärungen, soweit sie konkret auf die Suche oder das Anbieten von Ersatzmüttern oder Bestelleltern gerichtet sind. 3.2. Die Strafvorschrift des § 14b Abs. 1 AdVermiG Nach § 14b Abs. 1 AdVermiG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft , wer entgegen § 13c AdVermiG eine Ersatzmuttervermittlung betreibt. § 13c AdVermiG untersagt die Ersatzmuttervermittlung. Diese bezeichnet gemäß § 13b AdVermi G „das Zusammenführen von Personen, die das aus einer Ersatzmutterschaft entstandene Kind annehmen oder in sonstiger Weise auf Dauer bei sich aufnehmen wollen (Bestelleltern), mit einer Frau, die zur Übernahme einer Ersatzmutterschaft bereit ist“. Darunter fällt nach § 13b Satz 2 Ad- VermiG auch der Nachweis der Gelegenheit zu einer Vereinbarung über eine Ersatzmutterschaft (§ 13a AdVermiG). Die erste Tatbestandsalternative des Zusammenführens von Bestelleltern und Ersatzmutter bezeichnet eine eigene Tätigkeit, die darauf ausgelegt ist, die Ersatzmutter und die Bestelleltern 83 Wache/Lutz, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 222. Ergänzungslieferung 12/2018, § 13b AdVermiG, Rn. 2. 84 Elmauer, in: Wiesner Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage 2015, § 6 AdVermi G, Rn. 3. 85 Elmauer a.a.O. § 6 AdVermiG, Rn. 3. 86 Elmauer a.a.O. § 6 AdVermiG, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 17 etwa durch ein verabredetes Treffen, das für die Ersatzmutterschaft erheblich ist, zusammen zu bringen.87 Die Tatbestandsalternative des „Nachweises der Gelegenheit“ erfordert die Benennung von Namen und Anschrift einer den Bestelleltern unbekannten Person, die bereit ist, ein Kind als Ersatzmutter auszutragen.88 Die bloße Information über nach ausländischem Recht zulässige und im jeweiligen Land durchgeführte Ersatzmutterschaften dürfte ohne einen konkreten Bezug zum Einzelfall nicht ausreichen , um eine der beiden Tatbestandsalternativen zu erfüllen. Auch das Bewerben von solchen ausländischen Ersatzmutterschaften dürfte erst dann erfasst sein, wenn ein konkreter, auf den Einzelfall zugeschnittener Austausch erfolgt, der über die abstrakten Möglichkeiten in anderen Ländern hinausgeht, und bei dem entweder ein Treffen oder Ähnliches vereinbart wird oder die Adressdaten der Ersatzmutter weitergegeben werden. 4. Zusammenfassung In § 1 Abs. 1 ESchG wird die missbräuchliche Anwendung bestimmter Fortpflanzungstechniken im Inland unter Strafe gestellt, die nach den Rechtsordnungen anderer Staaten teils zulässig sind und in den jeweiligen Ländern auch praktiziert werden. Wenn in Deutschland darüber informiert wird oder wenn dafür geworben wird, dass diese Fortpflanzungstechniken in anderen Ländern zulässigerweise angewendet werden, kommt grundsätzlich eine Teilnahmestrafbarkeit nach § 1 EschG in Verbindung mit den §§ 26, 27 Abs. 1 StGB in Betracht. Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass es im konkreten Einzelfall auch tatsächlich zu einer Haupttat gekommen ist. Mithin muss in dem konkreten Fall aufgrund der Information eine Fortpflanzungstechnik im Ausland angewendet worden sein, die nach deutschem Recht verboten ist. Ob die Schwelle zur Teilnahmestrafbarkeit durch die Information oder das Bewerben überschritten wurde, kann jeweils nur in einer umfassenden Einzelfallprüfung festgestellt werden. In lauterkeitsrechtlicher Hinsicht gelten die Verbotstatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als Marktverhaltensregelungen zwischen den Marktteilnehmern (§ 3a UWG), da sie auf den Schutz des Kindeswohls abzielen und die Gleichstellung der Marktteilnehmer nur reflexartig berühren. Vergleichbares dürfte auch für die übrigen Verbotstatbestände des § 1 Abs. 1 ESchG gelten, die ebenfalls zentral auf den Schutz des Kindeswohls abzielen. Die Bußgeldvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 lit. c AdVermiG ist auf öffentliche Erklärungen, die auf die Suche oder das Anbieten von Ersatzmüttern und Bestelleltern gerichtet sind, anwendbar. Bei Informationen über ausländische Ersatzmutterschaften oder dem Bewerben von solchen Ersatzmutterschaften ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich um eine öffentliche Erklärung handelt und ob tatsächlich die Suche oder das Anbieten von Ersatzmüttern oder Bestelleltern bezweckt wird. Die Strafvorschrift des § 14b Abs. 1 AdVermiG stellt die Ersatzmuttervermittlung bzw. den Nachweis der Gelegenheit zu einer Vereinbarung unter Strafe. Das Informieren über oder das Be- 87 Wache/Lutz a.a.O. § 13b AdVermiG, Rn. 1 (verweist auf die Kommentierung zu den gleichlautenden Begrifflichkeiten in § 1 AdVermiG). 88 Wache/Lutz a.a.O. § 13b AdVermiG, Rn. 1 (verweist auf die Kommentierung zu den gleichlautenden Begrifflichkeiten in § 1 AdVermiG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 058/19 Seite 18 werben von ausländischen Ersatzmutterschaften kann grundsätzlich erfasst sein, soweit ein Zusammenführen von Ersatzmutter und Bestelleltern vereinbart wird oder Adressdaten derselben ausgetauscht werden. * * *