© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 049/17 Windkraftanlagen und die Beeinträchtigung der Religionsausübung unter besonderer Berücksichtigung des Denkmalschutzes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 2 Windkraftanlagen und die Beeinträchtigung der Religionsausübung unter besonderer Berücksichtigung des Denkmalschutzes Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 049/17 Abschluss der Arbeit: 25. April 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verfassungsrechtliche Schutzbereiche 4 2.1. Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG 5 2.2. Schranken des Schutzbereichs 6 2.3. Zwischenergebnis 8 3. Rechtliche Einordnung von Windenergieerlassen 9 4. Denkmalschutz in den Ländern 10 4.1. Denkmalschutz in NRW 10 4.2. Denkmalschutz in Bayern 11 5. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 4 1. Einleitung Windkraftanlagen (WKA) sind in der Lage, Sichtachsen auf Kulturlandschaften, Kirchen und Klöster zu beeinträchtigen. Sie werden teilweise auch als „Horizontverschmutzung“1 empfunden und spalten selbst etablierte Umweltverbände in Befürworter und Gegner.3 Ebenso wie technische Infrastrukturbauwerke (Autobahnen, Hochspannungsleitungen) oder andere privilegierte Vorhaben im Außenbereich, wie die gewerbliche Intensivtierhaltung, können WKA auch die Religionsausübung in Kirchen, Klosteranlagen oder auf Friedhöfen stören. Als dominierende landschaftsprägende Gesamtanlagen mit erheblicher Fernwirkung treten WKA in Konkurrenz zu die Kulturlandschaft prägenden Burgen, Schlössern, Kathedralen, Kirchtürmen und Klosteranlagen auf. Hier kommt in der Regel in Betracht, dass Bauwerke nur in einem bestimmten Abstand zu einem Denkmal errichtet werden dürfen. Auch Klosteranlagen, die nicht mehr überwiegend in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt werden, sind oftmals als Baudenkmäler geschützt. Zur Frage, wie in diesen Zusammenhängen das aktive Klosterleben geschützt werden kann, gibt es, soweit ersichtlich, nur wenig Literatur und Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund soll zunächst der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG4 und dessen verfassungsrechtliche Begrenzung beleuchtet werden (Ziffer 2). Im Anschluss daran wird eine rechtliche Einordnung der sogenannten Windenergieerlasse vorgenommen (Ziffer 3) sowie spezielle landesrechtliche Denkmalschutzvorschriften vorgestellt (Ziffer 4). 2. Verfassungsrechtliche Schutzbereiche Die Gewährleistung der Freiheit des Glaubens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG) sowie der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) bildet einen einheitlichen Schutzbereich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit.5 In diesem Sinne soll zunächst der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG vorgestellt werden. 1 Vgl. bspw. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Windkraftanlagen sind Horizontverschmutzer, zuletzt abgerufen am 05.04.2017: http://www.huegelland.net/horizontverschmutzer.htm. Andere Auffassung: Diermann, „So schön, diese Windräder“, SZ.de vom 07.12.2016, zuletzt abgerufen am 05.04.2017: http://www.sueddeutsche .de/wissen/energie-elegante-rotoren-1.3280256 . 3 Vgl. hierzu Etscheit, Kampf um freie Horizonte, Magazin für Natur, Umwelt und besseres Leben (Natur) 2016/5, S. 46 ff. Teilweise werden WKA nicht als Industrie-, sondern als eine Art Botschaft verkündende „Sakralbauten “ empfunden, vgl. hierzu Quencher, Windmühlen. Graffiti und die Beherrschung des Raumes (2016), zuletzt abgerufen am 25.04.2017: http://www.achgut.com/artikel/graffiti_windmuehlen_und_die_beherrschung _des_raumes. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Änderungsgesetzes (Art. 91b GG) vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2438). 5 So bspw. Germann, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar (BeckOK), GG, Stand: 01.12.2016, Art. 4 Rdnr. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 5 2.1. Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG Durch Art. 4 Abs. 2 GG wird die „ungestörte Religionsausübung“ gewährleistet. Grundrechtsträger dieser Religionsfreiheit ist jedermann, dazu gehören also inländische und ausländische natürliche und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, insbesondere Kirchen und Religionsgemeinschaften. Religionsausübung wird in der Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus durch Art. 140 GG in Verbindung mit weiteren Artikeln der Weimarer Reichsverfassung (WRV)6 geschützt. Zur ungestörten Religionsausübung gehören nicht nur kultische Handlungen und die Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, kirchliche Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozessionen, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.7 Diese vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgezeigten sehr weitgehend geschützten Bereiche der Religionsausübung werden nicht nur als solche gewährleistet. Vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG wird nicht nur eine Ausübung der Glaubensfreiheit, sondern zusätzlich deren Art und Weise, nämlich die „ungestörte“ Religionsausübung, erfasst. Klöster bieten vielfach Angebote für Exerzitien oder sogenannte Auszeiten8 an. Diese bilden einen wichtigen Teil der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Klöster, die sich in der Regel selbst versorgen müssen. Diese ganz überwiegend religiös motivierte Selbstversorgung, ursprünglich beschränkt auf den land-, fischerei- und forstwirtschaftlichen Bereich, ist seit jeher fester Bestandteil klösterlichen Selbstverständnisses. Entsprechendes gilt traditionell auch für Speisungen und Beherbergungen. Aktuelle Formen der Beherbergung von Laien und deren mehr oder weniger ausgeprägte Teilnahme am klösterlichen Leben fallen daher ebenfalls grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG. Das innere Klosterleben setzt auch hierbei zumindest in bestimmten Zeiten besondere Ruheansprüche voraus und kann als wesentlicher Bestandteil eines ungestörten Gebets, einer religiösen Kontemplation oder auch weltanschaulich freien Meditation in den Klosteranlagen betrachtet werden. WKA als technische Infrastrukturbauwerke können daher in unmittelbarer Nähe einer 6 Verfassung des Deutschen Reichs in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 401-2, veröffentlichten bereinigten Fassung. 7 Vgl. hierzu bereits BVerfGE 24, 236 (246). Kokott, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Art. 4 Rdnr. 177 mit weiteren Nachweisen. 8 Vgl. hierzu die folgenden Rubriken: „Kloster auf Zeit“, „Heilfasten“, „Innere Ruhe“, „Schweigeklöster“, zuletzt abgerufen am 06.04.2017: http://www.kloster-auf-zeit.de/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 6 Klosteranlage regelmäßig unter anderem durch Schall, Schattenwurf, Bewegungsunruhe und eine optisch bedrängende Wirkung diese religiös motivierte Suche nach Ruhe, Besinnung und klösterlicher Abgeschiedenheit in nicht unwesentlichem Maße beinträchtigen. Inwiefern emittierende technische Industriebauwerke überhaupt in der Lage sind, die Religionsausübung in Klosteranlagen zu stören, ist bisher in der Literatur9 und Rechtsprechung,10 soweit ersichtlich, nur unter raumordnungs-, bau-, immissionsschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten geprüft worden. Im Ergebnis kann von einer Störung der Religionsausübung ausgegangen werden, wenn Verstöße im Einzelfall gegen entsprechende Rechtsvorschriften festzustellen sind. Problematisch erscheint hierbei, dass wohl das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung mehr oder weniger mit dem Eigentums- und Denkmalschutz oder den ungestörten Wohnbedürfnissen, insbesondere in förmlich festgesetzten Erholungsgebieten (§ 10 BauNVO11), gleichgesetzt wird. 2.2. Schranken des Schutzbereichs Art. 4 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt, nach dem Eingriffe in die ungestörte Religionsausübung zu gerechtfertigt oder dieses Grundrecht beschränkt werden könnte. Mit andren Worten: Auch das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung zulässiger (privilegierter ) technischer Industriebauwerke im Außenbereich, insbesondere von WKA, ist nicht in der Lage, Beeinträchtigungen des Grundrechts auf ungestörte Religionsausübung zu rechtfertigen. Nach Art. 140 GG sind die Bestimmungen der Art. 136, 137, 138, 139 und 141 der WRV Bestandteil des Grundgesetzes. Art. 136 Abs. 1 WRV hat folgenden Wortlaut: „Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.