© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 037/19 Zur Beihilfestrafbarkeit bei § 17 Nr. 2 Tierschutzgesetz Die amtstierärztliche Genehmigung von Tiertransporten in Drittstaaten als Strafbarkeitsrisiko? Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Bruhn/Verheyen 10 3.2. Verneinende Stellungnahme: Krause 11 3.3. Summarische Bewertung 12 3.3.1. Haupttat und Vorsatzkonkretisierung 12 3.3.2. EU-Tiertransportverordnung als normativer Bezugsrahmen des amtstierärztlichen Handelns 14 3.3.3. Maßgeblichkeit von Unionsrecht bei der Anwendung von nationalen Straftatbeständen 16 4. Fazit 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 4 1. Einleitung Seit längerem wird im tierschutzrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, dass Amtsveterinäre , die einen tierschutzwidrigen Tiertransport1 ermöglichten, sich einem Strafbarkeitsrisiko in Gestalt der Beihilfe zu § 17 Nr. 2 TierSchG2 aussetzen.3 Soweit ersichtlich, lag diesen Auffassungen stets die Fallkonstellation zugrunde, dass es während eines Transports vorhersehbar zu tierschutzwidrigen Geschehnissen komme. Neuerdings wird darüber hinausgehend vereinzelt die Auffassung vertreten, die Strafbarkeit eines Amtsveterinärs wegen Beihilfe zu § 17 Nr. 2 TierSchG könne auch ganz unabhängig von den Bedingungen während des Transports schon deshalb in Betracht kommen, weil die Tiere im Anschluss an den Transport in einem Drittland4 ortsüblichen Praktiken ausgesetzt seien, die unter § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG zu subsummieren seien – verwiesen wird hier auf das Schächten.5 Vor diesem Hintergrund soll vorliegend der relevante Rechtsrahmen umrissen und die These von der Zielland-basierten Beihilfestrafbarkeit summarisch beleuchtet werden. 1 Als unter Tierschutzgesichtspunkten problematisch identifiziert werden zunehmend lange dauernde Tiertransporte in Drittländer, vgl. den Antrag der Fraktion der FDP „Unwürdige Tiertransporte stoppen“, BT-Drs. 19/435 vom 16.01.2018 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/004/1900435.pdf) sowie den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Moratorium für Tiertransporte in außereuropäische Länder aussprechen“, BT-Drs. 19/448 vom 17.01.2018 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/004/1900448.pdf). Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat am 25.06.2018 ein öffentliches Fachgespräch über Lebendtiertransporte in Drittländer durchgeführt (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw26-pa-landwirtschaft-556690). 2 Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist. 3 Vgl. etwa Lorz/Metzger, TierSchG, 2008, § 17 TierSchG Rn. 49; Ort/Reckewell, in: Kluge (Hrsg.), TierSchG, 2002, § 17 TierSchG Rn. 95; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 17 TierSchG Rn. 114. 4 Vgl. allgemein zur Ausfuhr von Nutztieren in Drittländer: Wissenschaftliche Dienste, Exporte von lebenden Nutztieren aus der EU in Nicht-EU-Länder, 2016 (WD 5-3000-059/16, abrufbar unter https://www.bundestag .de/resource/blob/436194/31b57873854ca9a2e4b025e999c8a2ed/wd-5-059-16-pdf-data.pdf). 5 Vgl. Maisack/Rabitsch, Zur Plausibilitätsprüfung nach Artikel 14 (1) a) ii) anlässlich der Genehmigung langer grenzüberschreitender Transporte in Drittstaaten, in: Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 2018, 209. Der Autor Rabitsch verweist in diesem Zusammenhang auf eigene Reisen mit einer Tierrechte-NGO („Animals Angels“), der Autor Maisack ist im Büro der Hessischen Tierschutzbeauftragten im Geschäftsbereich des von Ministerin Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geleiteten Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz tätig. Am 25.02.2019 hat das von Minister Albrecht (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geleitete Schleswig-Holsteinische Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung den Veterinärämtern die Weisung erteilt, Transportgenehmigungen in bestimmte Drittländer (Türkei, Jemen, Libanon, Marokko, Algerien, Ägypten, Aserbaidschan, Syrien, Jordanien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan , Turkmenistan und Usbekistan) „aufgrund der nicht einheitlichen rechtlichen Bewertung der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage vor allem im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte“ zu versagen (Erlass abrufbar unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/T/tierschutz /tiertransporte.html). Unter Verweis auf ethische und rechtliche Bedenken hat am 12.03.2019 auch das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Tiertransporte in die besagten Länder untersagt, vgl. https://www.hessen.de/presse/pressemitteilung/hessen-stoppt-export-von-nutztieren -drittlaender-0. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 5 2. Allgemeine Strafbarkeitsvoraussetzungen 2.1. Der Straftatbestand des § 17 Nr. 2 TierSchG Nach § 17 Nr. 2 TierSchG kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe zu bestrafen sein, wer einem Wirbeltier „erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zufügt. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist, dass das Zufügen entweder „aus Rohheit“ erfolgt (Variante a) oder aber die erheblichen Schmerzen oder Leiden länger anhalten oder sich wiederholen (Variante b). Schmerz im Sinne des § 17 Nr. 2 TierSchG wird definiert als „eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit akuter oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder in Form solcher Schädigungen beschrieben wird. Das tatsächliche Eintreten einer Schädigung oder eine erkennbare Abwehrreaktion ist dabei nicht erforderlich.