Ausgewählte Fragen zu Verträgen zwischen Kommunen und privaten Unternehmen - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 7 - 041/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Ausgewählte Fragen zu Verträgen zwischen Kommunen und privaten Uunternehmen Ausarbeitung WD 7 - 041/07 Abschluss der Arbeit: 13.3.2007 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Hinweise auf interne oder externe Unterstützung bei der Recherche bzw. Abfassung des Textes Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Gegenstand der Ausarbeitung sind bestimmte Fragen bei Verträgen zwischen der öffentlichen Hand und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Das Verfassungsrecht macht keine Vorgaben bezüglich der Dauer solcher Verträge. Ein Einsichtsrecht der Bürger in die Verträge besteht nicht. Im saarländischen Kommunalrecht ist nur ein Unterrichtungsrecht über die Beteiligungen der Kommune an Unternehmen vorgesehen. Allerdings hat der Gemeinderat weitergehende Auskunftsrechte, die von den betroffenen Unternehmen auch nicht mit pauschalen Hinweisen auf Auskunftsverweigerungsrechte aus dem Aktien- und GmbH-Gesetzen abgelehnt werden können. Konkurrenzklauseln, mit denen der Vertragspartner der Stadt sich Wettbewerber fernhalten will, erscheinen aus kartellrechtlicher Sicht kritisch, bedürfen aber hinsichtlich ihrer Zulässigkeit einer umfassenderen Abwägung im Einzelfall als im Zusammenhang dieser Ausarbeitung möglich. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Vertragsdauer und Verfassungsrecht 4 3. Einsichtsrecht des Gemeinderates bzw. der Bürger 5 4. Zulässigkeit von Konkurrenzklausel 6 4.1. Zulässigkeit einer Konkurrenz-/Ausschließlichkeitsklausel 6 4.2. Vorliegen eines Marktes 7 - 4 - 1. Einleitung Gegenstand der Ausarbeitung sind bestimmte Aspekte bei Verträgen zwischen der öffentlichen Hand – im speziellen Kommunen – und der Privatwirtschaft. Hierbei stellen sich die Fragen, ob das Grundgesetz Vorgaben bezüglich der Laufzeit solcher Verträge macht (2.), ob dem Gemeinderat ein Recht auf Einsichtnahme in solche Verträge zusteht (3.) und ob eine Klausel erlaubt ist, nach der sich die Stadt verpflichtet, ähnliche Verträge nicht mit weiteren Dritten abzuschließen (sog. Konkurrentenklausel) (4.). 2. Vertragsdauer und Verfassungsrecht Es fragt sich, ob es mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist, dass die auf Zeit gewählte Gemeindevertretung einer Stadt einen Vertrag über einen Zeitraum von 50 Jahren abschließen kann. Dies könnte man mit dem Argument verneinen, dass gewählte Vertreter nur solche Handlungen vornehmen sollen, die sich auch im Rahmen ihrer Amtszeit auswirken, sie ihren Nachfolgern also keine Lasten aufbürden sollen, die diese gar nicht selbst zu verantworten haben. Für eine solche Verhaltenspflicht findet sich aber kein Anhaltspunkt im Grundgesetz. Der wichtigste Artikel des Grundgesetzes, der die Kommunen betrifft, ist Art. 28 II GG. Darin wird festgehalten, dass den Städten und Gemeinden das Recht auf Selbstverwaltung zusteht. Kommunen dürfen die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst regeln, also solche Angelegenheiten, die „in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben […]“.1 Zwar steht den Kommunen die Selbstverwaltung nur „im Rahmen der Gesetze“ zu. Es ist aber kein Gesetz ersichtlich, dass die Selbstverwaltung dahingehend beschränkt, keine Handlungen mit einer Laufzeit von 50 Jahren vorzunehmen. Eine solche generelle Beschränkung wäre auch nicht sinnvoll, da viele Situationen gerade ein langfristiges Planen erfordern. Ebenso wenig wie es auf Bundesebene dem Bundestag verwehrt ist, Gesetze mit Wirkung weit über die nächste Legislaturperiode hinaus zu erlassen, ist eine Gemeindevertretung nicht daran gehindert, Verträge über einen Zeitraum von zum Beispiel 50 Jahren abzuschließen. 