© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 041/21 Die Grundbucheinsicht nach § 12 GBO durch Pressevertreter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 2 Die Grundbucheinsicht nach § 12 GBO durch Pressevertreter Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 041/21 Abschluss der Arbeit: 19. April 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Berechtigtes Interesse 4 2.1. Grundsatz 4 2.2. Antragstellung durch Pressevertreter 5 3. Umfang des Anspruchs 6 4. Offenlegung der antragstellenden Person gegenüber dem Eigentümer 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 4 1. Einleitung Das Grundbuch hat die Aufgabe, dem Immobiliarverkehr eine sichere Grundlage zu geben, indem es klar und übersichtlich über den dinglichen Rechtszustand an Grundstücken Auskunft gibt.1 Diese Aufgabe kann es nur erfüllen, wenn es öffentlich zugänglich ist.2 Ein solcher Zugang betrifft allerdings im Hinblick auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG3 stets auch Interessen und Rechtspositionen der von der jeweiligen Eintragung betroffenen Person.4 Um diese regelmäßig widerstreitenden Interessen zum angemessenen Ausgleich zu bringen, trifft § 12 GBO5 die Regelung, dass die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt.6 2. Berechtigtes Interesse 2.1. Grundsatz Wie das „berechtigte Interesse“ im Sinne von § 12 GBO zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung.7 Nach herrschender Meinung ist erforderlich – aber auch ausreichend – ein „verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse“8 („qualifiziertes Interesse“9). Damit erfolgt eine Abgrenzung sowohl zu einer sehr liberalen, dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen nicht hinreichend Rechnung tragenden Auslegung hin, wonach jedwedes 1 Schöner/Stöber, in: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rn. 2. 2 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO vor Rn. 1; Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, 8. Auflage 2019, § 12 Rn. 2. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. 4 BGH, Beschluss vom 09.01.2020 – V ZB 98/19, Rn. 17; Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO vor Rn. 1; Schöner/Stöber, in: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rn. 524a. 5 Grundbuchordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1114), die zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert worden ist. 6 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO vor Rn. 1. 7 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 1 8 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 2 m.w.N. 9 Lüghausen, Einsichtnahme in öffentliche Register durch die Presse und deren Voraussetzungen, AfP 2013, 94. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 5 behauptete Interesse hinreichte, als auch zu einer sehr strikten Auslegung, wonach nur einsichtsberechtigt wäre, wer in Bezug auf das im Grundbuch Verlautbarte rechtlich zu handeln beabsichtigte 10, da letzteres die Publizität des Registers zu sehr einschränken würde.11 Nach der herrschenden Meinung kann mithin auch „ein tatsächliches, wirtschaftliches oder öffentliches Interesse … das Recht auf Einsichtnahme begründen, sofern zur Überzeugung des Grundbuchamtes die Berechtigung des geltend gemachten Interesses dargelegt ist (BayObLG BWNotZ 1991, 144). Die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier muss ausgeschlossen erscheinen (OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 08478; Demharter Rn. 7). In den meisten Fällen wird sich an die Einsichtnahme auch eine rechtliche Handlungsabsicht knüpfen, zwingend ist dies jedoch nicht. Nicht gefolgt werden kann insofern der Ansicht, die über die Darlegung eines verständigen, durch die Sachlage gerechtfertigten Interesses hinaus auch eine rechtliche Handlungsabsicht verlangt (so Meikel GBO/Böttcher Rn. 6 sowie Melchers Rpfleger 1993, 311; aA Demharter Rn. 7). Im Ergebnis liefe dies auf ein rechtliches Interesse hinaus. Ein Ergebnis, welches der Gesetzgeber gerade nicht wollte, als er sich für den Begriff des ‚berechtigten Interesses‘ entschied, wie ein Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt.“12 2.2. Antragstellung durch Pressevertreter Für die Einsichtnahme durch Pressevertreter sind die unter dem vorstehenden Gliederungspunkt dargelegten allgemeinen Grundsätze wiederholt Gegenstand gerichtlicher, insbesondere auch höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen und insoweit mehrfach ausdifferenziert und präzisiert worden.13 Hiernach gilt im Wesentlichen Folgendes: – Ein berechtigtes Interesse liegt aufgrund der tangierten Persönlichkeitsrechte in der Regel nicht vor, wenn die Einsichtnahme nur einer Berichterstattung dienen soll, die eine in der Öffentlichkeit vorhandene Neugierde und Sensationslust befriedigen soll.14 – „Mit einem lediglich allgemein gehaltenen Rechercheinteresse, namentlich mit einer noch nicht auf einen konkreten Verdacht bezogenen Hintergrundrecherche, kann auch ein Journalist ein berechtigtes Interesse iSv § 12 GBO nicht darlegen.“15 10 So jedenfalls tendenziell Keller, in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, 8. Auflage 2019, § 12 Rn. 2, 5: „Wer durch das Grundbuch rechtlich handeln will, bedarf des Schutzes des Grundbuches. Das Grundbuch ist keine Bürgerauskunftei für interessante Dinge, sondern ein Instrument des Rechtsverkehrs.“ 11 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 2. 12 Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 2. 13 Vgl. vertiefend Lüghausen, Einsichtnahme in öffentliche Register durch die Presse und deren Voraussetzungen, AfP 2013, 94, 95 f.; Wilsch, Praxis der Grundbuch- und Grundakteneinsicht, insbesondere durch die Presse, NZM 2017, 244. 14 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 8 unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96. 15 BGH, Beschluss vom 09.01.2020 – V ZB 98/19, Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 6 – Hingegen erweist sich das „Interesse der Presse an der Kenntnisnahme des Grundbuchinhalts … als gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Eingetragenen vorrangig, wenn es sich um eine Frage handelt, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht … und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient (BVerfG, NJW 2001, 503 [506]).“16 – Im Rahmen dieser Abwägung spricht es für das Vorliegen einer die Öffentlichkeit wesentlich angehenden Frage, wenn einer der betroffenen Eigentümer eine herausgehobene politische Stellung innehat.17 Ob bei Anwendung der vorstehend beschriebenen Grundsätze in einer Fallkonstellation ein hinreichendes , die Einsichtnahme ermöglichendes journalistisches Interesse vorliegt, kann nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Einzelfall von den mit der Entscheidung – und gegebenenfalls deren Überprüfung – befassten Stellen unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Umstände dieses Einzelfalls beurteilt werden. 3. Umfang des Anspruchs Der Umfang eines gegebenenfalls grundsätzlich zu bejahenden Anspruchs auf Einsichtnahme durch Pressevertreter wird von der Judikatur weit gezogen: – „Das berechtigte Informationsanliegen der Ast. hat … zur Folge, dass ihr der gesamte Inhalt des Grundbuchs zugänglich zu machen ist.“18 Eine andere Auffassung verkenne, „dass auch die weiteren Eintragungen – wenn auch vielleicht nur ‚mosaiksteinartig‘ in der Zusammenschau mit sonstigen Umständen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 503 [506]) – den Verdacht einer Beteiligung des Unternehmers an der Grundstücksfinanzierung erhärten oder entkräften und damit für das Ziel der Recherche von Bedeutung sein können.“19 Der Umfang der zu gewährenden Einsicht sei auch nicht davon abhängig, ob in dem Gesuch die für die Recherche benötigten Informationen im Einzelnen benannt würden: „Das Grundbuchamt darf von der Presse im Rahmen der dieser nach § 12 I 1 GBO in Bezug auf das berechtigte Interesse obliegenden Darlegungslast nur solche Konkretisierungen verlangen, die für die Prüfung, ob ein schutzwürdiges Informationsinteresse anzuerkennen ist, von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, NJW 2001, 503 [505 f.]; ZUM-RD 2001, 159 = AfP 2000, 566 [567]). Erforderlich ist, dass der dem Einsichtsbegehren zu Grunde liegende – durch das Grundbuchamt inhaltlich nicht zu bewertende – Verdacht in dem Antrag mitgeteilt wird; außerdem muss für den 16 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 8. 17 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 8. 18 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 10. 19 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 7 Fall, dass sich die Vermutung als zutreffend erweist, eine publizistisch geeignete Information zu erwarten sein (BVerfG, NJW 2001, 503 [506]).