“6 Ob ein Tier Schmerzen in diesem Sinne erleidet, wird regelmäßig aus einer Vielzahl äußerer Faktoren abgeleitet: „Aus Reizen, die für den Menschen schmerzhaft sind, wird Entsprechendes für Tiere geschlossen . Äußere Merkmale in diesem Sinne können Wunden (zB solche, die beim Transport durch den ständigen Kontakt mit der Außenwand eines Fahrzeugs entstehen) oder Erkrankungen sein, aber auch bestimmte Reaktionen des Tieres, die Aufschluss über eine Störung seines Wohlbefindens geben, wie Schreien, Heulen, Stöhnen, Schweißausbrüche, Krümmen des Körpers, gestörte Bewegungsabläufe. Diese Merkmale sind durch die Beobachtung des Tieres, endokrinologische Untersuchungen oder anhand anatomischer Verknüpfungspunkte festzustellen. Erforderlich ist in aller Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens , das von einem Tierarzt oder einem Ethologen erstellt werden sollte.“7 Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 TierSchG sind alle nicht vom Begriff des Schmerzes umfasste Beeinträchtigungen im Wohlbefinden, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern.8 Leiden in diesem Sinne „können sowohl körperlich (wobei es sich dann allerdings meist um Schmerzen handelt) als auch (tier-)seelisch empfunden werden. Der Begriff wird ausgefüllt durch Empfindungen wie Angst, Panik, starke Aufregung , Erschöpfung, Trauer, innere Unruhe, starkes Unwohlsein, Hunger- oder Durstqualen.“9 Die Feststellung von Leiden setzt in der Regel eine Verhaltensbeobachtung voraus, bei der darauf abzustellen ist, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres festzustellen sind, die als taugliches Anzeichen für das Vorliegen eines Leidens anzusehen sind.10 6 Pfohl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 17 TierSchG, Rn. 67. 7 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 69. 8 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 70. 9 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 70. 10 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 6 Etwaige Schmerzen oder Leiden sind nur dann unter § 17 Nr. 2 TierSchG zu subsummieren, wenn sie als „erheblich“ zu qualifizieren sind. Erheblich soll dabei im Sinne „von ‚beträchtlich‘, ‚gravierend‘ oder ‚gewichtig‘ zu verstehen“ sein.11 Es handele sich um eine im jeweiligen Einzelfall unter Einbeziehung sämtlicher Gesamtumstände zu beurteilende Tatfrage, die in der Regel mit sachverständiger Hilfe zu klären sei.12 Aufgrund der hohen Anforderungen an die Bestimmtheit von Straftatbeständen ist das „vage Tatbestandsmerkmal “13 „erheblich“ einschränkend auszulegen.14 Potentielle Adressaten der Norm könnten nur dann ihr Verhalten an einer drohenden Strafbarkeit ausrichten, wenn „erhebliche Leiden oder Schmerzen“ nach den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft sicher vorliegen.15 Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 17 TierSchG ist, dass der Täter vorsätzlich handelt (§ 15 StGB16). Nach herrschender Auffassung setzt sich Vorsatz aus einem Wissens- und einem Willenselement zusammen17: „Das intellektuelle Moment des Vorsatzes erfordert die Kenntnis bzw. zumindest das Fürmöglichhalten der den Unrechtstypus der Tat konstituierenden Merkmale . (…) Als voluntatives Element setzt der Vorsatz eine Willensentscheidung des Täters für die Vornahme einer das tatbestandliche Unrecht des Delikts realisierenden Handlung oder Unterlassung voraus…“18. Je nach Art von Vorstellung und Wille wird unterschieden zwischen Formen des Vorsatzes19: – Beim direkten Vorsatz (dolus directus) dominiert das Wissenselement dergestalt, dass der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den Tatbestand verwirklicht.20 Bei Vorliegen eines solchen Wissenselements ist unbeachtlich, ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung anstrebt, sie nur für möglich hält oder ihren Eintritt gar lieber vermieden hätte und 11 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 74. 12 Pfohl a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 74; Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 222. EL Dezember 2018, § 17 TierSchG, Rn. 19. 13 Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 222. EL Dezember 2018, § 17 TierSchG, Rn. 17. 14 Metzger a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 17, 26. 15 Metzger a.a.O. § 17 TierSchG, Rn. 17. 16 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist. 17 Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke-Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 15 StGB, Rn. 9. 18 Sternberg-Lieben/Schuster a.a.O. § 15 StGB, Rn. 10 f. 19 Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 15 Rn. 5. 20 Fischer a.a.O. § 15 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 7 auf ihren Nichteintritt gehofft hat – aufgrund des klaren Wissenselements und der vor diesem Hintergrund durchgeführten Handlung liegt vorsätzliches Handeln vor.21 – Beim bedingten Vorsatz (dolus eventualis) hält der Täter in kognitiver Hinsicht die Tatbestandsverwirklichung nicht für sicher, sondern nur für möglich und nicht ganz fern liegend .22 In voluntativer Hinsicht strebt der Täter die Tatbestandsverwirklichung zwar nicht an, ihr Eintritt ist ihm aber insofern gleichgültig, als er sie „billigend in Kauf nimmt“.23 In dem voluntativen Element liegt der Rechtsprechung zufolge auch die Abgrenzung zur – straflosen – bewussten Fahrlässigkeit: bei dieser ist der Handelnde mit dem Eintritt der als möglich erkannten Folge seines Handelns nicht einverstanden und vertraut auf deren Nichteintritt.24 2.2. Voraussetzungen der Beihilfestrafbarkeit gemäß § 27 StGB Gemäß § 27 Absatz 1 StGB wird als „Gehilfe“ bestraft, wer „vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat“. Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe ist das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat. Erfolgt die – potentielle – Beihilfehandlung nicht zeitlich parallel zur Haupttat, sondern vorgelagert, steht die Strafbarkeit im Moment der Handlung damit noch nicht fest. Kommt es nicht zu einer entsprechenden späteren Haupttat, kommt auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht in Betracht. Während der Begriff der Hilfeleistung im Einzelnen umstritten ist, kommt jedenfalls jede Handlung in Betracht, die die Haupttat in ihrer konkreten Gestalt erst ermöglicht, indem sie eine kausale Ursache setzt, die nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der Taterfolg entfiele.25 Der ständigen Rechtsprechung zufolge ist eine Ursächlichkeit des Gehilfenbeitrags für die Haupttat selbst jedoch nicht unabdingbar erforderlich, sondern unter Umständen schon eine Förderung der Handlungen des Haupttäters ausreichend.26 Unumstritten ist jedoch, dass allein das Setzen einer kausalen Bedingung dafür, dass der Haupttäter seine Tat begangen hat, nicht hinreichend 21 Fischer a.a.O. § 15 Rn. 7. 