© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 042/21 Die Strafbarkeit der Kritik am Staatsoberhaupt Überblick über die deutsche und internationale Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 2 Die Strafbarkeit der Kritik am Staatsoberhaupt Überblick über die deutsche und internationale Rechtslage Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 042/21 Abschluss der Arbeit: 11. Mai 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtslage in Deutschland 4 2.1. Beleidigungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) 4 2.1.1. § 185 StGB 5 2.1.2. § 188 StGB 8 2.2. Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) 9 3. Rechtslage in anderen Staaten 11 3.1. OSZE-Staaten 12 3.1.1. Strafbarkeit in Bezug auf monarchische Staatsoberhäupter 13 3.1.2. Strafbarkeit in Bezug auf nichtmonarchische Staatsoberhäupter 14 3.2. Weitere Staaten 15 4. Fazit 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden mit der Prüfung der Frage beauftragt, inwieweit die Kritik am eigenen Staatsoberhaupt in Deutschland und anderen Staaten mit Strafe bedroht ist und nach welchen Vorschriften sich dies richtet. 2. Rechtslage in Deutschland Auch wenn im Grundgesetz (GG)1 nicht ausdrücklich festgeschrieben, ist der Bundespräsident das verfassungsmäßige Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland.2 Kritik an diesem kann – je nach Einzelfall – Beleidigungsdelikte (§ 185 ff. Strafgesetzbuch (StGB)3) oder das spezielle Delikt der „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ (§ 90 StGB) erfüllen. Im Folgenden werden Einzelaspekte dieser Tatbestände schlaglichtartig beleuchtet: 2.1. Beleidigungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) Grundlegend für die Beleidigungsdelikte ist die Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil.4 Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Gehalt einer objektiven Klärung in wahr oder unwahr zugänglich ist.5 Um bloße Werturteile handelt es sich dagegen, wenn die Äußerung durch Elemente der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist und deshalb nicht wahr oder unwahr, sondern je nach der persönlichen Überzeugung nur falsch oder richtig sein kann.6 Trotz der begrifflich klaren Unterscheidungskriterien ist die Grenze zwischen Tatsachenaussage und Werturteil vielfach fließend, weil eine Tatsachenbehauptung zugleich eine Bewertung enthalten kann. Umgekehrt können Äußerungen, die sprachlich als Werturteil zu qualifizieren sind, Angaben tatsächlicher Art beinhalten.7 Zur Abgrenzung hat sich in der Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt.8 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 11. Mai 2021) 2 Siehe nur Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 10. Juni 2014 – 2 BvE 2/09 –, Randnummer 94 (zitiert nach juris). 3 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 441) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/. 4 Vgl. statt vieler Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 68. Auflage 2021, § 185 StGB, Randnummer 5. 5 Vgl. statt vieler Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB – Kommentar, 30. Auflage 2019, § 186 StGB, Randnummer 3 mit weiteren Nachweisen. 6 Ebenda mit weiteren Nachweisen. 7 Ebenda, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen. 8 Überblick ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 5 Soweit die Kritik am Staatsoberhaupt in Rede steht, werden hierunter im Rahmen dieses Gutachtens lediglich Werturteile verstanden. Diese Eingrenzung orientiert sich an dem Begriff der „Kritik “, dem etwa laut Duden ein eher wertender Charakter zugeschrieben wird, im Sinne von „prüfende Beurteilung und deren Äußerung in entsprechenden Worten“9 oder „Beanstandung, Bemängelung “.10 Eine definitive Eingruppierung einer Äußerung als Werturteil oder Tatsachenbehauptung bleibt jedoch dem Einzelfall vorbehalten. Im Bereich der Beleidigungsdelikte können Werturteile primär nur unter den Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) und insbesondere nicht unter die Straftatbestände der üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder der Verleumdung (§ 187 StGB) gefasst werden. Denn letztere beziehen sich bereits nach ihrem Wortlaut nur auf Tatsachenbehauptungen. 