© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 048/16 Zulässigkeit der Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 2 Zulässigkeit der Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 048/16 Abschluss der Arbeit: 6. April 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Voraussetzungen einer bauordnungsrechtlichen Untersagungsverfügung 4 2.1. Ferienwohnungen in Wohngebieten als Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften 4 2.2. Ferienwohnungen als „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ und als „sonstige Gewerbebetriebe“ 5 2.3. Nebeneinander von Wohnungen und Ferienwohnungen in Sondergebieten gem. § 10 BauNVO 6 3. Begrenzung der Anzahl von Ferienwohnungen 6 4. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstands sind Fragestellungen im Zusammenhang mit der baurechtlichen Zulässigkeit von Ferienwohnungen in den Gebietstypen der BauNVO. Hierbei geht es zunächst darum, unter welchen Voraussetzungen das Betreiben von Ferienwohnungen untersagt werden kann (2.). Dabei wird auch die Frage der Abgrenzung von Ferienwohnungen zu Betrieben des Beherbergungsgewerbes erörtert. Weiterhin wird geklärt, ob und inwieweit es möglich ist, die Anzahl der Ferienwohnungen in einzelnen Gebietstypen des Baugesetzbuches (BauGB)1 bzw. der Baunutzungsverordnung (BauNVO)2 zu begrenzen (3.). 2. Voraussetzungen einer bauordnungsrechtlichen Untersagungsverfügung Die Ermächtigungsgrundlage für eine Verfügung, die die Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung untersagt, findet sich in den jeweiligen Landesbauordnungen. Die einschlägige Norm in der Musterbauordnung (MBO)3 der Bauministerkonferenz (IS-Argebau) ist § 80 Satz 2 MBO.4 Als einzige materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung setzt der Tatbestand des § 80 Satz 2 MBO voraus, dass sich die untersagte Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften befindet. Da es sich um eine Ermessenvorschrift handelt, hat die Behörde ihr Ermessen auf Rechtsfolgenseite fehlerfrei auszuüben.5 2.1. Ferienwohnungen in Wohngebieten als Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften Ein solcher Verstoß kann sich bei Ferienwohnungen vor allem aus bauplanungsrechtlichen Vorschriften und dort insbesondere aus den Vorgaben der Baunutzungsverordnung ergeben. Nach 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) geändert worden ist; abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/BJNR003410960.html (letzter Zugriff: 5. April 2016). 2 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548) geändert worden ist; abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/baunvo/BJNR004290962.html (letzter Zugriff: 5. April 2016). 3 Musterbauordnung in der Fassung von November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 21. September 2012; abrufbar unter file://parlament/Benutzer/verwd7ma03/_unverschluesselt/Benutzerprofil /Desktop/423015872.PDF (letzter Zugriff: 5. April 2016). 4 Beispiele für entsprechende landesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen: § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NdsBauO; § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO SH; § 80 Abs. 1 Satz 2 BauO MV; § 82 Abs. 2 Satz 2 LBO Saarland. 5 Zu den hierbei relevanten Erwägungen vgl. Pernice-Warnke: Ferienwohnungen in Wohngebieten, in Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NvWZ) 2015, S. 112, 115. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 5 jüngerer, mittlerweile aber gefestigter Rechtsprechung6 handelt es sich bei Ferienwohnungen nämlich nicht um Wohngebäude i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO:7 „Bei Ferienwohnungen , die vom Nutzungskonzept her (zumeist wochenweisen) vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste bieten […], fehlt es typischerweise an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit […]. (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.“8 2.2. Ferienwohnungen als „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ und als „sonstige Gewerbebetriebe “ Vor dem Hintergrund, dass §§ 3 Abs. 3 Nr. 1 und 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (kleine) Betriebe des Beherbergungsgewerbes in Wohngebieten für ausnahmsweise zulässig erklärt und diese Nutzungsart in anderen Gebietstypen (z.B. in Misch- und Dorfgebieten sowie in speziellen Wohngebieten) sogar generell zulässig ist, stellt sich die Frage, ob Ferienwohnungen als solche Betriebe angesehen werden können. Teilweise wird dies in der Literatur bejaht.9 Das BVerwG definiert Beherbergung demgegenüber aber als Zurverfügungstellen von Übernachtungsmöglichkeiten für wechselnde Gäste, deren Aufenthalt vorübergehend ist und die keine Möglichkeit haben, ihren häuslichen Wirkungskreis selbst zu gestalten, weil das der Service übernimmt.10 Die meisten Ferienwohnungen werden diese Definition typischerweise nicht erfüllen , weil ihr Anbot in der Regel keinen oder nur sehr stark eingeschränkten Service (Bewirtung, Rezeption, Reinigung etc.) enthält. Eine rechtlich einwandfreie Koexistenz von Dauer- und Ferienwohnungen kann also auch über den Umweg des Beherbergungsbetriebs nicht erreicht werden .11 6 Vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 28. Dezember 2007, Az. 3 M 190/07 und Urteil vom 19. Februar 2014, Az. 3 L 212/12; OVG Lüneburg, Urteil vom 18. September 2014, Az. 1 KN 123/12 und Urteil vom 15. Januar 2015, Az. 1 KN 61/14. 