22 Fischer a.a.O. § 15 Rn. 9, 9b. 23 Fischer a.a.O. § 15 Rn. 9a f. 24 Fischer a.a.O. § 15 Rn. 9a. 25 Vgl. Joecks, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 27 StGB Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 27 StGB, Rn. 2. 26 Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 StGB Rn. 4 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 8 dafür ist, eine Handlung objektiv als Hilfeleisten zur Tat im Sinne von § 27 StGB zu qualifizieren .27 In subjektiver Hinsicht ist für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe „doppelter Gehilfenvorsatz“ erforderlich : Der Gehilfe muss sowohl hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Haupttat als auch hinsichtlich seiner Förderung derselben vorsätzlich handeln.28 Der Gehilfe muss einerseits die Hilfeleistung mit mindestens bedingtem Vorsatz hinsichtlich ihrer Förderungswirkung für die Haupttat erbracht haben, andererseits muss der Gehilfenvorsatz auch die Vollendung der Haupttat umfassen .29 „Die Anforderungen an den Konkretisierungsgrad seiner Vorstellung von der Haupttat sind für den Gehilfen geringer als für den Anstifter (…). Für den Gehilfen ist die Erfassung der „Dimension des Unrechts der ins Auge gefassten Tat“ – also deren wesentlicher Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung – ausreichend (…). Er braucht weder genaue Kenntnis von der Person des Täters zu haben (…) noch zu wissen, wann, wo, zu wessen Nachteil und unter welchen besonderen Umständen die Tat ausgeführt wird (…).“30 Ausreichend ist mithin, wenn der Täter „die wesentlichen Umstände der späteren Tatbestandsverwirklichung in seine Vorstellung aufgenommen “ hat.31 Stellt die potentielle Beihilfehandlung des Gehilfen für diesen ein so genanntes neutrales, berufstypisches Verhalten dar, gelten nach herrschender Rechtsprechung jedoch erhöhte Anforderungen an den Gehilfenvorsatz: Hier soll es „entscheidend darauf ankommen, ob das Verhalten des Haupttäters ausschließlich auf die Verwirklichung einer Straftat abzielt und ob dies dem Unterstützer bekannt war. Ist dies der Fall, so verliert der unterstützende Beitrag nach Ansicht der Rspr seine ‚Neutralität‘ als berufstypische Alltagshandlung und wird zur ‚Solidarisierung‘ mit dem Täter. Hält der Hilfeleistende es dagegen lediglich für möglich, dass sein Beitrag zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so soll dies keine strafbare Beihilfehandlung darstellen. Andererseits soll die Schwelle zur strafbaren Beihilfe schon dann überschritten sein, wenn der Gehilfe erkannt hat, dass angesichts der Tatgeneigtheit des späteren Haupttäters ein hohes Risiko der Haupttatbegehung bestand.“32 3. Beihilfe durch Amtsveterinäre bei Tiertransporten in Drittstaaten? Die Fragestellung, ob eine Strafbarkeit eines Amtsveterinärs wegen Beihilfe zu § 17 Nr. 2 TierSchG schon deshalb vorliegen kann, weil im Anschluss an einen von ihm freigegebenen Transport im Zielland die Tiere nach ortsüblichen Praktiken geschlachtet werden, die sich nach 27 Joecks, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 27 StGB Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 27 StGB, Rn. 46; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 StGB Rn. 8. 28 Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 27 StGB, Rn. 7. 29 Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 StGB Rn. 28 m.w.N. 30 Heine/Weißer a.a.O. § 27 StGB Rn. 29 m.w.N. 31 Heine/Weißer a.a.O. § 27 StGB Rn. 29. 32 Heine/Weißer a.a.O. § 27 StGB Rn. 10 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 9 den Maßstäben des deutschen Tierschutzrechts als Verwirklichung des Tatbestands des § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG darstellten, hat bislang, soweit ersichtlich, die Gerichte nicht beschäftigt. Forensische Belege für ein tatsächliches Strafbarkeitsrisiko liegen deshalb aktuell nicht vor. Aufgeworfen und bejaht wurde die Frage der Strafbarkeit wohl erstmals 2018 in einem Fachbeitrag.33 Zu diesem Beitrag liegt bislang eine kritische Stellungnahme vor.34 2019 hat sich ein im Auftrag der Hessischen Tierschutzbeauftragten erstelltes Rechtsgutachten der Bewertung, die ein Strafbarkeitsrisiko bejaht, angeschlossen.35 3.1. Bejahende Stellungnahmen 3.1.1. Maisack/Rabitsch Maisack/Rabitsch zufolge erfüllt das Erteilen der Genehmigung nach Artikel 14 Absatz 1 lit. a ii TTVO36 durch den Amtstierarzt objektiv den Tatbestand der Beihilfe zu § 17 Nr. 2 TierSchG, da es eine nicht hinwegdenkbare Ursache dafür sei, dass sich das fragliche Tier zum Zeitpunkt der Schlachtung überhaupt am Ort der Schlachtung befinde und „diese zu den dort herrschenden Bedingungen über sich ergehen lassen“ müsse.37 Auch der nötige Gehilfenvorsatz des Amtsveterinärs liege vor, da es insofern ausreiche, dass dieser „das Land kennt“, in das die Tiere exportiert werden, und dass ihm „auch die tierquälerischen Praktiken, denen Tiere bei Schlachtungen dort üblicherweise ausgesetzt sind“, als „zumindest sehr wahrscheinlich bekannt“ seien.38 Gegen die Annahme einer objektiv gegebenen und auch vorsätzlichen Beihilfehandlung spreche zudem auch nicht, dass der Amtsveterinär lediglich im Rahmen seiner berufstypischen Aufgaben neutral tätig werde. Denn die bei einer solchen Konstellation von der Rechtsprechung geforderten höheren Anforderungen lägen ebenfalls vor: „Da für die Amtstierärztin/den Amtstierarzt nicht nur eine ernsthafte Möglichkeit, sondern darüber hinaus eine an Sicherheit grenzende, jedenfalls aber hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die durch ihre/seine Mitwirkung in einer der genannten Länder exportieren Tiere dort ... geschächtet werden, liegen hier diese vom Bundesgerichts- 33 Maisack/Rabitsch, Zur Plausibilitätsprüfung nach Artikel 14 (1) a) ii) anlässlich der Genehmigung langer grenzüberschreitender Transporte in Drittstaaten, in: Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle 2018, 209. 