© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 044/21 Arbeitsplatzsicherung als Gemeinwohlgrund bei der Erteilung einer Ministererlaubnis Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Die Vorschrift legt auch bestimmte Schwellenwerte fest, ab deren Erreichen die Fusionskontrolle greift.2 In § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB sind die materiellen Untersagungsvoraussetzungen der Zusammenschlusskontrolle geregelt.3 Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB ist ein Zusammenschluss (vgl. § 37 GWB), durch den ein wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, vom Bundeskartellamt zu untersagen. § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1-3 GWB regelt Ausnahmetatbestände, bei deren Verwirklichung eine Untersagung nicht erfolgt.4 Das Bundeskartellamt darf bei der Prüfung nach § 36 Abs. 1 GWB keine Gemeinwohlbelange abseits des Wettbewerbsschutzes berücksichtigen.5 Diesbezüglich ist auf die Ministererlaubnis nach § 42 GWB zurückzugreifen.6 Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss , wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die Ministererlaubnis hat Ausnahmecharakter und ist folglich restriktiv anzuwenden.7 Im Folgenden wird allgemein und summarisch die Frage erörtert, ob und inwieweit die Sicherung von Arbeitsplätzen einen im Rahmen des § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB berücksichtigungsfähigen Gemeinwohlgrund darstellt. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 3 des Gesetzes vom 9. März 2021 (BGBl. I S. 327) geändert worden ist. 2 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 35 GWB Rn. 1. 3 Kahlenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Auflage 2020, § 36 GWB Rn. 1. 4 Rinne, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), Beck`scher Online-Kommentar Informations- und Medienrecht, 31. Edition, Stand: 01.02.2021, § 36 GWB Rn. 1. 5 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 1. 6 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 1. 7 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 044/21 Seite 5 2. Arbeitsplatzsicherung als grundsätzlich berücksichtigungsfähiger Gemeinwohlgrund In der Entscheidungspraxis werden die Tatbestandsmerkmale der gesamtwirtschaftlichen Vorteile und des überragenden Interesses der Allgemeinheit unter allgemeineren Begriffen wie „Gemeinwohlgründe “ zusammengefasst.8 Beide Varianten setzen voraus, dass der Zusammenschluss nicht lediglich für die beteiligten Unternehmen Vorteile bringt, „sondern dass ein allgemeiner staats-, wirtschafts- oder gesellschaftspolitischer Rechtfertigungsgrund für den Zusammenschluss “ gegeben ist.9 Gemeinwohlgründe sind lediglich insoweit berücksichtigungsfähig, als diese „im Einzelfall großes Gewicht haben, konkret nachgewiesen sind und wenn wettbewerbskonformere Abhilfemaßnahmen des Staates nicht möglich sind“.10 Dem Minister steht ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung zu, ob Gemeinwohlgründe gegeben sind, welche die Wettbewerbsbeschränkung aufwiegen.11 Es hat eine einzelfallabhängige Abwägung zu erfolgen .12 Bund und Länder haben nach § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG)13 ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen so zu treffen, dass 8 Vgl. Nahrmann/Pomana, Ministererlaubnis für den Erhalt von Arbeitsplätzen?, Betriebsberater 20/2016, 17.05.2016, S. 1155, 1156; vgl. Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie vom 17.04.2008, I B 1 – 22 14 10/03 –, WuW 6/2009, S. 683, 692, WuW-Entscheidungssammlung DE-V 1691, 1700. 9 Vgl. in Bezug auf § 24 Abs. 3 GWB a.F., welcher unter anderem mit § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB im Wesentlichen vergleichbare Regelungen enthielt, die Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Bundestags-Drucksache VI/2520, S. 31, linke Spalte, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/06/025/0602520.pdf, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 10.05.2021; Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie vom 17.04.2008, I B 1 – 22 14 10/03 –, WuW 6/2009, S. 683, 692, WuW-Entscheidungssammlung DE-V 1691, 1700. 