© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 049/16 Anspruch auf Reparatur? Bereitstellung von Reparaturanleitungen und Ersatzteilen durch Händler und Hersteller Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/16 Seite 2 Anspruch auf Reparatur? Bereitstellung von Reparaturanleitungen und Ersatzteilen durch Händler und Hersteller Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 049/16 Abschluss der Arbeit: 14. April 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Stellung von Verbrauchern gegenüber Verkäufern und Herstellern bzgl. der Verfügbarkeit von Reparaturanleitungen 4 2.1. Kaufrecht 4 2.2. Sonstige Rechtsgebiete 5 3. Beschaffung durch den Bund 5 4. Aktuelle Vorhaben auf nationaler und europäischer Ebene zur Vermeidung geplanter Obsoleszenz 5 5. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstands ist die Frage, ob Verbraucher und Reparaturbetriebe rechtliche Möglichkeiten haben, um von Händlern bzw. Herstellern Reparaturanleitungen sowie Ersatzteile für defekte (Elektro-)geräte zu erhalten. Hintergrund sind Beobachtungen vor allem von Verbraucherschutz- und Umweltinitiativen,1 wonach in den letzten Jahren insgesamt weniger technische Geräte repariert, sondern stattdessen zulasten des Nachhaltigkeitsgedankens und freier Reparaturbetriebe von den betroffenen Kunden häufig schlichtweg ausgetauscht würden. Grund hierfür sei insbesondere, dass Hersteller vielfach keine Reparaturanleitungen, Handbücher und Ersatzteile mehr zur Verfügung stellten. Das hiermit zusammenhängende Phänomen der absichtlichen Verringerung der Lebensdauer von Produkten wird auch unter dem Begriff der Obsoleszenz verschlagwortet. 2. Rechtliche Stellung von Verbrauchern gegenüber Verkäufern und Herstellern bzgl. der Verfügbarkeit von Reparaturanleitungen 2.1. Kaufrecht Innerhalb der kaufrechtlichen Gewährleistungsfristen (vgl. § 438 BGB2) kann ein Käufer vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen, sofern die Kaufsache mangelhaft ist. § 439 BGB weist die Verantwortung für die Nacherfüllung allein dem Verkäufer zu. Der Käufer kann wahlweise Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen kann. Ein Anspruch auf Herausgabe einer Reparaturanleitung folgt hieraus jedoch nicht. Die Nacherfüllung obliegt vielmehr allein dem Verkäufer. Nach Ablauf der Fristen zur Geltendmachung von Mängelrechten sieht das Kaufrecht ebenfalls keine Regelungen vor, nach denen der Käufer Anspruch darauf erheben könnte, dass ihm der Verkäufer Hilfestellung bei der Reparatur gewährt, sei es durch Reparaturanleitungen , Ersatzteillieferung, Servicehandbücher, Baupläne oder Ähnliches. Auch der kaufrechtliche Mangelbegriff bietet in dieser Frage keinen Ansatzpunkt. Zwar ist eine fehlende oder mangelhafte Bedienungs- oder Montageanleitung ein Mangel i.S.d. § 434 BGB.3 Reparaturanleitungen sind hiervon jedoch nicht erfasst. Unbenommen bleibt es den Parteien freilich, vertraglich die Bereitstellung von Reparaturmöglichkeiten zu vereinbaren. Gesetzliche Ansprüche bestehen diesbezüglich aber nicht. 1 Vgl. etwa das Diskussionspapier des Runden Tischs Reparatur: „Stärkung der Reparatur: Senkung des Ressourcenverbrauchs und lokale Wirtschaftsförderung“; abrufbar unter http://www.runder-tisch-reparatur.de/wp-content /uploads/2015/10/Positionspapier_neuesLayout.pdf (letzter Zugriff: 14. April 2016). 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 396) geändert worden ist; abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html (letzter Zugriff: 14. April 2016). 3 Vgl. dazu etwa OLG München, Urteil vom 09. März 2006, Az. 6 U 4082/05, juris-Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/16 Seite 5 2.2. Sonstige Rechtsgebiete Auch das Urheber-, Kartellrecht bietet keine rechtliche Handhabe, um Verkäufer oder Hersteller zur Bereitstellung von Reparaturanleitungen und Ersatzteilen zu zwingen. Ebenso wenig hilft hier das Verbandsklagerecht für Verbraucherschutz- sowie Umwelt- und Naturschutzverbände, da es schlicht keine Normen gibt, die durch Verkäufer und Hersteller, die keine Reparatur ermöglichen , verletzt werden. Im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge spielt zunehmend das Kriterium der Reparaturfreundlichkeit eine Rolle. Freilich lassen sich auch hieraus keine Ansprüche herleiten. 