34 Krause, Ist jeder Amtstierarzt, der eine Transportbescheinigung in ein „asiatisches oder vorderasiatisches Land“ ausstellt, ein potentieller Gehilfe zur Tierquälerei? Stellungnahme des dbb, undatiert, abrufbar unter https://www.amtstierarzt.de/attachments/article/1368/2019_Andreas_Krause_dbb_Stellungnahme_zum_Artikel _Maisack_Amtstier%C3%A4rztlicher_Dienst_04_2018.pdf). 35 Bruhn/Verheyen, Rechtsgutachten im Auftrag der Hessischen Tierschutzbeauftragten zur Frage der Untersagung grenzüberschreitender Tiertransporte in Drittstaaten, 18.02.2019 (abrufbar unter https://tierschutz.hessen.de/sites /tierschutz.hessen.de/files/Rechtsgutachten%20zur%20Frage%20der%20Untersagung %20grenz%C3%BCberschreitender%20Tiertransporte%20in%20Drittstaaten.pdf). 36 Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22.12.2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97. 37 Maisack/Rabitsch a.a.O. S. 212. 38 Maisack/Rabitsch a.a.O. S. 212. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 10 hof geforderten Anhaltspunkte zweifellos vor, so dass der Gesichtspunkt, dass sich die Transportgenehmigung bzw. Vorzeugnis-Erstellung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als eine neutrale, berufstypische, normale oder alltägliche Amtshandlung darstellt, nicht dazu führen kann, ihr den Charakter als Beihilfe zur der später im Bestimmungsland begangenen Tierquälerei abzusprechen.“39 Der Einstufung des Schächtens als grundsätzlich tierquälerisch stehe auch nicht entgegen, dass solche Schlachtungen auch in Deutschland als Ausnahme zugelassen werden könnten, da „keine Rede davon sein“ könne, dass die einschlägigen Voraussetzungen und Schranken in „den Ländern des Nahen Ostens, des Maghreb, der Türkei und den asiatischen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion auch nur ansatzweise eingehalten würden“.40 Zur Begründung verweisen die Autoren hier auf journalistische Berichte aus verschiedenen Ländern .41 Dass die Tat des Haupttäters – also namentlich des die Schächtung Durchführenden – nach dem internationalen deutschen Strafrecht nicht der deutschen Strafgewalt unterliegt und als solche deshalb keine Täterstrafbarkeit nach § 17 Nr. 2 TierSchG auslösen kann, spiele für die Beihilfe des deutschen Amtsveterinärs aufgrund der durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB gelockerten Akzessorietät keine Rolle: „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.“42 3.1.2. Bruhn/Verheyen Bruhn/Verheyen schließen sich in ihrem Rechtsgutachten43 im Wesentlichen den Ausführungen und Bewertungen von Maisack/Rabitsch an. Wohl noch über Maisack/Rabitsch hinausgehend erblicken Bruhn/Verheyen offenbar in jedem Schächten eine tierquälerische Schlachtung im Sinne des § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG44: „... muss er (der Amtsveterinär, Anm. d. Verf.) wissen, dass in muslimisch geprägten Ländern aufgrund religiöser Gebote ganz typischerweise Tiere geschächtet werden. (…) Die Berichterstattung in den Medien, aber auch Stellungnahmen von NGOs und nicht zuletzt die Berichterstattung von Personen, die sich vor Ort ein Bild gemacht haben , zeigen, dass die Tiere in den oben genannten Ländern geschächtet und damit unter länger anhaltenden erheblichen Schmerzen getötet werden.“45 Der Amtsveterinär sei aufgrund seiner Funktion bzw. ob seiner Garantenstellung „dazu berufen, Tierquälerei zu verhindern und die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben sicherzustellen. Speziell bei Tiertransporten muss er ausweislich Art. 14 Abs. 1 lit. a TTVO durch geeignete Kontrollen etwa die Einhaltung der Vorgaben der TTVO sicherstellen und kommt insofern bereits nicht völlig zufällig und arglos mit dem 39 Maisack/Rabitsch a.a.O. S. 213. 40 Maisack/Rabitsch a.a.O. S. 212. 41 Maisack/Rabitsch a.a.O. S. 212, 210. 42 Wortlaut § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB. 43 Bruhn/Verheyen, Rechtsgutachten im Auftrag der Hessischen Tierschutzbeauftragten zur Frage der Untersagung grenzüberschreitender Tiertransporte in Drittstaaten, 18.02.2019. 44 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 32 ff. 45 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 34. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 11 Haupttäter bzw. der späteren Tat in Verbindung. Stets muss er Verstöße gegen das Tierschutzgesetz verhindern. Es besteht eine besondere Schutzpflicht des Amtsveterinärs im Hinblick auf das Wohlbefinden des Tieres, welche aus dem gesetzlichen Aufgabenbereich nach dem Tierschutzgesetz herzuleiten ist. Amtsveterinäre sind aufgrund von § 16a Satz 1 TierSchG i.V.m. § 1 TierSchG Beschützergaranten für Wohl und Unversehrtheit der Tiere.“46 Selbst, wenn man die Auffassung vertrete, für den Amtsveterinär müsse aufgrund der Privilegierung neutraler, berufstypischer Handlungen für die Bejahung des Gehilfenvorsatzes eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die durch seine Mitwirkung exportierten Tiere im Zielland geschächtet würden, lägen diese Anhaltspunkte vor: „Das Schächten ist in bestimmten, muslimisch geprägten Drittländern nicht nur üblich, sondern aus kulturellen und religiösen Gründen zwingend geboten und häufig Gegenstand der Presseberichterstattung. Für den Amtsveterinär ist somit eine tierquälerische Behandlung der Tiere am Bestimmungsort sogar hochgradig wahrscheinlich.“47 Was den möglicherweise einer Strafbarkeit entgegenstehenden Vorrang von Unionsrecht vor nationalem Recht anbelange, lasse sich „konstatieren, dass der europäische Gesetzgeber einen solchen Einfluss auf das nationale Strafrecht nicht im Blick hatte und auch nicht beabsichtigt hat. Strafrechtliche Verhaltensweisen zu entkriminalisieren oder sogar ausdrücklich zu legalisieren, deren einziges Ziel die Quälerei von Tieren ist, war vom Unionsrecht ersichtlich nicht gewollt; vielmehr ist davon auszugehen, dass das Unionsrecht eine solche Auswirkung hier nicht im Blick gehabt hat.