© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 046/21 Kooperationsvereinbarungen zwischen der Autobahn GmbH und den Ländern Vergaberechtliche Einzelaspekte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 2 Kooperationsvereinbarungen zwischen der Autobahn GmbH und den Ländern Vergaberechtliche Einzelaspekte Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 046/21 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vergaberechtlicher Rahmen einer Zusammenarbeit 5 2.1. Allgemeine Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Vergaberechts 5 2.2. Der Begriff des öffentlichen Auftrages 6 2.3. Ausnahmetatbestand des § 108 Abs. 6 GWB 6 2.4. Rechtsschutz 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 4 1. Einleitung Gemäß Art. 90 Abs. 2 und Art. 143e Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)1 werden seit dem 1. Januar 2021 die Bundesautobahnen sowie Bundesstraßen in Hamburg, Berlin und Bremen, in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung des Bundes geplant, gebaut, betrieben, erhalten, vermögensmäßig verwaltet und finanziert. Hierfür bedient sich der Bund gemäß Art. 90 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit §§ 1 und 5 des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes (InfrGG)2 einer vollständig im Bundeseigentum stehenden Gesellschaft: „Die Autobahn GmbH des Bundes“ (Autobahn GmbH).3 Mit Schreiben vom 24. März 2021 hat der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages den „Bericht nach § 88 Absatz 2 BHO zur Reform der Bundesfernstraßenverwaltung : eine Bilanz“ vorgelegt.4 Hierin werden unter anderem vergaberechtliche Verstöße gerügt , die aus Sicht des Bundesrechnungshofes aus der zum Teil unzulässigen Kooperation zwischen der Autobahngesellschaft mit den Bundesländern bzw. der DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs - und -bau GmbH (DEGES) resultieren. Unter Bezugnahme auf den vom Fachbereich WD 3 -Verfassung und Verwaltung - zu der Thematik bereits erstellten Sachstand (WD 3 - 3000 - 086/21) sollen nachfolgend ergänzend allgemein und überblicksartig vergaberechtliche Aspekte dieser Kooperation aufgezeigt werden. Bereits an dieser Stelle ist darauf zu hinzuweisen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nach ihren Verfahrensgrundsätzen keine Einzelfallprüfung vornehmen. Eine rechtliche Detailprüfung bestimmter vergaberechtlicher Vorgänge, insbesondere in Bezug auf bestehende Kooperationsvereinbarungen zwischen der Autobahn GmbH und etwaigen Vertragspartnern, kann mithin nicht erfolgen. Die nachfolgenden Ausführungen beinhalten daher vielmehr eine summarische Darstellung von Einzelaspekten des oberschwelligen Vergabeverfahrens hinsichtlich einer Kooperation zwischen der Autobahn GmbH und den Ländern auf diesem Gebiet. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/ (letzter Abruf dieses Links und aller weiteren am 25. Mai 2021). 2 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122, 3141), das durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/infrgg/BJNR314100017.html. 3 Vgl. hierzu auch den Bericht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Thema „Erkenntnisse und Herausforderungen beim Betriebsstart der Autobahngesellschaft des Bundes“, Ausschussdrucksache 19(15)483 vom 13. April 2021. 4 Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO „zur Reform der Bundesfernstraßenverwaltung : eine Bilanz“, Ausschussdrucksache 19(8)8498 vom 24. März 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 5 2. Vergaberechtlicher Rahmen einer Zusammenarbeit Hinsichtlich der genauen Hintergründe und Einzelheiten der abgeschlossenen Kooperationsvereinbarungen sowie der verfassungsrechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit der Autobahn GmbH mit den Ländern wird auf die o.g. Ausarbeitung des Fachbereichs WD 3 verwiesen. In vergaberechtlicher Hinsicht hat sich der Bundesrechnungshof in Bezug auf die