“ Teilweise wird diese Regelung als eine Art Gesetzesvorbehalt für eine 9 Vgl. Hönes, Rechtsfragen bei Denkmälern, die der Religionsausübung dienen (§ 38 DSchG NRW), Nordrhein- Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2012, S. 369 ff.; ders., Friedhöfe und Denkmalschutzrecht, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2011, S. 215 ff.; Heinig/Munsonius, Erhaltung, Widmung und Abriss kirchlicher Baudenkmäler? Rechtspflichten und Handlungsoptionen im Spannungsfeld zwischen kulturstaatlichem Denkmalschutz und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht, NWVBl. 2014, S. 85 ff.; Davydov, Energieversorgung contra Denkmalschutz, Zeitschrift für das gesamte Recht der Energieversorgung (EnWZ) 2013, S. 409 ff. 10 Vgl. BayVGH, Beschluss vom 20.05.2015 – 22 ZB 14.2827 –, juris Rdnr. 12 und 15. Keine Erwähnung findet dagegen Art. 4 Abs. 2 GG in dem Urteil des BayVGH vom 18.07.2013 – 22 B 12.1741, juris [Hier keine Randnummer wie in der Zeile darüber?]. 11 Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauNVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.1990 (BGBl. I S. 132), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 7 Beschränkung des Art. 4 Abs. 2 GG aufgefasst. Das BVerfG lehnt allerdings nach wie vor eine Begrenzung dieses Grundrechts auf ungestörte Religionsausübung unter Rückgriff auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 WRV ab.12 Die Grenzen der ungestörten Religionsausübung dürfen vielmehr nur von der Verfassung selbst durch sogenannte verfassungsimmanente Schranken bestimmt werden. Kommt es zu Konflikten zwischen der Ausübung des Grundrechts auf eine ungestörte Religionsausübung und anderen Verfassungsrechtsgütern, ist eine Abwägung vorzunehmen.13 Bei der Errichtung von WKA werden nicht etwa Grundrechtspositionen der WKA-Betreiber, beispielweise aus der Gewerbefreiheit, sondern regelmäßig das öffentliche Interesse an der Erschließung erneuerbarer Energien angeführt. Eine Bedarfsplanung für die Erzeugung erneuerbarer Energien , insbesondere von Windenergie, ist allerdings weder zwischen dem Bund und den Ländern noch zwischen den Ländern untereinander abgestimmt.14 Begründet wird ein Vorrang der Windenergie damit, dass das Staatsziel des Klimaschutzes in Art. 20a GG verankert sei. Die Errichtung von WKA sei ein Staatsziel und grundsätzlich, beispielsweise gegenüber Belangen des Denkmalschutzes, als vorrangiger Belang zu betrachten.15 Teilweise wird auch die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des baurechtlichen Außenbereichs als nur „vermeintliche“ bezeichnet.16 Entsprechendes gilt für die wertenden Ausführungen im nordrhein-westfälischen Windenergieerlass zugunsten von Windkraftanlagen, die „im Außenbereich nicht als Fremdkörper, sondern von ihrem Erscheinungsbild her vielmehr eher als 12 Vgl. bspw. bereits BVerfGE 33, 23 (30 f.); 93, 1 (21). Eine Übertragung von Gesetzesvorbehalten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 oder Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV auf Art. 4 Abs. 2 ist nicht statthaft; Germann, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar (BeckOK), GG, Stand:01.12.2016, Art. 4 Rdnr. 47/48. 13 Vgl. bspw. BVerwGE 11, 314 (318); vgl. auch Fehlau, Die Schranken der freien Religionsausübung, Juristische Schulung (JuS) 1993, S. 441 (447); Katz, Staatsrecht, 18. Auflage 2010, § 30 Rdnr. 723, jeweils mit weiteren Nachweisen. 14 Vgl. hierzu Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 159/16, Windkraftanlagen und deren Berücksichtigung in Flächennutzungsplänen, zuletzt abgerufen am 11.04.2017: https://www.bundestag .de/blob/483630/3b296a10aa0b595bacd8f0c9665d9fc1/wd-7-159-16-pdf-data.pdf; WD 7 – 3000 – 046/17, Genehmigungsvoraussetzungen für Windkraftanlagen, zur Veröffentlichung im Internet vorgesehen. 15 Vgl. bspw. Kupke, in: Masalaton (Hrsg.), Windenergieanlagen – Praxishandbuch (2015), S. 41, Rdnr. 167, unter Hinweis auf VGH Mannheim, Urteil vom 01.09.2011 – 1 S 1070/11. 16 Vgl. bspw. Willmann, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Windenergierecht im Jahre 2014, in: Brandt (Hrsg.), Jahrbuch Windenergierecht 2014, S. 153 (letzter Absatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 8 außenbereichstypisch und nicht wesensfremd zu werten sind.