© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 052/20 Strafrechtlich geprägte Fragen im Kontext von Konversionsbehandlungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 2 Strafrechtlich geprägte Fragen im Kontext von Konversionsbehandlungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 052/20 Abschluss der Arbeit: 23.04.2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Strafrecht als „Ultima Ratio“ 4 3. Ausgewählte Unterschiede zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten 7 4. Strafbarkeit nach aktueller Gesetzeslage 8 5. Verhältnis zum Zivilrecht 9 6. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 4 1. Einleitung Im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens wurde ein Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen an verschiedene Ausschüsse überwiesen (Bundestags-Drucksache 19/17278; Plenarprotokoll 19/150, 18793 und 18799). Nach § 1 Abs. 1 des Entwurfs gilt das Gesetz für alle am Menschen durchgeführten Behandlungen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind (Konversionsbehandlung). Gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs ist es untersagt, eine Konversionsbehandlung an einer Person durchzuführen, die unter 18 Jahre alt ist. Bei Personen , die zwar das 18. Lebensjahr vollendet haben, deren Einwilligung zur Durchführung der Konversionsbehandlung aber auf einem Willensmangel beruht, ist eine Konversionsbehandlung nach § 2 Abs. 2 des Entwurfs ebenfalls untersagt. Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen § 2 eine Konversionsbehandlung durchführt. § 5 Absatz 1 des Entwurfs ist nicht auf Personen anzuwenden, die als Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich verletzen. Der Entwurf soll zunächst zum Anlass genommen werden, das „Ultima Ratio“-Prinzip zu erörtern (2.) und Unterschiede zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten darzulegen (3.). Weiterhin soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, inwieweit eine Strafbarkeit von Handlungen im Umfeld einer Konversionsbehandlung bereits nach aktueller Gesetzeslage in Betracht kommt (4.) und in welchem Verhältnis § 2 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs zu Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)1 steht (5.). Am Ende der Arbeit steht ein Fazit der angestellten Überlegungen (6.). 2. Strafrecht als „Ultima Ratio“ Nach dem sogenannten Ultima Ratio-Prinzip darf das Strafrecht lediglich letztes „Mittel staatlicher Machtausübung gegenüber dem Einzelnen sein“.2 Da das Strafrecht „das schärfste Steuerungsinstrument des Staates“ ist, müssten zuvor „andere Steuerungsinstrumente wie das Zivilrecht “ und Verwaltungsrecht angewandt werden.3 Die dogmatische Einordnung dieses Prinzips ist umstritten. So wird es teilweise „als Chiffre für einen strafrechtsrelevanten Inhalt des allgemeinen Verfassungsprinzips der Verhältnismäßigkeit“ begriffen.4 Das Bundesverfassungsgericht erwähnte den Gedanken der „Ultima Ratio“ zumindest 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 541) geändert worden ist. 2 Brodowski, Jahn, in: Das Ultima Ratio-Prinzip als strafverfassungsrechtliche Vorgabe zur Frage der Entbehrlichkeit von Straftatbeständen, ZStW, Band 129 (2017), Heft 2, 363, 366. 3 Ostendorf, in: Strafrechtsprinzipien und Strafverfahren, Artikel vom 24.04.2018, Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung, abrufbar unter https://www.bpb.de/izpb/268230/strafrechtsprinzipien-und-strafverfahren , letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 23.04.2020. 4 Brodowski, Jahn, in: Das Ultima Ratio-Prinzip als strafverfassungsrechtliche Vorgabe zur Frage der Entbehrlichkeit von Straftatbeständen, ZStW, Band 129 (2017), Heft 2, 363, 371. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 5 im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.5 Allerdings wird teilweise vertreten, die „Zitation des Ultima Ratio-Gedankens in der Verfassungsrechtsprechung“ habe „keine verfassungsdogmatische Funktion“.6 Es handele sich lediglich um ein „legislatives Leitbild“.7 Nach dem Bundesverfassungsgericht wird das Strafrecht „als ‚ultima ratio‘ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“.8 Es sei aber „grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen“.9 Dieser sei „bei der Entscheidung, ob er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen und wie er dies gegebenenfalls tun will, grundsätzlich frei“.10 Dem Gesetzgeber stehe „bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren […] ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur in begrenztem Umfang überprüft werden“ könne.11 Nach Ausführungen in der Literatur soll in der Rechtsprechung bislang kein Strafgesetz an der Hürde des Ultima Ratio-Prinzips gescheitert sein.12 In einem Aufsatz zu „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“ wird vertreten, dass ein Verbot des Anbietens und der Durchführung von Konversionsbehandlungen „im religiösen beziehungsweise weltanschaulichen Kontext“ (religiöse oder weltanschauliche Angebote) nur verhältnismäßig sei, „wenn es auf Angebote gegenüber Minderjährigen beschränkt “ werde.13 Nach Ausführungen des Autors in einem anderen Gutachten sei ein solches Verbot auch bei einer Behandlung beschränkt einsichtsfähiger Personen möglich.14 Im Hinblick 5 BVerfG, Urteil vom 25.02.1975, Az. 1 BvF 1 - 6/74, NJW 1975, 573, 576, 577; BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138. 