© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 037/18 Haftungsrechtliche Regeln für Kuratoriumsmitglieder von privatrechtlichen gemeinnützigen Stiftungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 2 Haftungsrechtliche Regeln für Kuratoriumsmitglieder von privatrechtlichen gemeinnützigen Stiftungen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 037/18 Abschluss der Arbeit: 21. Februar 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Privatrechtliche gemeinnützige Stiftungen 4 2. Haftung von Vorstandsmitgliedern 4 2.1. Grundsatz 4 2.2. Haftungspriviliegierung 6 3. Haftung von Kuratoriumsmitgliedern 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 4 1. Privatrechtliche gemeinnützige Stiftungen Eine Stiftung im Rechtssinne ist die vom Stifter geschaffene rechtsfähige Institution, die die Aufgabe hat, mit Hilfe des der Stiftung gewidmeten Vermögens den Stiftungszweck dauernd zu verfolgen .1 Der Stifterwille ist nicht nur für die Errichtung der Stiftung mittels des Stiftungsgeschäfts (§§ 80 Absatz 1, 80 BGB2), sondern auch für deren Verfassung maßgeblich (§ 85 BGB).3 Unterschieden werden zum einen privatrechtliche und öffentlichrechtliche Stiftungen. Während die o. g. Kernmerkmale beiden Stiftungsarten zu eigen sind, unterscheiden sich die öffentlichrechtlichen Stiftungen von den privatrechtlichen „durch besondere Kennzeichen, die ihnen den öffentlich-rechtlichen Charakter verleihen“4, namentlich den Entstehungstatbestand in Gestalt eines Gesetzes oder Verwaltungsaktes.5 Die §§ 80 ff. BGB regeln allein die privatrechtliche rechtsfähige Stiftung.6 Innerhalb der privatrechtlichen Stiftungen wird wiederum anhand des Stiftungszwecks unterschieden zwischen öffentlichen und privaten Stiftungen: Während die private Stiftung nur einem durch Familien-, Vereins- oder Betriebszugehörigkeit begrenzten Personenkreis zugute kommt, dient die öffentliche Stiftung gemeinnützigen Zwecken.7 Sie wird dem entsprechend mitunter auch als gemeinnützige Stiftung bezeichnet. 2. Haftung von Vorstandsmitgliedern 2.1. Grundsatz Die Haftung der Stiftung selbst gegenüber Dritten (Außenhaftung) richtet sich nach §§ 86, 31 BGB.8 Danach ist die Stiftung „für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.“ 1 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Auflage 2014, § 1 Rn. 6 m.w.N. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist. 3 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 1 Rn. 6. 4 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 2 Rn. 1. 5 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 1 Rn. 11. 6 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 2 Rn. 1. 7 von Campenhausen/Stumpf, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 2 Rn. 3. 8 Hof, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 8 Rn. 292. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 5 Eine persönliche Haftung von Organmitgliedern gegenüber der Stiftung (Innenhaftung) kann sowohl unmittelbar gegeben sein als auch anknüpfend an eine Außenhaftung der Stiftung im Wege der Rückgriffshaftung. Anspruchsgrundlage ist mangels spezialgesetzlicher Haftungsvorschriften aufgrund §§ 86, 27 Absatz 3 BGB in der Regel eine so genannte positive Forderungsverletzung (§ 280 BGB) des jeweiligen Anstellungsvertrags oder Auftrags.9 In Betracht kommt grundsätzlich auch eine deliktische Haftung gemäß § 823 Absatz 1 BGB oder § 826 BGB.10 Mehrere Vorstandsmitglieder sind grundsätzlich in ihrer Gesamtheit für die Leitung der Geschäfte verantwortlich.11 Durch interne Zuständigkeitsverteilung (Ressortverteilung) im Vorstand oder Delegation von Aufgaben können sie sich der umfassenden Verantwortung zwar grundsätzlich nicht entziehen, doch kann dadurch die deliktsrechtliche Haftung und strafrechtliche Verantwortung eingeschränkt werden12: „Wird ein Ressort einem Vorstandsmitglied zugewiesen, wandelt sich der Pflichteninhalt der übrigen Mitglieder von der unmittelbaren geschäftsführenden Tätigkeit hin zu einer Überwachungspflicht hinsichtlich der den anderen Vorstandsmitgliedern zugewiesenen Aufgaben. Der konkrete Umfang der Überwachungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei beispielsweise Gegenstand und Größe des Vereins, die Bedeutung des Geschäfts und die Risikoträchtigkeit eine Rolle spielen.“13 Es gilt grundsätzlich der allgemeine Haftungsmaßstab des § 276 BGB, doch kann die Satzung etwas anderes bestimmen, zum Beispiel leichte Fahrlässigkeit ausklammern.14 Maßgeblich für die Bestimmung der Pflichten und deren Umfang im einzelnen ist der jeweilige Stiftungszweck sowie der Umstand, das Vermögensinteressen in treuhänderischer Funktion wahrgenommen werden .15 Hat das Organ der juristischen Person eine unerlaubte Handlung begangen, aus welcher der Verein gemäß § 31 BGB haftet, so sind der Verein und die handelnden Personen gemäß §§ 421, 840 BGB Gesamtschuldner.16 9 Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, 1. Auflage 2010, Kapitel 11 Rn. 25; Hof, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 8 Rn. 297. 10 Hof, in: von Campenhausen/Richter (oben Fußn. 1), § 8 Rn. 297. 11 Staudinger/Günter Weick (2005) BGB § 26, Rn. 25. 12 Staudinger/Günter Weick (2005) BGB § 26, Rn. 25; Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 3. Auflage 2016, Kapitel 2, Rn. 91; Leuering/Keßler, Die Organhaftung des Vereinsvorstands, NJW-Spezial 2017, 335. 