Ausnahmegenehmigung und Befreiung vom Bebauungsplan in Bezug auf die Informationsfreiheit - Sachstand - © 2008 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 043/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Ausnahmegenehmigung und Befreiung vom Bebauungsplan in Bezug auf die Informationsfreiheit Sachstand WD 7 - 3000 - 043/08 Abschluss der Arbeit: 05.03.2008 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Festsetzungen des Bebauungsplanes 3 2. Abweichungen vom Bebauungsplan 3 2.1. Ausnahme 3 2.2. Befreiung 3 3. Informationsfreiheit als Abweichungsgrund 4 - 3 - 1. Festsetzungen des Bebauungsplanes Das Anbringen von kleineren Satellitenschüsseln an Gebäuden zum Empfang von Fernseh - und Radioprogrammen ist in Deutschland grundsätzlich nicht genehmigungspflichtig . Welche Ausmaße eine Parabolantenne annehmen muss, damit sie genehmigungspflichtig wird, legen die jeweiligen Landesbauordnungen fest. Nach § 10 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB)1 beschließt die Gemeinde den Bebauungsplan als Satzung. In einem Bebauungsplan kann jedoch nach § 1 Abs. 5 und 9 Baunutzungsverordnung (BauNVO)2 festgesetzt werden, dass bestimmte Arten der Nutzung und bestimmte bauliche oder sonstige Anlagen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauN- VO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, wenn die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Abweichungen vom Bebauungsplan sind gemäß §§ 30, 31 BauGB nur als Ausnahme und Befreiung zulässig. Das hat zur Konsequenz: Sofern ein Bebauungsplan besteht, der das Anbringen von Satellitenschüsseln ausschließt, können diese nur mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung oder Befreiung an einem Gebäude installiert werden . 2. Abweichungen vom Bebauungsplan Als Abweichungen vom Bebauungsplan kommt neben der Ausnahme auch die Befreiung in Betracht. 2.1. Ausnahme Eine Ausnahme vom Bebauungsplan kann nur dann zugelassen werden, wenn sie im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. § 31 Abs. 1 BauGB). Ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, richtet sich dementsprechend immer im Einzelfall nach dem Bebauungsplan. 2.2. Befreiung Die gesetzlichen Ermächtigungen zur Erteilung einer Befreiung ergeben sich aus den Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung und des BauGB. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann eine derartige Befreiung erteilt werden, wenn - Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder - die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316). 2 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132), geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. April 1993 (BGBl. I S. 466). - 4 - - die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde. Des Weiteren setzt § 31 Abs. 2 BauGB bei allen Befreiungstatbeständen voraus, dass - die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und - die Abweichung auch unter Würdigung nachbarrechtlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Landesbauordnungen formulieren zumeist entsprechende Befreiungstatbestände, wie beispielsweise § 56 Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO)3. Die Entscheidung über eine Ausnahme liegt im jeweiligen Ermessen der zuständigen Behörde.4 3. Informationsfreiheit als Abweichungsgrund Da die Entscheidung der Behörde in ihrem eigenen Ermessen liegt, kann grundsätzlich nur anhand des Einzelfalls entschieden werden, ob eine Befreiung zu erteilen ist. Fraglich ist allerdings, ob das Ermessen der Behörde durch das Recht auf Informationsfreiheit der Anwohner des Baugebietes auf Null reduziert sein kann. Die grundrechtlich geschützte Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz [GG]5) gewährleistet das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.6 Hörfunk und Fernsehen sind zu diesen Quellen zu zählen.7 Bislang existiert keine Rechtssprechung zu der Frage, ob eine Befreiung aufgrund der Informationsfreiheit zur Errichtung einer Satellitenschüssel erteilt werden kann oder muss. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch entschieden, dass Vermieter das Anbringen von Satellitenschüsseln zu dulden haben, wenn ein in Deutschland lebender Ausländer nur auf diese Weise hinreichende Informationen aus seinem Heimatland erlangen kann.8 Man könnte nun diese Abwägung auch auf den Fall übertragen, dass dem Anwohner das Aufstellen der Satellitenschüssel aufgrund eines Bebauungsplanes nicht gestattet ist. Sofern das im Bebauungsplan ausgewiesene Planungsgebiet über eine ausreichende Versorgung an Kabelfernsehen und -radio mit den jeweiligen 3 Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) vom 8. August 1995, zuletzt geändert durch Artikel 12 der Verordnung vom 25. April 2007 (GBl. S. 252, 253). 4 BVerwG, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1986, 1273 (1274); Bönker, Christian, Öffentliches Baurecht, 3. Auflage 2004, § 7 Rn. 74. 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034). 6 BVerfGE 103, 44 (60). 7 BVerfGE 90, 27 (32). 8 BVerfG, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1994, 2143. - 5 - ausländischen Sendern gewährleistet, kann nicht von einer so schweren Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ausgegangen werden, dass das Ermessen der zuständigen Behörde auf Null reduziert ist. Folgt man diesem Gedanken, besteht zumindest bei ausländischen Anwohnern die Möglichkeit, dass vom Bebauungsplan im Zusammenhang mit der Informationsfreiheit eine Befreiung erteilt werden kann. Inwiefern die Informationsfreiheit tatsächlich eine Ausnahme ermöglicht, muss jedoch sowohl bei deutschen als auch bei ausländischen Anwohnern jeweils im Einzelfall geprüft werden.