6 Gärditz, in: Demokratizität des Strafrechts und Ultima Ratio-Grundsatz, JZ 2016, Heft 13, 641, 644. 7 Gärditz, in: Demokratizität des Strafrechts und Ultima Ratio-Grundsatz, JZ 2016, Heft 13, 641, 644. 8 BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138. 9 BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138. 10 BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138. 11 BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138. 12 Gärditz, in: Demokratizität des Strafrechts und Ultima Ratio-Grundsatz, JZ 2016, Heft 13, 641, 649. 13 Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 88. 14 Burgi, in: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen gesetzlicher Maßnahmen (insbesondere Verbote) gegen Therapien bzw. Behandlungen mit dem Ziel einer Veränderung der sexuellen Orientierung (sog. Konversionstherapien ), Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.), S. 40-77 des Abschlussberichts, S. 32 des Gutachtens, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie /190830_Abschlussbericht_BMH.PDF. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 6 auf das Ultima Ratio-Prinzip sei aber eine Strafandrohung bei solchen Angeboten gegenüber Minderjährigen (und wohl auch gegenüber beschränkt einsichtsfähigen Personen)15 unangemessen, weshalb diesbezüglich lediglich die Schaffung eines Ordnungswidrigkeitentatbestands in Betracht käme.16 In Bezug auf Erwachsene sei betreffend Konversionsbehandlungen „im religiösen beziehungsweise weltanschaulichen Kontext“ lediglich „ein Ordnungswidrigkeitentatbestand, der die Werbung und Vermittlung entsprechender Angebote erfasst, denkbar“.17 Der Autor geht auch ausführlich auf die maßgeblichen Grundrechte bei Konversionsbehandlungen ein. Der Gesetzesentwurf selbst geht ebenfalls auf die Frage ein, ob eine Strafandrohung als schärfstes Schwert des Staates zum Schutz vor Konversionsbehandlungen, gerechtfertigt ist. Die Schaffung des Straftatbestands hat den Zweck, die körperliche Integrität und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung und Entwicklung) zu schützen (Bundestags -Drucksache 19/17278, S. 10 und 19). Außerdem seien durch den Gesetzesentwurf „positive gesellschaftliche Entwicklungen gegen Pathologisierung, Diskriminierung und Stigmatisierung “ zu erwarten (Bundestags-Drucksache 19/17278, S. 13). Der Entwurf geht davon aus, dass Aufklärungskampagnen18, ein rechtlicher Ausschluss einer Vergütung sowie „berufsrechtliche Sanktionen gegen Angehörige des Gesundheitssystems“19 eine Strafbewehrung nicht ersetzen könnten (Bundestags-Drucksache 19/17278, S. 12). Das Verhaltensunrecht von Konversionsbehandlungen an Personen unter 18 Jahren sei von solchem Gewicht, dass die Schaffung eines Straftatbestands als schärfstes Schwert des Staates gerechtfertigt sei (Bundestags-Drucksache 19/17278, S. 19). Die Schaffung eines bloßen Ordnungswidrigkeitentatbestands werde dem durch eine Konversionsbehandlung verwirklichten erheblichen Verhaltensunrecht nicht gerecht, da Ordnungswidrigkeiten lediglich einen „Ungehorsam gegenüber dem Ordnungsrecht der staatlichen Verwaltung“ widerspiegeln (Bundestags-Drucksache 19/17278, S. 12 und 19). Bei Konversionsbehandlungen an Erwachsenen, „deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht“, sei aufgrund des vergleichbaren Unwertgehalts ebenfalls eine „strafrechtliche Sanktionierung geboten “ (Bundestags-Drucksache 19/17278, S. 19, und 20). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gesetzesbegründung verwiesen (Bundestags-Drucksache 19/17278, insbesondere S. 10, 11, 12, 13, 19 und 20). 15 Burgi, in: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen gesetzlicher Maßnahmen (insbesondere Verbote) gegen Therapien bzw. Behandlungen mit dem Ziel einer Veränderung der sexuellen Orientierung (sog. Konversionstherapien ), Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.), S. 40-77 des Abschlussberichts, S. 32 des Gutachtens, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie /190830_Abschlussbericht_BMH.PDF. 16 Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 88. 17 Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 88. 18 Vgl. zum Effekt von Aufklärungsmaßnahmen auch Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 85. 19 Vgl. zu solchen Sanktionen Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 82, 83. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 7 3. Ausgewählte Unterschiede zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten Die Ausführungen der Gesetzesbegründung im Hinblick auf eine Alternative der Sanktionierung von Konversionsbehandlungen als bloße Ordnungswidrigkeit geben Anlass, Unterschiede zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu erörtern. Ordnungswidrigkeiten sind durch einen „geringeren Unrechts- und Schuldgehalt“ gegenüber Straftaten geprägt.20 Die Verwerflichkeit ihrer Begehung ist gegenüber einer Straftat geringer.21 Die Sanktionen der §§ 38 ff. Strafgesetzbuch (StGB)22 wie Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen bei Ordnungswidrigkeiten nicht verhängt werden.23 „Ordnungswidrigkeiten werden mit ‚Geldbuße‘ geahndet“ (vgl. z. B. §§ 17 und 117 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)24 sowie § 24 Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG)25).26 Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG oder § 24a StVG kommt auch ein Fahrverbot nach § 25 StVG in Betracht. Ein Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten besteht weiterhin darin, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Opportunitätsprinzip herrscht:27 Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 einstellen. Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG in jeder Lage einstellen. Die Zustimmung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 2 O- WiG nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeldbescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt worden ist und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der Hauptverhandlung nicht teil. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 152 Abs. 2 StPO, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächli- 20 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 3 Rn 10. 21 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 3 Rn 10. 22 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. März 2020 (BGBl. I S. 431) geändert worden ist. 23 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 3 Rn 1 und 3. 24 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146) geändert worden ist. 25 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2008) geändert worden ist. 26 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 3 Rn 4. 27 Vgl. auch Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 3 Rn 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 8 che Anhaltspunkte vorliegen. Ihr kommt bei Straftaten nach § 160 StPO eine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung zu. Die Polizei hat gemäß § 163 Abs. 1 StPO Straftaten zu erforschen und darf grundsätzlich Ermittlungen jeder Art vornehmen. Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so muss die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 1 StPO Anklage erheben. Die Anforderungen an die Einstellung von Straftaten nach den §§ 153 ff. StPO liegen höher als bei Ordnungswidrigkeiten. Beispielsweise sind Einstellungen nach §§ 153 und 153a StPO nur bei Vergehen im Sinne des § 12 Abs. 2 StGB und nur bei Geringfügigkeit beziehungsweise unter Auflagen oder Weisungen möglich. Außerdem dürfen „Kriminalstrafen“ wegen Art. 92 Halbsatz 1 des Grundgesetzes (GG)28 nur durch den Richter verhängt werden.29 Gemäß § 35 OWiG ist für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich die Verwaltungsbehörde zuständig. Das Ordnungswidrigkeitenrecht sieht im Gegensatz zum Strafrecht (vgl. § 23 Abs. 2 StGB, § 13 Abs. 2 StGB, § 27 Abs. 2 S. 2 StGB) beispielsweise für den Versuch, die Unterlassung „oder den der strafrechtlichen ‚Beihilfe‘ […] entsprechenden Beteiligungstyp“ keine Absenkung des Bußgeldrahmens vor.30 4. Strafbarkeit nach aktueller Gesetzeslage Eine Strafbarkeit von Verhaltensweisen im Umfeld der Konversionsbehandlungen kommt nach aktueller Gesetzeslage beispielsweise gem. §§ 223, 229, 263 und 185 StGB in Betracht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Gesetzesentwurfs verwiesen (Bundestags -Drucksache 19/17278, S. 11). Auch wird die Strafbarkeit nach aktueller Gesetzeslage in einem Aufsatz mit dem Titel „Sogenannte ‚Konversionstherapien‘ – betrachtet im Zusammenhang mit ausgewählten Aspekten des Strafrechts“ erörtert.31 Des Weiteren wird in dem Aufsatz „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“ auf die bestehende Rechtslage eingegangen.32 Es ist zu beachten, dass eine einzelfallabhängige Prüfung in Bezug auf die jeweilige Tätigkeit im Zusammenhang mit der Konversionsbehandlung zu erfolgen hat. Betreffend eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB durch das Durchführen einer Konversionsbehandlung soll lediglich Folgendes hervorgehoben werden: 28 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist. 29 BVerfG, Urteil vom 06.06.1967, Az. 2Bvr 375, 53/60 und 18/65, LMRR 1967, 10. 30 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, 2. Auflage 2005, § 15 Rn 6. 31 Demko, in: Sogenannte „Konversionstherapien“ – betrachtet im Zusammenhang mit ausgewählten Aspekten des Strafrechts, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 95-123, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie /190830_Abschlussbericht_BMH.PDF. 32 Burgi, in: „Rahmenbedingungen der Strafbarkeit von sog. Konversionstherapien“, MedR (2020) 38, 81, 82. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 9 Der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB verlangt eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung. Eine körperliche Misshandlung liegt vor bei einer üblen, unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlempfinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt.33 Das körperliche Wohlempfinden kann aber „nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden“.34 Es wird wohl auch eine körperliche Beeinträchtigung des Opfers verlangt.35 Eine Gesundheitsschädigung liegt vor bei einem Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustands36, wobei vertreten wird, die „Abweichung vom Normalzustand“ dürfe auch hier „nicht nur unerheblich sein“.37 Wiederum ist zu beachten, dass eine „bloß psychische Einwirkung, die lediglich das seelische Wohlbefinden berührt“, nicht genügt .38 Die Frage der Möglichkeit einer rechtfertigenden Einwilligung in eine Körperverletzung wird ausführlich in dem Aufsatz „Sogenannte ‚Konversionstherapien‘ – betrachtet im Zusammenhang mit ausgewählten Aspekten des Strafrechts“ beleuchtet.39 5. Verhältnis zum Zivilrecht Bei einem Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB ist der Behandelnde nach § 630d Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Bei § 630d BGB handelt es sich um eine Norm des Zivilrechts, welche die rechtlichen Beziehungen zwischen einzelnen Bürgern regelt.40 Eine Strafbarkeit wird durch eine solche Norm jedoch nicht 33 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.1991, Az. 5 Ss 168/91 - 58/91 I, NJW 1991, 2918, 2919. 34 Eschelbach, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 45. Edition, Stand: 01.02.2020, § 223 Rn 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 09.10.2002, Az. 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 153. 35 Eschelbach, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 45. Edition, Stand: 01.02.2020, § 223 Rn 20; Demko, in: Sogenannte „Konversionstherapien“ – betrachtet im Zusammenhang mit ausgewählten Aspekten des Strafrechts, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 106 und 107, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads /K/Konversionstherapie/190830_Abschlussbericht_BMH.PDF. 36 Eschelbach, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 45. Edition, Stand: 01.02.2020, § 223 Rn 24. 37 Joecks (Hardtung), in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 223 Rn. 29; Eschelbach, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 45. Edition, Stand: 01.02.2020, § 223 Rn 24. 38 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.2002, Az. 2a Ss 97/02 - 41/02 II, NJW 2002, 2118; Eschelbach, in: v. Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar StGB, 45. Edition, Stand: 01.02.2020, § 223 Rn 27. 39 Demko, in: Sogenannte „Konversionstherapien“ – betrachtet im Zusammenhang mit ausgewählten Aspekten des Strafrechts, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hrsg.), Abschlussbericht, S. 111-116, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie /190830_Abschlussbericht_BMH.PDF. 40 Internetseite der Freien Universität Berlin, abrufbar unter https://www.osa.fu-berlin.de/rechtswissenschaft/studienbereiche /zivilrecht/index.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 052/20 Seite 10 begründet. Für den Fall des § 2 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs sieht dagegen § 5 Abs. 1 des Entwurfs eine Strafandrohung vor. Wenn der Gesetzgeber eine Strafbarkeit speziell für Konversionsbehandlungen bei Erwachsenen, deren Einwilligung zur Durchführung der Behandlung auf einem Willensmangel beruht, schaffen möchte, muss er entsprechende Regelungen wie § 2 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 des Entwurfs einführen. Wie bereits dargelegt, steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum bei der Schaffung von Straftatbeständen zu. Diese Überlegungen gelten auch für die Regelungen der §§ 119 ff. BGB, die eine Anfechtung von Willenserklärungen beim Vorliegen von Willensmängeln regeln. Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts führt – im Falle der Wirksamkeit der Anfechtung – nach § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, jedoch nicht zu einer Strafbarkeit von Konversionsbehandlungen an Erwachsenen , deren Einwilligung zur Durchführung der Behandlung auf einem Willensmangel beruht . 6. Fazit Die dogmatische Einordnung des Ultima Ratio-Prinzips ist umstritten. Im Rahmen der Schaffung von Strafgesetzen ist der unter 2. dargelegte Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers zu beachten. Ordnungswidrigkeiten und Straftaten unterscheiden sich unter anderem in ihrer Sanktionierung und in den Möglichkeiten zur Einstellung der Verfahren. Eine Strafbarkeit von Verhaltensweisen im Umfeld von Konversionsbehandlungen kommt – abhängig vom Einzelfall – nach bestehender Gesetzeslage beispielsweise gemäß §§ 223, 229, 263 und 185 StGB in Betracht. ***