“48 Aus der Aufnahme der Querschnittsklausel Tierschutz in Artikel 13 AEUV und aus den Regelungen zur Tötung von Tieren in der TSVO49 ergebe sich, dass „das strikte Abstellen auf den Anwendungsvorrang an dieser Stelle einen Verstoß gegen europäische Interessen und Rechtsgüter der Europäischen Union nach sich ziehen“ würde, da diesen der Wille zugrundeliege , Schlachtungen unter tierquälerischen Bedingungen auch in Drittländern zu verhindern.50 Das Berufen auf die Vorrangigkeit des Unionsrecht solle sich deshalb entsprechend der allgemeinen Rechtsprechung des EuGH als missbräuchlich darstellen.51 3.2. Verneinende Stellungnahme: Krause Im Gegensatz zu den o.g. Auffassungen vertritt Krause die Auffassung, dass sich das Handeln des Amtsveterinärs, der im vorliegenden Kontext eine Transportgenehmigung nach Artikel 14 TTVO erteilt, als berufsbedingte neutrale, nicht auf die Förderung einer Straftat gerichtete Handlung darstellt, für die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung höhere Anforderungen an die Bejahung eines Gehilfenvorsatzes gölten, die grundsätzlich nicht vorlägen: „Bezogen auf die vorliegende Fragestellung bedeutet dies, dass ein Tiertransport aus Deutschland z.B. in die Türkei, für 46 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 33. 47 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 34 f. 48 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 37 f. 49 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24.09.2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung . 50 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 38 ff. 51 Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 41 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 12 die dort handelnden Schlachthofbetreiber Sinn macht, denn die angelieferten Tiere sollen bestimmungsgemäß geschlachtet und verarbeitet werden. Das Handeln der dortigen Schlachthofbetreiber ist nicht ausschließlich auf die Begehung einer Straftat gerichtet (…) Ein bloßes ‚für möglich halten‘ der Tatbegehung genügt nach der Rechtsprechung des BGH für eine Strafbarkeit des Gehilfen gerade nicht.“52 Gegenteiliges könne insbesondere auch nicht aus der Tatsache geschlossen werden, dass die Schlachtung im Zielland in Gestalt des Schächtens erfolge: Soweit die anders gearteten Bewertungen „aus der Üblichkeit des Schächtens am Bestimmungsort auf die Tierschutzwidrigkeit “ schlössen, sei auf § 4 Absatz 2 TierSchG hinzuweisen.53 Sei hiernach das Schächten unter bestimmten Umständen erlaubt, sei davon auszugehen, dass das Schächten in den Zielländern der Transporte „unter diesen Voraussetzungen ebenfalls zulässig wäre. Damit fehlt es in diesem Fall an einer beteiligungsfähigen Haupttat. Ohne beteiligungsfähige Haupttat keine strafbare Beteiligungshandlung.“54 Sofern es im Zusammenhang mit der Anlieferung eines Tieres in die Schlachteinrichtung im Zielland Misshandlungen gebe, sei „davon auszugehen, dass diese Exzesse nicht im Bewusstsein und nicht vom Vorsatz und Wissen des in Deutschland handelnden Amtstierarztes erfasst und gedeckt sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es derartige Übergriffe gibt. Aber sie mit der notwendigen Gewissheit zu betrachten, um den Gehilfenvorsatz nach den oben genannten Kriterien als erfüllt anzusehen, muss bezweifelt werden. Bei verständiger Würdigung dieser Rechtsprechung macht sich der handelnde Amtstierarzt bei der hier vorliegenden Sachverhaltsdarstellung (abstrakte Kenntnis darüber, dass in verschiedenen Ländern tierschutzwidrige Schlachtungen vorgenommen werden) nicht strafbar, weil es am doppelten Gehilfenvorsatz fehlt“55. 3.3. Summarische Bewertung 3.3.1. Haupttat und Vorsatzkonkretisierung Die unter Gliederungspunkt 3.1 dargelegten Auffassungen leiten den für eine Beihilfestrafbarkeit bezogenen Gehilfenvorsatz hinsichtlich der Tat des Haupttäters im Wesentlichen daraus ab, dass das fragliche Tier in einer bestimmten Art und Weise geschlachtet wird. Im Wesentlichen soll es den Auffassungen zufolge schon genügen, dass der Amtstierarzt davon ausgehen müsse, dass das Tier im Drittland geschächtet werde. Zwar wird seitens der Autoren auch auf im Zusammenhang mit dem Schächten stehende – im Wesentlichen der Vorbereitung dienende – Praktiken verwiesen , die ihrerseits tierquälerisch seien. Im Wesentlichen wird aber wohl schon das Schächten selbst und die Handlungen, die die Durchführung des Schächtens ermöglichen sollen, als ausreichend angesehen, um einen Vorsatz der Haupttat nach § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG zu begründen.56 52 Krause, Ist jeder Amtstierarzt, der eine Transportbescheinigung in ein „asiatisches oder vorderasiatisches Land“ ausstellt, ein potentieller Gehilfe zur Tierquälerei? Stellungnahme des dbb, undatiert. 53 Krause a.a.O. S. 3. 54 Krause a.a.O. S. 3. 55 Krause a.a.O. S. 3. 56 S. o. Gliederungspunkt 3.1.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 13 Es erscheint zweifelhaft, ob diese Auffassungen den hohen Anforderungen, die im Strafrecht an den auch für den Gehilfen erforderlichen Tatnachweis gerichtet werden, hinreichend Rechnung tragen. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG um einen normativ geprägten , unbestimmten Tatbestand, der eng auszulegen ist.57 Insbesondere die Tatbestandsmerkmale der „Erheblichkeit“ des Schmerzes und dessen „länger anhaltender“ Dauer sind unscharf und bedürfen, wie gezeigt, der jeweiligen Konkretisierung im Einzelfall.58 Im juristischen Schrifttum besteht auch kein Konsens dahingehend, dass Schächtungen per se den Tatbestand des § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG erfüllten. Ganz im Gegenteil wird hierzu festgestellt: „Demgegenüber wird Tieren bei einem lege artis durchgeführten betäubungslosen Schlachten (Schächten) nach überwiegender Meinung nur ein kurzer erheblicher Schmerz iSd § 18 Nr. 1 zugefügt.