© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 051/16 Rechtliche Rahmenbedingungen für Türhängerwerbung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 2 Rechtliche Rahmenbedingungen für Türhängerwerbung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 051/16 Abschluss der Arbeit: 21. April 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Abwehransprüche gegen unerwünschtes Werbematerial 4 2.1. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch wegen unzumutbarer Belästigung 4 2.2. Abwehransprüche aus Eigentum und Besitz 5 2.3. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht 5 3. Politische Werbung oder Information mittels Türhängern 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand vorliegender Arbeit ist die rechtliche Einordnung von Türhängern, welche von Privaten zu Werbe- oder Informationszwecken an Türklinken gehängt werden. Dargestellt wird zunächst der rechtliche Rahmen der Kontaktaufnahme durch Dritte mittels kommerzieller Werbemittel in Form von Briefen, E-Mail, Telefonanrufen oder Faxschreiben. Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, ob für politische Werbung mittels Türhängern besondere Regelungen gelten. 2. Abwehransprüche gegen unerwünschtes Werbematerial 2.1. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch wegen unzumutbarer Belästigung Zwar dient das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)1 dem Schutz vor unlauteren geschäftlichen Handlungen und regelt in § 7 Absatz 1 Satz 1 UWG die Unzulässigkeit von unzumutbaren Belästigungen. Gläubiger eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs können aber nur Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, qualifizierte Einrichtungen sowie Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern sein (vgl. § 8 Absatz 3 UWG). Anwendungsvoraussetzung des UWG ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung2, was bei bloßer gemeinnütziger Informationsarbeit in der Regel nicht der Fall ist. Briefkastenwerbung, bei welcher Werbematerial in Hausbriefkästen eingeworfen wird, ist grundsätzlich zulässig.3 Sie wird für den potentiellen Empfänger erst dann unzumutbar und damit auch unzulässig, wenn er seinen entgegenstehenden Willen in einer Art und Weise zum Ausdruck gebracht hat, die es auch und gerade dem Werbenden ermöglicht, diesen bei Beachtung der ihm obliegenden Sorgfalt zu erkennen.4 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233) geändert worden ist. 2 Legaldefiniert in § 2 Absatz 1 Nummer 1 Halbsatz 1 UWG als jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. 3 In Abgrenzung zur Briefwerbung, welche an einen konkreten Empfänger adressiert ist; Leible, Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Auflage 2014, UWG, § 7, Rn. 72. 4 Leible, Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Auflage 2014, UWG, § 7, Rn. 65; Ullmann, jurisPK- UWG, 3. Aufl. 2013, § 7 UWG, Rn. 144-146, 166; Zumeist wird der Widerspruch durch einen Sperrvermerk am Briefkasten – etwa mit den Aufklebern „Keine Werbung“, „Keine Reklame“ usw. – zum Ausdruck gebracht. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 5 2.2. Abwehransprüche aus Eigentum und Besitz Dem Empfänger von unerwünschten Werbemaßnahmen stehen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen den Werber als Störer aus der Eigentums- oder Besitzposition aus §§ 1004, 903, 862 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)5 zu. Sowohl das Eigentum als auch der Besitz schützen eine Beeinträchtigung der räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbe- oder Informationsmaterial.6 Anzumerken ist hier, dass die Nutzung des Briefkastens nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur dann beeinträchtigt ist, wenn Werbematerial in einer solchen Menge eingeworfen wird, dass die Briefkastenfunktion als solche in Frage gestellt wird. Da der Einwurf von Werbung aber grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden ist, also hingenommen werden muss, ist bei der Prüfung der Ansprüche auch die im UWG kodifizierte Wertung 7 zu beachten. Voraussetzung für einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch ist damit ein erkennbarer entgegenstehender Wille des Empfängers.8 2.3. