© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 049/20 Versicherungsschutz im Falle einer Pandemie Einzelfragen zum etwaigen Deckungsumfang bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 2 Versicherungsschutz im Falle einer Pandemie Einzelfragen zum etwaigen Deckungsumfang bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 049/20 Abschluss der Arbeit: 15. April 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Grundsätzliches zur Absicherung gegen die geschäftlichen Risiken einer Pandemie 4 3. Exemplarischer Überblick einzelner Vertragstypen 5 3.1. Betriebsunterbrechungs- bzw. Ertragsausfallversicherung 5 3.2. Betriebsschließungsversicherung 5 3.3. Ergänzende Beispiele 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 4 1. Einleitung Grundlage für die wechselseitigen Rechte und Pflichten einer gewerblichen Sachversicherung sind die im jeweiligen Versicherungsvertrag getroffenen Absprachen.1 Auch im Zuge pandemischer Ereignisse oder sonstiger Großschadenslagen richtet sich der Versicherungsumfang – und mithin der Ersatz etwaiger Schäden – ganz maßgeblich nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall. Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten daher lediglich eine summarische Darstellung von verschiedenen Einzelaspekten einiger gängiger Versicherungsvertragstypen und etwaiger Implikationen zum Deckungsumfang bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen in Folge einer Pandemie. 2. Grundsätzliches zur Absicherung gegen die geschäftlichen Risiken einer Pandemie Nach Aussage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) sind Unternehmen hierzulande nur selten gegen die Risiken einer etwaigen Pandemie2 abgesichert. „Zwar gibt es Policen, die Ertragsausfälle aufgrund von Betriebsunterbrechungen abdecken. Und auch Versicherungen, mit denen sich Veranstalter gegen den Ausfall von Konzerten oder Messen wappnen können. Die Produkte decken standardmäßig aber nur Schäden ab, die auf Brand, Diebstahl, Sturm oder sonstige Naturgefahren zurückgehen. Zwar kann der Schutz ergänzt werden – beispielsweise auf Betriebsschließungen infolge vertraglich vereinbarter übertragbarer Krankheiten. Doch das ist nur selten der Fall.“ 3 Hintergrund sind nach der Aussage des GDV insbesondere die nur schwer zu kalkulierenden Folgen eines Virusausbruchs, da es sich bei Pandemien – also Seuchen, die sich über mehrere Länder oder gar Kontinente ausbreiten – um sogenannte Kumulrisiken handele und die Versicherer daher in relativ kurzer Zeit überfordern könnten. Das Prinzip der Risikostreuung funktioniere in solchen Fällen nicht mehr. Im Gegensatz zu Pandemien seien andere Kumulereignisse, wie Hurrikans oder Erdbeben, in der Regel regional sehr begrenzt. Für die Deckung unter allen denkbaren Versicherungsprodukten ist letztlich insbesondere relevant, ob das Bedingungswerk einen Pandemie -Risikoausschluss enthält. Nachfolgend sollen insbesondere die gängigen Versicherungstypen der Betriebsunterbrechungs- bzw. Ertragsausfallversicherung (vgl. Ziff. 3.1) sowie der Betriebsschließungsversicherung (vgl. Ziff. 3.2) kurz dargestellt werden. 1 Segger/ Lorscheid, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Auflage 2020, § 7, Rn. 1. 2 Zum hier zugrundeliegenden Begriffsverständnis einer Pandemie, vgl. die amtliche Definition des Robert Koch Instituts, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Pandemie/FAQ18.html (letzter Abruf 15. April 2020). 3 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: „Warum Seuchen selten mitversichert sind“, abrufbar unter: https://www.gdv.de/de/themen/positionen-magazin/warum-seuchen-selten-mitversichert-sind-57130 (letzter Abruf: 15. April 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 5 3. Exemplarischer Überblick einzelner Vertragstypen 3.1. Betriebsunterbrechungs- bzw. Ertragsausfallversicherung Eine Betriebsunterbrechungs- oder Ertragsausfallversicherung gewährleistet in der Regel einen Versicherungsschutz für den Fall einer Betriebsunterbrechung, die auf einem vertraglich versicherten Ereignis beruht und zu einem entsprechendem Ertragsausfall im Unternehmen geführt hat.4 „Ziel der Betriebsunterbrechungsversicherung ist die Übernahme des Risikos, das dadurch entsteht, dass aufgrund eines Betriebsstillstandes während eines umrissenen Zeitraums keinerlei Umsatz und damit auch kein Gewinn erwirtschaftet werden kann, andererseits aber eine hohe Fixkostenbelastung des betroffenen Unternehmens besteht. […] Die Entschädigungspflicht der Betriebsunterbrechungsversicherung setzt idR voraus, dass die Betriebsunterbrechung auf einen […] Sachschaden zurückzuführen ist. Der Versicherungsfall ist damit zweistufig angelegt und verlangt neben dem Sachschaden auf der ersten Stufe den Eintritt der durch ihn bedingten Betriebsunterbrechung.