“59 Dies wird gerade auch vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Untersagung betäubungslosen Schlachtens von warmblütigen Tieren durch das Tierschutzgesetz betont: „Der Sinn der gesetzgeberischen Konzeption liegt vor dem Hintergrund der tatsächlichen Schlachtmethoden auf der Hand. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass jeder einzelne Schächtvorgang eine objektiv tierschutzwidrige Handlung sei; eine solche Beurteilung setzt voraus, dass die entsprechenden Tatbestände des Tierschutzgesetzes verwirklicht worden sind, vor allem, dass dem geschächteten Tier Schmerzen oder Leiden zugefügt worden sind.“60 Wenn aber das Schächten von Tieren nicht per se notwendigerweise den Tatbestand des § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG erfüllt, vermag auch die Vorstellung bei einem potentiellen Gehilfen, dass es zu einer Schächtung kommt, als solche bereits keinen Gehilfenvorsatz zu generieren. Soweit schließlich auf mit der konkreten Durchführung des Schächtens in bestimmten Kulturkreisen den Autoren zufolge regelmäßig verbundene Praktiken – wie etwa das Zusammenbinden der Füße etc. – abgestellt wird, würde ein einschlägiger Gehilfenvorsatz voraussetzen, dass gerade die fraglichen Praktiken – sollten sie sich denn als § 17 lit. b. TierSchG unterfallend erweisen – auch in der Vorstellung des Gehilfen vorhanden und von dessen Vorsatz gedeckt sein müssten. Insofern aber erscheinen Hinweise auf bestimmte Schlachtpraktiken in ganzen Regionen, Ländern oder gar Kulturkreisen, die auf einzelnen journalistischen Recherchen beruhen, zum einen zu pauschal und zum anderen nicht als hinreichender empirischer Beleg, um generell einen Gehilfenvorsatz im Einzelfall ableiten zu können. Vielmehr müsste im jeweiligen konkreten Einzelfall aufgrund besonderer Erkenntnisse belegt werden, dass gerade bei dem in Frage stehenden Tiertransport zu dem konkreten Ziel – insbesondere etwa auch einem adressierten Betrieb etc. – 57 S. o. Gliederungspunkt 2.1. 58 S. o. Gliederungspunkt 2.1. 59 Pfohl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 17 TierSchG, Rn. 4. 60 Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 222. EL Dezember 2018, § 4a TierSchG, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 14 der handelnde Gehilfe im Rechtssinne wusste61, dass es zu entsprechenden § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG unterfallenden Handlungen kommen würde. 3.3.2. EU-Tiertransportverordnung als normativer Bezugsrahmen des amtstierärztlichen Handelns Sowohl die hinsichtlich einer Strafbarkeit kritische wie auch die bejahenden Auffassungen problematisieren – an der Rechtsprechung orientiert zutreffend im Bereich des Gehilfenvorsatzes – die Frage, ob sich die Tätigkeit des Amtstierarztes nicht als berufstypische, neutrale Handlung darstelle.62 Betrachtet man die hier fragliche Tathandlung des Amtstierarztes, nämlich das Erteilen einer Transportgenehmigung nach Artikel 14 TTVO, genauer, zeigt sich, dass es sich hier nicht um frei verantwortetes berufstypisches Agieren handelt, sondern um hoheitliches Tätigwerden im Rahmen eines gebundenen Verfahrens. Die TTVO gilt als EU-Verordnung in Deutschland gemäß Artikel 288 Absatz 2 AEUV63 unmittelbar . Gemäß Artikel 14 Absatz 1 lit. a TTVO hat bei langen Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen zwischen Mitgliedstaaten und von und nach Drittländern die zuständige Behörde am Versandort durch geeignete Kontrollen zu überprüfen, – ob die im Fahrtenbuch angegebenen Transportunternehmer über die entsprechenden gültigen Zulassungen, die gültigen Zulassungsnachweise für Transportmittel, die für lange Beförderungen eingesetzt werden, und gültige Befähigungsnachweise für Fahrer und Betreuer verfügen und – ob das vom Organisator vorgelegte Fahrtenbuch wirklichkeitsnahe Angaben enthält und darauf schließen lässt, dass die Beförderung den Vorschriften dieser Verordnung entspricht (sog. Plausibilitätsprüfung). Wenn das Ergebnis dieser Kontrollen zufrieden stellend ist, hat gemäß Artikel 14 Absatz 1 lit. c TTVO die Behörde das Fahrtenbuch mit einem – im Ergebnis den Transport gestattenden – Stempel zu versehen. Nach der Konzeption der TTVO hat mithin die zuständige Behörde und haben die für sie Handelnden daran mitzuwirken, die Genehmigung im Sinne der TTVO zu erteilen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen und kein Versagensgrund vorliegt. Den Rahmen dafür, welche Voraussetzungen vorliegen müssen und ergo welche potentiellen Versagensgründe in Betracht kommen, zieht die TTVO selbst. Schon nach ihrem Anwendungsbereich können hierfür allein solche Gründe in Betracht kommen, die sich auf den Transport beziehen – denn nur hierfür gilt die gesamte TTVO gemäß ihrem „Artikel 1 – Geltungsbereich“: „Diese Verordnung regelt den Transport lebender Wirbeltiere innerhalb der Gemeinschaft, einschließlich der spezifischen 61 Ggf. also im Sinne des dolus eventualis. 62 S. o. Gliederungspunkt 3.1. und 3.2. 63 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung vom (Abl. C 326/47 vom 26.10.2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 15 Kontrollen, denen Tiersendungen bei der Ankunft im Zollgebiet der Gemeinschaft oder bei dessen Verlassen von Beamten unterzogen werden.