WD 7 - 3000 - 042/20 (20.03.2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (AG), die ihre Pflichten gegenüber der AG verletzen , sind nach der Generalklausel des § 93 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet, vgl. § 93 AktG in der Fassung vom 06.09.1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2637), abrufbar unter (Stand: 19.03.2020): https://www.gesetze-im-internet .de/aktg/__93.html . Die dem Vorstandsmitglied auferlegten Pflichten können hierbei auf Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag beruhen. Zu den wichtigsten Pflichten gehören die Sorgfalts-, Treue- und Überwachungspflicht. Ein Vorstandsmitglied kann sich entweder allein oder zusammen mit anderen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern pflichtwidrig verhalten. Eine Pflichtverletzung kann dabei nicht nur durch eigenhändiges Tätigwerden oder Kollegialentscheidungen begangen werden, sondern auch dadurch, dass ein Vorstandsmitglied gegen pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder nicht einschreitet, Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, § 93 Rn. 167/168. Verschuldensmaßstab ist die Sorgfalt eines durchschnittlichen, ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitgliedes. Persönliche Unfähigkeit oder fachliche Unkenntnis vermögen den Betreffenden nicht zu entlasten, Fleischer, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Auflage 2019, § 93 Rn. 205 f. Die Haftung nach der Generalklausel beginnt in der Regel mit der Bestellung des Vorstandsmitglieds und seiner Annahme der Wahl. Sie endet mit der Beendigung des Amtes, sofern auch faktisch das Vorstandsmitglied keine organähnlichen Tätigkeiten mehr ausübt, Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, § 93 Rn. 12,13, 14; Fleischer, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Auflage 2019, § 93 Rn. 178 f. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Haftungsbegrenzung eines Vorstandes bei Schwanger- oder Mutterschaft Kurzinformation Haftungsbegrenzung eines Vorstandes bei Schwanger - oder Mutterschaft Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Das AktG sieht kein vorübergehendes Aussetzen der Vorstandstätigkeit während der Amtszeit vor, beispielswiese wegen Schwangerschaft oder Entbindung. Gesetzliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Mutterschutzes ist der Status als Arbeitnehmerin. Als Vorstand einer AG ist eine Person aber nicht Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeitsrechts, sondern als Organ der Gesellschaft zu betrachten, Kleber/Esskandari, in: Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort-Kommentar Arbeitsrecht 3. Auflage, Edition 11/2020, Rn. 14; Fleischer, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Auflage 2019, § 84 Rn. 29; Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, § 84 Rn. 60 f. Entscheidet sich das weibliche Vorstandsmitglied während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung zu stehen, ist von ihr zu erwarten, dass sie für die Erledigung der wesentlichen Aufgaben ihrer Organstellung Sorge trägt, indem sie diese erledigt oder durch Dritte erledigen lässt, vgl. Kruse/Stenslik, Mutterschutz für Organe von Gesellschaften? NZA 2013, 596 (598); Junker: Auswirkungen der neueren EuGH-Rechtsprechung auf das deutsche Arbeitsrecht; NZA 2011, 950. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) könnte im Anstellungsvertrag diskriminierungsfrei und europarechtskonform die Möglichkeit eröffnet werden , den gesetzlichen Mutterschutz für ein weibliches Vorstandsmitglied grundsätzlich für anwendbar zu erklären und mit entsprechenden Vertretungsregelungen auszugestalten. Inwieweit diese Vertretungsregelungen geeignet sind, die Haftung des Vorstandsmitgliedes zu modifizieren, hängt von den konkreten Verhältnissen in der Unternehmensstruktur der AG ab und bedarf einer näheren Ausgestaltung im einzelnen Anstellungsvertrag. Einer Modifikation der Haftung und schwangerschaftsbedingten Vertretungsregelung in einem derartigen Anstellungsvertrag steht aber wohl nach der aktienrechtlichen Kommentarliteratur das zurzeit geltende deutsche AktG entgegen, vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentarliteratur vor allem Spindler, in: Münchner Kommentar (MüKo) zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, § 76 Rn. 14, § 93 Rn. 27 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 4. Auflage 2019, § 93 Rn. 3 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 14. Auflage 2020, § 93 Rn. 2 ff.; Hölters, Aktiengesetz, 3. Auflage 2017, § 93 Rn. 11. Eine neuere Rechtsprechung deutscher Gerichte zu diesen Fragen liegt bisher ebenso wenig vor, wie eine Klarstellung durch den Gesetzgeber. Die Thematik bleibt daher Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion: vgl. Scherkamp, Warum eine Vorständin in der Babypause ihr Amt abgeben muss, Online -Magazin v. abrufbar unter (Stand: 23.03.2020): https://www.gruenderszene.de/business /vorstand-amt-mutterschutz-elternzeit; Horban, Ist das Mutterschutzgesetz noch zeitgemäß ?, Der Tagesspiegel vom 09.03.2020, abrufbar unter (Stand: 23.03.2020): https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/debatte-um-westwing-gruenderin-ist-das-mutterschutzgesetz -noch-zeitgemaess/25626176.html . Kurzinformation Haftungsbegrenzung eines Vorstandes bei Schwanger - oder Mutterschaft Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 ***