© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 047/16 Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 2 Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 047/16 Abschluss der Arbeit: 30. März 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anordnung von Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft 4 3. International- und unionsrechtliche Vorgaben 4 3.1. Art. 22 UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) 5 3.2. Art. 6 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III- Verordnung) 5 3.3. Art. 25 Abs. 1 a Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) 5 3.4. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) 6 4. Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten 6 4.1. Ergänzungspflegschaft 6 4.2. Mitvormundschaft 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstands ist die im Zusammenhang mit der Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bedeutsame Frage nach der Gewährleistung sachgemäßer Vertretung in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten. Hierzu werden im Folgenden zunächst die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft (2.) sowie einschlägige Vorgaben im überstaatlichen Recht (3.) vorgestellt und sodann ein knapper Überblick über den Sach- und Streitstand zur Ausgangsfrage in Rechtsprechung und juristischer Literatur (4.) gegeben. 2. Anordnung von Vormundschaft und Ergänzungspflegschaft Gemäß §§ 1773, 1774 BGB1 ordnet das Familiengericht von Amts wegen die Vormundschaft an, wenn ein Minderjähriger nicht unter elterlicher Sorge steht oder die Eltern in bestimmten Angelegenheiten nicht zu einer Vertretung berechtigt sind. Kann der Familienstand des Minderjährigen nicht ermittelt werden, ist ebenfalls eine Vormundschaft anzuordnen. Die elterliche Sorge ruht, wenn sie gemäß § 1674 Abs. 1 BGB nach den Feststellungen des Familiengerichts auf längere Zeit tatsächlich nicht ausgeübt werden kann. Bei ausländischen minderjährigen Kindern, welche unbegleitet nach Deutschland einreisen, ist dies bei Nichterreichbarkeit der Eltern der Fall. Gemäß § 1791 b Abs. 1 BGB soll grundsätzlich ein ehrenamtlicher Einzelvormund bestellt werden. Ist ein solcher nicht vorhanden, kann auch das Jugendamt zum Vormund bestellt werden. Das Familiengericht soll gemäß § 1775 Satz 2 BGB, sofern nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen, für den Mündel nur einen Vormund bestellen. In Bezug auf die Ergänzungspflegschaft sieht § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass das unter Vormundschaft stehende Kind für Angelegenheiten, an deren Besorgung der Vormund verhindert ist, einen Pfleger erhält (Ergänzungspflegschaft). Wird eine Pflegschaft erforderlich, so hat der Vormund dies dem Familiengericht unverzüglich anzuzeigen, § 1909 Abs. 2 BGB. 3. International- und unionsrechtliche Vorgaben Neben den konkreten Voraussetzungen aus dem BGB enthält eine Reihe von überstaatlichen Regelungen Vorgaben für den Schutz unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, welche im Zusammenhang mit derer rechtlichen Vertretung zu berücksichtigen sind. 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 396.) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 5 3.1. Art. 22 UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) Die UN-Kinderrechtskonvention2, im Folgenden UN-KRK, hat gemäß ihrer Präambel den besonderen Schutz und Beistand von Kindern zum Ziel. Art. 22 UN-KRK verpflichtet die Vertragsstaaten , geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt oder nach Maßgabe der anzuwendenden Regeln und Verfahren des Völkerrechts oder des innerstaatlichen Rechts als Flüchtling angesehen wird, angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält, die in diesem Übereinkommen oder in anderen internationalen Übereinkünften über Menschenrechte oder über humanitäre Fragen , denen die genannten Staaten als Vertragsparteien angehören, festgelegt sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich in Begleitung seiner Eltern oder einer anderen Person befindet oder nicht. Die UN-KRK ist in der