2.1.1. § 185 StGB § 185 StGB hat folgenden Wortlaut: „§ 185 Beleidigung Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“11 Ein Werturteil ist nach der Rechtsprechung nur beleidigend im Sinne von § 185 StGB, wenn hieraus ein Angriff auf die Ehre als Kundgabe eigener Miss- oder Nichtachtung folgt.12 Jedenfalls in seiner Eigenschaft als natürliche Person ist der Bundespräsident auch als Ehrträger geschützt.13 Ein Angriff auf die Ehre liegt vor, wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen minderten.14 Bei welchen Äußerungen dies genau der Fall ist, bleibt der richterlichen Auslegung einer Äußerung im Einzelfall vorbehalten. Allgemein besteht bei Werturteilen jedoch insbesondere ein 9 Duden (Internetausgabe), Stichwort „Kritik“, abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Kritik. 10 Ebenda. 11 § 185 StGB [Hervorhebungen diesseits]. 12 Zuletzt Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 2. November 2017 – 2 StR 415/17 –, Randnummer 13 (zitiert nach juris). 13 Zur Beleidigungsfähigkeit natürlicher Personen, Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 49. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 185 StGB, Randnummern 5 ff. 14 BGH (Fußnote 12), ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 6 Spannungsfeld zum Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).15 Denn Werturteile sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ungeachtet ihres möglicherweise polemischen, verletzenden oder ehrschmälernden Charakters in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen.16 Infolgedessen verlangt das Gericht – ebenfalls in ständiger Rechtsprechung – bei der Auslegung eines Werturteils im Rahmen der Prüfung von § 185 StGB grundsätzlich eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen.17 Abweichend davon tritt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise nur bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde eines anderen antasten, die sich als Formalbeleidigung oder als Schmähung (Schmähkritik) darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf.18 Wann Äußerungen solche Merkmale erfüllen, ist ebenfalls bereits in zahlreichen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen erörtert worden.19 Speziell auf die Tatbestandsmäßigkeit einer „Kritik “ bezogen, macht danach beispielsweise auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, so dass selbst für eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine vorherige Abwägung erforderlich ist.20 Die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden.21 Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.22 Stets zu berücksichtigen sind Anlass und Kontext der Äußerung.23 In Fällen der Formalbeleidigung ist dagegen das Kriterium der Strafbarkeit nicht der fehlende Sachbezug einer Herabsetzung, sondern kontextunabhängig die Verwendung einer gesellschaftlich absolut missbilligten und tabuisierten Begrifflichkeit (z. B. schwerwiegende Schimpfwörter, Fäkalsprache) und damit die spezifische Form dieser Äußerung.24 15 Vgl. speziell für die Beleidigungsdelikte auch § 193 StGB. 16 Zuletzt BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, Randnummer 12 mit weiteren Nachweisen (zitiert nach juris). 17 Ebenda, Randnummer 15 mit weiteren Nachweisen. 18 Ebenda mit weiteren Nachweisen. 19 Überblick ebenda, Randnummern 17 ff. 20 Ebenda, Randnummer 18. 21 Ebenda. 22 Ebenda. 23 Ebenda. 