“20 – Das Einsichtsrecht von Pressevertretern kann sich dabei insbesondere auch auf den Inhalt der Grundakten erstrecken: „Die Kenntnisnahme der Grundakten durch Dritte ist nach § 46 I GBV21 unter denselben Voraussetzungen zulässig wie diejenige des Grundbuchinhalts . Folglich ist der Presse die Einsicht zu gestatten, wenn ein berechtigtes Informationsinteresse an dem Inhalt der Urkunden besteht, auf die sich eine Eintragung gründet oder Bezug nimmt (§ 10 GBO, § 24 I GBV).“22 – Dass die Grundakten häufig die den Eintragungen zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen enthielten und diese regelmäßig in größerem Umfang als das Grundbuch selbst Angaben zu persönlichen, familiären, sozialen, wirtschaftlichen oder finanziellen Verhältnissen der Betroffenen enthielten, rechtfertige keine andere Beurteilung: „Da die schuldrechtlichen Vereinbarungen nicht zu den für den Vollzug eines Eintragungsantrags erforderlichen grundbuchrechtlichen Erklärungen (§§ 19, 2 GBO) zählen und somit nicht notwendig zu den Grundakten zu reichen sind (vgl. § 10 I 1 GBO, § 24 a GBV), haben es die Betroffenen weitgehend selbst in der Hand, welche personenbezogenen Daten sie (zusätzlich ) preisgeben (vgl. Demharter, FGPrax 2001, 53). Ein gegenüber dem Informationsinteresse der Presse vorrangiges Interesse an der Geheimhaltung dieser Daten ist daher nicht anzuerkennen.“23 4. Offenlegung der antragstellenden Person gegenüber dem Eigentümer Der Antrag auf Grundbucheinsicht ist seitens des Grundbuchamts ohne Beteiligung des betroffenen Eigentümers zu bescheiden.24 Eine vom Grundbuchamt im Nachgang zur Einsichtnahme proaktiv veranlasste Benachrichtigung des Eigentümers über die Einsichtnahme durch einen Pressevertreter würde der Rechtsprechung zufolge in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage für eine solche Benachrichtigung das von Artikel 5 GG gewährleistete Recht des Pressevertreters auf Informationsbeschaffung einschränken, so dass eine solche Benachrichtigung grundsätzlich zu unterbleiben hat.25 20 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 14. 21 Grundbuchverfügung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Januar 1995 (BGBl. I S. 114), die zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert worden ist. 22 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 17. 23 BGH, Beschluss vom 17.08.2011 − V ZB 47/11 Rn. 18. 24 BVerfG, Beschluss vom 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91; Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 25. 25 OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.01.2013 – 3 W 47/12; Wilsch, in: Hügel (Hrsg.), BeckOK GBO, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 12 GBO Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 041/21 Seite 8 Allerdings ist gemäß § 12 Absatz 4 Satz 1 GBO über Einsichten in Grundbücher und Grundakten sowie über die Erteilung von Abschriften ein Protokoll zu führen. Aus dem Protokoll muss gemäß § 46a Absatz 1 GBV hervorgehen, wer das Grundbuch wann und gegebenenfalls für wen eingesehen hat26: § 46a GBV (1) Das Protokoll, das nach § 12 Absatz 4 der Grundbuchordnung über Einsichten in das Grundbuch zu führen ist, muss enthalten: 1. das Datum der Einsicht, 2. die Bezeichnung des Grundbuchblatts, 3. die Bezeichnung der Einsicht nehmenden Person und gegebenenfalls die Bezeichnung der von dieser vertretenen Person oder Stelle, 4. Angaben über den Umfang der Einsichtsgewährung sowie 5. eine Beschreibung des der Einsicht zugrunde liegenden berechtigten Interesses; (…). (…) Dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks oder dem Inhaber eines grundstücksgleichen Rechts ist gemäß § 12 Absatz 4 Satz 2 GBO und § 46a Absatz 2 GBV auf Verlangen Auskunft aus diesem Protokoll zu geben – es sei denn, die Bekanntgabe würde den Erfolg strafrechtlicher Ermittlungen oder die Aufgabenwahrnehmung einer Verfassungsschutzbehörde, des Bundesnachrichtendienstes , des Militärischen Abschirmdienstes oder der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen gefährden. Diese Auskunftsmöglichkeit steht dem Eigentümer mithin auch im Falle der Einsichtnahme durch Pressevertreter offen. * * * 26 Wilsch, Praxis der Grundbuch- und Grundakteneinsicht, insbesondere durch die Presse, NZM 2017, 244, 245.