Bundesrepublik Deutschland am 5. April 1992 in Kraft getreten.3 3.2. Art. 6 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-Verordnung) Die Verordnung (EU) Nr. 604/20134, im Folgenden Dublin-III-Verordnung, legt Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats fest, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass ein unbegleiteter Minderjähriger in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, von einem Vertreter vertreten und/oder unterstützt wird. Der Vertreter verfügt über die entsprechenden Qualifikationen und Fachkenntnisse, um zu gewährleisten, dass dem Wohl des Minderjährigen während der nach dieser Verordnung durchgeführten Verfahren Rechnung getragen wird. Die Dublin-III-Verordnung ist am 29. Juni 2013 in Kraft getreten und auf Anträge anwendbar , die ab dem 1. Januar 2014 gestellt wurden (Art. 49 Dublin-III-Verordnung). 3.3. Art. 25 Abs. 1 a Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) Die Richtlinie 2013/32/EU5, im Folgenden Asylverfahrensrichtlinie, sieht gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes vor. Nach Art. 25 Abs. 1 a Asylverfahrensrichtlinie sollen die Mitgliedstaaten bei allen Verfahren nach Maßgabe der Richtlinie und unbeschadet der Bestimmungen ihrer Artikel 14 bis 17 so bald wie möglich Maßnahmen 2 Konvention über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, BGBl. 1992 II S. 121, Textfassung abrufbar unter: https://www.unicef.de/blob/9364/a1bbed70474053cc61d1c64d4f82d604/d0006-kinderkonvention-pdf-data.pdf (Stand: 30.3.2016). 3 Bekanntmachung vom 10. Juli 1992, BGBl. II S. 990 4 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31-59, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1459260594761&uri=CELEX:32013R0604 (Stand: 30.3.2016). 5 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60-95, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2013:180:0060:0095:DE:PDF (Stand: 24.3.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 6 ergreifen, um zu gewährleisten, dass ein Vertreter den unbegleiteten Minderjährigen vertritt und unterstützt, damit dieser die Rechte aus der Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus der Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen kann. Der unbegleitete Minderjährige wird unverzüglich über die Bestellung des Vertreters unterrichtet. Der Vertreter nimmt seine Aufgaben im Interesse des Kindeswohls wahr und verfügt hierfür über die erforderliche Fachkenntnis. Die Asylverfahrensrichtlinie gilt aufgrund der am 20. Juli 2015 abgelaufenen Frist zur Umsetzung in innerstaatliches Recht seit dem 21. Juli 2015 unmittelbar. 3.4. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) Die Richtlinie 2013/33/EU6, im Folgenden Aufnahmerichtlinie, legt Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, fest. Gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Aufnahmerichtlinie sollen die Mitgliedstaaten so bald wie möglich dafür sorgen, dass ein Vertreter bestellt wird, der den unbegleiteten Minderjährigen vertritt und unterstützt, damit dieser die Rechte aus der Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus der Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen kann. Der unbegleitete Minderjährige wird unverzüglich über die Bestellung des Vertreters informiert. Der Vertreter muss seine Aufgaben im Einklang mit dem Grundsatz des Kindeswohls gemäß Artikel 23 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie wahrnehmen und entsprechend versiert sein. Die Aufnahmerichtlinie gilt aufgrund der am 20. Juli 2015 abgelaufenen Frist zur Umsetzung in innerstaatliches Recht ebenfalls seit dem 21. Juli 2015 unmittelbar. 4. Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten Gesteigerte Aufmerksamkeit findet in der Praxis die Frage nach der Gewährleistung einer sachgemäßen Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten bei mangelnder Sachkunde des für sie gemäß §§ 1773, 1774 BGB bestellten Vormunds , regelmäßig des Jugendamts als Amtsvormund. In diesem Zusammenhang werden in Rechtsprechung und wissenschaftlicher Literatur zwei Lösungsmöglichkeiten erörtert: Bestellung einer in derartigen Angelegenheiten fachkundige Person als Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 BGB; Ausweitung der Vormundschaft durch Bestellung einer insoweit fachkundigen Person als Mitvormund nach Maßgabe von § 1775 Satz 2 BGB. 4.1. Ergänzungspflegschaft In der früheren Rechtsprechung wurde das Fehlen der Sachkunde in bestimmten Angelegenheiten gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig als Verhinderung anerkannt mit der Folge, dass für diese Angelegenheiten ein Ergänzungspfleger bestellt worden ist. Soweit der Vormund eines 6 Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96-116, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2013:180:0096:0116:DE:PDF (Stand: 30.3.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 7 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings keine einschlägige juristische Fachkenntnis aufwies, wurde dem Mündel sodann für ausländer- und asylverfahrensrechtliche Angelegenheiten ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger bestellt.7 Der Rechtsprechung zu diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 29. Mai 20138widersprochen und die Bestellung eines Ergänzungspflegers für unzulässig erklärt . Bei einer bestehenden Vormundschaft komme eine Ergänzungspflegschaft grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung des Mündels kraft Gesetzes (§ 1795 Abs. 1, 2 in Verbindung mit § 181 BGB) ausgeschlossen oder durch familiengerichtliche Entscheidung in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden sei. Verfüge der Vormund , dessen generelle Eignung nicht in Frage stehe, nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, sei es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in eigener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen . Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen könne auch Prozesskostenhilfe beantragt werden, sodass es einer teilweisen Entlassung des Vormunds aus seiner Verantwortung nicht bedürfe. Durch die Prozesskostenhilfe bei Mittellosigkeit sei auch Art. 22 der UN-KRK Rechnung getragen.9 Der BGH hat seine Auffassung in Entscheidungen vom 4. Dezember 2013 und 16. Januar 2014 auch im Hinblick auf Art. 6 Dublin-III-Verordnung, Art. 25 Asylverfahrensrichtlinie und Art. 24 Aufnahmerichtlinie bekräftigt.10 Das AG Heidelberg11 hat hingegen unlängst in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2015 darauf hingewiesen , dass die erforderliche Sachkenntnis gemäß Art. 6 der Dublin-III-Verordnung beim Vertreter selbst vorliegen müsse. Zudem erfordere Art. 25 Abs. 1 a Asylverfahrensrichtlinie und auch Art. 24 Aufnahmerichtlinie eine Fachkenntnis beim Vertreter, sodass eine bloße Bedienung an fachkundiger Hilfe gerade nicht ausreiche. Demgemäß liege eine Verhinderung im Sinne des § 1909 Abs. 1 BGB vor mit der Folge, dass dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling ein Ergänzungspfleger für ausländerrechtliche und asylverfahrensrechtliche Angelegenheiten zu bestellen sei. 7 Vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 30.7.1976 – BReg 3 Z 129/75, zitiert nach juris, Rn. 19; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.4.2000 – 20 W 549/99; AG Gießen, Beschluss vom 16.7.2010 – 244 F 1159/09 VM. 8 BGH, Beschluss vom 29.5.2013 – XII ZB 124/12. 9 BGH, Beschluss vom 29.5.2013 – XII ZB 124/12, zitiert nach juris, Rn. 15ff. 10 Siehe BGH, Beschluss vom 4.12.2013 – XII ZB 57/13, zitiert nach juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 16.1.2014, XII ZB 95/13 – zitiert nach juris, Rn. 5; zuvor ebenso schon OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8.11.2013 – 2 UF 320/13, zitiert nach juris, Leitsatz. 11 AG Heidelberg, Beschluss vom 21.7.2015 – 31 F 67/15, zitiert nach juris, Rn. 15; Vgl. auch AG Gießen, Beschluss vom 21.8.2013 – 249 F 1635/13 VM, 249 F 1717/13 PF, zitiert nach juris, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 8 Hocks12 hält die Entscheidung des AG Heidelberg für die derzeit nächstliegende Lösung, um den europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, zumindest solange die Mitarbeiter in den Jugendämtern nicht hinreichend in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten geschult werden . Er schlägt für einen neuen § 1909 Abs. 1 a BGB vor: „Im Fall einer Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Ausländer/innen kann der Vormund auch als verhindert gelten, weil er über wesentliche asyl- und aufenthaltsrechtliche Kenntnisse nicht verfügt.