24 Ebenda, Randnummer 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 7 Soweit im Einzelfall keine Schmähkritik, Formalbeleidigung oder Menschenwürdeverletzung gegeben sind, ist bei der dann nötigen Abwägung zwischen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit das Gewicht der letzteren umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht.25 Bei der Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist zudem davon auszugehen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet .26 Bei Beiträgen zur öffentlichen Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage postuliert das BVerfG sogar eine Vermutung für die freie Rede in dem Sinne, dass eine Abwägung zugunsten des Ehrschutzes einer besonderen Begründung bedarf.27 Aus der Rechtsprechung des BVerfG folgern viele rechtswissenschaftliche Literaturstimmen, dass „politische Kritik“, auch in scharfer Form, grundsätzlich nicht strafbar ist.28 Folgt man der oben darlegten Position des Gerichts, dürfte die Grenze zur Beleidigungsstrafbarkeit aber jedenfalls bei der Schmähkritik, Formalbeleidigung bzw. einem Angriff auf die Menschenwürde erreicht sein. Ansonsten bedarf es stets der Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Kriterien. Sofern parlamentarische Äußerungen von Mitgliedern des Bundestages im Bundestag oder einem seiner Ausschüsse betroffen sind, ist zudem der Strafausschließungsgrund der Indemnität zu beachten .29 Geschützt sind dabei grundsätzlich Äußerungen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit im Plenum, den Fachausschüssen, im Präsidium oder dem Ältestenrat.30 Nicht erfasst sind jedoch „verleumderische Beleidigungen“.31 Hierunter fallen unstreitig die Verleumdung (§ 187 StGB) und verwandte Delikte.32 Soweit eine im genannten Rahmen geäußerte 25 Ebenda, Randnummer 29. 26 Ebenda, Randnummern 30 ff. 27 Ebenda, Randnummer 16. 28 Vgl. etwa Steinmetz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Band 3, § 90 StGB, Randnummer 15; Paeffgen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch – Kommentar, 5. Auflage 2017, § 90 StGB, Randnummer 4; Steinsiek, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2021, Band 7, § 90 StGB, Randnummer 3 mit weiteren Nachweisen. Ähnlich für § 90 StGB (damals § 95 StGB) auch bereits BGH, Urteil vom 1. Dezember 1961 – 3 StR 38/61 –, Randnummer 7 (zitiert nach juris). 29 Art. 46 Abs. 1 GG. Einfachgesetzlich in § 36 StGB geregelt. 30 Joecks/Gazeas, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, Band 1, § 36 StGB, Randnummern 10 ff. 31 Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 36 Satz 2 StGB. 32 Etwa § 188 Abs. 2 Alternative 2 oder § 90 Abs. 3 Halbsatz 1 StGB (Joecks/Gazeas, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, Band 1, § 36 StGB, Randnummern 20 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 8 Kritik am Bundespräsidenten im Einzelfall als ehrverletzendes Werturteil gemäß § 185 StGB aufzufassen wäre, dürfte sich die Indemnität somit auf dieses Delikt erstrecken.33 Die Indemnität schließt im Übrigen zwar eine Strafverfolgung außerhalb des Parlaments aus, nicht jedoch innerparlamentarische Ordnungsmaßnahmen.34 Die Beleidigung wird grundsätzlich nur nach Stellung eines Strafantrages verfolgt („absolutes Antragsdelikt“).35 Soweit der Bundespräsident als natürliche Person betroffen wäre, stünde ihm als Verletzten nach allgemeinen Regeln das Strafantragsrecht zu.36 2.1.2. § 188 StGB Mit dem am 3. April 2021 in Kraft getretenen „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“37 kann die Begehung von Beleidigungen gegenüber Personen des politischen Lebens nun über § 188 Abs. 1 StGB verschärft bestraft werden: „§ 188 Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung (1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine Beleidigung (§ 185) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren , so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das politische Leben des Volkes reicht bis hin zur kommunalen Ebene. (2) Unter den gleichen Voraussetzungen wird eine üble Nachrede (§ 186) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren und eine Verleumdung (§ 187) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“38 Zuvor bezog sich diese Qualifikation nur auf üble Nachreden und Verleumdungen (nunmehr in Abs. 2 geregelt) und somit lediglich auf Tatsachenbehauptungen.39 Zu den „im politischen Leben 33 So allgemein für Ehrverletzungen, Grube, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2019, Band 3, § 36 StGB, Randnummer 48. 34 Joecks/Gazeas, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, Band 1, § 36 StGB, Randnummer 27a. 35 § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die Einzelheiten zum Strafantrag sind in §§ 77 ff. StGB und § 158 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. 36 Vgl. § 77 Abs. 1 StGB. 37 BGBl. I S. 441 in Verbindung mit Art. 15 Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 (BGBl. I S. 448). 38 § 188 StGB [Hervorhebungen diesseits]. 39 Überblick zu den aktuellen Gesetzesänderungen bei Simon, Das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, Juristische Rundschau (JR) 2020, S. 599 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 9 des Volkes stehenden Personen“ gehört unstreitig auch der Bundespräsident.40 Geschützt wird hierbei jedoch nicht das politische Amt als solches, sondern nur der Amtsinhaber als Person.41 Liegt ein Fall des § 188 StGB vor, besteht ebenfalls seit dem 3. April 2021 die Besonderheit, dass es keines Strafantrages des Verletzten (hier: die Person des Bundespräsidenten) mehr bedarf, sofern die zuständige Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.42 Der Verletzte kann in diesen Fällen jedoch der Strafverfolgung widersprechen.43 2.2. Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) Amt und Person des Bundespräsidenten werden darüber hinaus für die Dauer seiner Amtszeit durch § 90 StGB („Verunglimpfung des Bundespräsidenten“) geschützt.44 Wie die Verortung der Vorschrift im Titel der Delikte der „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“ (§§ 84 ff. StGB) preisgibt, steht dahinter – anders als bei den ehrschützenden Beleidigungsdelikten – jedoch der Schutz des Staates und seiner verfassungsmäßigen Ordnung.45 Der Tatbestand lautet wie folgt: „§ 90 Verunglimpfung des Bundespräsidenten (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn nicht die Voraussetzungen des § 188 erfüllt sind. (3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Tat eine Verleumdung (§ 187) ist oder wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt. 40 Vgl. statt vieler Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 49. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 188 StGB, Randnummer 4. 41 Ebenda, Randnummer 1 mit weiteren Nachweisen. 42 § 194 Abs. 1 Satz 3 StGB. 43 § 194 Abs. 1 Satz 4 StGB. 44 Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 49. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 90 StGB, Randnummer 1. 45 Steinmetz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Band 3, § 90 StGB, Randnummer 1; Steinsiek , in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2021, Band 7, § 90 StGB, Randnummer 1 – jeweils mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 10 (4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt.“46 Die Vorschrift wurde 1951 in das StGB eingefügt und seitdem in der Sache kaum verändert.47 Als inhaltliches Vorbild dienten dabei allerdings bereits Regelungen aus der Zeit der Weimarer Republik .48 Im Zentrum des Tatbestandes steht der auslegungsbedürftige Rechtsbegriff der „Verunglimpfung “. Nach dem Bundesgerichtshof (BGH) ist Verunglimpfen „eine nach Form, Inhalt, Begleitumständen oder Beweggrund erheblichere Ehrenkränkung, so dass geringere, unwesentliche Entgleisungen hier außer Betracht bleiben.