© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 045/18 Haftung des Veranlassers für schädigende Handlungen Dritter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 045/18 Seite 2 Haftung des Veranlassers für schädigende Handlungen Dritter Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 045/18 Abschluss der Arbeit: 9. März 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 045/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ansprüche aus Vertrag und vertragsähnlichen Verhältnissen 4 3. Ansprüche aus unerlaubter Handlung 4 4. Nachbarrechtlicher Anspruch 5 5. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 045/18 Seite 4 1. Einleitung Bedient sich jemand bei der Ausführung seiner Angelegenheiten eines Dritten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Dritte schuldhaft einen Schaden an dem Eigentum eines anderen verursacht. Dem Geschädigten steht in diesen Fällen regelmäßig ein Anspruch auf Ersatz seines Eigentumsschadens aus § 823 Absatz 1 BGB1 gegenüber dem Dritten zu. Wird der Dritte jedoch zahlungsunfähig und droht damit als Schuldner für den Geschädigten auszufallen, stellt sich die Frage, ob und gegebenfalls in welchem Umfang der Geschädigte auch Ansprüche gegen den Veranlasser der Tätigkeit richten kann. 2. Ansprüche aus Vertrag und vertragsähnlichen Verhältnissen Zunächst scheidet in der Regel ein schuldrechtlicher Anspruch des Geschädigten gegen den Veranlasser der Tätigkeit aus § 280 Absatz 1 BGB in Verbindung mit § 278 BGB aus, denn zwischen diesen beiden fehlt es an dem dafür erforderlichen Schuldverhältnis. Ein solches besteht – etwa in Form eines Werkvertrages, eines Dienstvertrages oder eines ähnlichen Vertragsverhältnisses – nur zwischen dem schädigenden Dritten und dem Veranlasser der Tätigkeit. Nach dem sog. Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse entfaltet ein Schuldverhältnis jedoch nur Rechtswirkungen zwischen den an ihm beteiligten Parteien.2 Der Geschädigte kann daher daraus keine Rechte gegenüber dem Veranlasser der Tätigkeit herleiten. Nach der h.M. ergibt sich nichts anderes, wenn der Geschädigte und der Veranlasser der Tätigkeit in einem sog. nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis zueinander stehen. Zwar ist insofern anerkannt, dass als besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben zwischen Nachbarn eine besondere Rechtsbeziehung bestehen kann, aus der bestimmte Beschränkungen und Erweiterungen der gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten resultieren.3 Dieses nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis stellt indessen kein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Absatz 1 BGB dar und stellt demgemäß keine hinreichende Grundlage für einen schuldrechtlichen Anspruch dar.4 3. Ansprüche aus unerlaubter Handlung Allerdings ist es denkbar, dass dem Geschädigten ein Anspruch aus § 831 Absatz 1 BGB gegenüber dem Veranlasser der Tätigkeit zusteht. Danach ist zunächst Voraussetzung, dass der Veranlasser der Tätigkeit „einen anderen zur Verrichtung bestellt“ hat. Dies ist nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere der Fall, wenn die Tätigkeit von einem Dritten 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist. 2 Sutschet, in: BeckOK-BGB, 44. Edition, 1.11.2017, BGB § 241 § 241 Rn. 8. 3 Fritzsche, in: BeckOK-BGB, 44. Edition, 1.11.2017, BGB § 903 Rn. 35. 4 BGH, Urt. v. 25. November 1964 - V ZR 185/62, NJW 1965, 389. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 045/18 Seite 5 in einer organisatorisch abhängigen Stellung vorgenommen wird und der Veranlasser die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann.5 Insofern kommt es auf die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung zwischen dem schädigenden Dritten und dem Veranlasser der entsprechenden Tätigkeit im Einzelfall an. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und handelt es sich bei dem Dritten damit um einen sog. „Verrichtungsgehilfen “ des Veranlassers, so muss der Veranlasser dem Geschädigten einen durch den Verrichtungsgehilfen verursachten Schaden grundsätzlich ersetzen. Jedoch muss beachtet werden, dass die Ersatzpflicht gemäß § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht eintritt , wenn der Veranlasser der Tätigkeit bei der Auswahl des Dritten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach der Verkehrsanschauung sowie nach den konkreten Einzelfallumständen, wobei insbesondere auf die Art der übertragenen Tätigkeit sowie die Person des Dritten abzustellen ist.6 Die Beweislast dafür, dass der Dritte ordnungsgemäß ausgewählt wurde, trifft den Veranlasser der Tätigkeit.7 An dieser Voraussetzung wird ein Anspruch des Geschädigten gegen den Veranlasser der Tätigkeit aus § 831 Absatz 1 BGB in der Praxis häufig scheitern. 