“17 Ob die diesbezügliche Rechtsprechung aus einer Zeit beibehalten wird, zu der noch nicht angestrebt wurde, 2 % der jeweiligen Landesfläche für WKA auszuweisen18, bleibt der weiteren Entwicklung vorbehalten. Hierbei dürfte das aus der gleichen Zeit stammende Urteil des Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz vom 12. Juni 2003 – 1 A 11127/02 – ebenfalls eher eine Einzelfallentscheidung darstellen , nach dem betroffenen Nachbarn sogar zugemutet wird, sich in gewisser Weise vor den Beeinträchtigungern von WKA selbst zu schützen: „Nachbarn müssen sich im Außenbereich notfalls durch Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern sowie durch das Aufstellen von Sichtblenden, Sonnenschirmen, etc. vor der Wahrnehmung der Drehbewegung schützen.“19 Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob einfachgesetzliche raumordnungs-, bau-, immissionsschutz - oder denkmalschutzrechtliche Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung einer WKA in der Lage sein können, Beeinträchtigungen oder sogar Eingriffe in die mit Verfassungsrang ausgestattete ungestörte Religionsausübung zu rechtfertigen. 2.3. Zwischenergebnis Einfachgesetzliche Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung von privilegierten Vorhaben im Außenbereich sind nicht in der Lage, eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf eine ungestörten Religionsausübung aus Art. 4 Abs. 2 GG zu rechtfertigen oder dieses Grundrecht zu beschränken . Dem Staatsziel des Klimaschutzes im Sinne des Art. 20a GG dürfte nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem konkreten Abwägungsvorgang zwischen kollidierenden Grundrechtsnormen nicht per se der Vorrang gegenüber den Grundrechten einzuräumen sein. 17 Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung (Windenergie-Erlass) [@AJ: mit Bindestrich gefällt mir das Wort wesentlich besser – mit auch!] vom 04.11.2015, Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. VII-3 – 02.21 WEA-Erl. 15) und des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. VI A 1 – 901.3/202) und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen (Az. III B 4 – 30.55.03.01), S. 49, unter Hinweis auf OVG NRW, Urt. v. 19.05.2004 – 7 A 3368/02; OVG NRW, Urt. v. 24.6.2004 – 7 A 997/03); zuletzt abgerufen am 07.04.2017: https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/klima/windenergieerlass.pdf. 18 Vgl. Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 177/15, Raumordnungsrechtliche Abwägung für Windkraftanlagen in Vorranggebieten, S. 5; zuletzt abgerufen am 11.04.2017: https://www.bundestag .de/blob/483630/3b296a10aa0b595bacd8f0c9665d9fc1/wd-7-159-16-pdf-data.pdf. 19 Zitiert nach Brinktrine, in: Brinktrine/Harke/Ludwigs/Remien (Hrsg.), Rechtsfragen der Windkraft zu Lande und zur See (2016), S. 110 (letzter Absatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 9 3. Rechtliche Einordnung von Windenergieerlassen In zahlreichen Bundesländern wurden Erlasse oder ähnlich bezeichnete amtliche Dokumente und Handreichungen für den Umgang mit einzelnen Fragen der Planung und Zulassung von WKA entwickelt, teilweise werden sie auch als Verwaltungsvorschriften bezeichnet.20 Diese sogenannten Winderlasse sollen im Wesentlichen allen an der Planung und Genehmigung Beteiligten eine praxisorientierte Leitlinie vermitteln. Sie haben keinen Gesetzesrang und haben gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber den WKA-Betreibern, in der Regel nur empfehlenden Charakter. Die Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung einer WKA ergeben sich aus § 6 Abs. 1 BImSchG21. Hiernach ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Liegen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist dem WKA-Betreiber eine Genehmigung zu erteilen. Die entsprechenden Winderlasse können hierbei nur bedingt als norminterpretierende oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften herangezogen werden. Ihre faktisch dennoch vorhandene Steuerungswirkung beruht auch darauf, dass sie teilweise sogar „auf allen Entscheidungsebenen immer wieder unhinterfragt wie verbindliche Vorgaben gehandhabt “22 werden. Beispielhaft wird auf die unterschiedlichen Winderlasse des Freistaates Bayern24 und des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hingewiesen. Während für WKA in Bayern 20 Schwarzenberg/Ruß, Die Windenergieerlasse der Länder – Überblick und neue Entwicklungen, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, S. 278, insb. Fn. 7. 21 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.05.2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Art. 55 des Gesetzes vom 29.03.2017 (BGBl. I S. 626). 