WD 7 - 3000 - 043/21 (11. Mai 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Aktuellen Presseberichterstattungen zur Folge bestehen bei der SCHUFA Holding AG („SCHUFA“) Überlegungen, Geschäftsanteile an einen Finanzinvestor zu veräußern. Unter Bezugnahme auf den vom Fachbereich WD 4 - Haushalt und Finanzen - zu der Thematik bereits erstellten Sachstand (WD 4 - 3000 - 043/21) soll nachfolgend ergänzend allgemein und überblicksartig der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit eine im staatlichen Eigentum stehende Gesellschaft durch staatliches Handeln bevorzugt werden kann, beispielsweise durch den Entzug der Geschäftserlaubnis konkurrierender Unternehmen. Die Teilnahme des Staates am Wirtschaftsverkehr ist nicht generell unzulässig. „Staatliche wirtschaftliche Tätigkeit mag zwar aus Sicht der Marktwirtschaft systemwidrig sein, dem Grundgesetz ist aber keine Aussage zu entnehmen, dass der Staat dann nicht tätig werden dürfe, wenn die Tätigkeit ebenso gut von Privaten erbracht werden kann. Aus der verfassungsrechtlichen Entscheidung für eine grundsätzlich staatsfreie Wirtschaft folgt nicht die Ausschließlichkeit privatwirtschaftlichen Handelns“ (vgl. etwa Di Fabio, Rn. 120). Sofern und soweit staatliche Wirtschaftstätigkeit zu Konkurrenzsituationen mit Privaten führt, kann dies jedoch deren grundrechtlich gewährleistete Rechte, insbesondere die über Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit, tangieren (vgl. Di Fabio, Rn. 119). Wann insoweit ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in den Schutzbereich vorliegt, ist nach der Rechtsprechung jedoch eine Frage der tatsächlichen Feststellungen im Einzelfall (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. März 1995). Demnach soll ein grundrechtlicher Abwehranspruch wegen eines Eingriffs in die Erwerbs- und Wettbewerbsfreiheit etwa in solchen Ausnahmefällen in Betracht kommen, wo „sich die öffentliche Hand bei der wirtschaftlichen Betätigung zu Lasten der privaten Konkurrenz nicht marktkonform verhält“ (vgl. Di Fabio, Rn. 121). Hiervon sei aber erst dann auszugehen, wenn das öffentliche Unternehmen eine Monopolstellung einnehme oder zumindest über einen unerträglichen Verdrängungswettbewerb die private Konkurrenz unmöglich mache oder diese vollständig auszehre (vgl. Di Fabio, Rn. 121, 122 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 1. März 1978). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Einzelfragen zu den Grenzen staatlicher Wirtschaftstätigkeit Kurzinformation Einzelfragen zu den Grenzen staatlicher Wirtschaftstätigkeit Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zur Wettbewerbsverzerrung durch Förderung privater Konkurrenten sei die Grenze verfassungsrechtlicher Zulässigkeit staatlicher Wirtschaftstätigkeit mithin jedenfalls dort zu ziehen, „wo die Möglichkeit des Konkurrenten, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich zu betätigen, entweder in einem unzumutbaren Maße eingeschränkt wird oder die Belastungswirkung für den Grundrechtsträger außer Verhältnis zu den Gründen des Gemeinwohls steht (Disproportionalität)“ (vgl. Di Fabio, Rn. 123). Zusammenfassend dürfte danach der staatlich veranlasste Entzug der Geschäftserlaubnis konkurrierender Unternehmen als verfassungsrechtlich unzulässige Ausübung staatlicher Wirtschaftstätigkeit anzusehen sein. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es auf dem Gebiet des Handels mit kreditrelevanten Informationen keineswegs zwingend geboten erscheint, aus Gründen des Gemeinwohls auf einen Wettbewerb zu verzichten, dürfte ein solcher Eingriff in die grundrechtlich geschützten Rechte von Mitbewerbern daher wohl unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu rechtfertigen sein. Quellen: – FAZ-Online vom 30. März 2021, „Gerüchte um Schufa-Verkauf“, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/finanzen /schufa-die-auskunftei-koennte-verkauft-werden-17269686.html (letzter Abruf dieses und aller weiteren Links am 11. Mai 2021). – Wissenschaftliche Dienste, WD 4 - 3000 - 043/21, „Zur Möglichkeit einer Beteiligung des Bundes an der SCHUFA“. – Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 93. EL Oktober 2020, Kommentierung zu Art. 2 Abs. 1 GG. – GG: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/. – BVerwG, Beschluss vom 21. März 1995, Az.: 1 B 211/94, NJW 1995, 2938. – BVerwG, Beschluss vom 1. März 1978, Az.: 7 B 144/76, NJW 1978, 1539. * * *