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)9 kann einen weiteren Abwehranspruch aus §§ 1004, 823 BGB gegen den Werbenden begründen. Dies ist dann der Fall, wenn es dem Empfänger der Werbepublikation weniger um die Abwehr einer Beeinträchtigung seines gegenständlich-räumlichen Eigenbereichs, als vielmehr darum geht, einer Konfrontation mit der Suggestivwirkung der Werbung zu entgehen.10 Begründet wird dies mit dem Willen des Bürgers, seinen Lebensbereich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, welcher als Ausfluss seines personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig ist. Das Selbstbestimmungsrecht soll dabei dem Interesse des Unternehmens an der Werbung zur Absatzsteigerung vorrangig sein.11 5 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 396) geändert worden ist. 6 BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 – VI ZR 182/88; Gursky, Staudinger, BGB, Buch 3. Sachenrecht (§§ 985- 1011), 16. Aufl. 2012, § 1004, Rn. 23; Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 7 UWG, Rn. 153. 7 Vgl. § 7 UWG. 8 BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 – VI ZR 182/88; Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 7 UWG, Rn. 153, Schwerdtner, Urteilsanmerkung, in: Juristische Rundschau (JR) 1989, S. 245. 9 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetztes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist. 10 BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 – VI ZR 182/88; Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 7 UWG, Rn. 155. 11 BGH a.a.O.; Klaas, Erman BGB, Kommentar, 14. Auflage, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 216. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 6 Insbesondere wenn der (potentielle) Empfänger einen entgegenstehenden Willen geäußert hat, stellt sich jede Zuwiderhandlung als eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und löst einen Abwehranspruch12 aus § 1004 BGB aus. Ansonsten kommt es auf eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall an. 3. Politische Werbung oder Information mittels Türhängern Die vorstehenden Gesichtspunkte beziehen sich auf die Kontaktaufnahme durch (unerwünschte) Werbung in Form von Briefen oder Werbeprospekten. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs13 sind auf E-Mail-Werbung14 sowie auf Telefon- und Faxwerbung15 ausgedehnt worden, sodass im Bereich der gesamten unerwünschten kommerziellen Werbung Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen. Von der Verbreitungsform ausgehend, kann es hiernach grundsätzlich keinen Unterschied machen , ob zur Kontaktaufnahme das Medium des Türhängers verwendet wird. So durchbrechen Briefkästen, Türglocken, Telefon- und Faxanschlüsse, E-Mailpostfächer ebenso wie Türklinken die geschützte Privatheit.16 Diese soll aber auch im außerhäuslichen Bereich fortwirken, sodass derjenige, der nach außen zu erkennen gibt, wie mit ihm in Kontakt getreten werden kann, sich gleichwohl das Recht vorbehält, den unerwünschten vom erwünschten Kontakt zu scheiden.17 Gleiches gilt bei der Frage, ob einem Betroffenen auch Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zustehen, sofern er politisches Informationsmaterial durch Private erhält. Die oben dargestellten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bestehen jedenfalls auch dann, wenn es sich um Werbematerial von politischen Parteien handelt.18 Es soll kein Anlass bestehen, soweit ein entgegenstehender Wille geäußert ist, das Recht des Bürgers auf negative Informationsfreiheit gegenüber politischer Parteienwerbung einzuschränken. Soweit kein entgegenstehender Wille geäußert wurde, kann es grundsätzlich auch nicht darauf ankommen, worauf eine Kontaktaufnahme 12 Dieser soll nach dem BGH die Abwehrrechte aus Eigentum und Besitz verstärken oder gegebenenfalls sogar ganz in den Vordergrund treten; so auch Heese, Forderungseinzug und Schutz vor unerwünschter Kontaktaufnahme , in: Juristenzeitung (JZ) 2012, S. 494. 13 BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 – VI ZR 182/88. 14 OLG Bamberg, Urteil vom 12. Mai 2005 – 1 U 143/04. 15 OLG Hamm, Urteil vom 26. März 2009 – 4 U 219/08. 16 Heese, (o. Fn. 12), S. 493. 17 Heese, a.a.O. 18 KG Berlin, Urteil vom 21. September 2001 – 9 U 1066/00, welches durch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. August 2002 – 2 BvR 2135/01 bestätigt wurde. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 051/16 Seite 7 abzielt,19 sodass der Schutz des Einzelnen, von Dritten in Ruhe gelassen zu werden20, dem politischen Informationsinteresse der Privaten in der Regel vorgehen wird. - Ende der Bearbeitung - 19 Heese, (o. Fn. 12), S. 493; anders der BGH, Urteil vom 08. Februar 2011 – VI ZR 311/09, der das Interesse eines Gläubigers, sich beim Forderungseinzug unmittelbar an den vermeintlichen Schuldner zu halten, anstatt den extra Beauftragten Rechtsanwalt zu kontaktieren, dem Recht des Empfängers der Mahnschreiben auf Privatsphäre , überwiegen lässt. 20 Vgl. 2.3. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.