© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 039/21 Einzelfragen zu Flüchtlingsunterkünften im Zusammenhang mit § 246 BauGB Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 2 Einzelfragen zu Flüchtlingsunterkünften im Zusammenhang mit § 246 BauGB Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 039/21 Abschluss der Arbeit: 28. April 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. § 246 Abs. 12 BauGB 5 2.1. Befristung auf längstens 3 Jahre 5 2.2. Rechtslage betreffend den Zeitraum nach Ablauf der Befristung 6 3. § 246 Abs. 14 BauGB 7 3.1. Nutzungsdauer 7 3.2. Rückbauverpflichtung 8 3.3. Entfallen der Rückbauverpflichtung und Nutzungsänderungen 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 4 1. Einleitung Die Absätze 8 bis 17 des § 246 des Baugesetzbuchs (BauGB)1 enthalten besondere Vorschriften in Bezug auf eine erleichterte Genehmigungsfähigkeit von Flüchtlingsunterkünften2, deren Anwendung durch die Baugenehmigungsbehörden bis zum 31. Dezember 2019 möglich war3. Gemäß § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB konnte bis zum 31. Dezember 2019 für die auf längstens drei Jahre zu befristende - Errichtung mobiler Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende (Nr. 1) - Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen in Gewerbe- und Industriegebieten sowie in Sondergebieten nach den §§ 8 bis 11 der Baunutzungsverordnung (BauNVO)4 (auch in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB) in Aufnahmeeinrichtungen , Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende (Nr. 2) von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB konnte bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden, soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 des § 246 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können. § 246 Abs. 14 BauGB ist im Innenbereich, Außenbereich oder beplanten Bereich sowie auf Neuerrichtungen , Änderungen und Nutzungsänderungen anwendbar.5 § 246 Abs. 14 BauGB findet Anwendung, sofern das Vorhaben nicht ohnehin nach sonstigen bauplanungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere auch § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB, zulässig ist.6 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist. 2 Schröer/Kümmel, Aktuelles zum öffentlichen Baurecht, NVwZ 2018, 1442, 1446. 3 Vgl. Rixner/Biedermann/Charlier, in: Rixner/Biedermann/Charlier (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, 3. Auflage 2018, § 246 BauGB Rn. 7. 4 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786). 5 Demmer, in: PdK Bu F-1, § 246 BauGB, 3.8.3, September 2017. 6 Vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 47 sowie das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 22.12.2015, S. 8, abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/rundschreiben_asyl_vfbg_201222.pdf, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 28.04.2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 5 § 246 Abs. 14 BauGB ist also subsidiär.7 Nach Sinn und Zweck des § 246 Abs. 14 BauGB, der nach seinem Wortlaut dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten fordert, die nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, umfasst § 246 Abs. 14 BauGB allerdings im Verhältnis zu § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB auch diesbezügliche Zweifelsfälle.8 Im Folgenden sind allgemein und summarisch einzelne bauplanungsrechtliche Aspekte in Bezug auf die Vorschriften des § 246 Abs. 12 und 14 BauGB zu erörtern. Beleuchtet werden insbesondere die Dauer der Nutzungsmöglichkeit der Unterkünfte, etwaige Rückbauverpflichtungen sowie die Möglichkeit einer Nutzungsänderung. 2. § 246 Abs. 12 BauGB 2.1. Befristung auf längstens 3 Jahre Die Befristung bis zum 31. Dezember 2019 in § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB bezieht sich nach § 246 Abs. 17 BauGB nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann. Bei der Befristung auf längstens drei Jahre in § 246 Abs. 12 Satz 1 BauGB handelt es sich um eine Vorgabe für die Baugenehmigungsbehörde, welche die Befristung bei der Baugenehmigungserteilung umsetzen muss.9 Die Befreiungen gemäß § 246 Abs. 12 BauGB sind auf längstens drei Jahre zu befristen.10 Umstritten ist, welcher Anknüpfungspunkt in Bezug auf den Beginn der Frist von längstens drei Jahren zugrunde zu legen ist. Mitunter wird vertreten, dass wohl nicht auf die Genehmigungserteilung , sondern auf den „Beginn der Errichtung des Vorhabens“ abzustellen sei.11 Andere halten dagegen (grundsätzlich) die Aufnahme der Nutzung, für maßgeblich.12 Dabei findet sich zum Teil 7 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 22.12.2015, S. 8, abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/rundschreiben_asyl_vfbg_201222.pdf. 8 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 47; vgl. auch Battis /Mitschang/Reidt, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz 2015, NVwZ 2015, 1633, 1637 sowie Kment, Die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in Gewerbe- und Industriegebieten, Die Verwaltung 2017, 127, 138. 9 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 33. 10 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 33. 11 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 33. 