Kooperationsvereinbarungen in seinem o.g. Bericht zudem wie folgt positioniert: „Zugleich haben der Bund und die Länder das Vergaberecht zu beachten, wenn sie gegenseitig Leistungen füreinander erbringen. Als öffentliche Auftraggeber sind sie verpflichtet, marktgängige Leistungen auszuschreiben. Hierzu zählen insbesondere Ingenieurdienstleistungen , die typischerweise bei der Planung und beim Bau von Straßen anfallen oder Aufgaben des Betriebsdienstes wie zum Beispiel das Reinigen der Straßen, Mähen oder der Winterdienst . Eine Direktbeauftragung des jeweils anderen Verwaltungsträgers außerhalb der Amtshilfe ist nicht zulässig.“ 5 Die rechtlichen Hintergründe dieser Ausführung sollen – soweit dies anhand der getroffenen Aussagen pauschal möglich ist – nachfolgend erläutert werden. 2.1. Allgemeine Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Vergaberechts Unter dem Begriff des „Vergaberechts“ wird im Allgemeinen die Gesamtheit derjenigen Regeln und Vorschriften verstanden, die dem Staat, seinen Untergliederungen oder sonstigen öffentlichen Auftraggebern ganz bestimmte Vorgehensweisen beim Einkauf von Gütern oder bei der Inanspruchnahme sonstiger Leistungen am Markt mittels eines entgeltlichen Vertrags vorschreiben .6 Wesentlicher Teil dieses Regelungsregimes ist unter anderem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)7, in dessen 4. Teil – den §§ 97-184 GWB – die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen näher ausgestaltet ist. Danach sind öffentliche Aufträge und Konzessionen oberhalb bestimmter Schwellenwerte insbesondere im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben, wobei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu wahren sind (vgl. § 97 Abs. 1 GWB). 5 Vgl. den Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO „zur Reform der Bundesfernstraßenverwaltung: eine Bilanz“, Ausschussdrucksache 19(8)8498 vom 24. März 2021. 6 Vgl. etwa Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen , Einleitung, Rn. 1. 7 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 3 des Gesetzes vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gwb/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 6 2.2. Der Begriff des öffentlichen Auftrages Maßgeblich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB ist das objektive Vorliegen eines öffentlichen Auftrages.8 § 103 Abs. 1 GWB definiert diesen als entgeltlichen Vertrag zwischen (öffentlichen) Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Die Anwendung des GWB-Vergaberechts kann dabei durch den bloßen Willen und/oder die irrige Annahme des Auftraggebers oder durch eine Parteivereinbarung weder begründet noch umgangen werden.9 2.3. Ausnahmetatbestand des § 108 Abs. 6 GWB Sofern und soweit die Regelungen des Vergaberechts – wie hier – zur Anwendung gelangen, handelt es sich um materielle Vergaberechtsgrundsätze, die folglich rechtlich bindende Anforderungen an das Vergabeverfahren und an die Verhaltensweisen der daran Beteiligten begründen.10 Es ist jedoch zu beachten, dass zahlreiche Ausnahmetatbestände existieren, die die Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften vollständig ausschließen oder zumindest einschränken. Im Anwendungsbereich des GWB finden sich solche Ausnahmetatbestände insbesondere in den §§ 107 ff., 116 f., 137 ff. und 144 ff. GWB. Bei der vorliegenden Kooperation kommt wohl einzig der Ausnahmetatbestand des § 108 Abs. 6 GWB in Betracht. Das Vergaberecht findet danach etwa keine Anwendung auf Verträge, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossen werden, wenn „1. der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden , 2. die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nummer 1 ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und 3. die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen , die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst sind.