7 Instruktiv hierzu Franke: Die baurechtliche Zulässigkeit von Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten, in Deutsche Verwaltungspraxis (DVP) 2015, S. 186 ff. 8 So das OVG Greifswald, Urteil vom 19. Februar 2014, Az. 3 L 212/12, juris-Rn. 39. 9 So etwa Pernice-Warnke, vgl. Fn. 5; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 4a, Rn. 25. 10 BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1989, Az. 4 B 78/89, juris-Rn. 3; gut zusammengefasst bei Nicolai, Ferienwohnungen im unvermeidbaren Konflikt zu Dauerwohnen?, in: Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland (NordÖR) 2015, S. 361, 363. 11 A.A. etwa Reidt/von Landwüst, Die bauplanungsrechtliche Behandlung von Ferienwohnungen, in: Umwelt- und Planungsrecht (UPR) 2015, S. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 6 Ferner wird erwogen, Ferienwohnungen in die Kategorie der ebenfalls ausnahmsweise zulässigen „sonstigen Gewerbebetriebe“ einzuordnen.12 Hiergegen spricht vor allem die systematische Erwägung , dass § 10 BauNVO bereits ausdrückliche Regelungen zum Ferienwohnen trifft und auch §§ 3 und 4 BauNVO Spezialvorschriften für „Beherbergungsfälle“ vorsehen, die nicht durch eine weite Auslegung des Begriffs des „sonstigen Gewerbebetriebs“ umgangen werden dürfen.13 2.3. Nebeneinander von Wohnungen und Ferienwohnungen in Sondergebieten gem. § 10 BauNVO Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass Ferienwohnungen wohl allein in Sondergebieten, die der Erholung dienen, nach § 10 BauNVO zulässig sind. Dieses Ergebnis wird dem praktischen Bedürfnis nach einem „Nebeneinander von Dauerwohnen und Freizeitwohnen“ 14 jedoch nicht gerecht, da in letztgenanntem Gebietstyp wiederum keine Dauerwohnungen zulässig sind. Das hiervon abweichende neuere Urteil des OVG Lüneburg, das Dauerwohnungen in Sondergebieten für zulässig erachtet,15 kann angesichts der eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dieser Frage,16 wohl nicht als Hinweis auf eine Trendwende gedeutet werden. 3. Begrenzung der Anzahl von Ferienwohnungen Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass Ferienwohnungen de lege lata einzig in Sondergebieten i.S.d. § 10 BauNVO zulässig sind. Hieran schließt sich die Frage an, ob und wie es möglich ist, die Anzahl der Ferienwohnungen in solchen Gebieten zahlenmäßig zu begrenzen . § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sieht die Möglichkeit vor, dass im Bebauungsplan die „höchstzulässige Zahl von Wohnungen in Wohngebieten“ festgesetzt werden. Fraglich ist jedoch, ob auch Ferienwohnungen hierunter fallen. Das OVG Lüneburg hat diese Frage mit dem Argument bejaht, dass der „nach seinem Wortlaut offene Wohnungsbegriff nach dem Sinn und Zweck sowie der Genese des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eigenständig zu bestimmen“ sei.17 Vor diesem Hintergrund müsse ein 12 Aktuell dazu Schmidt-Eichstaedt, Zulässigkeit von Ferienwohnungen und Ferienhäusern in den regulären Baugebieten nach §§ 4 bis 9 BauGB, in: Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR) 2016, S. 225, 226. 13 Hierzu Franke, vgl. Fn. 7. 14 Vgl. Nicolai, s.o. Fn. 10. 15 OVG Lüneburg, Urteil vom 18. September 2014, Az. 1 KN 123/12, juris-Rn. 21. 16 BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013, Az. 4 CN 7/12. 17 Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. September 2014, Az. 1 KN 123/12, juris-Rn. 34. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 048/16 Seite 7 berechtigtes Interesse der Gemeinden anerkannt werden, nicht lediglich das Ausmaß von Dauerwohnnutzungen innerhalb eines bestimmtes Gebiets zu regulieren, sondern auch jenes von Ferienwohnungen . Teleologisch vermag dieses Argument zwar zu überzeugen. Mit dem Wortlaut und auch der Systematik von BauGB und der – in der Normenhierarchie freilich nachgeordneten – BauNVO ist es jedoch kaum in Einklang zu bringen: Denn das BauGB enthält beispielsweise in § 22 Abs. 1 Satz 4 BauGB sehr wohl eigenständige Regelungen zu Gebäuden, die der Fremdbeherbergung dienen. Mithin spricht wenig dafür, dass Gesetz- und Verordnungsgeber den Begriffen der „Wohnung“ und des „Wohngebiets“ in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB einerseits und in §§ 3 und 4 BauGB andererseits unterschiedliche Definitionen zugrunde legen wollten.18 Nach derzeitiger Gesetzeslage muss daher davon ausgegangen werden, dass kein Instrument zur Verfügung steht, um den Bestand und den Bau von Ferienwohnungen in Sondergebieten vorab planungsrechtlich zu begrenzen. Zu einem anderen Ergebnis käme man nur dann, wenn man zum alten Verständnis des Wohnungsbegriffs , der auch Ferienwohnungen einschließt, zurückkehren würde.19 4. Fazit Hinsichtlich der Ausklammerung von Ferienwohnungen aus dem allgemeinen Wohnungsbegriff kann die Rechtslage als gefestigt gelten. Gleichzeitig scheint sie vielfach noch nicht in Verwaltungspraxis umgesetzt worden zu sein, was wohl vor allem darauf zurückzuführen ist, dass in vielen betroffenen Regionen das Nebeneinander von Ferien- und Dauerwohnungen prägendes Strukturmerkmal ist.20 In der Fachliteratur werden indes eine Vielzahl von Vorschlägen diskutiert , wie Ferienwohnungen dennoch rechtmäßig in die derzeit geltenden Gebietstypen der BauNVO eingeordnet werden können.21 - Ende der Bearbeitung - 18 Ausführlich zum Ganzen Pfeffer, Naht das Ende der Ferienwohnung?, in: Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (VBlBW) 2015, S. 503, 504. 19 So etwa Pfeffer, vgl. Fn. 18. 20 Hiervon geht auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus, vgl. BT-Ds. 18/5076, S. 2. 21 Vgl. dazu unter 2.2.