10 Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Energie vom 19.08.2019, Gesch.-Z. I B 2 – 20302/14–02 (im Folgenden: „BMWi vom 19.08.2019“) Rn. 163, abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads /V/verfuegung-verwaltungsverfahren-miba-zollern.pdf?__blob=publicationFile&v=6; Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft und Energie vom 09.03.2016, Gesch.-Z. I B 2 – 22 08 50/01 (im Folgenden: „BMWi vom 09.03.2016“) Rn. 208, abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/oeffentlicheentscheidung -edeka-kaisers-tengelmann.pdf?__blob=publicationFile&v=2; Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Bundestags-Drucksache VI/2520, S. 31, linke Spalte, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/06/025/0602520.pdf. 11 Nahrmann/Pomana, Ministererlaubnis für den Erhalt von Arbeitsplätzen?, Betriebsberater 20/2016, 17.05.2016, S. 1155, 1156. 12 Nahrmann/Pomana, Ministererlaubnis für den Erhalt von Arbeitsplätzen?, Betriebsberater 20/2016, 17.05.2016, S. 1155, 1157. 13 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (BGBl. I S. 582), das zuletzt durch Artikel 267 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 044/21 Seite 6 sie zu einem hohen Beschäftigungsstand beitragen. Dies macht deutlich, dass die Beschäftigungssicherung und der Erhalt von Arbeitsplätzen grundsätzlich berücksichtigungsfähiger Gemeinwohlgrund im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB ist.14 Im Hinblick auf die Frage, ob ein Gemeinwohlgrund gegeben ist, hat eine aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive saldierende Bewertung des Arbeitsmarktes und nicht lediglich eine einzelwirtschaftliche Betrachtung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu erfolgen.15 Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie hat hohe Beweisanforderungen an die Behauptung zu stellen, ohne einen entsprechenden Zusammenschluss entfielen Arbeitsplätze dauerhaft .16 3. Einzelaspekte der Rechtsanwendung Im Rahmen des Ministererlaubnisverfahrens „IBH/Wibau“ wurde hinsichtlich der Bewertung der Sanierungs- und Beschäftigungsgesichtspunkte berücksichtigt, dass eine aus einer Sanierungsfusion resultierende oder durch diese intensivierte Marktbeherrschung in gleichem oder größerem Ausmaß zu einer Arbeitsplatzgefährdung bei konkurrierenden Betrieben führen könne.17 Auch könnten Zusammenschlüsse nach Erfahrungswerten zwar kurzfristig Entlassungen verhindern, seien mittel- bis längerfristig allerdings „auf Rationalisierung und Einsparung von Arbeitskosten, also auf eine planmäßige und stufenweise Minderung der Beschäftigtenzahl“ gerichtet.18 Allerdings wurde das Arbeitsplatzargument in dem entschiedenen Fall insoweit für bedeutsam erachtet , als die aufgrund des Zusammenschlusses verbesserte Möglichkeit eines Marktzutritts auf 14 BMWi vom 19.08.2019 Rn. 219; BMWi vom 09.03.2016 Rn. 215; vgl. auch in Bezug auf das „Beschäftigungsargument “ Sondergutachten 70 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB (a. F.), 2015, Zusammenschlussvorhaben der Edeka Zentrale AG & Co. KG mit der Kaiser’s Tengelmann GmbH Rn. 149, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s70_volltext.pdf; vgl. auch (noch zu § 24 Abs. 3 GWB a. F.) die Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft vom 22.07.1997, IB6-220840/112, WuW 9/1997, S. 743, 746, WuW-Entscheidungssammlung BWM 225, 228, wonach „Vollbeschäftigung […] ein von § 1 StWG anerkanntes wirtschaftspolitisches Ziel“ sei, „das im Rahmen der Abwägung nach § 24 Abs. 3 GWB“ (a.F.) beachtet werden müsse. 15 BMWi vom 19.08.2019 Rn. 220; BMWi vom 09.03.2016 Rn. 216; Sondergutachten 81 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 GWB, 2019, Zusammenschlussvorhaben der Miba AG mit der Zollern GmbH & Co. KG Rn. 130, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s81_volltext_oeffentlich.pdf; vgl. auch die Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft vom 01.08.1977, – IB 6 – 220840/20, WuW 10/1977, S. 663, 666, WuW-Entscheidungssammlung BWM 159, 162, wonach „die im Rahmen des § 24 Abs. 3 GWB“ (a. F.) „entscheidende gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise nicht die Erhaltung von Arbeitsplätzen bei einzelnen Unternehmen zur isolierten Zielvorstellung erheben“ kann. 16 BMWi vom 19.08.2019 Rn. 220; Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft vom 24.01.1990, IB 6 – 220840/95, WuW 3/1990, S. 249, 254, WuW-Entscheidungssammlung BWM 207, 212. 