12 Vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 22.12.2015, S. 5, abrufbar unter https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/rundschreiben _asyl_vfbg_201222.pdf; Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen (Gesetzgebungsstand: 24. Oktober 2015), beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 15. Dezember 2015, S. 11, 12, abrufbar unter https://www.bauen-wohnen.sachsen.de/download/Bauen_und_Wohnen/Hinweise_Fluechtlingsunterbringung _Neufassung_mit_Aenderungen.pdf; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch , Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 77. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 6 auch die Auffassung, dass aber bei mobilen Unterkünften auf den Beginn der Errichtung abzustellen sei.13 Sofern die Nutzungsaufnahme bereits vor Erteilung der Genehmigung erfolgte, wird teilweise vertreten, dass die Frist mit Erteilung der Baugenehmigung zu laufen beginne.14 2.2. Rechtslage betreffend den Zeitraum nach Ablauf der Befristung Eine erneute Erteilung der Befreiung nach Ablauf der Befristung auf längstens drei Jahre am gleichen Standort soll auf Basis des § 246 Abs. 12 BauGB nicht möglich sein.15 Die Gesetzesbegründung in Bezug auf die Vorschrift des § 246 Abs. 12 BauGB geht davon aus, dass „eine nachhaltige Bauleitplanung erforderlich“ wäre, „soweit sich im zeitlich befristeten Nutzungszeitraum der Flüchtlingseinrichtung“ die Notwendigkeit einer langfristigen Nutzung herausstelle.16 Darüber hinaus ist nach Ablauf der Befristung eine Abweichung gemäß § 246 Abs. 14 BauGB möglich, sofern dessen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen.17 Der Wortlaut des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB, der eine „auf längstens drei Jahre zu befristende Errichtung mobiler Unterkünfte“ vorsieht, spricht für eine gesetzliche Rückbauverpflichtung .18 In Bezug auf eine nachfolgende Nutzungsänderung bzw. Anschlussnutzung sind die allgemeinen bauplanungsrechtlichen Regeln anwendbar.19 Dabei dürfte aus der vormaligen Flüchtlingsunter- 13 Vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 77. 14 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 77. 15 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 77; vgl. auch Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 33. 16 Begründung zu Art. 6 Nr. 2 (zu § 246 Abs. 12 BauGB) des Entwurfs eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes , Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 54, abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/061/1806185.pdf. 17 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 BauGB Rn. 77. 18 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 81. 19 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 81; Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Standorten für Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbegehrenden in den verschiedenen Gebietskulissen (Gesetzgebungsstand: 24. Oktober 2015), beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 15. Dezember 2015, S. 13, abrufbar unter https://www.bauen-wohnen.sachsen.de/download/Bauen_und_Wohnen/Hinweise_Fluechtlingsunterbringung _Neufassung_mit_Aenderungen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 7 bringung nicht auf eine „Zulässigkeit nachfolgender anderer wohnähnlicher Nutzungen“ geschlossen werden können.20 In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass eine Nutzungsänderung de facto lediglich in den Fällen des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB in Betracht komme und zwar insbesondere in Form der „Wiederaufnahme einer gewerblichen Nutzung“.21 Dagegen habe der Eigentümer bzw. Betreiber einer mobilen Unterkunft ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, nach Ablauf der Frist einen Rückbau vorzunehmen, damit die Unterkunft an anderer Stelle wiederverwandt werden kann.22 3. § 246 Abs. 14 BauGB 3.1. Nutzungsdauer § 246 Abs. 14 BauGB geht im Gegensatz zu § 246 Abs. 12 BauGB von einer unbefristeten Zulassung aus.23 So finden sich in der Kommentarliteratur Ausführungen dahingehend, dass im Rahmen des § 246 Abs. 14 BauGB auch eine „Neuerrichtung einer dauerhaften Unterkunft in einem Industriegebiet“ in Betracht kommen könne, wogegen § 246 Abs. 12 BauGB dort lediglich befristete mobile Unterkünfte sowie befristete Umnutzungen erlaube.24 Allerdings ist auch zu beachten , dass der Wortlaut des § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB lediglich eine Abweichung „in erforderlichem Umfang“ erlaubt. Eingriffe aufgrund von Vorschriften des BauGB in die grundgesetzlichen Gewährleistungen des Art. 14 GG (Eigentumsgarantie/Nachbarrechte) sowie Art. 28 Abs. 2 GG (kommunale Planungshoheit) müssen den Gesichtspunkten der Erforderlichkeit und der Angemessenheit genügen.25 Insoweit wird im Zusammenhang mit der Frage des erforderlichen Umfangs der Abweichung im Sinne des § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB in der Literatur darauf hingewiesen , dass die geplante Nutzungsdauer eine wichtige Rolle spiele und es dem Vorhabenträger offen stehe, eine befristete Nutzungsdauer zu beantragen.26 Teilweise wird auch ausgeführt, es sei 20 Vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 214 Rn. 25, 38. 21 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 81. 22 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 81. 23 Battis/Mitschang/Reidt, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz 2015, NVwZ 2015, 1633, 1638. 24 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 96. 25 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 95. 