4. Nachbarrechtlicher Anspruch Ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zufolge kann dem Geschädigten jedoch, wenn er Nachbar des Veranlassers ist, ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 906 Absatz 2 Satz 2 BGB (analog) zustehen, der in dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis begründet liegt.8 Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück der öffentlichen Hand gehört, die Arbeiten aber privatrechtlich organisiert wurden.9 Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist zunächst, dass die Schädigung von einer der konkreten Nutzung entsprechenden Benutzung des Nachbargrundstücks ausgeht und zu diesem einen sachlichen Bezug aufweist.10 Insbesondere nicht umfasst sind solche Schädigungen, die zwar auf dem Grundstück ihren Ausgang haben, durch die jedoch die spezifische Beziehung der 5 BGH, Urt. v. 2. Dezember 2014 - VI ZR 520/13, BeckRS 2015, 00555 Rn. 11. 6 Staudinger, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Auflage 2017 § 831 Rn. 11. 7 BGH, Beschl. v. 28. Januar 2014 – III ZR 108/12, BeckRS 2014, 3166. 8 Jüngst BGH, Urt. v. 9. Februar 2018 – V ZR 311/16, noch nicht veröffentlicht. 9 BGH, Urt. v. 26. Oktober 1978 - III ZR 26/77, NJW 1979, 164. 10 BGH, Urt. v. 18. September 2009 - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787; Brückner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 906 Rn. 184. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 045/18 Seite 6 Grundstückseigentümer oder -nutzer zueinander nicht berührt wird.11 Insofern muss im Einzelfall beurteilt werden, ob die vom Veranlasser beim Dritten in Auftrag gegebene Tätigkeiten den erforderlichen Bezug zum Grundstück des Veranlassers aufweisen. Daneben muss die Störung des Grundstücks des Geschädigten auf den Veranlasser der Tätigkeit zurückzuführen sein. Dies ist der Fall, wenn die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder berechtigten Besitzers – also des Veranlassers – zurückgeht. Diese Voraussetzung ist nach der jüngst bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa erfüllt, wenn der Grundstückseigentümer einen Werkunternehmer einsetzt , um Arbeiten auf seinem Grundstück durchzuführen.12 Schließlich muss der Geschädigte auch zur Duldung der Einwirkung auf sein Grundstück verpflichtet gewesen sein, da er andernfalls unmittelbar mit einem Unterlassungsanspruch gegen die Störung hätte vorgehen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein solcher Anspruch in analoger Anwendung jedoch auch dann, wenn der Geschädigte nicht zur Duldung der Störung verpflichtet gewesen wäre, er diese jedoch aus faktischen Gründen nicht abwehren konnte (etwa bei einem durch einen Werkunternehmer verursachten Brand im Haus des Werkbestellers, der auf das Haus des Geschädigten übergreift13). 5. Fazit Im Ergebnis kann dem Geschädigten ein direkter Anspruch gegen den Veranlasser einer schädigenden Tätigkeit eines Dritten regelmäßig nur aus § 831 BGB zustehen, wobei dieser Anspruch in der Praxis häufig an der gesetzlich vorgesehenen Exkulpationsmöglichkeit scheitern dürfte. Steht der Geschädigte jedoch in einem gemeinschaftlichen Nachbarschaftsverhältnis zu dem Veranlasser der Tätigkeit, kann sich ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 906 Absatz 2 Satz 2 BGB (analog) ergeben. *** 11 BGH, Urt. v. 18. September 2009 - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787; ein Beispiel hierfür ist etwa das Abschießen einer Silvesterrakete von einem Grundstück, das einen Schaden auf dem Nachbargrundstück anrichtet. 12 BGH, Urt. v. 9. Februar 2018 – V ZR 311/16; mit dem Hinweis darauf, dass dies auch bereits zuvor der Rechtsprechung des BGH entsprach: Wandt, Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Einwirkung infolge Grundstücks - oder Gebäudearbeiten, VersR 2017, 1109. 13 Vgl. zu einem solchen Fall BGH, Urt. v. 9. Februar 2018 – V ZR 311/16, noch nicht veröffentlicht.