13 Leuering/Keßler, Die Organhaftung des Vereinsvorstands, NJW-Spezial 2017, 335, 336. 14 Staudinger/Günter Weick (2005) BGB § 26, Rn. 25 15 Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann (oben Fußn. 9), Kapitel 11 Rn. 26. 16 Staudinger/Günter Weick (2005) BGB § 31, Rn. 49. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 6 2.2. Haftungspriviliegierung Durch das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen vom 28. September 200917 wurde mit § 31a BGB eine Haftungsprivilegierung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände eingeführt. Die Haftungsprivilegierung wurde aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages ausdrücklich auch auf vergleichbare Stiftungsvorstände ausgedehnt: „Die für Vereinsvorstände vorgesehene Haftungsbegrenzung soll auch für Stiftungsvorstände gelten. Die Haftungssituation der im Wesentlichen unentgeltlich tätigen Stiftungsvorstände ist derjenigen der Vereinsvorstände vergleichbar. Auch sie sehen sich einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Auch hier ist es gerechtfertigt, dass die Stiftung Schäden, die ihr ein solches Vorstandsmitglied einfach fahrlässig verursacht, selbst trägt…“18 Durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts vom 21. März 201319 (Ehrenamtsstärkungsgesetz) wurde die Haftungsprivilegierung weiter ausgebaut.20 Im Ergebnis haften Vorstandsmitglieder einer Stiftung gemäß §§ 86, 31a BGB für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, wenn sie unentgeltlich tätig sind oder sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten , die 720 Euro jährlich nicht übersteigt (§ 31a Absatz 1 Satz 1 BGB). Ist streitig, ob ein Vorstandsmitglied einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat, trägt die Stiftung die Beweislast (§ 31a Absatz 1 Satz 3 BGB). Sind Vorstandsmitglieder einem Dritten zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den sie bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursacht haben, so können sie von der Stiftung die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen, wenn der Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde (§ 31a Absatz 2 BGB). 3. Haftung von Kuratoriumsmitgliedern Es steht einem Stifter frei, neben dem Vorstand auch andere Organe in der Satzung vorzusehen, die Aufgabenverteilung nach seinem Ermessen zu regeln und auch die Bezeichnung der Organe zu wählen.21 Von dieser Möglichkeit wird häufig Gebrauch gemacht.22 So verfügen Stiftungen neben dem Leitungsorgan (Vorstand) nicht selten über Aufsichtsorgane (Beiräte, Kuratorien).23 Als „Kuratorium“ wird mithin in der Regel ein Organ bezeichnet, das eine gegenüber dem Vorstand 17 BGBl. I S. 3161. 18 BT-Drs. 16/13537, S. 4. 19 BGBl. I S. 556. 20 Vgl. Weitemeyer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 80 Rn. 18. 21 Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 3. Auflage 2016, Kapitel 2, Rn. 67. 22 Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB § 86, Rn. 80. 23 Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) BGB Vorbemerkungen zu §§ 80–88, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 037/18 Seite 7 kontrollierende und/oder beratende Aufgabe wahrnimmt und etwa mit der Formulierung von Förderrichtlinien, der Abnahme von Berichten und der Entlastung des Vorstands betraut wird.24 Welche Funktion einem Kuratorium innerhalb einer Stiftung tatsächlich zukommt, bestimmt sich jedoch stets nach der konkreten Stiftungsverfassung. So ist es namentlich durchaus möglich, dass es sich bei dem mit „Kuratorium“ bezeichneten Organ tatsächlich schlicht um den Vorstand der Stiftung handelt.25 Hinsichtlich der Haftung von Kuratoriumsmitgliedern gilt das unter Gliederungspunkt 2 Ausgeführte grundsätzlich entsprechend. Umstritten ist allerdings, inwiefern die Haftungsprivilegierung des § 31a BGB auch auf Mitglieder von bloßen Aufsichts- und Beratungsgremien Anwendung findet. So soll einer Auffassung zufolge die Haftungsmilderung nur für Personen greifen, die Inhaber rechtlich und faktisch verdrängender Zuständigkeiten sind, da diese Personen diejenigen seien, „die die für … die Stiftung bzw. ihre Einrichtungen riskanten und dementsprechend mit einer besonderen Haftungsgefahr verbundenen Entscheidungen treffen.“26 Überwiegend wird jedoch die Auffassung vertreten, die Haftungsprivilegierung greife bereits dann, wenn das betreffende Gremium in der Satzung vorgesehen sei und die Mitglieder des Aufsichtsgremiums bei der Leitung der Stiftung mitwirkten.27 Dies sei namentlich schon dann der Fall, wenn sie mittelbar zur Willensbildung beitragen.28 *** 24 Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 3. Auflage 2016, Kapitel 2, Rn. 67. 25 So etwa bei der Volkswagenstiftung, vgl. § 5 Absatz 1 der Satzung (abrufbar unter https://www.volkswagenstiftung .de/fileadmin/downloads/Satzung_VWS.pdf): „Vorstand der Stiftung ist das Kuratorium.“ 26 Reuter, Änderungen des Vereins- und Stiftungsrechts durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz, npoR 2013, 41, 43 f. 27 Mansel, in: Jauernig, BGB, 16. Auflage 2015, § 31a Rn. 2; Arnold, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 31a BGB Rn. 4; Leuschner, Das Haftungsprivileg der §§ 31a, 31b BGB, NZG 2914, 281, 285. 28 Leuschner (oben Fußn. 27), 285.