“ Unter „Transport“ ist gemäß Artikel 2 lit. w TTVO zu verstehen „jede Bewegung von Tieren in einem oder mehreren Transportmitteln sowie alle damit zusammenhängenden Vorgänge, einschließlich des Verladens, Entladens, Umladens und Ruhens, bis zum Ende des Entladens der Tiere am Bestimmungsort“. Daraus folgt, dass die TTVO jedenfalls ab dem Ende des Entladens der Tiere am Bestimmungsort nicht mehr einschlägig ist. Daraus wiederum folgt, dass sich die nach Artikel 14 TTVO zu treffende Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der einschlägigen Genehmigung nicht auf Faktoren beziehen kann, die sich erst nach dem Entladen des Tieres am Bestimmungsort in einem Drittland ereignen – und damit auch nicht auf die Art und Weise der dortigen Schlachtung. Dieses bereits aus dem Anwendungsbereich der TTVO ableitbare Ergebnis wird zusätzlich ausdrücklich auch durch den Wortlaut von Artikel 14 Absatz 1 lit. a ii TTVO gestützt: Die dort beschriebene so genannte „Plausibilitätsprüfung“64 erstreckt sich demnach ausschließlich darauf, ob die Beförderung mutmaßlich den Vorschriften der TTVO entspricht. Unter Beförderung ist gemäß Artikel 2 lit. j TTVO zu verstehen „der gesamte Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen“. Die TTVO gilt als EU-Verordnung in Deutschland unmittelbar, das heißt sie bedarf keiner Transformation in nationales Recht, sondern ist als solche ohne Weiteres zwingend von den handelnden Behörden und Amtsträgern zu beachten.65 Die Gesetzesbindung der Verwaltung gemäß Artikel 20 Absatz 3 GG66 umfasst auch unmittelbar geltendes EU-Recht.67 Darüber hinaus normiert Artikel 291 AEUV ausdrücklich die Pflicht der Mitgliedstaaten, alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht durchzuführen . Dabei sind sämtliche Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten sowie die ihnen zurechenbaren Einrichtungen in den Kreis der Verpflichtungsadressaten einbezogen, soweit sie nach Maßgabe der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung zur Durchführung des sekundären Unionsrechts berufen sind.68 Für die strafrechtliche Bewertung des amtstierärztlichen Handelns im vorliegenden Kontext hat dies zur Folge, dass es im Ergebnis schon aufgrund des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung nicht gangbar erscheint, dem vom einschlägigen Recht angeordneten Erteilen einer Genehmigung durch einen Amtsträger im Rahmen eines hoheitlichen, gebundenen Verfahrens strafrechtlich einen objektiven Handlungsunwert beizumessen.69 Jedenfalls aber kann bei einer solchen Konstel- 64 Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 3. 65 Vgl. W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Artikel 288 AEUV Rn. 42 ff. 66 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist. 67 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 85. EL November 2018, Artikel 20 GG Rn. 60. 68 Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Artikel 291 AEUV Rn. 5. 69 Vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Auflage 1996, § 31 III. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 16 lation ein einschlägiger auf eine Rechtsgutverletzung gerichteter Handlungswille schwerlich unterstellt werden – geschweige denn, wenn die gesteigerten Anforderungen der Rechtsprechung an den Eventualvorsatz des Gehilfen bei neutralen, berufstypischen Handlungen zugrunde gelegt werden. Beim bedingten Vorsatz ist, wie gesehen70, das voluntative Element ausschlaggebend für die Strafbarkeit und die Abgrenzung zur straflosen bewussten Fahrlässigkeit: In der Durchführung der Tathandlung muss der Gehilfe offenbaren, dass er den Erfolgseintritt „billigend in Kauf“ nehme. In der vorliegenden Konstellation, wo die vermeintliche Gehilfenhandlung jedoch gerade in Exekution einer – aus der TTVO folgenden – Rechtspflicht erfolgt, kann ein solches voluntatives Element schwerlich konstatiert werden. 3.3.3. Maßgeblichkeit von Unionsrecht bei der Anwendung von nationalen Straftatbeständen Aus dem Grundsatz der Unionsstreue ist eine Schutzverpflichtung der Mitgliedstaaten für alle Interessen der Europäischen Union, die für ihre Funktionsfähigkeit und die Durchsetzung ihrer Politiken von Bedeutung sind, abzuleiten.71 Die Mitgliedstaaten können auch nicht einseitig den Inhalt oder die Anwendbarkeit einer EU-Verordnung abändern.72 Im Falle der Kollision von mitgliedstaatlichem Strafrecht und unmittelbar geltendem Unionsrecht besteht ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts, der zur Unanwendbarkeit der betroffenen Strafnorm – ihrer Neutralisierung – führt.73 Wo es möglich ist, kann das Schutzgebot auch durch eine unionskonforme Auslegung nationaler Strafnormen erfüllt werden.74 Die TTVO gilt als EU-Verordnung in Deutschland, wie bereits festgestellt, unmittelbar.75 Sie regelt ausweislich ihres Artikels 1 Absatz 1 den Transport lebender Wirbeltiere innerhalb der Gemeinschaft , einschließlich der spezifischen Kontrollen, denen Tiersendungen bei der Ankunft im Zollgebiet der Gemeinschaft oder bei dessen Verlassen von Beamten unterzogen werden. Daraus, dass Artikel 14 TTVO Kontrollen in Bezug auf Fahrtenbücher und andere Maßnahmen vorsieht, die von der zuständigen Behörde vor „langen Beförderungen“ durchzuführen sind, und in lit. a insofern ausdrücklich „lange(n) Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen (…) nach Drittländern“ behandelt, geht klar hervor, dass die TTVO solche Transporte nicht etwa untersagt, sondern sie im Gegenteil – bei Einhalten der einschlägigen Anforderungen – als zulässig erachtet. Wie oben gesehen, ist nach der Konzeption der TTVO und der Definition ihres Anwendungsbereichs dabei unerheblich, was nach Beendigung des Transports im Drittland mit den Tieren geschieht. Die etwaig tierschutzpolitisch erwünschte 70 S. o. Gliederungspunkt 2.1. 71 Hecker, in: Schönke-Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen vor § 1 StGB, Rn. 28. 72 W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Artikel 288 AEUV Rn. 44. 73 Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 478; W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Artikel 288 AEUV Rn. 44; Hecker, in: Schönke-Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen vor § 1 StGB, Rn. 28. 74 Hecker, in: Schönke-Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, Vorbemerkungen vor § 1 StGB, Rn. 28. 75 Vgl. W. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Artikel 288 AEUV Rn. 42 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 17 Regelung, dass Tiertransporte in Drittstaaten, die ein dem europäischen Regelungen vergleichbares Tierschutzniveau nicht aufweisen, unzulässig sind, findet jedenfalls in der geltenden TTVO keine Grundlage. Wenn man mit den Vertretern der unter Gliederungspunkt 3.1 dargestellten Auffassungen annehmen wollte, dass das bloße Ausstellen einer Genehmigung nach Artikel 14 TTVO für den Transport in bestimmte Drittländer nach den deutschen Strafrechtsnormen eine strafbare Beihilfe zu einer im Nachgang zum Transport begangenen Straftat eines Dritten gemäß § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG darstellt, führte dies im Ergebnis dazu, dass die Regelung der TTVO, wonach ein Tiertransport in ein Drittland unabhängig von nach Abschluss des Transports möglichen Geschehnissen zulässig sein soll und zu genehmigen ist, partiell ausgehebelt würde, da das Erteilen der Genehmigung aufgrund der Strafandrohung unterbleiben würde und der Tiertransport in das gewünschte Drittland verunmöglicht würde. Diesem Befund stünde auch nicht etwa Artikel 1 Absatz 3 TTVO entgegen, wonach die TTVO etwaigen strengeren einzelstaatlichen Maßnahmen nicht entgegen steht, da dies nur für Maßnahmen gilt, „die den besseren Schutz von Tieren bezwecken, die ausschließlich im Hoheitsgebiet oder vom Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aus auf dem Seeweg befördert werden.“ Im Gegenteil verstärkt diese punktuelle Ausnahmeregelung e contrario den vorstehenden Befund, dass Abweichungsmöglichkeiten von den Regelungen der TTVO bei grenzüberschreitenden Transporten auf dem Landweg grundsätzlich nicht vorgesehen sind. Die damit gegebenenfalls, d. h. bei entsprechender Interpretation der nationalen Strafrechtsnormen auftretende Kollision zwischen nationalem und europäischen Recht wäre derart aufzulösen, dass entweder das nationale Strafrecht insofern unangewendet bliebe oder dass es – etwa unter Einbeziehung der vorstehend unter Gliederungspunkt 3.3.2 dargelegten Erwägungen – unionskonform dahingehend auszulegen wäre, dass eine Strafbarkeit des vermeintlichen Gehilfen verneint würde. Im Ergebnis wäre eine Strafbarkeit des Amtsveterinärs zu verneinen. Ob diesem Befund tatsächlich entgegengehalten werden kann, dass sich aus allgemeinen Grundsätzen und nicht unmittelbar einschlägigen Regelungen des Unionsrechts ergebe, dass dieses den Export von Tieren in Drittländer, in denen diese Tiere geschächtet werden, verhindern wolle76, vermag vorliegend nicht abschließend beurteilt zu werden. Es erscheint jedoch zum einen fraglich , ob im Rahmen der Auslegung tatsächlich unterstellt werden kann, dass Tiertransporte in die besagten Staaten als „einziges Ziel“ die Quälerei von Tieren zum Ziel hätten.77 Zum anderen kann auch argumentiert werden, dass gerade daraus, dass der europäische Gesetzgeber die Problematik nicht den europäischen Tierschutzvorstellungen entsprechender Schlachtungen in Drittländern nur für den Aspekt des Imports geregelt hat78, gefolgert werden könnte, dass er den Export nicht unterbinden wollte, obwohl er von der dortigen Schlachtpraxis offenbar Kenntnis hatte. 76 So Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 37 ff. 77 So Bruhn/Verheyen a.a.O. S. 37 f. 78 Vgl. Artikel 12 TSVO Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 037/19 Seite 18 4. Fazit Die im Strafrecht verkörperte Strafandrohung stellt – zumal in Gestalt der Freiheitsstrafe79 – im Falle ihrer Verwirklichung den schärfsten Eingriff in die Rechte des Einzelnen dar, der nach der geltenden deutschen Rechtsordnung denkbar ist.80 Aufgrund dessen gelten im Strafrecht höchste Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit und Voraussehbarkeit der Anwendung der jeweiligen Straftatbestände.81 Dies gilt gerade bei Straftatbeständen, die auf normative Tatbestandsmerkmale abstellen, also solchen, die sich nicht ohne weiteres aus der unmittelbaren Anschauung ergeben , sondern eine Wertung voraussetzen – wie es namentlich bei § 17 Nr. 2 TierSchG der Fall ist.82 Diese hohen Anforderungen gelten wiederum nicht nur für den jeweiligen Haupttäter, sondern selbstverständlich auch für etwaige Tatteilnehmer, namentlich Gehilfen. Es ist insofern schon zweifelhaft, ob Feststellungen, die sich auf einzelne journalistische Berichte stützen, hieraus auf Praktiken in ganzen Regionen, Ländern oder gar Kulturkreisen schließen und daraus sodann pauschal einen Tatvorsatz im Einzelfall hinsichtlich räumlich weit entfernter und zeitlich weit vorgelagerter Handlungen ableiten, gangbar sind. Daneben begegnet es aber auch Bedenken, wenn in jedem Schächten von Tieren im außereuropäischen Ausland bereits ein hinreichender Taterfolg i. S. d. § 17 Nr. 2 lit. b TierSchG erblickt wird, da nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass bei jedem Schächtvorgang die Tatbestandsmerkmale der länger anhaltenden erheblichen Schmerzen/Leiden vorliegen.83 Des Weiteren scheinen die Auffassungen, die im vorliegenden Kontext ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko von Amtsveterinären bejahen, auch insofern fragwürdig, als sie die Verankerung des einschlägigen hoheitlichen Prüfvorgangs in der TTVO und die sich daraus ergebenden inhaltlichen Beschränkungen des Prüfmandats nicht im gebotenen Umfang zu berücksichtigen scheinen. Insgesamt muss damit konstatiert werden, dass eine summarische Prüfung der oben dargestellten , eine Strafbarkeit bejahenden Auffassungen verschiedene rechtliche Bedenken aufgezeigt hat, die es in der Summe fraglich erscheinen lassen, ob ein Strafbarkeitsrisiko für Amtstierärzte im vorliegenden Kontext tatsächlich im behaupteten Umfang besteht.84 * * * 79 Nach § 17 TierSchG kann Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängt werden. 80 Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Auflage 1996, § 7 I. 81 Jescheck/Weigend a.a.O. § 15 III 3. 82 Jescheck/Weigend a.a.O. § 15 III 3 sowie oben Gliederungspunkt 2.1. 83 S. o. bei Fußn. 59. 84 Diesem Befund scheint zu entsprechen, dass einschlägige Judikate zur Strafbarkeit von Amtsveterinären aus dem vorliegend geprüften Gesichtspunkt offenbar nicht vorliegen – obgleich die zur Begründung herangezogenen Normen seit vielen Jahren in Kraft sind.