“49 Die Definition ist dabei im Zusammenhang mit dem Ehrschutz der Beleidigungsdelikte aus §§ 185 ff. StGB zu sehen.50 Sofern ein Werturteil in Rede steht, richtet sich die Prüfung dementsprechend nach den bereits unter 2.1.1. aufgeführten Grundsätzen. Für eine Verunglimpfung müssen jedoch die in der Definition genannten zusätzlichen Umstände „qualifizierend“ hinzutreten.51 Aufgrund der bereits dargestellten hohen Hürden für eine Beleidigungsstrafbarkeit bei Werturteilen – insbesondere im politischen Meinungskampf – dürfte im Einzelfall eine trennscharfe Bestimmung des Erreichens dieser Erheblichkeitsschwelle schwerfallen.52 Aussagekräftige aktuelle Rechtsprechung hierzu ist nicht ersichtlich. Einige Literaturstimmen fordern in Ansehung des „staatsbezogenen“ Schutzzweckes von § 90 StGB (s.o.) als besonderes qualifizierendes Merkmal einer Verunglimpfung die Eignung der Berührung des Bundespräsidenten in seiner besonderen Stellung als Repräsentant des Staates.53 Entsprechend der auf den Beleidigungstatbeständen aufbauenden Anforderungen verdrängt § 90 StGB die §§ 185 bis 188 StGB als Spezialvorschrift.54 Soweit jedoch gleichzeitig § 188 StGB erfüllt ist, kann kein minder schwerer Fall angenommen werden (§ 90 Abs. 2 StGB). Zudem enthält 46 § 90 StGB [Hervorhebungen diesseits]. 47 Hartmann, Majestätsbeleidigung und Verunglimpfung des Staatsoberhauptes (§§ 94 ff. RStGB, 90 StGB) – Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert, 2006, S. 281 f. 48 Ebenda, S. 223, 279; Steinsiek, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2021, Band 7, § 90 StGB, Entstehungsgeschichte . 49 BGH (Fußnote 28), Randnummer 6 [Hervorhebungen diesseits. Rechtsprechungsnachweis aus dem Originalzitat entfernt]. Vgl. auch Steinmetz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Band 3, § 90 StGB, Randnummer 5. 50 Statt vieler Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 49. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 90 StGB, Randnummer 3. 51 Vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 28. Januar 1959 – 3 StR 41/58 –, Randnummer 4. 52 So auch Ziemann, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, „AnwaltKommentar StGB“, 3. Auflage 2020, Randnummer 4. 53 Zöller, in: Systematischer Kommentar zum StGB, 9. Auflage 2019, § 90 StGB, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen. 54 Statt vieler Valerius, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, 49. Edition (Stand: 1. Februar 2021), § 90 StGB, Randnummer 8. Vgl. auch BGH (Fußnote 28), Randnummer 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 11 § 90 Abs. 3 StGB eine Qualifikation. Dabei kann in der zweiten Alternative des Absatzes das Parteienprivileg (Art. 21 Abs. 2 GG) eine besondere Rolle spielen.55 Nicht gänzlich geklärt ist die Frage der Indemnität im Rahmen des Tatbestandes. Eindeutig ist, dass eine Verunglimpfung des Bundespräsidenten nicht in deren Schutzbereich fällt, soweit hierhinter eine Verleumdung steht.56 Dies kann Verunglimpfungen nach § 90 Abs. 1 und Abs. 3 Alternative 1 StGB betreffen. Ohne dass der Wortlaut der Indemnitätsregelungen dies anzeigen würde, wollen einzelne Stimmen in der Rechtswissenschaft den Anwendungsbereich zudem auf Ehrschutzdelikte beschränken und dabei explizit § 90 StGB aufgrund des dort zusätzlich vermittelten Ämterschutzes (s.o.) vom Anwendungsbereich ausnehmen.57 Diese Ansicht wird von der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum jedoch nicht geteilt.58 Klärende Rechtsprechung zu diesem Punkt ist nicht ersichtlich. Die Strafverfolgung bedarf zudem der Ermächtigung durch den Bundespräsidenten (§ 90 Abs. 4 StGB). Die Ermächtigung