17 Vgl. (noch zu § 24 Abs. 3 GWB a. F.) Verfügung des BMWi vom 09.12.1981, – I B 6 – 220840/50, WuW 2/1982, S. 163, 166, WuW-Entscheidungssammlung BWM 177, 180. 18 Vgl. Verfügung des BMWi vom 09.12.1981, I B 6 – 220840/50, WuW 2/1982, S. 163, 166, WuW-Entscheidungssammlung BWM 177, 180. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 044/21 Seite 7 Auslandsmärkten eine Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland bewirkte.19 In dem konkreten Fall spräche einiges dafür, dass aufgrund des Zusammenschlusses Arbeitsplätze bei einem am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen langfristig gesichert worden seien.20 Auch sei eine Arbeitsplatzgefährdung bei Wettbewerbern dieses Unternehmens auf dem Inlandsmarkt unter anderem aufgrund von Ausweichmöglichkeiten auf expandierende Auslandsmärkte nicht erkennbar.21 Im Ministererlaubnisverfahren „Kali + Salz/PCS“ wurde angenommen, dass Fusionen in der Regel eher größere Verluste von Arbeitsplätzen mit sich brächten als eine „Weiterführung von selbständigen Unternehmen im Wettbewerb“.22 Im Ministererlaubnisverfahren „Miba/Zollern“ finden sich weiterhin Ausführungen dahingehend, dass ein Aufbau bzw. Erhalt von Marktmacht langfristig eine Gefährdung von Arbeitsplätzen bei dem Unternehmen mit sich bringen könne, da Unternehmen wettbewerbsfähig am ehesten im Wettbewerb blieben.23 Außerdem verlaufe die Arbeitsplatzentwicklung nach einem Zusammenschluss zumeist nicht so, wie von den Unternehmen prognostiziert.24 Im Fall „Edeka/Tengelmann“ wurde eine Ministererlaubnis zwar unter anderem mit Verweis auf den Gemeinwohlgrund des Erhalts von Arbeitsplätzen und unter Verwendung von Nebenbestimmungen zunächst erteilt.25 Allerdings wandte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Hinblick auf die Entscheidung unter anderem ein, dass der Gemeinwohlgrund der Arbeitsplatzsicherung auf unvollständiger Tatsachengrundlage gewürdigt worden sei.26 In diesem Zusammenhang war das Gericht der Auffassung, dass in Bezug auf den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatzsicherung nur die insgesamt gesicherte Anzahl der Arbeitsplätze berücksichtigt werden könne, wenn bei einem Zusammenschlussbeteiligten sämtliche Arbeitsplätze erhalten blieben, während bei 19 Verfügung des BMWi vom 09.12.1981, I B 6 – 220840/50, WuW 2/1982, S. 163, 166, WuW-Entscheidungssammlung BWM 177, 180. 20 Verfügung des BMWi vom 09.12.1981, I B 6 – 220840/50, WuW 2/1982, S. 163, 166, WuW-Entscheidungssammlung BWM 177, 180. 21 Verfügung des BMWi vom 09.12.1981, I B 6 – 220840/50, WuW 2/1982, S. 163, 166, WuW-Entscheidungssammlung BWM 177, 180. 22 Verfügung des Bundesministers für Wirtschaft vom 22.07.1997, IB6-220840/112, WuW 9/1997, S. 743, 746, WuW-Entscheidungssammlung BWM 225, 228. 23 BMWi vom 19.08.2019 Rn. 224; vgl. auch Sondergutachten 81 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 GWB, 2019, Zusammenschlussvorhaben der Miba AG mit der Zollern GmbH & Co. KG Rn. 134, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s81_volltext_oeffentlich.pdf. 24 BMWi vom 19.08.2019 Rn. 224; vgl. auch Sondergutachten 81 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 GWB, 2019, Zusammenschlussvorhaben der Miba AG mit der Zollern GmbH & Co. KG Rn. 134, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s81_volltext_oeffentlich.pdf. 25 BMWi vom 09.03.2016 Rn. 212 ff., 290 ff. 26 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2016, Az. VI-Kart 3/16 (V) Rn 83, juris. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 044/21 Seite 8 dem anderen Unternehmen aufgrund der Fusion in erheblichem Umfang ein Stellenabbau erfolge .27 Im Fall „Babcock/Artos“ wurde eine Ministererlaubnis mit Blick auf den Gemeinwohlgrund der Arbeitsplatzsicherung erteilt.28 Auch die Monopolkommission schließt aus Erfahrungswerten, dass „Zusammenschlüsse in aller Regel nicht geeignet“ seien, eine langfristige Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze zu erreichen.29 Zusammenschlüsse könnten einen Nachfragerückgang nicht ausgleichen und machten erforderliche Rationalisierungsmaßnahmen, in deren Rahmen auch eine „Freisetzung von Arbeitskräften“ erfolgen könne, nicht überflüssig.30 Wettbewerbsbeschränkungen sind nach Auffassung der Monopolkommission lediglich dann aus Gründen der Arbeitsplatzsicherung gerechtfertigt, wenn eine langfristige strukturelle Arbeitslosigkeit verhindert werde und sonstige wettbewerbskonformere staatliche Abhilfemaßnahmen nicht verfügbar seien.31 Sofern lediglich eine vorübergehende konjunkturelle Arbeitslosigkeit vermieden werde, sei dies kein hinreichender Rechtfertigungsgrund für eine Ministererlaubnis.32 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird das Argument, eine Ministererlaubnis mache einen fusionsbedingten Erhalt von Arbeitsplätzen möglich, kritisch bzw. mit Skepsis betrachtet.33 Die Ministererlaubnis könne in der Regel keine „strukturell-langfristige Arbeitsplatzsicherung“ 27 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2016, Az. VI-Kart 3/16 (V) Rn 90, juris; vgl. auch Thomas, in: Immenga /Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 79. 28 Vgl. (noch zu § 24 Abs. 3 GWB a. F.) Verfügung der BMWi vom 17.10.1976 – I B 6 – 221024/26, WuW 10/1977, S. 659, 660 ff., WuW-Entscheidungssammlung BWM 155, 156 ff. 29 Sondergutachten 70 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB (a.F.), 2015, Zusammenschlussvorhaben der Edeka Zentrale AG & Co. KG mit der Kaiser’s Tengelmann GmbH Rn. 227, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s70_volltext.pdf. 30 Sondergutachten 70 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB (a.F.), 2015, Zusammenschlussvorhaben der Edeka Zentrale AG & Co. KG mit der Kaiser’s Tengelmann GmbH Rn. 150, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s70_volltext.pdf. 31 Sondergutachten 81 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 GWB, 2019, Zusammenschlussvorhaben der Miba AG mit der Zollern GmbH & Co. KG Rn. 132, abrufbar unter https://www.monopolkommission .de/images/PDF/SG/s81_volltext_oeffentlich.pdf; vgl. auch Sondergutachten 34 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB (a. F.), 2002, Zusammenschlussvorhaben der E.ON AG mit der Gelsenberg AG und der E.ON AG mit der Bergemann GmbH Rn. 204, abrufbar unter https://www.monopolkommission .de/images/PDF/SG/s34_volltext.pdf. 32 Sondergutachten 36 der Monopolkommission gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB (a. F.), 2003, Zusammenschlussvorhaben der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG mit der Berliner Verlag GmbH & Co. KG Rn. 139, abrufbar unter https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/s36_volltext.pdf. 33 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 77, 80; vgl. auch Kallfaß, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Auflage 2018, § 42 GWB Rn. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 044/21 Seite 9 erreichen.34 Allenfalls könnten wettbewerbsbehindernde Fusionen branchenimmanent bevorstehende Umstrukturierungsprozesse hinausschieben, oder es ließe sich mittels (unzulässiger verhaltensbezogener ) Nebenbestimmungen künstlich ein kurzfristiger Kündigungsschutz bewirken.35 Der Zweck der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen werde „mit den Mitteln des Kartellrechts am besten“ anhand des Schutzes der Wettbewerbsfreiheit gefördert.36 Ein Schutz einzelner Arbeitnehmer sei am besten mittels des Individual- und Kollektivarbeitsrechts zu gewährleisten .37 *** 34 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 77. 35 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 77. 36 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 80. 37 Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, Band 3, § 42 GWB Rn. 80.