3. Beschaffung durch den Bund Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. a KrWG4 ist der Bund gehalten, bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen , der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen zu prüfen, ob und in welchem Umfang Erzeugnisse eingesetzt werden können, die sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen. Nach Auskunft des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Inneren verlangen die Beschaffer von den Vertragspartnern produktgruppenbezogen die Bereitstellung von Schaltplänen, Servicehandbüchern, Bauplänen, Ersatzteillisten u.Ä. Bei vielen Produkten werden jedoch bei der Neuanschaffung Wartungsverträge auch für längere Zeiträume (oft für die gesamte, geplante Lebenszeit) mit ausgeschrieben. Zum Teil werden Reparaturen (z.B. am Fuhrpark) auch noch in eigenen Werkstätten vorgenommen. 4. Aktuelle Vorhaben auf nationaler und europäischer Ebene zur Vermeidung vorzeitigen Produktverschleißes Sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene ist das Thema vorzeitiger Produktverschleiß und Obsoleszenz Gegenstand politischer Diskussionen. So wurden etwa von der 11. Verbraucherschutzministerkonferenz am 8. Mai 2015 „Maßnahmen gegen Obsoleszenz zur Verbesserung der Produktqualität erwogen.5 Als eine von mehreren konkreten Maßnahmen wurden hier vorge- 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. April 2016 (BGBl. I S. 569) geändert worden ist; abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/krwg/BJNR021210012.html (letzter Zugriff: 14. April 2016). 5 Siehe dazu das Ergebnisprotokoll der 11. Verbraucherschutzministerkonferenz am 8. Mai 2015 in Osnabrück, TOP 35; abrufbar unter https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/11_VSMK_Protokoll _final_mit_Aenderungen_oeffentlich.pdf (letzter Zugriff: 14. April 2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 049/16 Seite 6 schlagen, die Produktinformationspflichten für Hersteller zu erhöhen. So solle künftig gewährleistet werden, dass Verbraucher die voraussichtliche Lebensdauer eines Produkts angemessen in ihre Kaufentscheidung einbeziehen können. Im Februar 2016 wurde außerdem eine gemeinsame Studie des Umweltbundesamts und des Öko- Instituts e.V. veröffentlicht, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben hatte.6 Auf europäischer Ebene veröffentlichte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) im Jahr 2014 eine Investigativstellungnahme zum Thema „Für einen nachhaltigeren Konsum: die Lebensdauer von Industrieprodukten und die Verbraucherinformation zugunsten eines neuen Vertrauens“.7 Hierin wird die Empfehlung an Unternehmen ausgesprochen, Reparaturen ihrer Produkte zu vereinfachen. Anreize hierfür sollen nach Meinung des EWSA durch Zertifizierungsmaßnahmen geschaffen werden. 5. Fazit Nach geltendem Recht haben weder Verbraucher noch Reparaturbetriebe die Möglichkeit, von Verkäufern und Herstellern zu fordern, Reparaturanleitungen bereitzustellen oder Ersatzteile zu liefern. Die unter 4. genannten Arbeitspapiere zeigen aber, dass das Thema Reparaturfreundlichkeit und Obsoleszenz in den nationalen und europäischen Gremien angekommen ist. Derzeit ist freilich noch nicht abzusehen, ob und wenn ja, welche konkreten Maßnahmen in diesem Zusammenhang vom Gesetzgeber ergriffen werden. - Ende der Bearbeitung - 6 Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten aufihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/sites /default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz .pdf (letzter Zugriff: 14. April 2016). 7 2014/C 67/05, ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 23–26; abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52013IE1904&from=DE (letzter Zugriff: 14. April 2016).