1 BVerfGE 79, 127 (161). - 5 - Mit der gleichen Argumentation ist auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Ablösung nach fünf oder mehr Jahren abzulehnen. Für ein solches Recht der öffentlichen Hand bzw. eine entsprechende Pflicht zur vertraglichen Berücksichtigung lässt sich kein gesetzlicher Anhaltspunkt finden. 3. Einsichtsrecht des Gemeinderates bzw. der Bürger Verträge zwischen der Stadt und privaten Unternehmen sind für Bürger grundsätzlich nicht einsehbar - ein derartig umfassendes Kontrollrecht ist in den Gemeindeordnungen der Bundesländer nicht vorgesehen. Auch bei von kommunalen Unternehmen abgeschlossenen Verträgen, die die Sphäre der Bürger direkt betreffen (wie etwa Elektrizitätswerke , Parkplatzbetreiber) ergibt sich nichts Anderes. Die Bürger werden nur - nach saarländischem Gemeinderecht etwa gem. § 115 I Satz 4 KSVG Saarland2 - durch einen jährlich zu erstellenden Beteiligungsbericht über die Beteiligung der Kommune an Unternehmen informiert. Es fragt sich aber, ob nicht wenigstens dem Rat und somit den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern und -fraktionen ein Recht auf Vertragseinsicht zusteht. Diese landesrechtliche Regelung ist natürlich abhängig von der jeweiligen Gemeindeordnung - der Einfachheit halber wird hier nur auf die Saarländische eingegangen. Dort bestimmt § 115 I KSVG, dass die Gemeindevertreter, die in städtischen Unternehmen oder solchen mit einer städtischen Beteiligung sitzen, die Gemeinde (also den Rat) über alle wichtigen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten haben. § 115 KSVG hat somit zum Ziel, die Steuerungs- und Kontrollrechte der Gemeinde, die der Träger der Gesamtverantwortung für die Erledigung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist, zu sichern.3 § 115 I Satz 2 KSVG besagt, dass auf Verlangen von einem Viertel der Gemeinderatsmitglieder die Gemeindevertreter in den Unternehmen dem Rat über alle Angelegenheiten Auskunft zu geben haben. Dies dürfte auch das Offenlegen von Verträgen, in denen die städtischen Unternehmen zentrale Kernaufgaben ihrer Tätigkeit aufgeben oder verpachten, umfassen. Allerdings steht die Unterrichtungspflicht und das Auskunftsrecht unter dem Vorbehalt entgegenstehender gesetzlicher Regelungen, § 115 I Satz 3 KSVG. Die Vertreter der 2 Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) Saarland, in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1997 (Amtsbl. S. 682), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 2006 (Amtsbl. S. 474). 3 Lehné/Weirich, KSVG Kommentar, 11. Ergänzungslieferung 2001, Saarbrücken, § 115 Anm. 1; Wohlfahrt, Kommunalrecht für das Saarland, 3. Auflage, Baden-Baden, 2003, Rn. 273.1. - 6 - Gemeinde müssen bzw. dürfen also keine Informationen herausgeben, wenn diese Informationen gesetzlich geschützt sind. Diese entgegenstehenden Regelungen sind vor allem gesellschafts- oder datenschutzrechtliche Vorschriften. Hier überwiegt das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft bzw. des Unternehmens das Informationsinteresse der Gemeinde. Allerdings besteht die prinzipielle Verschwiegenheitspflicht im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§§ 93, 116 AktG4) nicht für Vertreter von Gemeinden, solange es sich nicht um vertrauliche Angaben oder Geschäftsgeheimnisse (§ 394 AktG) handelt. Für Aufsichtsräte und Beiräte einer GmbH kann dies gem. § 52 I GmbHG5 ebenso gelten, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt.6 4. Zulässigkeit von Konkurrenzklauseln 4.1. Zulässigkeit einer Konkurrenz-/Ausschließlichkeitsklausel Abschließend fragt sich, ob ein Pachtvertrag zwischen einer Stadt und einem privaten Unternehmen sog. Konkurrenzklauseln enthalten darf. Eine Konkurrenzklausel hat üblicherweise den Inhalt, dass es der Stadt verwehrt ist, Verträge mit (potentiellen) Konkurrenten des privaten Unternehmens über einen vergleichbaren Vertragsgegenstand abzuschließen . Neben anderen Motiven ist es Sinn und Zweck einer solchen Klausel, dass das Unternehmen dadurch den Wettbewerbsdruck zu vermindern sucht. Ob eine solche Klausel zulässig ist oder nicht, lässt sich pauschal nicht beantworten. In einem ähnlich gelagerten Fall hat etwa das Oberlandesgericht Dresden7 eine solche Klausel wegen Verstoßes gegen § 26 II Satz 2 GWB8 (jetzt Art. 20 I GWB) i.V.m. § 134 BGB9 für nichtig erklärt, da sie den Wettbewerb unbillig behindere.10 4 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 5. Januar 2007 (BGBl. I S. 10). 5 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2553). 6 Siehe dazu Lehné/Weirich, KSVG Kommentar, 11. Ergänzungslieferung 2001, Saarbrücken, § 115 Anm. 1.1; Wohlfahrt, Kommunalrecht für das Saarland, 3. Auflage, Baden-Baden, 2003, Rn. 273.5. 7 OLG Dresden, 29.10.1998, „Konkurrenzklausel bei Schilderpräger“, Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) 2000, S. 551 ff. 8 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3367). 9 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I. 738), zuletzt geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416). 10 - Anlage 1 -. - 7 - Auch im vorliegenden Fall könnte der Ausschluss von Konkurrenten einen Verstoß gegen deutsches Kartellrecht bedeuten – dass der Vertragspartner der Stadt womöglich seinen Sitz im Ausland hat und eine ausländische Gesellschaft ist, spielt für die Frage der Anwendbarkeit des deutschen Kartellrechts keine Rolle. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem Urteil Masterfoods11 aus dem Jahr 2000 eine Ausschließlichkeitsklausel zwischen Vertragspartnern für unzulässig erklärt, da der Wettbewerb dadurch unzulässig behindert wurde. Die Frage nach der Zulässigkeit einer Konkurrenzklausel ist jedoch eine Abwägungsfrage im Einzelnen, die im Rahmen einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste nicht zulässig ist. 4.2. Vorliegen eines Marktes Problematisch könnte weiterhin sein, dass die Bereitstellung und der Betrieb von Parkplätzen bisher staatlich organisiert waren und insofern gar kein „ freier Markt“ im Bereich von Parkplätzen besteht. Wenn ein Wirtschaftbereich aber nicht als „Markt“ gilt, findet auch das Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht keine Anwendung. Die Frage nach dem Vorliegen eines Marktes, auf den das Wettbewerbsrecht Anwendung findet, hängt aber nicht davon ab, ob auf diesem Markt (in diesem Fall: Betreiben von Parkplätzen in der Innenstadt Saarbrückens) private Unternehmen tätig sind oder nicht. Art. 86 des EG-Vertrags zeigt, dass selbst in Bereichen staatlicher Daseinsvorsorge das Wettbewerbsrecht, wenn auch in abgeschwächter Intensität, Anwendung findet. Hinzukommt, dass die Stadt Saarbrücken selbst den Markt für Private geöffnet hat. Vom Vorliegen eines Marktes, der dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegt, ist deshalb auszugehen. 11 EuGH, Rs. C-344/98, Masterfoods, Slg. 2000, I-11369 - Anlage 2 -.