22 So jedenfalls Schwarzenberg/Ruß, Die Windenergieerlasse der Länder – Überblick und neue Entwicklungen, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, S. 278 (280), Fn. 24/25, unter Hinweis auf Klinski, Überblick über die Zulassung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien (2005), S. 42, und OVG Schleswig, Urteil vom 20.01.2015 – 1 KN 6/13, juris Rdnr. 62 ff., sowie OVG Weimar, Urteil vom 08.04.2014 – 1 N 676/12, juris Rdnr. 84; näher hierzu Wegner, Fehlerquellen von Windkonzentrationszonenplanungen, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 14 vom 7.9.2015. 24 Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA) (Windenergie-Erlass – BayWEE), gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr, für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, für Wirtschaft und Medien , Energie und Technologie, für Umwelt und Verbraucherschutz, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Gesundheit und Pflege vom 19.07.2016, Az. IIB5-4112.79-074/14, XI.4-K5106-12c/54 225, 54-L9249- 1/21/1, 92b-9211/11, 72a-U3327-2015/3 und F1-7711-1/97; zuletzt abgerufen am 07.04.2017: https://www.energieatlas .bayern.de/thema_wind/genehmigung.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 10 grundsätzlich ein Mindestabstand zu Wohngebäuden vom 10-fachen ihrer Höhe25, also bis nahezu 2 Kilometern besteht, können in NRW die Mindestabstände zur Wohnbebauung auch unter 500 Metern liegen.26 Auch in den übrigen Ländern variiert die Bandbreite der Mindestabstände zur Wohnbebauung zwischen 500 und 1000 Metern. Die Messung, Berechnung und Beurteilung von Schall, der von WKA ausgeht, ist ausführlich in technischen Normen und Richtlinien beschrieben .27 Inwiefern die in den Ländern empfohlenen unterschiedlichen Mindestabstandsflächen für WKA der ungestörten Religionsausübung im Sinne des Art. 4 Abs. 2 GG Rechnung tragen, lässt sich anhand der ausgewerteten Literatur und Rechtsprechung nicht feststellen. Soweit Kirchen und Klöster raumordnungs- und bauplanungsrechtlich in Abwägungsvorgänge eingestellt werden, erfolgt dies regelmäßig unter Gesichtspunkten des Eigentums- (Art. 14 GG) oder des Denkmalschutzes .28 4. Denkmalschutz in den Ländern Der Denkmalschutz dient vornehmlich dem Schutz von Kulturdenkmalen und kulturhistorisch relevanten Gesamtanlagen (Ensembleschutz). Durch entsprechende Ländergesetze werden aber auch Denkmäler besonders geschützt, die der Religionsausübung dienen. Beispielhaft sollen hier die unterschiedlichen Regelungen in Nordrhein-Westfalen und im Freistaat Bayern vorgestellt werden. 4.1. Denkmalschutz in NRW Das Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG)29 enthält in seinem § 38 Regelungen zu Denkmälern, die der Religionsausübung dienen. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: 25 Zur Verfassungsmäßigkeit vgl. auch BayVerfGH, Urteil vom 09.05.2016, BeckRS 2016, 45749; siehe hierzu insbesondere die Seiten 9 ff. des BayWEE; zuletzt abgerufen am 07.04.2017: https://www.stmwi.bayern.de/fileadmin /user_upload/stmwivt/Publikationen/2016/Windenergie-Erlass_2016.pdf. 26 Vgl. Windenergie-Erlass (NRW), S. 51 : „Ist der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen.“ 27 Vgl. hierzu ausführlich Schaffarszyk (Hrsg.), Einführung in die Windenergietechnik, 2. Auflage 2016, S. 111 ff. 28 Vgl. unter anderem hierzu Hönes, Zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Baugesetzbuch, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht (BauR) 2006, S. 465 ff.; ders., Denkmalschutz und Raumordnung, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2008, S. 1299 ff. 29 Vom 11.03.1980 (GV. NW. 1980 S. 226, ber. S. 716), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 15.11.2016 (GV. NRW. S. 934). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 11 § 38 Denkmäler, die der Religionsausübung dienen Mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften soll die Zusammenarbeit bei Schutz und Pflege ihrer Denkmäler fortgesetzt werden. Bei Entscheidungen über diese Denkmäler haben die Denkmalbehörden die von den Kirchen und Religionsgemeinschaften festgestellten Belange der Religionsausübung zu beachten. Mit § 38 Satz 1 DSchG NRW wird allerdings lediglich sichergestellt, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften am Verfahren nach dem Denkmalschutzgesetz zu beteiligen sind. Eine Übertragung von Denkmalverantwortung auf die Kirchen kann aus dieser Vorschrift nicht abgeleitet werden. Die