26 Battis/Mitschang/Reidt, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz 2015, NVwZ 2015, 1633, 1637, 1638; vgl. auch Meißner, in: Meißner (Hrsg.), BauGB Kurzkommentar, Version 3, letzte Bearbeitung 31.12.2020, § 246 Rn. 21, nach dem unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit auch eine Beschränkung der Nutzungsdauer der Einrichtung nötig sein könne. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 8 wohl jedenfalls auf der Ebene der Angemessenheit zu berücksichtigen, dass „von vornherein befristete Maßnahmen“ mit einer geringeren Eingriffsintensität einhergingen.27 Mitunter finden sich in der Literatur auch Ausführungen dahingehend, dass „die Belastung der Nachbarn […] bei der Zulassung eines Vorhabens nach § 246 Abs. 14 BauGB an den drängenden Unterbringungsbedarf gebunden“ sei.28 Falle dieser Bedarf weg, werde „der Vorhabenträger die Unterkunft nicht mehr weiterbetreiben (dürfen)“, sodass dann die Rückbaupflicht nach § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB greife.29 3.2. Rückbauverpflichtung Nach § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB ist in entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB für Vorhaben gemäß § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen. Dabei müssen lediglich die durch das Vorhaben nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB veranlassten Baumaßnahmen zurückgebaut werden.30 Ein vollständiger Rückbau einer im Zeitpunkt einer Nutzungsänderung vorhandenen baulichen Anlage ist grundsätzlich nicht notwendig.31 Die Baugenehmigungsbehörde soll nach § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB in entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 5 Satz 3 BauGB die Einhaltung der Rückbauverpflichtung durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast32 oder in anderer Weise sicherstellen. Gemäß § 246 Abs. 14 Satz 8 BauGB ist eine solche Sicherstellung nicht erforderlich, wenn Vorhabenträger ein Land oder eine Gemeinde ist. In der Literatur wird vertreten, dass eine Sicherstellung des Rückbaus ebenfalls nicht erforderlich sei, wenn Vorhabenträger ein im Auftrag der Gemeinde tätig werdender Dritter sei, sofern die Gemeinde 27 Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 99. 28 Kment/Wirth, BauGB-Novelle 2015: Die privilegierte Genehmigung von Flüchtlingsunterkünften und ihre Beschränkung durch die kommunale Planungshoheit und den verfassungsrechtlich geforderten Nachbarschutz, ZfBR 2016, 748, 754. 29 Kment/Wirth, BauGB-Novelle 2015: Die privilegierte Genehmigung von Flüchtlingsunterkünften und ihre Beschränkung durch die kommunale Planungshoheit und den verfassungsrechtlich geforderten Nachbarschutz, ZfBR 2016, 748, 754. 30 Vgl. Begründung zu Art. 6 Nr. 2 (zu § 246 Abs. 14 BauGB) des Entwurfs eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes , Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 55, 56, abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/061/1806185.pdf sowie Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch , Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 246 Rn. 90, 101. 31 Vgl. Begründung zu Art. 6 Nr. 2 (zu § 246 Abs. 13 und 14 BauGB) des Entwurfs eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes , Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 55, 56, abrufbar unter https://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/061/1806185.pdf. 32 Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BauGB sind Baulasten im Landesrecht vorgesehene öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem das Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 039/21 Seite 9 selbst den Rückbau – beispielsweise „durch Anweisungsrechte gegenüber dem Dritten“ – gewährleisten könne.33 Anderenfalls komme § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB zur Anwendung.34 3.3. Entfallen der Rückbauverpflichtung und Nutzungsänderungen Gemäß § 246 Abs. 14 Satz 7 BauGB entfällt die Rückbauverpflichtung nach § 246 Abs. 14 Satz 5 BauGB, wenn eine nach § 246 Abs. 14 Satz 6 BauGB zulässige Nutzung aufgenommen wird oder wenn sich die Zulässigkeit der nachfolgenden Nutzung aus § 30 Abs. 1, 2 oder § 33 BauGB ergibt. Nach § 246 Abs. 14 Satz 6 BauGB gilt § 246 Abs. 13 Satz 3 BauGB entsprechend. § 246 Abs. 13 Satz 3 BauGB lautet: „Wird zum Zeitpunkt einer Nutzungsänderung nach Satz 1 Nummer 2 eine Nutzung zulässigerweise ausgeübt, kann diese im Anschluss wieder aufgenommen werden; im Übrigen gelten für eine nachfolgende Nutzungsänderung die allgemeinen Regeln.“ Sofern die bauliche Anlage also schon vor der Nutzung als Unterkunftsmöglichkeit zulässigerweise anderweitig genutzt wurde, kann diese Nutzung nach § 246 Abs. 14 Satz 6 BauGB in Verbindung mit § 246 Abs. 13 Satz 3 BauGB wieder aufgenommen werden.35 Im Übrigen richten sich nachfolgende Nutzungsänderungen gemäß § 246 Abs. 14 Satz 6 BauGB in Verbindung mit § 246 Abs. 13 Satz 3 BauGB nach den allgemeinen bauplanungsrechtlichen Regeln.36 *** 33 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 53. 34 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 246 Rn. 53. 35 Vgl. Battis/Mitschang/Reidt, Das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz 2015, NVwZ 2015, 1633, 1638 sowie Gohde, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden , ZfBR 2016, 642, 648. 36 Gohde, Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden , ZfBR 2016, 642, 648.