© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 054/19 Rechtsfolgen einer Straftat nach dem deutschen Strafrecht Fragen zur Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Welche Rechtsfolgen einer Straftat kennt das deutsche Strafrecht neben der Freiheitsstrafe ? Die Rechtsfolgen einer Straftat können im deutschen Strafrecht grundsätzlich in „Strafen“ und „Maßnahmen“ unterteilt werden. Strafen knüpfen an die Schuld des Täters an der Tatbegehung und damit an die Vergangenheit an. Maßnahmen knüpfen demgegenüber an die Gefährlichkeit eines Täters an und sind auf die zukünftige Vermeidung der Straftatbegehung durch den Täter gerichtet. Strafen können in die Hauptstrafen und die Nebenstrafen unterteilt werden. Als Hauptstrafe kommt zunächst die Freiheitsstrafe nach den §§ 38, 39 des Strafgesetzbuchs (StGB)1 in Betracht. Daneben kennt das deutsche Strafrecht die Geldstrafe nach den §§ 40-43 StGB als andere Form der Hauptstrafe. Einzige Nebenstrafe des deutschen Strafrechts ist das Fahrverbot nach § 44 StGB. Als Maßnahmen kommen zunächst die Maßregeln der Besserung und Sicherung in Betracht, die sowohl mit Freiheitsentzug als auch ohne Freiheitsentzug verhängt werden können. Daneben kennt das Strafrecht weitere Maßnahmen wie die Einziehung, §§ 73 ff. StGB. 2. Unter welchen Voraussetzungen kommen diese Rechtsfolgen in Betracht? - Strafen: Ob im Einzelfall eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe zu verhängen ist, hängt entscheidend vom Strafmaß ab. Wenn die Strafe im Strafbereich bis zu einem Monat liegt, so kann allein auf eine Geldstrafe entschieden werden (§ 38 Abs. 2 StGB). Zu einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten soll das Gericht nur dann verurteilen, wenn die Umstände des Einzelfalls die Verhängung einer Freiheitsstrafe unabdinglich machen; anderenfalls ist in solchen Fällen vorrangig auf die Geldstrafe zu entscheiden, § 47 Abs. 1 StGB. Liegt die Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und einem Jahr, so bestimmt der Richter die Art der Hauptstrafe nach seinem Ermessen, § 46 StGB. Bei Strafrahmen über einem Jahr kommt die Verhängung einer Geldstrafe grundsätzlich nicht mehr in Betracht, sodass auf eine Freiheitsstrafe zu entscheiden ist. Die Freiheitsstrafe ist in der Regel zeitig, mithin auf einen bestimmten Zeitrahmen begrenzt, wenn das Gesetz nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe anordnet, § 38 Abs. 1 StGB. Die Höchstdauer der zeitigen Freiheitsstrafe beträgt fünfzehn Jahre, § 38 Abs. 2 StGB. Die Freiheitsstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies kommt zunächst bei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte bereits durch die Verurteilung selbst ausreichend verwarnt ist, § 56 Abs. 1, 2 StGB. Das Gericht bestimmt dann nach den Umständen des Einzelfalls eine Bewährungszeit (§ 56a StGB), die zwischen zwei und fünf Jahren andauert. Es kann dem Verurteilten überdies Auflagen (§ 56b StGB) und Weisungen (§ 56c StGB) erteilen, die der Verurteilte in der Bewährungszeit zu befolgen hat. Begeht der Verurteilte während der Bewährungszeit eine Straftat oder verstößt grob und wiederholt gegen die 1 vgl. Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.03.2019 (BGBl. I S. 350) , abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_stgb/index.html (Letzter Abruf: 09.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 054/19 Seite 5 Auflagen oder Weisungen, so widerruft das Gericht die Strafaussetzung, § 56f StGB. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kommt außerdem in Betracht, wenn der Verurteilte mindestens zwei Drittel seiner zeitigen Freiheitsstrafe verbüßt hat (§ 57 Abs. 1 StGB) oder als Ersttäter mindestens die Hälfte seiner Freiheitsstrafe verbüßt hat (§ 57 Abs. 2 StGB). Eine Strafaussetzung kommt im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht, wenn mindestens fünfzehn Jahre verbüßt wurden, die Aussetzung angesichts der besonderen Schwere der Schuld gerechtfertigt werden kann, kein Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit besteht und der Verurteilte einwilligt, § 57a StGB. Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt, § 40 Abs. 1, Satz 1 StGB. Die Bemessung der Höhe der Geldstrafe vollzieht sich im Einzelfall in zwei unabhängigen Schritten: Zunächst wird anhand der Schuld des Täters bestimmt, wie viele Tagessätze zu leisten sind. In einem zweiten Schritt wird festgelegt, wie hoch dieser Tagessatz im Einzelfall für den Täter ist. Maßgeblich für die Festsetzung sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, in der Regel orientiert sich das Gericht an dem durchschnittlichen Nettotageseinkommen des Täters, § 40 Abs. 2 StGB. Im Einzelfall kann das Gericht bewilligen, dass die Geldstrafe wegen der persönlichen Verhältnisse des Täters in Teilbeträgen gezahlt werden kann oder erst nach Ablauf einer Zahlungsfrist zu zahlen ist, § 42 StGB. Für den Fall, dass der Täter seine Geldstrafe nicht zahlt, sieht das Gesetz die Ersatzfreiheitsstrafe vor, wobei in diesem Fall ein Tagessatz der Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht, § 43 StGB. Abweichend hiervon kann von den Landesregierungen der Bundesländer geregelt werden, dass der Verurteilte die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch das Ableisten von freier, gemeinnütziger Arbeit abwenden kann, Art. 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB)2. Diese Arbeit muss unentgeltlich sein und darf keinen erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen. Wenn der Verurteilte die gemeinnützige Arbeit geleistet hat, entfällt die Ersatzfreiheitsstrafe. Auch für die Geldstrafe kommt eine Art der Strafaussetzung, die Verwarnung mit Strafvorbehalt, in Betracht. Diese kann dann verhängt werden , wenn zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 180 Tagessätzen verurteilt werden soll, nicht zu erwarten ist, dass der Täter weitere Straftaten begehen wird und die Gesamtumstände dies rechtfertigen, § 59 Abs. 1 StGB. In diesem Fall dauert die Bewährungszeit zwischen einem und zwei Jahren an, wiederum kann das Gericht dem Verurteilten Auflagen oder Weisungen erteilen, § 59a StGB. Wird der Verwarnte in der Bewährungszeit straffällig oder verstößt gegen Auflagen oder Weisungen, so wird er zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt, § 59b StGB. Als Nebenstrafe neben eine Freiheits- oder Geldstrafe kennt das deutsche Strafrecht das Fahrverbot nach § 44 StGB. Danach kann das Gericht dem Verurteilten einer Freiheits- oder Geldstrafe für eine Dauer von einem bis sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu führen, indem der Führerschein in amtliche Verwahrung genommen wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen wurden, jedoch kann das Fahrverbot auch dann angeordnet werden, wenn die Straftat keinen Bezug zum Straßenverkehr aufweist, das Fahrverbot jedoch als Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint, § 44 Abs. 1 StGB. 2 vgl. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469; 1975 I S. 1916; 1976 I S. 507), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11.06.2017 (BGBl. I S. 1612), abrufbar nur in deutscher Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgbeg/index.html#BJNR004690974BJNE003703307 (Letzter Abruf: 10.04.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 054/19 Seite 6 Anders als die Nebenstrafe, die im Einzelfall verhängt werden kann, treten die Nebenfolgen einer Verurteilung automatisch kraft Gesetzes ein. Wird eine Person wegen eines Verbrechens zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, verliert sie automatisch für eine Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden oder in öffentlichen Wahlen wählbar zu sein, § 45 Abs. 1 StGB. Mit dem Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit verliert der Verurteilte auch diejenigen Rechtsstellungen, die er bereits innehat. Schließlich kann dem Verurteilten, soweit dies im Gesetz besonders angeordnet wird, für die Dauer von zwei bis fünf Jahren das Stimmrecht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen, aberkannt werden, § 45 Abs. 5 StGB. - Maßnahmen: Die Maßregeln der Besserung und Sicherung als Rechtsfolge einer Straftat sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 ff. StGB), die Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 ff. StGB) und das Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann vom Gericht angeordnet werden , wenn der Täter bei der Tatbegehung schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und davon auszugehen ist, dass der Täter infolge seines Zustands weitere Taten begehen wird, § 63 StGB. Diese Maßregel ist zeitlich unbefristet. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt soll vom Gericht hingegen angeordnet werden, wenn der Täter regelmäßig Alkohol oder andere berauschende Mittel konsumiert, unter Einfluss dieser berauschenden Mittel eine Straftat begangen hat und davon auszugehen ist, dass der Täter weitere Straftaten in einem berauschten Zustand begehen wird, § 64 StGB. Diese Maßregel ist zeitlich auf eine Höchstdauer von zwei Jahren befristet, § 67d Abs. 1 StGB. Die beiden Maßregeln können neben einer Freiheitsstrafe angeordnet werden; in diesem Fall werden die Maßregeln grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe vollzogen, § 67 Abs. 1 StGB. Soweit eine Verurteilung des Täters wegen Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit nicht in Betracht kommt, können die beiden Maßregeln jedoch auch selbstständig angeordnet werden, § 71 StGB. Die Sicherungsverwahrung kann von dem Gericht neben der Freiheitsstrafe angeordnet werden, wenn der Täter wiederholt besonders schwere Straftaten begangen hat und sich aus einer Gesamtwürdigung ergibt, dass der Täter durch seinen Hang zu schweren Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, § 66 Abs. 1 StGB. Bei all diesen freiheitsentziehenden Maßregeln ist innerhalb bestimmter Fristen zu prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringungen zur Bewährung auszusetzen ist oder für erledigt zu erklären ist, § 67e StGB. Dies muss bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt alle sechs Monate geprüft werden, bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus jedes Jahr geprüft werden und bei der Unterbringung in Sicherungsverwahrung ebenfalls jedes Jahr geprüft werden, wenn der Täter bereits mehr als zehn Jahre in Sicherungsverwahrung ist, so ist die Prüfung alle neun Monate durchzuführen, § 67e Abs. 2 StGB. Besteht nach einer Verwirkung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Gefahr, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so kann das Gericht anordnen, dass der Verurteilte nach der Freiheitsstrafe der Führungsaufsicht durch eine Aufsichtsstelle unterliegt, die dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite steht, §§ 68, 68a StGB. Die Aufsichtsstelle Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 054/19 Seite 7 überwacht das Verhalten des Verurteilten, § 68a Abs. 3 StGB. Weiter kann das Gericht dem Verurteilten bestimmte Weisungen erteilen (§ 68b StGB), etwa bestimmte Orte nicht zu verlassen oder sich an bestimmten Orten aufzuhalten; die Aufsichtsstelle überwacht in diesem Fall die Einhaltung dieser Weisungen, § 68a Abs. 3 StGB. Die Führungsaufsicht dauert mindestens zwei und höchstens fünf Jahre an, § 67c Abs. 1 StGB. Begeht eine Person eine Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs, so kann das Gericht die Entziehung seiner Fahrerlaubnis anordnen, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Täter nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist, § 69 StGB. Begeht ein Täter hingegen eine Straftat unter Missbrauch ihres Berufs oder Gewerbes, so kann ihm das Gericht durch ein Berufsverbot die Ausübung des Berufs für eine Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren untersagen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung des Täters ergibt, dass der Täter bei der Ausübung des Berufs weitere Straftaten begehen wird, § 70 Abs. 1 StGB. Neben den Maßregeln der Besserung und Sicherung kommt als Maßnahme die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB in Betracht, durch die bestimmte Gegenstände, etwa Taterträge oder gefährliche Gegenstände aus dem Besitz des Täters entfernt werden. 3. Wie hoch sind die Kosten für die Rechtsfolgen einer Straftat, die alternativ zu einer Freiheitsstrafe angeordnet werden können? Zu den Kosten der Rechtsfolgen, die außer der Freiheitsstrafe nach dem deutschen Strafrecht angeordnet werden können, liegen den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestags keine Erkenntnisse vor. ***