ist dabei nicht mit dem Strafantrag (z.B. bei den Beleidigungsdelikten) zu verwechseln.59 Die Ermächtigung unterscheidet sich vom Strafantrag dadurch, dass bei der Ermächtigung die Initiative regelmäßig bei der Strafverfolgungsbehörde und nicht beim Verletzten liegt,60 der Ermächtigung sozusagen eine lediglich „absegnende“ Funktion zukommt. Anders als der Strafantrag ist die Ermächtigung auch form- und fristfrei.61 3. Rechtslage in anderen Staaten Wie die Darstellung der ausdifferenzierten Rechtsprechung in 2.1.1. zur Frage der Zulässigkeit (politischer) Kritik zeigt, bedarf die Antwort auf die Frage, inwieweit das Kritisieren des Staatsoberhauptes in anderen Staaten strafbar ist, der tiefergehenden Auseinandersetzung mit einer Rechtsordnung. Dies kann für fremde Rechtsordnungen durch die Wissenschaftlichen Dienste nicht in Eigenrecherche geleistet werden. In absprachegemäßer Eingrenzung des Auftrages erfolgt stattdessen eine überblicksartige Auswahl von Staaten, bei denen öffentlich zugängliche Quellen auf in Betracht kommende Strafbarkeiten hinweisen. Soweit somit im Folgenden Rechtsbegriffe wie „Beleidigung“ verwendet werden, darf dies nicht mit dem Verständnis von deren Reichweite 55 Näher Steinmetz, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Band 3, § 90 StGB, Randnummer 22. 56 Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 36 Satz 2 StGB. 57 Grube, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage 2019, Band 3, § 36 StGB, Randnummer 48. 58 Aktueller Überblick zum Meinungsstand bei Joecks/Gazeas, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, Band 1, § 36 StGB, Randnummern 24 f. 59 Die Ermächtigung ist in § 77e StGB geregelt, wobei auf einzelne Vorschriften des Strafantragsrechts verwiesen wird. 60 Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB – Kommentar, 30. Auflage 2019, § 77e StGB, Randnummer 2. 61 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 12 nach deutschem Recht gleichgesetzt werden. Solche Begriffe können entsprechend nur näherungsweise übersetzt werden.62 3.1. OSZE-Staaten Gemäß einer Studie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus dem Jahr 2017 existieren in 24 der 57 OSZE-Teilnehmerstaaten63 Strafvorschriften zum Schutz der jeweiligen Staatsoberhäupter vor Beleidigungen u. ä.64 Neben Deutschland existieren hiernach vergleichbare Regelungen in folgenden OSZE-Staaten (Stand: März 2017):65 - Andorra - Aserbaidschan - Belarus - Belgien - Dänemark - Griechenland - Island - Italien - Kasachstan - Malta - Monaco - Niederlande - Polen - Portugal - San Marino - Slowenien - Spanien - Schweden - Tadschikistan - Türkei - Turkmenistan - Usbekistan - Vatikanstadt In manchen der Staaten beziehen sich die Strafvorschriften dabei im Sinne einer „Majestätsbeleidigung “66 gegen ein dort existierendes monarchisches Staatsoberhaupt.67 In den sonstigen Staaten ist die Strafbarkeit allgemein auf das (in aller Regel republikanische) Staatsoberhaupt bezogen.68 62 Bei Quellen im englischen Original erfolgte im Übrigen eine eigene Arbeitsübersetzung des Fachbereiches ins Deutsche. 63 Die OSZE-Teilnehmerstaaten liegen dabei auf den Kontinenten Asien, Europa und Nordamerika. Eine vollständige Staatenübersicht findet sich unter: https://www.osce.org/de/participating-states. 64 OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Defamation and Insult Laws in the OSCE Region: A Comparative Study, 7. März 2017, S. 16, abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.osce.org/fom/303181. 65 Ebenda. 66 Im englischen Sprachgebrauch wird dabei für als strafwürdig erachtete Äußerungen auch gegenüber nichtmonarchischen Staatsoberhäuptern der Begriff lèse-majesté oder anglisiert lese majesty (dt.: „Majestätsbeleidigung “) allgemein gebraucht (vgl. etwa Collins Dictionary, Stichwort „lèse-majesté“, abrufbar unter: https://www.collinsdictionary.com/dictionary/english/lese-majeste). 