“5 Nach Aussage des GDV decken Betriebsunterbrechungs- oder Ertragsausfallversicherungen daher hierzulande standardmäßig in der Regel nur Sachschäden ab, die auf Brand, Diebstahl, Sturm oder sonstige Naturgefahren zurückgehen. Gegen das zusätzliche Pandemierisiko seien Unternehmen nur sehr selten individualvertraglich abgesichert.6 Am Vorliegen eines Sachschadens dürfte es bei Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionsschutzmaßnahmen häufig fehlen. Auch sofern und soweit es präventive Verfügungen der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden der Belegschaft verbieten die Betriebsstätte aufzusuchen, liegt hierin in der Regel wohl kein Eingriff in die sachliche Integrität des Betriebs. 3.2. Betriebsschließungsversicherung Gegenstand einer Betriebsschließungsversicherung ist in der Regel, 4 Segger/ Lorscheid, in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Auflage 2020, § 7, Rn. 34. 5 Vgl. ebenda. 6 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: „Corona-Krise: Folgen für den Versicherungsschutz “, abrufbar unter: https://www.gdv.de/de/themen/news/corona-krise--folgen-fuer-den-versicherungsschutz -58378 (letzter Abruf: 15. April 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 6 „dass der versicherte Betrieb durch behördliche Anweisungen auf Grund einer nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtigen Krankheiten Auswirkungen in Form der tätigen Personen erleidet. Dies tritt ein, wenn der versicherte Betrieb zu schließen ist. Dieser Schließung stehen gleich, wenn für alle Betriebsangehörigen Tätigkeitsverbote erlassen werden.“7 Als gängige Beispiele werden etwa der Salmonellenbefall einer Eisdiele, eine Norovirus-Erkrankung bei Hotelangestellten oder Coli-Bakterien in der Metzgerei angeführt.8 Eine Betriebsschließungsversicherung schützt den jeweiligen Betriebsinhaber mithin gegen die Folgen eines zeitlich und lokal begrenzten Ausbruchs bekannter, in den jeweiligen Versicherungsbedingungen aufgeführter Krankheiten oder Krankheitserreger. Vor dem Hintergrund, dass im Fall einer Pandemie Betriebsschließungen in aller Regel als vorsorgliche Anordnung gegenüber einer Vielzahl von Geschäftsbetrieben ergehen – und eben nicht, weil von einzelnen Betrieben eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit anderer ausgeht – besteht daher im Regelfall kein Versicherungsfall. „Infektionsschutzgesetz und Versicherungsschutz gehen in der Regel von einer behördlichen Einzelverfügung aus, die auf die Krankheit oder den Krankheitserreger im betroffenen Betrieb abstellt. Eine Pandemie oder die Schließung eines von Krankheit nicht betroffenen Betriebes aus Gründen der allgemeinen Sicherheit fallen üblicherweise nicht darunter. Die Betriebsschließungsversicherung ist daher in der Regel keine Pandemiedeckung.“9 Nach Aussage des GDV lässt sich nicht allgemein beantworten, ob und wie einzelne pandemische Ereignisse über die Betriebsschließungsversicherung versichert sind. Maßgeblich sei, welches der unterschiedlichen Deckungskonzepte gewählt wurde. Nach der ersten gängigen Variante , in der die versicherten Krankheiten abschließend in den Versicherungsbedingungen aufgezählt sind, bestünde ein Versicherungsschutz nur in dem Fall, in dem die entsprechende meldepflichtige Krankheit bzw. deren Erreger auch tatsächlich aufgelistet sind. Nach der zweiten Variante , in der durch einen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz und die dort gelisteten Krankheiten Bezug genommen wird, kann im Einzelfall ein Versicherungsschutz bestehen, ist jedoch letztlich davon abhängig, ob gegebenenfalls erfolgte Änderungen des Infektionsschutzgesetzes wirksamer Vertragsbestandteil geworden sind.10 3.3. Ergänzende Beispiele Sofern und soweit der jeweilige Versicherungsnehmer weitere Versicherungsmodelle abgeschlossen hat, ist auch bei diesen Versicherungstypen maßgeblich darauf abzustellen, ob die entsprechende Risikobeschreibung des konkreten Vertrags eine Pandemie abdeckt. So ist es etwa im Rahmen sogenannter „Extended Coverage Bausteine“ oder „All-Risk Policen“ denkbar, dass ein 7 Philipp, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 31, Rn. 217. 8 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: „Corona-Krise: Folgen für den Versicherungsschutz “, abrufbar unter: https://www.gdv.de/de/themen/news/corona-krise--folgen-fuer-den-versicherungsschutz -58378 (letzter Abruf: 15. April 2020). 9 Vgl. ebenda. 10 Vgl. ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/20 Seite 7 entsprechender Versicherungsschutz greift, wenn Seuchen und/oder Infektionskrankheiten ausdrücklich als versichertes Risiko benannt werden oder eine Allgefahrendeckung besteht.11 *** 11 Vgl. etwa den Online-Beitrag der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP, „Das Coronavirus und Versicherungsschutz wegen Betriebsunterbrechung - Ein Leitfaden für die Kontrolle von Deckungskonzepten“, abrufbar unter: https://www.noerr.com/de/newsroom/news/das-coronavirus-und-versicherungsschutz-wegen-betriebsunterbrechung (letzter Abruf: 15. April 2020).