“ Auch Rieger13 weist darauf hin, dass Art. 25 Abs. 1 a Asylverfahrensrichtlinie verlangt, dass der Vertreter des Mündels über eine entsprechende Fachkenntnis verfügen muss und schlägt vor, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, welche es dem Vormund erlaubt, für derart spezielle Fragen einen Anwalt zur Seite gestellt zu bekommen, der die Erfüllung der Aufgaben aus der Richtlinie unterstützt und dessen Kosten vom Staat übernommen werden. 4.2. Mitvormundschaft Der 6. Senat in Familiensachen des OLG Frankfurt am Main hat zwischenzeitlich in Entscheidungen vom 28. Januar 201414 und 19. Februar 201415 unter Berufung auf den Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling eine Rechtsanwältin als Mitvormund für ausländer- und asylrechtliche Angelegenheiten bestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass wenn das als Vormund zu bestellende Jugendamt selbst nachvollziehbar darlege, für den Wirkungskreis der ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten nicht die notwendige Sachkunde zu besitzen, dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling ein Mitvormund in Person eines Rechtsanwalts für derartige Angelegenheiten zu bestellen sei. Art. 6 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung gebiete, dass der Vertreter selbst über die spezifische Fachkenntnis verfügen müsse.16 Auch das OLG Bamberg hat in seiner Entscheidung vom 7. Januar 201517 die fehlende Kenntnis in ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten des Jugendamtes als besonderen Grund nach § 1775 BGB angesehen, einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling einen Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestellen, und sich dabei auf Art. 6 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung und auf Art. 25 Asylverfahrensrichtlinie berufen. 12 Stephan Hocks, Anmerkung zu AG Heidelberg, Beschluss vom 21.7.2015 – 31 F 67/15, in: Das Jugendamt (JAmt) 2015, S. 581f. 13 Uta Rieger, „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge –Woher kommen sie, wer sind sie, was bringen sie mit?“ in: Angekommen in Deutschland. Und nun?, Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe im Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin 2015, S. 43. 14 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.1.2014 – 6 UF 289/13, zitiert nach juris, Rn. 5f. 15 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.2.2014 – 6 UF 28/14, zitiert nach juris, Rn. 10ff. 16 Dagegen ausdrücklich der 5. Senat für Familiensachen des OLG Frankfurt am Main, vgl. Beschluss vom 17.6.2014 – 5 UF 112/14, zitiert nach juris, Rn. 22. 17 OLG Bamberg, Beschluss vom 7.1.2015 – 7 UF 261/14, zitiert nach juris, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 047/16 Seite 9 Riegner18 sieht in der Einschaltung eines Mitvormunds gegenüber der Bestellung eines Ergänzungspflegers den Vorteil, dass die Mitvormundschaft nicht von einer gesetzlichen oder richterlichen Einschränkung der Vertretungsmacht des Jugendamts als Vormund abhängig ist. Zudem stehe ein Mitvormund gemäß §§ 1837ff. BGB unter der unmittelbaren Kontrolle des Gerichts und es komme somit nicht zu der bei einer Ergänzungspflegschaft bestehenden Pflicht zur Instruktion und Überwachung durch den Vormund und damit auch nicht zu dem entsprechenden Haftungsrisiko . Der BGH hat zur Zulässigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts zum Mitvormund für ausländer - und asylrechtliche Angelegenheiten nach Maßgabe des § 1775 Satz 2 BGB bislang nicht entschieden . Ende der Bearbeitung 18 Klaus Riegner, Die Vertretung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten , in: Neue Zeitschrift für Familienrecht (NZFam) 2014, S. 152.