“ Ziekow führt hierzu ergänzend aus: „Zur Erzielung von Synergieeffekten kooperieren Verwaltungsträger, insbes. im kommunalen Bereich in Formen der interkommunalen Zusammenarbeit (soweit diese nicht eine delegierende Aufgabenübertragung beinhalten), häufig mit anderen Verwaltungsträgern. Wegen des 8 Vgl. Stein, in: BeckOK Vergaberecht, 15. Edition, Stand: 30. Mai 2019, § 103 GWB, Rn. 1. 9 Vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Juni 2016, Az.: 7 Verg 2/16, Rn. 51, BeckRS 2016, 12548. 10 Vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, §97 GWB, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 7 in der staatlichen Sphäre verbleibenden Charakters werden damit verbundene Rechtsgeschäfte bei Vorliegen eines Beschaffungsbezugs in Anlehnung an die Inhouse-Geschäfte als In-State-Geschäfte bezeichnet. Ausgangspunkt ist, dass Verträge über die Erbringung von Leistungen zwischen verschiedenen öffentlichen Auftraggebern nicht von vornherein vergaberechtsimmun sind. Andererseits erfasst der Grundsatz der Ausschreibungsfreiheit der Eigenerledigung auch eine solche Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen, die kein Inhouse-Geschäft darstellt. Die zur Begründung einer Kooperation zwischen mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder ihren Eigengesellschaften zur Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben geschlossenen Verträge unterliegen nicht der Ausschreibungspflicht. Denn in diesen Fällen werden allein öffentliche Interessen berührt, nicht aber der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Interessenten an der Erbringung von Leistungen gegenüber der öffentlichen Hand. Dementsprechend setzt die Ausschreibungsfreiheit des Instate-Geschäfts nach § 108 Abs. 6 GWB voraus, dass Vertragspartner ausschließlich öffentliche Auftraggeber sind, deren vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit sicherstellen soll, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden. Dieses Kriterium der Zielidentität wird man im Einklang mit der Rspr. des EuGH dahingehend verstehen müssen, dass sich die Zusammenarbeit auf die Wahrnehmung einer allen öffentlichen Auftraggebern gleichermaßen obliegenden öffentlichen Aufgabe beziehen muss. Obliegt die in Rede stehende Aufgabe hingegen nur einem der Kooperationspartner, so fehlt es an der erforderlichen Zielidentität.“ 11 (Hervorhebung durch den Verfasser) Gemäß Art. 90 Abs. 2 und Art. 143e Abs. 1 GG werden seit dem 1. Januar 2021 die Bundesautobahnen sowie Bundesstraßen in Hamburg, Berlin und Bremen, in alleiniger Zuständigkeit und Verantwortung des Bundes geplant, gebaut, betrieben, erhalten, vermögensmäßig verwaltet und finanziert. Eine Erreichung gemeinsamer Ziele und/oder eine Zusammenarbeit mit den Bundesländern wird mithin gerade nicht mehr angestrebt. Vielmehr besteht nunmehr die alleinige Verantwortung des Bundes. Eine Bewertung, ob die einen Ausnahmetatbestand rechtfertigenden Umstände im Einzelfall vorliegen , obliegt ggf. den Nachprüfungsinstanzen (siehe 2.4.). Insoweit ist insbesondere irrelevant, ob sich der öffentliche Auftraggeber auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands beruft (OLG Düsseldorf). Eine über einzelne Ausnahmetatbestände hinausgehende, zugunsten einzelner öffentlicher Auftraggeber bestehende Abweichungskompetenz von den vergaberechtlichen Vorschriften ist gesetzlich nicht vorgesehen. 2.4. Rechtsschutz Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern (vgl. § 155 GWB). Sofern sich ein bestehender Rechtsverstoß auf die Rechtsstellung eines (potenziellen) Bieters auswirkt, ist dieser in seinem subjektiven Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen 11 Vgl. Ziekow, in: Völlink/Ziekow, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, §108 GWB, Rn. 72 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 046/21 Seite 8 (§ 97 Abs. 6 GWB) verletzt und kann vor der zuständigen Vergabekammer das Vergabenachprüfungsverfahren betreiben. * * *