67 So in Belgien, Dänemark, Schweden, Spanien, den Niederlanden und Monaco (OSZE-Bericht (Fußnote 64), S. 17). 68 Neben Deutschland ist dies in Andorra, Aserbaidschan, Belarus, Griechenland, Island, Italien, Kasachstan, Malta, Polen, Portugal, San Marino, Slowenien, Tadschikistan, der Türkei, Turkmenistan, Usbekistan und der Vatikanstadt der Fall (ebenda). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 13 In allen betroffenen Staaten besteht darüber hinaus die Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe .69 In aller Regel übertrifft auch die angedrohte Strafe die unter Umständen für vergleichbare Handlungen gegenüber sonstigen Personen vorgesehenen Sanktionen.70 Aufgrund der Vielzahl an Rechtsordnungen wird in der Folge lediglich die Rechtslage ausgewählter EU-Staaten und der Türkei im Wesentlichen auf Basis des OSZE-Berichtes summarisch dargestellt. 3.1.1. Strafbarkeit in Bezug auf monarchische Staatsoberhäupter In Belgien wird die öffentliche Beleidigung der Person des Königs nach Art. 1 des Gesetzes vom 6. April 1847 über Straftaten gegenüber dem König grundsätzlich mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe bestraft.71 In den skandinavischen Ländern Dänemark und Schweden stellt die Majestätsbeleidigung jeweils eine Qualifikation zu allgemeinen Beleidigungsdelikten dar. In Dänemark wird die reguläre Beleidigungsstrafbarkeit gemäß Art. 115 Abs. 1 des dänischen Strafgesetzbuches verdoppelt (somit bis zu vier Jahre Freiheitsstrafe).72 In Schweden ist nach Kapitel 18 Artikel 2 des dortigen Strafgesetzbuches grundsätzlich die gleiche Höchststrafe wie in Dänemark möglich, die jedoch in schweren Fällen auf bis zu sechs Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden kann.73 Die absichtliche Beleidigung u. a. des niederländischen Königs wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft (Art. 111 niederländisches Strafgesetzbuch).74 Daneben wird die Veröffentlichung oder Verbreitung von den König beleidigenden Materiales, z. B. Bilder, mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet (Art. 113 Abs. 1 und 2 niederländisches Strafgesetzbuch).75 In Spanien wird die Verleumdung oder Beleidigung des Königs und weiterer Mitglieder der königlichen Familie (inklusive Vorfahren) mit sechs bis zwölf Monaten, in schweren Fällen bis zu 69 Ebenda. 70 Ebenda, S. 17. 71 Ebenda, S. 58. 72 Ebenda, S. 84. 73 Ebenda, S. 223. 74 Ebenda, S. 174. 75 Ebenda, S. 175. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 14 zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft (Art. 490 Abs. 3 spanisches Strafgesetzbuch).76 Letztere Maximalstrafe gilt ebenfalls bei Verwendung eines Bildes der vorgenannten Person, das geeignet ist, das Ansehen der Krone zu beschädigen (Art. 491 Abs. 2 spanisches Strafgesetzbuch).77 3.1.2. Strafbarkeit in Bezug auf nichtmonarchische Staatsoberhäupter Die Beleidigung des bzw. die üble Nachrede über den griechischen Staatspräsidenten wird im griechischen Strafgesetzbuch nach Art. 168 Abs. 2 mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten verfolgt .78 Damit liegt die Strafbarkeit ausnahmsweise unter der allgemeinen Strafbarkeit für solche Delikte in Griechenland.79 Die griechische Verfassung gestattet zudem in Art. 14 Abs. 3b die Beschlagnahme von den Präsidenten beleidigenden Materials.80 In Italien wird die Verletzung der Ehre oder des Ansehens des italienischen Staatspräsidenten gemäß Art. 278 des italienischen Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.81 Die öffentliche Beleidigung des polnischen Präsidenten stellt gemäß Art. 135 Abs. 2 des polnischen Strafgesetzbuches eine Straftat dar, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.82 Art. 328 des portugiesischen Strafgesetzbuches stellt die Beleidigung oder Verleumdung des portugiesischen Staatspräsidenten mit bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe unter Strafe.83 Sofern dies öffentlich oder durch die Medien geschieht, erhöht sich die Strafe auf mindestens sechs Monate bis drei Jahre Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von mindestens sechzig Tagessätzen.84 76 Ebenda, S. 217. 