Religionsausübung wird mit dieser Vorschrift ebenfalls nicht thematisiert. Dies erfolgt vielmehr durch § 38 Satz 2 DSchG NRW. Diese Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf die Belange der Religionsausübung. Erfasst sind unabhängig vom Eigentum unter anderem Pfarr- und Friedhöfe sowie Klosterkomplexe. Ob auch Gebäude, die nicht unmittelbar dem Gottesdienst, sondern caritativer oder wirtschaftlicher Tätigkeit dienen, diesem Sonderrecht unterliegen, hängt nicht unwesentlich vom Selbstverständnis der jeweiligen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ab. Der Begriff der Religionsausübung ist weit zu fassen und mit dem in Art. 4 Abs. 2 GG identisch.30 § 38 Satz 1 DSchG NRW gilt nur für Entscheidungen nach dem Denkmalschutzgesetz, nicht jedoch für das Bau- und Planungsrecht sowie andere Verfahren, auch soweit es dabei um Denkmäler von Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften geht. Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz dürfte damit nur einen geringen Schutz bei der Errichtung von WKA bieten. 4.2. Denkmalschutz in Bayern Eine ähnliche Regelung findet sich im Freistaat Bayern im Art. 26 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Denkmalschutzgesetz – DSchG)31. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut : Art. 26 Kirchliche Denkmäler (1) Art. 10 §§ 3 und 4 des Konkordats mit dem Heiligen Stuhl vom 29. März 1924 und Art. 18 und 19 des Vertrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins vom 15. November 1924 bleiben unberührt. (2) Sollen Entscheidungen über Bau- oder Bodendenkmäler oder über eingetragene bewegliche Denkmäler getroffen werden, die unmittelbar gottesdienstlichen Zwecken der Katholischen Kirche oder der Evangelisch-Lutherischen Kirche dienen, so haben die Denkmal- 30 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.1968, BVerfGE 24, 236 (247 ff.). 31 Vom 25.06.1973 (BayRS IV S. 354). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 049/17 Seite 12 schutzbehörden die von den zuständigen kirchlichen Oberbehörden festgestellten kirchlichen Belange zu berücksichtigen. Die Kirchen sind am Verfahren zu beteiligen. Die zuständige kirchliche Oberbehörde entscheidet im Benehmen mit der Obersten Denkmalschutzbehörde , falls die Untere und Höhere Denkmalschutzbehörde die geltend gemachten kirchlichen Belange nicht anerkennen. Gegenüber anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, gelten die Sätze 1 bis 3 sinngemäß. Diese denkmalschutzrechtliche Regelung weist gegenüber der nordrhein-westfälischen Vorschrift die Besonderheit auf, dass nur Baudenkmäler erfasst werden, „die unmittelbar gottesdienstlichen Zwecken“ dienen. Der Begriff der gottesdienstlichen Zwecke ist dabei wohl eher konfessionellchristlich geprägt. Der verfassungsrechtliche Begriff der Religionsausübung kommt in dieser Norm nicht vor. Bereits dem Wortlaut nach ist deshalb nicht wie in NRW der weite Begriff der ungestörten Religionsausübung in einer Klosteranlage denkmalschutzrechtlich erfasst. Die Bereiche einer Klosteranlage, die nicht unmittelbar der klösterlichen Liturgie zuzurechnen sind, werden nicht erfasst. Das bayerische DSchG stellt damit lediglich sicher, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften am Verfahren nach dem Denkmalschutzgesetz nur dann zu beteiligen sind, wenn ein Baudenkmal nicht nur mittelbar gottesdienstlichen Zwecken dient. Eine Übertragung von Denkmalverantwortung auf die Kirchen kann aus dieser Vorschrift nur für diesen engen Bereich abgeleitet werden. Denn nur für diese Örtlichkeiten haben die bayerischen Denkmalschutzbehörden die von den kirchlichen Oberbehörden festgestellten kirchlichen Belange zu beachten. 5. Fazit Das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung in einer Klosteranlage ist im gesamten Planungsecht bei der Abwägung zwischen kollidierenden Grundgesetznormen und auch in konkreten verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Die Errichtung von WKA kann nur bedingt als Staatsziel in die Abwägung mit kollidierenden Grundrechtsnormen einbezogen werden. Das Denkmalschutzrecht ist nur begrenzt in der Lage, das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung in Klosteranlagen zu schützen. Denkmalschutzrechtlich werden im Wesentlichen lediglich die optischen Wirkungen von WKA auf historische Baudenkmäler, Kirchen und Klosteranlagen geschützt. ***