77 Ebenda. 78 Ebenda, S. 107. 79 Ebenda, S. 17. 80 Ebenda, S. 107. 81 Ebenda, S. 122. 82 Ebenda, S. 181. 83 Ebenda, S. 187. 84 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 15 In Slowenien wird gemäß Art. 163 des dortigen Strafgesetzbuches die Beleidigung, üble Nachrede , Verleumdung, Schmähung und falsche Verdächtigung des slowenischen Präsidenten als Straftat mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verfolgt.85 In der Türkei wird jede Beleidigung des türkischen Präsidenten gemäß Art. 299 des türkischen Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von ein bis vier Jahren geahndet; erfolgt die Beleidigung in der Öffentlichkeit, wird die Strafe um ein Sechstel erhöht.86 Die Strafverfolgung hängt dabei allerdings von der Ermächtigung des türkischen Justizministers ab.87 Internationale Aufmerksamkeit erlangte dabei zuletzt die vermehrte Anwendung des Tatbestandes in der Praxis.88 3.2. Weitere Staaten Außerhalb des OSZE-Raumes existieren ähnliche spezifische Strafvorschriften beispielsweise in Thailand, Kambodscha, Jordanien, Kuwait und Nordkorea.89 In der Berichterstattung oftmals hervorgehoben wird dabei die Rechtslage in Thailand, wo gemäß Art. 112 des thailändischen Strafgesetzbuches u. a. für die Verleumdung des Königs, der Königin und des Thronfolgers eine Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren pro Tat festgesetzt ist.90 Gemäß Mitteilung des Auswärtigen Amtes (AA) werde der Tatbestand dabei in der Praxis weit ausgelegt.91 4. Fazit Die Person bzw. das Amt des Bundespräsidenten als deutschem Staatsoberhaupt wird vor verbalen Angriffen durch mehrere Strafvorschriften geschützt. Wann dabei die Kritik am Bundespräsidenten die Schwelle zur Strafbarkeit überschreitet, richtet sich im Einzelfall nach einer ausdifferenzierten Rechtsprechung, die insbesondere im politischen Meinungskampf den Schutz der 85 Ebenda, S. 212 f. 86 Ebenda, S. 237. 87 Art. 299 Abs. 3 türkisches Strafgesetzbuch, nicht offizielle englische Übersetzung abrufbar unter: https://www.legislationline.org/download/id/6453/file/Turkey_CC_2004_am2016_en.pdf (Stand: 15. Februar 2016). 88 Vgl. etwa Neue Zürcher Zeitung (Internetausgabe), „Ein deutscher Tourist wird am Flughafen in Antalya ausfällig und landet in Untersuchungshaft“, Artikel vom 2. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.nzz.ch/international /ein-deutscher-tourist-wird-am-flughafen-in-antalya-ausfaellig-und-landet-in-untersuchungshaftld .1589907. 89 United States Overseas Security Advisory Council (OSAC), „Lèse Majesté: Watching what you say (and type) abroad“, Artikel vom 29. August 2019, abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.osac.gov/Content/Report /e48a9599-9258-483c-9cd4-169f9c8946f5. 90 Art. 112 Thai Criminal Code, nicht offizielle englische Übersetzung abrufbar unter: https://www.thailandlawonline .com/laws-in-thailand/thailand-criminal-law-text-translation#chapter-1 (Stand: 2003). 91 AA, Thailand: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 3. Mai 2021, Stichwort „Majestätsbeleidigung“, abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/thailand-node/thailandsicherheit/201558. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 042/21 Seite 16 Meinungsfreiheit betont. Auch in vielen anderen Staaten untersteht das jeweilige Staatsoberhaupt einem im Einzelnen unterschiedlich ausgestalteten, besonderen strafrechtlichen Schutz vor verbalen Angriffen. * * *